Europäische Vorstellungswelten im Ostblock: Eine Topologie von Europanarrationen im Staatssozialismus
- Sowohl der Blick nach Westeuropa als auch nationale Selbstpositionierungen bestimmten Europavorstellungen im Ostblock. Besonders in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts dynamisierten sich hier Debatten um Europa, und verschiedene Narrationen von Europa standen dabei in einer Bedeutungskonkurrenz. Die politische Integration im westlichen Teil des Kontinents strahlte in die Kreise unabhängiger Intellektueller positiv aus, doch es wurden auch Debatten um eine regionale Identität Zentraleuropas geführt. Beide Stränge traten in der bekannten „Mitteleuropa-Debatte“ in einen Widerstreit. Auch wurde die Auseinandersetzung um „Polens Platz in Europa“ über die Jahre des Staatssozialismus hinweg fortgeführt, und in den Friedensbewegungen suchte man länderübergreifend nach einer europäischen Ordnung außerhalb der Systemkonfrontation. Sogar in den Parteieliten wurde darüber nachgedacht, wie sich die westlichen Staaten des Ostblocks angesichts des schwachen Zusammenhalts im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) wirtschaftlich neu orientieren könnten. So wurden den westeuropäischen Staaten Angebote zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, zu einer Verstärkung des Ost-West-Handels und gar zum politischen Dialog gemacht. Selbst in sich ideologisch stark vom Westen distanzierenden Staaten wie der DDR kam zur aus der Nachkriegszeit stammenden antikapitalistischen Rhetorik das intensive Reden über Ost-West-Kooperationen hinzu. Zwar wurde die Nachkriegspropaganda der Abgrenzung vom westlichen „Kleineuropa“ noch bis 1989 verfolgt, parallel wurde jedoch versucht, sich der Bundesrepublik und der Europäischen Gemeinschaft anzunähem, um wirtschaftliche Vorteile zu realisieren und damit die Herrschaft zu stabilisieren. Oppositionelle Vorstellungen von Europa befanden sich trotz der restriktiven Bedingungen der staatssozialistischen Diktaturen nicht allein in einem abgrenzenden Gegensatz, sondern auch in einem Austausch mit denen der offiziellen Propaganda.
Author: | Christian DomnitzGND |
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DOI: | https://doi.org/10.14765/zzf.dok.1.935 |
Parent Title (German): | Europa im Ostblock. Vorstellungen und Diskurse (1945 - 1991)/Europe in the Eastern Bloc. Imaginations and Discourses (1945–1991) |
Series (Serial Number): | Zeithistorische Studien (44) |
Publisher: | Böhlau |
Place of publication: | Köln |
Editor: | José María Faraldo, Paulina Gulińska-Jurgiel, Christian Domnitz |
Document Type: | Part of a Book |
Language: | German |
Date of Publication (online): | 2017/06/09 |
Date of first Publication: | 2008/01/01 |
Publishing Institution: | Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) - Leibniz Centre for Contemporary History Potsdam (ZZF) |
Release Date: | 2017/10/24 |
First Page: | 61 |
Last Page: | 81 |
Dewey Decimal Classification: | 9 Geschichte und Geografie / 90 Geschichte / 909 Weltgeschichte |
ZZF Chronological-Classification: | 1945- |
ZZF Topic-Classification: | Staatssozialismus |
Kalter Krieg | |
ZZF Regional-Classification: | Europa / Mittel-/Osteuropa |
Europa / Osteuropa | |
Licence (German): | ZZF - Clio Lizenz |