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Sprachkritik und Autobiographie. Über Victor Klemperers »LTI. Notizbuch eines Philologen« (1947)

  • Victor Klemperers Schrift »LTI. Notizbuch eines Philologen« wurde bereits in der Erstauflage zu 10.000 Exemplaren gedruckt, aber sie wurde nicht gleich zu dem Erfolg, den sich ihr Autor erhofft hatte. An Silvester 1947, nachdem ihm der Verlag das Geschenk eines eigens für ihn gebundenen Exemplars des ansonsten kartonierten Werks zugeschickt hatte, notierte er bedrückt in sein Tagebuch: »In diesem schönen Band […] tritt die Jämmerlichkeit des Papiers u. des Druckes noch krasser hervor. Im übrigen ist es ganz still von der LTI. Wo sind die 10.000 Exemplare? In keiner Buchhandlung, in keiner Redaktion. Keine Zeitung hat davon Notiz genommen.« Heute ist diese früh geäußerte Enttäuschung zu einer Fußnote geworden, denn das Buch gehört längst zu den Klassikern der Sprachkritik, liegt in sechsstelliger Auflagenhöhe und in vielen Übersetzungen vor. Das Nachdenken über die linguistische Korruption der modernen öffentlich-politischen Rede wurde durch wenige Werke so sehr angeregt wie durch dieses. LTI wurde dabei einerseits als »bedeutendes zeithistorisches Dokument« für die Ära des »Dritten Reiches« betrachtet, andererseits als »Wissensspeicher« für die Analyse der Funktionsweise einer Diktatur im Allgemeinen interpretiert. Beide Lesarten finden im Buch ihre Belege. Der ironische Latinismus »LTI« (für »Lingua Tertii Imperii«, »Sprache des Dritten Reiches«) war Kommentar und Deckkürzel zugleich; er persiflierte die nazistische Sucht nach Abkürzungen; und er war auch die »Geheimformel« (S. 20) in Klemperers Tagebuch der Jahre 1933–1945, mit der er seine Sprachbeobachtungen markierte. Ob nun mit dem Akzent auf die Zeugenschaft des Autors oder mit dem Blick auf die analytischen Angebote des Buches: Es ist in keiner dieser Perspektiven eine vergessene Schrift, sondern ein kanonisch gewordenes Werk, das im doppelten Wortsinne Geschichte geschrieben hat.

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Metadaten
Author:Nicolas BergORCiDGND
URL:https://zeithistorische-forschungen.de/2-2023/6141
DOI:https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2813
Parent Title (German):Zeithistorische Forschungen – Studies in Contemporary History
Publisher:ZZF – Centre for Contemporary History: Zeithistorische Forschungen
Place of publication:Potsdam
Document Type:Journal Article
Language:German
Date of Publication (online):2024/09/09
Date of first Publication:2024/09/09
Release Date:2024/09/11
Volume:20
Issue:2
First Page:331
Last Page:345
Dewey Decimal Classification:4 Sprache / 40 Sprache / 400 Sprache
9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 943 Geschichte Mitteleuropas; Deutschlands
ZZF Chronological-Classification:20. Jahrhundert
1940er
1945-
1900-1945
ZZF Regional-Classification:Europa
Europa / Westeuropa
Europa / Westeuropa / Deutschland
Europa / Westeuropa / Deutschland / DDR
Europa / Westeuropa / Deutschland / Bundesrepublik
ZZF Topic-Classification:Nationalsozialismus
Holocaust
Politik
Kultur
Kommunikation
Medien
Begriffe
Judentum
Antisemitismus
Biographie
Geistes- und Ideengeschichte
Intellectual History
Mentalität
Propaganda
Wissenschaft
Wissen
Zeitzeugen
Web-Publications:Zeithistorische Forschungen
Publication type:Rezension
Studies in Contemporary History: Articles:2 / 2023 Jüdische Sprachkritik nach dem Holocaust
Licence (English):License LogoCreative Commons - Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0)