20. Jahrhundert
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»Jahrhundertstimmen«. Eine Sammlung von Tondokumenten als Quellen der deutschen Zeitgeschichte
(2025)
Vor knapp 40 Jahren hat Friedrich Kittler die »technische Ausdifferenzierung von Optik, Akustik und Schrift« durch Grammophon, Film und Typewriter um 1880 zur Epochenschwelle erklärt, mit der die Gutenberg-Galaxis der hegemonialen Schriftkultur an ihr Ende gekommen sei. Mit Thomas Lindenberger lässt sich dieses Ende der Gutenberg-Galaxis zugleich als der eigentliche Beginn der Zeitgeschichte verstehen, die dank der optischen und akustischen Zeit-Speicher-Medien epistemologisch auf einer anderen Grundlage stehe als die Geschichtsschreibung früherer Epochen. Nicht zuletzt in dieser Zeitschrift ist die »Herausforderung [der Zeitgeschichte] durch die audiovisuellen Medien« seitdem vielfach diskutiert und zum Ausgangspunkt der Geschichtsforschung gemacht worden. Dabei lässt sich jedoch eine gewisse Schieflage zugunsten der visuellen Medien nicht verkennen. Auch wenn sich die Sound History in den vergangenen Jahren zunehmend als eigenes Forschungsfeld innerhalb der Geschichtswissenschaft etabliert hat, kann man konstatieren, dass der quellenkritische Umgang mit historischen Tondokumenten bisher nicht die gleiche Aufmerksamkeit erhalten hat wie derjenige mit historischen Fotografien oder anderen Bildmedien. Die Publikation einer umfangreichen Sammlung von Tondokumenten in zwei Boxen mit insgesamt sieben MP3-CDs, 842 Tracks und knapp 64 Stunden Gesamtlaufzeit unter dem Titel »Jahrhundertstimmen« gibt nun die Gelegenheit, sich auf eine auditive Spurensuche durch das ganze 20. Jahrhundert zu begeben und vor dem Hintergrund der medienhistorischen Diskussionen der letzten Jahre nach dem Stellenwert von Tondokumenten als Quellen der (deutschen) Zeitgeschichte zu fragen.
Aus meiner erstmaligen Lektüre von Dan Diners Buch »Das Jahrhundert verstehen«, das ich wohl zu Beginn der 2000er-Jahre las, ist mir die einleitende Bemerkung des Autors in Erinnerung geblieben, die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert sei besser zu fassen, wenn der Blick von der Potemkinʼschen Treppe in Odessa nach Süden und Westen streife. Der besondere Klang Diners ist mir ebenfalls im Ohr geblieben: viele prägnante Formulierungen, aber manchmal komplizierte Sätze – fast bis zur Unverständlichkeit. Die erneute Lektüre des Buches lässt der Treppe von Odessa ihren Wert als anschauliches Bild, aber die Botschaft tritt nun, nach 25 Jahren mehr an eigener Leseerfahrung und im Wissen um spätere Ereignisse, deutlicher hervor.
Die Historische Parlamentarismusforschung beschäftigt sich mit den modernen Repräsentativsystemen, die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert entstanden sind. Der folgende Artikel wird in einem ersten Abschnitt Grundsätzliches wie Definition und Reichweite des modernen Parlamentarismus behandeln, während im zweiten Abschnitt wichtige Themen der historischen Parlamentarismusforschung vorgestellt werden.
Jetzt in einer aktualisierten Version 2.0: Biografie ist ein literarisches und wissenschaftliches Genre, das erst durch theoretische und methodische Reflexionen zu einem konzeptionellen Ansatz der Geschichtswissenschaft wird. Levke Harders beginnt ihren Beitrag mit einer Übersicht zur Entwicklung der Biografik in den (deutsch- und englischsprachigen) Geschichtswissenschaften, thematisiert anschließend die Popularität (sowie die Grenzen) des Genres und stellt einige aktuelle Forschungsfelder der Biografik vor, die sich „neuen“ Subjekten und Themen widmen.
