DDR
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Eine besondere Chance, bottom-up-Einblicke in die Alltagsgeschichte von Menschen mit Behinderungen in der DDR und ihre Agency zu erhalten, bieten Eingaben: Bitt- und Beschwerdebriefe, die die Bürger:innen der DDR zu Hunderttausenden jährlich an staatliche Organe richteten, um Probleme im Alltagsleben und Konflikte mit Staat und Verwaltung zu lösen. Zunächst werden in diesem Beitrag die Besonderheiten solcher Eingaben in der DDR skizziert. Sodann wird erörtert, inwiefern die Analyse der Eingaben von Menschen mit Behinderungen und ihren Angehörigen eine wertvolle Perspektive auf ihr Alltagsleben und ihre Interaktionen mit Staat und Expert:innen ermöglicht und wo dabei Grenzen der Aussagekraft liegen. Dies wird anhand von Einzelfällen exemplarisch veranschaulicht.
Wie kein zweiter Gedächtnisort prägte die Gedenkstätte Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar den antifaschistischen Kanon und die Erinnerungspolitik in der DDR. Ebenso nachhaltig beeinflußten die Kino- und Fernsehadaptionen des Romans "Nackt unter Wölfen" die Vorstellungen vom heroischen Kampf der Buchenwald-Häftlinge um ihre Selbstbefreiung. Weitere Kinofilme und Fernsehbeiträge popularisierten in der Folgezeit diese Lesart der Ereignisse.
Der Band zeichnet das Entstehen der filmischen Bilder nach und setzt Gedenkpolitik und Bildproduktion zueinander in Beziehung. Anhand alten und neuen Archivmaterials rekonstruiert der Autor den Entstehungs- und Gebrauchskontext der in der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald gezeigten Einführungsfilme. Dabei weist er Ausblendungen unbearbeiteter Erinnerungen von ehemaligen Buchenwald-Häftlingen nach und dokumentiert vielschichtige, widersprüchliche Kontrollmechanismen des offiziellen Geschichtsbildes. (Quelle: Verlag. http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-09804-9.html)
Ende September 2020 ist im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam die Ausstellung „Mensch Brandenburg! 30 Jahre, 30 Orte, 30 Geschichten“ eröffnet worden. Anlässlich des 30. Jahrestags der Gründung des Bundeslands unternimmt die Ausstellung eine Entdeckungsreise zu 30 Orten und den damit verbundenen Themen und Menschen, die Brandenburg in den letzten 30 Jahren geprägt haben: verwaiste Landstriche und boomende Metropolregionen, verschwundene Orte und neue Seenlandschaften, wortkarge Menschen und Geschichtenerzähler, die Treuhand, der Wolf, die Braunkohle, der BER – und nicht zuletzt sehr viel Natur. Neben den Porträts von 30 Menschen, die über ihre Arbeit und ihr Engagement erzählen, wird jeder vorgestellte Ort in der Ausstellung visuell gerahmt. Die Fotografien erzählen von der Zeit der Transformation nach 1989, von den politischen und strukturellen Umbrüchen der letzten drei Jahrzehnte. Gemacht hat diese Bilder der Fotograf Sven Gatter.
Der für uns ungewöhnlich klingende Name „Deutsches Hygiene-Museum“ bezeichnet ein einzigartiges Spezialmuseum in der gegenwärtigen Museumslandschaft. Im Zentrum seiner Arbeit stehen der Mensch und die unterschiedlichen Aspekte des menschlichen Lebens, eingebettet in den natur-, kultur- und gesellschaftswissenschaftlichen Kontext. Doch warum trägt das Museum diesen eigenartigen und belasteten Namen, der museologischen Marketingstrategien so gar nicht entspricht und die heutigen Ausstellungsinhalte höchst unvollständig beschreibt? Dies ist nur aus der Geschichte des Museums und seiner Themen zu erklären.
