DDR
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Sucht man nach Kontinuitätslinien, die sich von der vergleichsweise höheren Fremdenfeindlichkeit im heutigen Osten Deutschlands in die DDR zurückverfolgen lassen, so ist der Umgang mit Fremden vor 1989 eine naheliegende Forschungsfrage. Damit werden Vertragsarbeitnehmer und ihre Wahrnehmung durch die deutsche Bevölkerung zu einem unverzichtbaren Untersuchungsfeld. Da insgesamt nur ein Prozent Ausländerinnen und Ausländer in der DDR lebten und die Reisemöglichkeiten der DDR-Bürger nach dem Mauerbau massiv beschränkt waren, fehlten im DDR-Alltag Kontaktmöglichkeiten mit Menschen fremder Länder weitgehend. Hinsichtlich der Vertragsarbeitskräfte, in den letzten Jahren der DDR die zweitgrößte Gruppe von Ausländern, galt das nicht, waren sie doch oftmals in die deutschen Arbeitsbrigaden integriert. Dort teilten Deutsche und Ausländer den Arbeitsplatz, die Normvorgaben, die Schichtpausen und - vielleicht nicht immer - auch die Aktivitäten im Brigadeleben. Diese bevorzugte Gelegenheit für eine persönliche Begegnung von Deutschen und Ausländern wiegt für die Forschung um so mehr, als die kasernierte Unterbringung, von der im Beitrag von Dennis Kuck in diesem Band die Rede ist, die Vertragsarbeitnehmer ansonsten von der Bevölkerung isolierte und damit den privaten und unkontrollierten Kontakt zwischen Deutschen und Ausländern außerhalb der Betriebe
enorm erschwerte.
Die sechziger Jahre waren eine spannende Zeit des Umbruchs, der lebhafte Diskussionen zur Folge hatte. Hansjakob Stehles journalistisches Engagement und seine informellen Aktivitäten im Vorfeld der Gespräche zwischen dem Senat und der östlichen Seite gehören zu diesem interessanten Kapitel der Berliner Geschichte des Kalten Krieges.
Direkt nach dem Kriege photographierte Gerhard Gronefeld Berliner Kinder. Für sein Archiv gab er den Aufnahmen den Titel "Schlüsselkinder": Drei Jungen, in Trümmern spielend, tragen unübersehbar an einer reißfesten Schnur Wohnungsschlüssel um den Hals, wie sie in Berliner Mietskasernen üblich waren. Im Mittelpunkt des Bildes schaut ein Junge den Photographen direkt, offen, verschmitzt, doch gleichzeitig vorsichtig abwartend an. Auf seinen Knien liegt ein abgeklopfter Ziegelstein, über den die zerstörte Stadt mit in das Bild hineingenommen ist, als Spiel- wie als Arbeitsplatz, denn Steineklopfen war eine Tätigkeit, durch die sich Kinder ein paar Pfennige verdienen konnten. Gleichzeitig verweist dieser Ziegelstein im Verbund mit den sichtbaren Schlüsseln auch auf ein Abwesendes: auf die Mutter, die irgendwo "bis spät in die Nacht" arbeitet. Gronefeld, selbst „Berliner Junge“, zeigt Sympathie für die Kinder. Er dokumentiert sie ohne Anklage selbstständig als Herren über Raum und Zeit.
Der Sozialismus sollte ein Gegenentwurf zum Kapitalismus sein. Dessen immanente Schwächen und seinen daraus vermeintlich zwangsläufig resultierenden Zusammenbruch hatte Karl Marx in seinen Schriften eingehend dargelegt. Seine Epigonen gingen davon aus, daß es reiche, die grundlegenden Konstellationen des Kapitalismus zu beseitigen, um damit eine dauerhaft krisenfreie Entwicklung der Gesellschaft zu gewährleisten. Diese Zuversicht beruhte darauf, daß der Mensch in der Lage sei, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und Gesellschaft nach rationalen Kriterien zu planen und zu gestalten - oder wie es bei Marx hieß „Geschichte [zu] machen“.
Die Gesellschaft sozialistischer Staaten wird oft als „arbeiterlich“ bezeichnet. Unabhängig davon, ob man dieser Pointierung folgt oder nicht, ist wohl sicher, daß diese Gesellschaften in hohem Maße von Arbeit geprägt waren. Mit dem Themenkreis „Arbeitsbeziehungen, Arbeitsverhältnisse, Arbeiterexistenzen“ wird also ein Bereich berührt, der eins der wichtigsten Laboratorien staatssozialistischer Politik war. Die besondere Bedeutung der Arbeitswelt sozialistischer Staaten betont auch Peter Hübner in seinem Beitrag. Er weist darauf hin, daß diese Sphäre seit 1989 eine nachträgliche, überwiegend positive Bewertung durch die ehemalige Bevölkerung erfahren habe und sie darum heute einen zentralen Bezugspunkt sentimentaler Rückschau darstelle.
