Bundesrepublik
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„Ich kenne kein publizistisches Mittel, das über 40 Jahre lang so kontinuierlich geführt worden ist und im Grunde fast alle wesentlichen Personen oder Persönlichkeiten aus der ganzen breiten Skala des Lebens gezeigt hat.“ Mit diesen Worten eröffnet Egon Bahr die Begleit-DVD zur Edition „klassischer“ Interviews von Günter Gaus aus den Jahren 1963 bis 1972. Bahr verweist damit bereits auf die beiden zentralen Aspekte des Quellenwertes der Interviews: Zum einen sind Gespräche inhaltliche Dokumente, in denen die Befragten über sich selbst und ihre Positionen Auskunft geben. Zum anderen repräsentieren Gaus’ Gespräche ein besonderes Stück Mediengeschichte. Ganz so bruchlos, wie Bahr suggeriert, verlief die Geschichte allerdings nicht. Daher seien zunächst ein paar Daten zur Entwicklung der Sendereihe genannt.
Ob Unterhaltungssendungen, Spielfilme, aufbereitete Filmberichte in Nachrichtensendungen oder die Berichterstattung über internationale Sportereignisse, die über die Bildschirme flimmerten - ihre Produktion, Beschaffung, Auswahl und Sendung war vom politischen Koordinatensystem des Kalten Krieges beeinflusst. Die nationalen Femsehanstalten und internationalen Televisions-Systeme wetteiferten um wachsende Zuschauerzahlen und dienten als kulturelles Bindemittel im Kampf der Ideologien und Wertsysteme. „In a number of cases, this factor of geographical proximity has been used to beam programme directly across the borders for political purposes. The best-known example of this is in Germany where the East and East Germans conduct an elaborate, expensive form of electronic war-fare aimed at attracting each other's television audiences.“
Trotz und wegen der Blockbildung wuchsen somit spezifische Formen von Beziehungen zwischen den ost- und westeuropäischen Verbundsystemen von Femsehorganisationen, zwischen dem DDR-Femsehen und den Femsehanstalten in der Bundesrepublik, die im Folgenden aus der Sicht des DDR-Femsehens, damals als „Deutscher Fernsehfunk“ (DFF) bezeichnet, näher betrachtet werden sollen.
Direkt nach dem Kriege photographierte Gerhard Gronefeld Berliner Kinder. Für sein Archiv gab er den Aufnahmen den Titel "Schlüsselkinder": Drei Jungen, in Trümmern spielend, tragen unübersehbar an einer reißfesten Schnur Wohnungsschlüssel um den Hals, wie sie in Berliner Mietskasernen üblich waren. Im Mittelpunkt des Bildes schaut ein Junge den Photographen direkt, offen, verschmitzt, doch gleichzeitig vorsichtig abwartend an. Auf seinen Knien liegt ein abgeklopfter Ziegelstein, über den die zerstörte Stadt mit in das Bild hineingenommen ist, als Spiel- wie als Arbeitsplatz, denn Steineklopfen war eine Tätigkeit, durch die sich Kinder ein paar Pfennige verdienen konnten. Gleichzeitig verweist dieser Ziegelstein im Verbund mit den sichtbaren Schlüsseln auch auf ein Abwesendes: auf die Mutter, die irgendwo "bis spät in die Nacht" arbeitet. Gronefeld, selbst „Berliner Junge“, zeigt Sympathie für die Kinder. Er dokumentiert sie ohne Anklage selbstständig als Herren über Raum und Zeit.
