Europa
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„Was machen Sie eigentlich noch außer Afrika?“, fragte mich vor einigen Jahren ein jeder Ironie unverdächtiger Professor für Neuere, also vor allem deutsche Geschichte. Denn noch immer gilt in der „Zunft“ deutscher Historiker zwar als breit ausgewiesen, wer seine Forschungsschwerpunkte etwa im Kaiserreich und in der DDR-Geschichte hat - die Beschäftigung mit fast 50 Ländern südlich der Sahara (oder analog etwa mit Lateinamerika) über mehrere Jahrhunderte hinweg wird in der Regel als exotisches Laster angesehen, dem allenfalls ergänzend zu frönen sei. Nun ist Provinzialismusschelte auf die Dauer für alle Beteiligten ermüdend; der Nachweis etwa, dass hierzulande ausgerechnet methodisch als besonders progressiv daherkommende Fachorgane sich als regional besonders introspektiv, nämlich germanozentrisch erwiesen haben, ist ohnehin längst - und sine ira et studio - geführt worden.
Im Frühjahr 2020 tauchten die Begriffe »Postkolonialismus«, »postkoloniale Theorie« und verwandte Kategorien mit ungewohnter Dichte in den deutschen Feuilletons auf, waren Gegenstand von Streitgesprächen im Radio und aufgeregten Twitter-Kommentaren. Zentraler Anlass für die ambivalente Hausse des Postkolonialismus war die Erklärung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, der Kameruner Historiker Achille Mbembe sei wegen antisemitischer Positionen als Eröffnungsredner der Ruhrtriennale »nicht geeignet«. Daraus entwickelte sich eine heftige und durchaus verwirrende Debatte, in der Klein und gleichgesinnte Mbembe-Kritiker*innen des Rassismus und McCarthyismus gescholten wurden, während andere anhand weniger Passagen aus Mbembes umfangreichem Werk nicht nur darauf insistierten, er sei Antisemit und »Israel-Hasser«, sondern zugleich die »postkoloniale Theorie« anprangerten, als deren wichtiger Vertreter Mbembe gilt. Irritierend daran war nicht allein der Gestus, mit dem beispielsweise so mancher Journalist auftrat, als sei er der erste, der Kritik am Postkolonialismus oder an Mbembe übe. Insgesamt fiel zudem auf, wie sehr die Debatte auf einer bestenfalls oberflächlichen Lektüre relevanter Texte basierte. Dies galt zum Teil auch für jene, die etwa die Antisemitismusvorwürfe gegen Mbembe vehement ablehnten. Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, die in der Öffentlichkeit rasch zu einer der führenden Verteidiger*innen Mbembes aufstieg, gestand zunächst freimütig ein, sie könne seiner Theorie eigentlich gar nicht so richtig folgen.