Solidarität und Alltag der DDR aus der Sicht exilierter Mitglieder des African National Congress
(2023)
Die Gesellschaftspolitik der KPD/SED richtete sich sofort nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes in direkter Abhängigkeit von den Zielen sowjetischer Deutschland- und Besatzungspolitik auf eine Entmachtung der alten Eliten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Neben umfassenden Demontage-, Beschlagnahme- und Enteignungsmaßnahmen in der gewerblichen Wirtschaft, mit denen allen größeren Industrieunternehmern die Basis ihres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einflusses entzogen wurde, gehörte eine radikale landwirtschaftliche Bodenreform zu den wohl wichtigsten Ansatzpunkten zur Beschleunigung der durch den Krieg selbst bereits eingeleiteten Umwälzung des gesellschaftlichen Gefüges.
Mehr als io Jahre lang haben durchschnittlich etwa einhundert namibische Kinder und ihre Betreuerinnen in dem kleinen mecklenburgischen Dorf Bellin gelebt. Geredet und geschrieben wurde über sie paradoxerweise erst im Zusammenhang mit ihrer Rückkehr nach Namibia im August 1990. Wer zufällig nach Bellin kam oder doch davon gehört hatte, stand vor einem alten Gutshaus, das bis Ende 1989 für ungebetene Besucher verschlossen blieb. In der DDR wußte so gut wie niemand etwas von der Existenz eines SWAPO-Kinderheimes. Abschottung einerseits, andererseits die in der DDR einmalige Situation, daß in einem Ort etwa 25 Prozent Ausländer lebten, die meisten von ihnen Kinder.
Die Rekrutierung von Führungspersonal erfolgte in der DDR - aufgrund des zentralistischen Staatssystems, der leitenden Rolle der Partei etc. - bekanntermaßen für alle Ebenen und Bereiche von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zentralgesteuert. Die Auswahl, Instruktion und Kontrolle des Führungspersonals stand dabei immer vor einem systemimmanenten Widerspruch zwischen Konformität und Professionalität. Trotz dieser Steuerung gelang es jedoch nicht, Frauen in größerer Zahl in Führungspositionen aller Ebenen einzusetzen, obwohl die SED zwischen 1949 und 1989 in gebetsmühlenartigem Stil immer wieder die Förderung von Frauen für Führungspositionen einklagte und zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Förderinstrumente erließ. Die Kritik an der mangelnden Umsetzung mag anhand des vielbeachteten Kommuniques des ZK der SED „Die Frau - der Frieden und der Sozialismus“ stellvertretend für die zahlreichen gesetzlichen Maßnahmen und Anordnungen der SED in der Zeit vor Veröffentlichung des Kommuniques und bis zum Ende der DDR verdeutlicht werden: „Alle Leitungen der Partei in den Betrieben der Industrie und der Landwirtschaft, im Staatsapparat, in den kulturellen Institutionen, Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen werden verpflichtet, die Beschlüsse der Partei und der Regierung zur Förderung und Entwicklung der Frauen zielstrebiger zu verwirklichen und ihre Durchführung ständig zu kontrollieren“. Warum auch diese „Instruktion“ ihr Ziel nicht erreichen konnte, legt eine bemerkenswerte Aussage von Inge Lange, der „ranghöchsten“ Frau in der DDR - sie war Vorsitzende der Abteilung Frauen beim ZK der SED - aus dem Jahre 1979 nahe. Demnach sei es, so Inge Lange, ganz klar, daß „in der in fernerer Zukunft zu schaffenden kommunistischen Gesellschaft alle Mitglieder der Gesellschaft, Frauen wie Männer, sozial gleichgestellt sein werden“ und nun, 1979, mit der Schaffung dieser Voraussetzungen begonnen werden müsse. Auch zu Beginn ihres letzten Jahrzehnts war die DDR somit weit entfernt von der realen Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frauen, obwohl in den offiziellen Verlautbarungen der Partei- und Staatsfuhrung beides bereits seit langem als verwirklicht galt.
Der grassierenden Fremdenfeindlichkeit auf dem Territorium der ehemaligen DDR liegt ein vielfältiges Ursachengeflecht zu Grunde. Ausgehend von den historischen Ursachen, die Behrends, Kuck und Poutrus anführen, soll hier näher auf ihre These von der „geschlossenen Gemeinschaft“ eingegangen werden. Die Autoren konstatieren
ein Legitimationsdefizit der SED, das zu „einer beharrlichen Distanz vieler Menschen zum sozialistischen Staat“ geführt habe. Damit folgen sie jener Richtung in der Diktaturenforschung, welche die DDR-Gesellschaft nicht in den Dichotomien von Anpassung und Widerstand zu erklären versucht, sondern vielmehr die Bevölkerung in ein komplexes Beziehungsverhältnis zu den politischen Institutionen setzt. Ein solcher methodischer Zugriff erkennt zum einen die Ungleichgewichtigkeit der Machtverteilung an und vermeidet zum anderen die a priori moralischen Implikationen jener Geschichtsschreibung, die dem Opfer-Täter-Denken verhaftet ist und dadurch oft dem Erklärungsschema der „Verführung der Massen“ folgt.