Wollte ich den Kalten Krieg als Thema deutscher Spielfilme analysieren, könnte ich mir keinen verkehrteren als den Regisseur Wolfgang Staudte aussuchen. Staudte hat die Ost- West-Konfrontation nie in Szene gesetzt. In seinen Filmen gibt es keine finsteren Agenten, die militärische Geheimnisse der Gegenseite ausschnüffeln, keine Wissenschaftler, die an tückischen Massenvemichtungswaffen für den finalen Schlagabtausch der Systeme basteln, nicht einmal vertrackte west-östliche Romanzen, in denen entweder das Land oder die geliebte Person verlassen werden muss. Den Kalten Krieg und die deutsche Teilung hielt Staudte zeit seines Lebens für eine kapitale Fehlentwicklung. Er konnte jedoch nicht verhindern, dass auch seine Filme in den Strudel permanenter Systemkonkurrenz und entsprechenden Misstrauens gerieten. Insofern lässt sich gerade an diesen - den Kalten Krieg auf der Handlungsebene bewusst aussparenden - Filmen studieren, wo und wie Versuche eines Ausstiegs aus dem Blockdenken an Grenzen stießen.
Nach 1989 dauerte es einige Jahre, bis diese beiden in Geschichte- wie in den benachbarten Gesellschaftswissenschaften angesiedelten Paradigmen zu einem konstruktiven Verhältnis wechselseitiger Ergänzung fanden. Davon profitieren nun auch die neuen Ansätze zur Erforschung der Geschichte des Kalten Krieges. Die hier vorgelegte Sammlung von Aufsätzen ist im Umfeld eines Forschungsprojektes entstanden, das Teil dieser Konjunktur ist und am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam seit 2001 das Verhältnis von Massenmedien und Kaltem Krieg bearbeitet. Es handelt sich um Zwischenergebnisse aus individuellen Einzelforschungen. Arbeiten zu weiteren Untersuchungsgegenständen, deren Ergebnisse in einem weiteren, umfangreicheren Band zur Kulturgeschichte des Kalten Krieges in Europa zusammengefasst werden, dauern noch an. Die folgenden Thesen zur gesellschafts- wie mediengeschichtlichen Interpretation des Kalten Krieges halten gleichwohl in aller Vorläufigkeit und Kürze einige Grundannahmen wie auch erste allgemeine Befunde der gemeinsamen Projektarbeit fest.
Der Kalte Krieg war konstitutiv für die Mentalität der frühen Bundesrepublik Deutschland. In den 1950er Jahren war die innere Entwicklung Westdeutschlands - politische Konsolidierung, gesellschaftliche Stabilisierung, ideelle Institutionalisierung etc. — untrennbar verbunden mit den spezifischen Bedingungen und Vorgaben der Systemauseinandersetzung zwischen Ost und West. Dies bezog sich etwa auf das zunächst noch überlebensnotwendige Interesse der USA an dem ehemaligen Feindstaat einschließlich massiver ökonomischer, außenpolitischer und sozialpsychologischer Unterstützung der neuen westdeutschen Eliten, was in einer (relativ) bedingungslosen Westintegration mitsamt einem auf der „Politik der Stärke“ fußenden System der militärisch-strategischen Einbindung umgesetzt wurde. Die Vorstrukturierung der außen- wie innenpolitischen Optionen durch die bipolare Weltordnung schloss daneben Zurückwendungen in die Taktiken der Vorkriegsdiplomatie, aber auch alle politischen Experimente im Sinne eines „Dritten Weges“ aus. Schließlich konnten durch die fundamentale Ablehnung des sowjetisch dominierten Diktatursystems auch erste, wenngleich nur provisorische Grenzen zum NS-System gezogen werden; diese - theoretisch mit Totalitarismuskonzepten unterfütterten - Demarkationen ermöglichten den demokratischen Institutionen zunächst relativ sichere, wenngleich nur bescheidene und eindimensionale Entwicklungsspielräume.