Der Aufsatz untersucht die Rolle und die Grenzen der Stimmungsberichte des Ministeriums für Staatssicherheit an die SED-Führung als „Öffentlichkeitsersatz“ in der staatssozialistischen Diktatur. Im Zentrum stehen dabei die 1960er- und 1970er-Jahre als relativ stabile Jahrzehnte des DDR-Systems. Trotz aller ideologisch bedingten Verzerrungen zeigen die Berichte eine subkutane Orientierung am westdeutschen System und relativ leicht mobilisierbare Hoffnungen auf eine Abkehr von Grenzregime und Reiseverboten. Gleichwohl erschöpften sich die Werthaltungen nicht in einer Selbstwahrnehmung als „verhinderte“ Bundesbürger. Der Diskurs über Versorgungsprobleme und die materielle Lage enthielt neben dem Westvergleich auch Bezugnahmen auf den offiziellen Egalitarismus und ein sehr genaues Bewusstsein für dessen Grenzen in der DDR-Gesellschaft; Kaderprivilegien und ungleich verteiltes Westgeld sorgten vielfach für Unmut. Die Staats- und Parteiführung nahm die MfS-Berichte letztlich nur selektiv wahr – langfristig zu ihrem eigenen Schaden.
Im vorliegenden Artikel wird eine Entwicklung des Konfliktverhaltens von Beschäftigten in den Betrieben der DDR beschrieben, das in den fünfziger Jahren noch deutliche Bezüge einer traditionellen Arbeiterbewegungskultur aufwies, jedoch zunehmend einen individualisierten und privatisierten Charakter annehmen sollte. Die Tradition eines in Gewerkschaften oder Parteien organisierten Arbeiterwiderstandes war in Deutschland bereits 1933 durch das NS-Regime gewaltsam unterbrochen worden und konnte, von einer kurzen Nachkriegszeit abgesehen, in der DDR nicht wieder aufleben. Das diktatorische System hatte die Eigenständigkeit sämtlicher Arbeiterorganisationen, darunter die der Gewerkschaften, bald unterbunden und sie zum Bestandteil seines Herrschaftsapparates gemacht. Die organisierte Arbeiterbewegung war in der DDR eine „verstaatlichte“, sie hatte damit ihren Charakter als autonome Bewegung der abhängig Beschäftigten verloren. Auch die noch bis in die sechziger Jahre häufiger praktizierten individuellen betrieblichen Konfliktaustragungen und die weit weniger verbreiteten kollektiven Widerstände wie Streiks oder Protestversammlungen waren kaum noch mit dezidiert politischen Forderungen verbunden und mit ihren ökonomischen Zielstellungen auf die Verbesserung der Situation meist kleiner Belegschaftsgruppen gerichtet. „Arbeitsniederlegungen“ hatten am Ende der siebziger und in den achtziger Jahren an Zahl und Menge der Beteiligten keine gesellschaftliche Relevanz. Die DDR-Arbei- terschaft war atomisiert, in die Betriebe war nun „Friedhofsruhe“ eingezogen.
Berufliches Selbstbild. Arbeitshabitus und Mentalitätsstrukturen von Software-Experten in der DDR
(1999)
Im kapitalistischen Westen gelten Software-Entwickler spätestens seit den achtziger Jahren als Innovatoren, die im Zuge der fünften Phase der Industriellen Revolution manche überkommene Autoritäts-, Wirtschafts- und Sozialstrukturen durchbrochen haben, um ihr innovatives Potential zu entfalten, allerdings mit schwacher emanzipatorischer Auswirkung, beispielsweise für Frauen. Bislang ist aber wenig über die Ingenieure und Ingenieurinnen, die Mathematiker und Mathematikerinnen bekannt, die in der DDR die Software-Entwicklung zu einem der erfolgreichsten Gebiete der Industrieforschung gemacht haben. Diese Experten, die als eine bedeutende Teilelite im Sinne einer „funktionalen Elite“ bzw. einer „Dienstklasse“ begriffen werden können, sind bisher kaum Untersuchungsgegenstand der sozial- bzw. kulturgeschichtlich orientierten Elitenforschung gewesen. Dieser Zustand ist in erster Linie auf die Quellenlage zurückzufuhren. Als wenig ergiebig für die Sozial- und Kulturgeschichte erwiesen sich die Akten relevanter Betriebs- und Parteiarchive aus der Ära Honecker. Für unsere Zwecke weit ergiebiger, obwohl mit quellenkritischen Problemen eigener Art behaftet, bleiben die Oral History-Methoden, die hier zur Anwendung kommen sollen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts, das von der amerikanischen Stiftung „National Science Foundation“ finanziert wird, sind Gespräche mit zwanzig Software-Ingenieuren der ehemaligen DDR geführt worden. Bei den Interviews, die im Schnitt eine bis zwei Stunden dauerten, wurde ein Fragenkatalog verwendet, der thematische Schwerpunkte setzte und Vergleichbarkeit gewähren sollte. Viel Wert wurde darauf gelegt, dem Gesprächspartner die Gelegenheit zu bieten, innerhalb des vorgegebenen Rahmens Gedanken selbst zu formulieren und einzuordnen, sowie assoziativ zu den Themen zu gelangen, die wichtige Momente der beruflichen Identität berühren. Bei diesen Tiefengesprächen sollten also keine quantitativ verwertbaren Daten gewonnen, sondern vielmehr individuell geprägte Mentalitätsstrukturen und Verhaltensweisen exemplarisch untersucht werden. Dabei war das Gruppenspezifische herauszuarbeiten.
