Bildethik. Zum Umgang mit Bildern im Internet
Zur Transformation von Häftlingen in Überlebende gehörte schon 1945 eine spezifische Visualität als KZ-Überlebende: Ihre Berichte gewannen mit den Fotografien und Zeichnungen an Glaubwürdigkeit und letztlich Bedeutung. Welche Motive und Sujets gehörten zu dieser Identitätssuche der Überlebenden? Meistens nutzten ehemalige Häftlinge die Bilder der alliierten Befreier, die eine spezifische Auffinde-Situation der Lager bei Kriegsende zeigten.
Befasst sich die historische Forschung mit Fotografie, so teilen sich die Quellen grob in vier verschiedene Zugangsarten auf: veröffentlichte Bilder in Printmedien, in Ausstellungen, semi-öffentlich-zugängliches Bildmaterial aus Archiven/Sammlungen oder privaten Archiven sowie der immer wichtiger werdende Bereich der Social Media. Mit der digitalen Fotografie und der Nutzung des Internets als Informationspool und für zwischenmenschliche Kommunikation ist Instagram dabei zu einer zentralen Social Media-Plattform zum Teilen visueller Inhalte avanciert. Die Richtlinien für akzeptiertes Material und die Nutzungsbedingungen legt die Betreibergesellschaft selbst fest.
Wir gehen im Folgenden der Frage nach, in welchem Verhältnis die veröffentlichten Bilder auf der zeitgenössischen populären Plattform zur allgemeinen Öffentlichkeit von Ausstellungen und Presse stehen. Welche bildethischen Vorstellungen drücken sich in den Praktiken von Instagram aus? Und inwieweit kann das digitale öffentliche Bildersammeln als Archiv gelten und auf gesellschaftliche zeithistorische Fragen Antworten geben?
Würdigung/Entwürdigung
(2022)
In der Geschichte der dokumentarischen Fotografie gibt es ungezählte Aufnahmen, die Opfer von Krieg, Gewalt und Armut zeigen. Oft ist es die erklärte Intention des Fotografen oder der Fotografin, auf Missstände aufmerksam zu machen und den Opfern, also den Abgebildeten, zu ihrem Recht zu verhelfen. Es gibt aber auch Fotograf:innen, denen das Wohlbefinden derer, die sie fotografieren, völlig egal ist. Während also die einen versuchen, die Würde des Menschen mit ihren Fotografien zu schützen oder gar wiederherzustellen, nehmen andere bewusst die Entwürdigung von Menschen in Kauf.