"Hütet euch vor falschen Propheten!" Hörfunkkommentare der katholischen Kirche aus Berlin 1950-1962
(2006)
Von der SED als das „trojanische Pferd der Imperialisten“ gefürchtet, nahm die Medienarbeit des Bistums Berlin im Kalten Krieg an der Schnittstelle von Politik und Religion eine besondere Stellung ein. Kirchenpolitisch von außerordentlicher Bedeutung, umfasste das Bistum neben der gesamten Stadt Berlin auch die Mark Brandenburg sowie Teile Vor- und Hinterpommems und befand sich direkt an der „Nahtstelle der Systeme“. Dadurch avancierte das Ordinariat rasch zum Zentrum der katholischen antikommunistischen Medienarbeit in Westberlin. Der Aufbau eines internen und externen katholischen Kommunikationssystems, das sich auch auf die modernen Massenmedien stützte, lag nach 1945 in den Händen von Prälat Walter Adolph. Virtuos setzte er Presse, Hörfunk und Film im „Glaubenskrieg“ zwischen „bolschewistischem Totalitarismus“ und „christlicher Weltordnung“ ein. Adolph war sicherlich kein intellektueller, originärer Vordenker; seine Aufgabe war die mediale Vermittlung katholischer Vorstellungen an religiös orientierte Öffentlichkeiten in beiden deutschen Staaten. Der von Aktion und Reaktion bestimmte „Kalte Medienkrieg“ in Ost und West soll hier von der spezifischen Situation im „Bistum an Gottes Front“ genauer beleuchtet werden.
Die Geschichte und Rezeptionsgeschichte von Spielfilmen in der Bundesrepublik Deutschland lässt sich als eine Konfliktgeschichte beschreiben. Der Beitrag gibt einen Überblick zum Forschungsstand und nimmt mit dem Skandal um Ingmar Bergmans „Das Schweigen“ (1963) einen der Höhepunkte der filmischen Skandalgeschichte in den Blick. Zeitgenössische Kommentatoren sahen die westdeutsche Aufregung um den Film, die sich insbesondere in der Aktion „Saubere Leinwand“ ausdrückte, im internationalen Vergleich als außergewöhnlich an. Eine nähere Betrachtung der internationalen Reaktionen auf „Das Schweigen“ zeigt demgegenüber, dass die bundesdeutsche Empörung keineswegs aus dem Rahmen fiel. Die Darstellung von Sexualität in „Das Schweigen“ wurde länderübergreifend in ganz Europa als ein Tabubruch empfunden. Entscheidend für die unterschiedlichen Rezeptionsweisen war allerdings, in welcher Länge (d.h. mit welchen Schnitten) Bergmans Werk jeweils in die Kinos kam.
IVAR und BILLY, zwei Regalsysteme von IKEA, stehen nicht nur für ein jahrzehntelanges Erfolgskonzept der schwedischen Möbelfirma, sondern auch für eine neue ästhetische und geistige Haltung, die sich im Verlauf der 1970er-Jahre auf breiter Basis durchgesetzt hat. Bedeutsam waren und sind die IKEA-Regale zunächst einmal für die Designgeschichte; zugleich lassen sich an ihrem Erfolg breitere Trends der Konsum-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte ablesen.
Dem Aufsatz liegt die These zugrunde, dass sich während der 1970er-Jahre in den europäischen Industriegesellschaften eine systemübergreifende Krise ausbildete. Sie ging von einer wirtschaftlichen Strukturanpassungskrise aus und mündete in eine Krise des Sozialstaates. Zugleich war sie im Ostblock wesentlicher Teil der finalen Systemkrise. Im Westen besaß die Krise Durchgangscharakter - allerdings mit bis heute reichenden Folgen. Anhand der wirtschaftlichen Entwicklung, des Arbeitsmarktes und des Sozialstaates werden für die Bundesrepublik und die DDR die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede dieser Krisenprozesse aufgezeigt. Dabei wird der Blick auch auf die Wahrnehmung der neuen Probleme durch die Entscheidungseliten und deren Handeln gelenkt.