Es ist eine alte Frage, ob Berija, der nach Stalins Tod eine für sowjetische Begriffe ungewöhnliche Innen- und Außenpolitik einzuleiten sich bemühte, dabei auch eine Vereinigung Deutschlands auf demokratischer Basis ins Auge faßte. Entsprechende Mutmaßungen nahmen ihren Ausgang von dem Vorwurf der siegreichen Mehrheit der sowjetischen Führung an den gestürzten Berija, er habe den Sozialismus in der DDR „verraten“. Das war freilich eine Anklage, die deutlich rechtfertigende Funktion hatte, so daß ihr Wahrheitsgehalt zweifelhaft blieb. Als wichtiges Indiz für die Berija zugeschriebene Absicht gilt vielfach der von Moskau den SED-Führern Anfang Juni 1953 aufgenötigte „Neue Kurs“, der die harte Sowjetisierungspolitik vom Vorjahr teilweise revidierte. Als weitere Belege werden damalige Stellungnahmen angeführt, die deutsche Frage müsse auf die Tagesordnung gesetzt werden, sowie spätere öffentliche Anschuldigungen Chruschtschows und Ulbrichts. Der SED-Chef benutzte die Anklage im innerparteilichen Kampf gegen Kritiker und Rivalen. Bei den ostdeutschen Kadern fand sie allgemein Glauben, schien sie doch den alten Verdacht zu bestätigen, die UdSSR könnte die DDR um höherer politischer Zwecke willen fallenlassen.
Wollte ich den Kalten Krieg als Thema deutscher Spielfilme analysieren, könnte ich mir keinen verkehrteren als den Regisseur Wolfgang Staudte aussuchen. Staudte hat die Ost- West-Konfrontation nie in Szene gesetzt. In seinen Filmen gibt es keine finsteren Agenten, die militärische Geheimnisse der Gegenseite ausschnüffeln, keine Wissenschaftler, die an tückischen Massenvemichtungswaffen für den finalen Schlagabtausch der Systeme basteln, nicht einmal vertrackte west-östliche Romanzen, in denen entweder das Land oder die geliebte Person verlassen werden muss. Den Kalten Krieg und die deutsche Teilung hielt Staudte zeit seines Lebens für eine kapitale Fehlentwicklung. Er konnte jedoch nicht verhindern, dass auch seine Filme in den Strudel permanenter Systemkonkurrenz und entsprechenden Misstrauens gerieten. Insofern lässt sich gerade an diesen - den Kalten Krieg auf der Handlungsebene bewusst aussparenden - Filmen studieren, wo und wie Versuche eines Ausstiegs aus dem Blockdenken an Grenzen stießen.
Hacker und Haecksen zählen zur Avantgarde der Computerisierung. Seit den späten 1970er-Jahren bildeten sie sich in der Bundesrepublik und in der DDR zu eigensinnigen ComputernutzerInnen mit einschlägigem Wissen heraus. Sie eigneten sich das Medium spielerisch an, schufen Kontakträume und brachten sich so aktiv in den Prozess der Computerisierung ein. Durch ihre Grenzüberschreitungen zeigten sie dabei Chancen und Risiken der Digitalisierung auf.
Julia Gül Erdogan geht der Entstehung der Hackerkulturen in Ost- und Westdeutschland nach. Sie analysiert, wie deren teils subversive Praktiken Machtgefüge in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft herausforderten. Zugleich verdeutlicht die Arbeit Gemeinsamkeiten und Unterschiede der frühen sub- und gegenkulturellen Computernutzung in den beiden deutschen Teilstaaten.