Sidney Mintzʼ »Kulturgeschichte des Zuckers« ist längst ein Klassiker. Mintz (1922–2015) charakterisierte das Buch als Ergebnis einer langjährigen »Erforschung der Geschichte der Karibik und derjenigen tropischen, vornehmlich landwirtschaftlichen Produkte […], die mit der ›Entwicklung‹ dieser Region seit ihrer Eroberung durch die Europäer fest verknüpft sind« (S. 11). Ihn habe interessiert, wie und warum Europäer und Nordamerikaner zu Konsumenten karibischer Erzeugnisse wurden. »Und wenn man versucht«, so die programmatische Formulierung, »Konsumption und Produktion, Kolonie und Metropole zusammenzubringen, dann geschieht es leicht, daß man die eine oder die andere – den ›Mittelpunkt‹ oder den ›Außenrand‹ – nicht mehr so richtig scharf sieht.« (S. 13)
Grenzgänger des Wissens. Zur Historizität und Aktualität von Hans Peter Duerrs »Traumzeit« (1978)
(2025)
»Innerhalb kürzester Zeit wurden 150.000 Exemplare verkauft, so etwas kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.« Mit diesen Worten blickte der Ethnologe Hans Peter Duerr im Jahr 2009 auf sein Werk »Traumzeit« zurück, dessen Strahlkraft sich an den unzähligen Besprechungen in Fachzeitschriften und Feuilletons ablesen lässt. Der 1978 im linken, westdeutschen Syndikat Verlag publizierten Erstausgabe folgten in wenigen Jahren fünf weitere Auflagen. 1985 erschien eine Neuausgabe bei Suhrkamp, die ihrerseits stetig nachgedruckt wurde (zuletzt 2021 bzw. seither als Print on Demand), und zudem eine Übersetzung ins Englische. Auf dem Rücken des roten Suhrkamp-Bandes prangt der Tribut der Schweizer Zeitung »Die Weltwoche« an ein »mittlerweile berühmt gewordenes Kultbuch«. Während der Paratext die »Traumzeit« diskursiv in die luftigen Höhen eines wie auch immer definierten Kanons erhebt, tat der Bergsteiger Reinhold Messner dies 1979 ebenso performativ wie wörtlich, indem er das Buch in seinem Rucksack zusammen mit Werken von Platon und Tolstoi auf den K2 trug. Auch wenn Duerr partout keinen »Klassiker« geschrieben haben will, muss er sich heute das Etikett des »meist gelesenen Ethnologen der deutschen Nachkriegszeit« gefallen lassen. Kurz: Bei der »Traumzeit« handelte es sich, um die Wortschöpfung eines Fachrezensenten zu gebrauchen, fraglos um einen »Ethnobestseller«, der auch als solcher beworben wurde.
Wer im Berliner Humboldt Forum nach der »Zukunft der Benin-Bronzen« sucht, stößt auf eine Galerie sprechender Köpfe. Der gleichnamige Saal im Ostflügel des Gebäudes präsentiert als sein zentrales Ausstellungsobjekt eine Reihe von zehn hochkant gestellten, in Augenhöhe angebrachten Monitoren, auf denen neben Hermann Parzinger als Repräsentant der Institution auch ein Vertreter des Königshauses von Benin sowie Kurator:innen und Wissenschaftler:innen aus Deutschland und Nigeria in wohlabgewogenen Statements ihre Sicht auf die Zukunft der umstrittenen Sammlungsobjekte schildern. Immer, wenn eine Person das Wort ergreift, wenden sich die anderen ihr aufmerksam zu.
After World War II, many historians in the German-speaking world thought of the relationship between anthropology and history as being largely synonymous with that of ›everyday life‹ (Alltag) and ›structure‹. As Jürgen Kocka (b. 1941) wrote in a retrospective statement to the Zurich historian Rudolf Braun (1930–2012), one of the few prominent figures of ›ethnographic‹ social history especially in the 1970s and 1980s: ›For while we, a younger generation of social historians, have turned to the large structures and processes that conditioned, encompassed and shaped people’s lives, Braun has always supported us, but he insisted – in an untimely but fruitful way – on not missing the people’s »inside«: the experiences and habits, the hopes and disappointments, the everyday life and mentalities of common people in the age of industrialization.‹
Der Nachlass des deutschen Kunstethnologen und Sammlers Hans Himmelheber (1908–2003) kam aus dem Privatbesitz seiner Familie an das Museum Rietberg Zürich. Ein Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Historischen Seminar der Universität Zürich begleitete die Archivwerdung von Himmelhebers Dokumenten, Filmen, Fotos und Objekten vor allem aus der heutigen Côte d’Ivoire und der Demokratischen Republik Kongo. Die darin reflektierte Wissensproduktion zur Kunst Afrikas wurde multiperspektivisch und translokal untersucht, etwa mit Restudies. Weil Himmelhebers Theorien am Beginn eines Paradigmenwechsels hinsichtlich der materiellen Kultur Afrikas standen, weg von einer als anonym wahrgenommenen »tribalen« Handwerkskunst hin zur individuellen Künstlerpersönlichkeit, spielten auch zeitgenössische und heutige künstlerische Positionen eine wichtige Rolle im Projekt. Das Archiv wurde zum Feld, das es in unterschiedlicher Weise zu erkunden galt. Unsere Reisen in dieses »Feld« sind nun wiederum Bestandteile des von den Nachkommen übergebenen und durch die Bearbeitung (auch digital) neu geschaffenen Archivs Himmelheber.
»There is nothing new or eccentric about the suggestion that historians might profit from an acquaintance with anthropology«, schrieb der britische Sozial- und Kulturhistoriker Keith Thomas 1963. Er bezog sich damit seinerseits auf Debatten der 1930er-Jahre, die von dem Wirtschafts- und Sozialhistoriker Richard Henry Tawney angeregt worden waren, der damals an der London School of Economics wirkte. Thomas fügte jedoch sogleich hinzu, dass der Vorschlag einer engeren Verbindung von Geschichte und Anthropologie selten in die Praxis umgesetzt werde.