Klaus Theweleits literaturwissenschaftliche Dissertationsschrift „Männerphantasien“ von 1977/78 wurde in fünf Sprachen übersetzt und mehr als zweihunderttausend Mal verkauft. Der Aufsatz ordnet dieses außergewöhnliche Erfolgsbuch in seinen Zeitkontext ein - in das linksalternative Milieu der Bundesrepublik der späten 1970er-Jahre. Sechs Faktoren dürften zur Resonanz auf die „Männerphantasien“ beigetragen haben: Erstens vollzog das Buch den Wandel von klassisch marxistischer zu psychologisch-postmoderner Theoriebildung nach; zweitens lieferte es mit der Faschismusdeutung einen Beitrag zu dem zentralen Milieuthema; drittens verstand sich das Buch als ein Beitrag zur damals hochaktuellen Geschlechterdiskussion; viertens begleitete und förderte es den Wandel zu einer „Politik der ersten Person“; fünftens bediente Theweleit die linksalternative Ästhetik, und sechstens schrieb er über Gewalt und Terrorismus als hochaktuelles Thema. Im zweiten Teil des Aufsatzes werden die „Männerphantasien“ als historiographische Leistung zur Körper- und Geschlechtergeschichte des Faschismus aus der Perspektive der heutigen Geschichtswissenschaft kritisch gewürdigt.
Zu keinem Zeitpunkt wurde der „kurze Traum immerwährender Prosperität“1 intensiver und farbiger geträumt als zu Beginn der 1970er-Jahre. Mit Karl Schillers ökonomischer Globalsteuerung hatte die Große Koalition das Instrumentarium keynesianischer Konjunkturregulierung in ihre Wirtschaftspolitik integriert. Und als die Mini-Rezession von 1966/67 rasch überwunden werden konnte, schien es, als sei der kapitalistische Drache endgültig in Bande geschlagen und in einen Goldesel verwandelt. Ein langfristig stabilisiertes Wirtschaftswachstum würde steigende Einkünfte aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bewirken und so die finanziellen Grundlagen sozialliberaler Reformpolitik dauerhaft sicherstellen. Das war die große Utopie.
„Die Kosten, die beim ‚Transfer‘ theoretisch fundierter Geschichtswissenschaft zum lesenden Publikum durch Fachjargon und Abstraktion entstehen könnten, dürfen zwar nicht übersehen werden; umgekehrt sind die Nachteile traditioneller Geschichtsschreibung, z.B. in Schnabels ‚Deutscher Geschichte im neunzehnten Jahrhundert‘, so deutlich zu erkennen, daß ich bei einer Güterabwägung die Vorzüge einer explizit theoretisch argumentierenden Geschichtswissenschaft für größer als eventuelle Verständigungsschwierigkeiten halte.“ (Hans-Ulrich Wehler, Diskussionsbeitrag, S. 170). Neuerliche Lektüre steckt nicht selten voller Überraschungen. Das ist auch bei der Wiederannäherung an die „Theorien in der Praxis des Historikers“ der Fall. Als junger Bielefelder Student hatte ich den Sammelband von 1977 neugierig verschlungen, ehe, gegen Ende der Studienzeit, das Unbehagen an gewissen Grenzen des Bielefelder Theoriebegriffs gewachsen war und die Suche nach befriedigenderen konzeptionellen Entwürfen losging.
Die geschichtspolitischen Aktivitäten des Bundeskanzlers Helmut Kohl riefen während seiner Amtszeit vielfach Spott und bei späteren Rückblicken ebenfalls deutliche Kritik hervor. Der „Spiegel“ bezeichnete Kohl im April 1985, anlässlich der Affäre um den Besuch des Soldatenfriedhofs in Bitburg, als „Tolpatsch in höchst sensitivem Gelände“ und beklagte seine „Sucht nach immer neuen Versöhnungsritualen“. Vor dem Hintergrund des Historikerstreits von 1986/87 wurde vielfach gewarnt vor „Entsorgungsversuche[n] zur deutschen Geschichte“ bzw. dem „Versuch, Vergangenheit zu verbiegen“. Diese zeitgenössische Sicht beeinflusste – gewiss nicht ohne Grund – auch wissenschaftliche Analysen. Sabine Moller nannte in ihrer politikwissenschaftlichen Diplomarbeit von 1998 die „Entdifferenzierung von geschichtlichen Ereignissen“ als ein Charakteristikum der Ära Kohl, und selbst der dem Kanzler gegenüber weniger kritisch eingestellte Rupert Seuthe schrieb Kohl in seiner Dissertation von 2001 ein „von Differenzierungsgeboten offensichtlich unbeeinträchtigtes Geschichtsverständnis“ zu.
Die Reise als Ware. Die Bedeutung der Pauschalreise für den westdeutschen Massentourismus nach 1945
(2008)
Die rasch wachsende Zahl von Urlaubsreisen war in der frühen Bundesrepublik eng mit dem Durchbruch der Pauschalreise zum Massenkonsumgut verbunden. Die ökonomische Transaktionskostentheorie hilft, die Ursachen dieses Prozesses zu verstehen. In den 1960er-Jahren entwickelte sich die Pauschalreise zum Motor des Massentourismus, weil sie besonders die Organisation einer Auslandsreise stark vereinfachte. Dennoch blieben traditionelle schichtenspezifische Unterschiede im Reiseverhalten bis in die 1970er-Jahre bestehen. Wie bereits in der Vorkriegszeit waren die neuen Mittelschichten die Träger eines modernen, konsumorientierten Freizeitverhaltens, das in der bundesdeutschen Wohlstandsgesellschaft der 1960er-Jahre seine soziokulturelle Vorbildwirkung entfalten konnte und allmählich zur selbstverständlichen Praxis wurde. Der Aufsatz analysiert die Geschäftsmodelle der großen Reiseveranstalter, liefert statistische Angaben zur wachsenden Popularität von Pauschalreisen und verdeutlicht die Sehnsucht der Bundesbürger nach dem sonnigen Süden.
Im Mai 2006 einigten sich Vertreter der elf Aufsichtsländer darauf, die Ressourcen des Internationalen Suchdienstes (ISD) des Internationalen Roten Kreuzes in Arolsen für die historische Forschung zu öffnen. Bis zum Oktober 2006 unterzeichneten die einzelnen Regierungen das entsprechende Protokoll. Die Ratifizierung durch die beteiligten Staaten zog sich allerdings noch bis November 2007 hin. Für den Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Jakob Kellenberger, nahm damit „ein langer und schwieriger Prozess“ sein Ende. Nach jahrzehntelanger Kritik an der Abschottung scheinen die Tore des Suchdienstarchivs nun endlich aufgestoßen zu werden.
Historische Ausstellungen und Museen haben in der Bundesrepublik seit mehr als drei Jahrzehnten Konjunktur. Seit den 1970er-Jahren häufen sich die Sonderausstellungen zu historischen Themen, und es gibt einen bisher ungebrochenen Museumsboom. Beobachten lässt sich nicht nur eine stetige quantitative Zunahme von und ein wachsendes öffentliches Interesse an historischen Ausstellungen; zugleich bildeten sich auch neue Ausstellungstypen und Präsentationsformen heraus. Schließlich wurden in den 1980er-Jahren die Forderungen nach der Errichtung eines zentralen historischen Museums immer lauter, bis dies zur Gründung von gleich zwei Geschichtsmuseen mit gesamtstaatlichem Anspruch führte (dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und dem Deutschen Historischen Museum in Berlin). Der Trend scheint ungebrochen. Nach der Eröffnung der neuen Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM) im Frühjahr 2006, mit der eine fast 20-jährige Planung zum vorläufigen Abschluss kam und mit der erstmals der Versuch einer historischen Überblicksdarstellung von der Römerzeit am Rhein bis zum wiedervereinigten Deutschland unternommen wurde, steht als ein weiteres historisches Großmuseum der Neu- bzw. Umbau eines Militärhistorischen Museums in Dresden an. Dieses wird nicht nur mit den expressiven Bauformen des amerikanischen Architekten Daniel Libeskind auf sich aufmerksam machen, sondern auch mit einem anspruchsvollen inhaltlichen und gestalterischen Konzept.
Seit dem von Ingrid Gilcher-Holtey 1998 herausgegebenen Sammelband, der das schillernde Ereignisbündel „1968“ erstmals systematisch historisierte, hat sich die deutsche Geschichtswissenschaft diesem Thema eingehend zugewendet. Zehn Jahre später gibt der Publikationsschub zu dem neuerlichen runden Jahrestag Anlass zu einer Zwischenbilanz. Das auffälligste Ergebnis ist dabei die im Grunde banale Erkenntnis, dass auch die historiographische Perspektive weder „objektiv“ noch homogen ist, sondern von wechselnden, zum Teil konkurrierenden Konjunkturen nationaler und zunehmend auch internationaler Geschichtskulturen beeinflusst wird. Dass der Wissenschaftsanspruch mit der Involvierung der Akteure in die Konflikte der Gegenwartsgesellschaft strukturell kollidiert, gehört zu den Selbstverständlichkeiten zeithistorischer Forschung. Dies gilt nicht nur für ehemalige Akteure, deren Beteiligung häufig bekannt ist und in die Bewertung ihrer publizistischen Produktion einfließt. Auch der angebliche Objektivitätsvorsprung der so genannten „Nachgeborenen“ macht deren empathische Distanz nicht automatisch wett, sondern erweist sich erst in der diskursiv zu ermittelnden Überzeugungskraft des jeweiligen Produkts. Insofern ist die Kontroverse um die aktuellen Neuerscheinungen zu begrüßen, während die immer wieder repetierten Hinweise auf die generationelle Zugehörigkeit ihrer Autoren in den Nebel vager Evidenzen führen. Dass sich beim Thema „1968“ professionelle Intellektualität und autobiographische Motive stark vermischen, ändert daran nichts.
Obwohl die 1952 gegründete „Bild“-Zeitung seit Jahrzehnten die größte westdeutsche Tageszeitung ist, hat sich die Zeitgeschichtsforschung mit ihr bisher höchstens am Rande befasst. Der Aufsatz untersucht die Bedeutung von „Bild“, indem er die Entwicklung des Blatts in den 1950er-Jahren analysiert. In diesem Jahrzehnt errang die Zeitung ihre überragende Stellung auf dem publizistischen Markt der Bundesrepublik; in dieselbe Zeit fällt auch der erste Versuch des Verlegers Axel Springer, das Blatt mit konkreten politischen Aufträgen zu lenken. Geprüft wird, wie die „Bild“-Redaktion die Direktiven des Verlegers in den Jahren 1957/58 umgesetzt hat. Dabei wird erkennbar, dass die Boulevardzeitung als bereits etablierter Markenartikel selbst von ihrem Eigentümer nur begrenzt verändert oder in eine bestimmte politische Richtung gelenkt werden konnte. Der Beitrag plädiert dafür, die Macht von „Bild“ eher auf der lokalen Ebene zu suchen, und demonstriert diesen Ansatz am Beispiel von Hamburg. Dies ermöglicht auch allgemeinere Zugänge zur Mentalitäts- und Gefühlsgeschichte der Bundesrepublik.
Die Geschichte der „Chinesenviertel“ und chinesischer Migranten in europäischen Metropolen demonstriert, wie „Fremde“ zur Gefahr für die nationale Arbeit und für die Großstädte stilisiert wurden; sie zeigt aber auch, wie Migranten wirtschaftliche Nischen besetzen und schließlich als kulturelle Bereicherung akzeptiert werden konnten. In Hamburg präfigurierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein ausgeprägter Hygiene-Diskurs die vehemente Ablehnung, während sich die Behörden in Rotterdam anfangs indifferent verhielten und die dortige Bevölkerung in den frühen 1930er-Jahren durchaus Empathie mit arbeitslosen Chinesen zeigte. In London wiederum schlug die anfängliche Toleranz seit dem Ersten Weltkrieg in Abwehr um. Ab den 1950er- und 1960er-Jahren setzte mit dem großen Erfolg chinesischer Gastronomie eine neue Phase chinesischer Migration ein, die nun als kulinarische Bereicherung der urbanen „Konsumgesellschaft“ allgemein anerkannt wurde. Während ein kosmopolitischer Charakter von westeuropäischen Metropolen seit den 1970er-Jahren als mehr oder minder selbstverständlich gilt, ist die Geschichte chinesischer Migranten in Westeuropa ein gutes Beispiel für den langen und unebenen Weg zur multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft.