Zeithistorische Forschungen
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›1948‹ is a key concept in Israeli identity discourse. A signifier of the violent clashes that took place at the end of the British Mandate in Palestine (between the fall of 1947 and the spring of 1949), it encompasses both the foundation of a democratic Jewish nation-state and the destruction of numerous Palestinian communities during the Israeli ›War of Independence‹ and thereafter. The Nakba, the Palestinian catastrophe, could not be overlooked by Israel’s ›generation of 1948‹ and those that succeeded it: it was present in the deserted fields and houses now occupied by Israelis, in the names of the streams, hills and roads Israelis now visited during military drills or school field trips, and in the frequent encounters with Arab ›infiltrators‹ who sought to return to their abandoned homes and lands.1 The mass expulsion and the killings of Arab civilians by Jewish forces were regularly discussed and debated by Israeli politicians, intellectuals, journalists and artists in the ensuing decades.2 Yet with few exceptions, Israeli historians and politicians have seemingly effortlessly merged these atrocities with a commonly accepted ›narrative‹ by, for example, attributing them to rogue, marginal, right-wing militias; depicting cases of expulsion as sporadic and spontaneous events; or justifying them as ad hoc measures taken against the initiators of the violence during the war.
1967 rückte der Palästinakonflikt in den Fokus der politischen Arbeit des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), der diesen Konflikt im Zusammenhang mit den Befreiungsbewegungen der sogenannten Dritten Welt deutete. Politischen Zuspruch erhielt der SDS von palästinensischen wie auch israelischen Studentengruppen, die in Frankfurt am Main ihr Wirkungszentrum hatten. Diese sich als antizionistisch verstehenden Akteure fanden in dem ebenfalls in Frankfurt sitzenden Bundesverband Jüdischer Studenten in Deutschland (BJSD) einen Kontrahenten. Die Präsenz dieser zentralen Protagonisten transformierte das studentische Milieu im Frankfurter Westend zum bundesrepublikanischen Nukleus eines Deutungskampfes um die Geschehnisse im Nahen Osten. Eine sabotierte Veranstaltung mit dem israelischen Botschafter Asher Ben-Natan im Frankfurter Hörsaal VI am 9. Juni 1969 dient dem Aufsatz als Beispiel, um diesen Konflikt zu historisieren. Neben schriftlichen Quellen stützt sich der Beitrag auf Bildmaterial des Frankfurter Fotografen Kurt Weiner.
„Umwelt“ ist in aller Munde. Längst sind es nicht mehr nur die Birkenstock-Sandalen oder „Jesuslatschen“ tragenden „Ökos“, die den Umweltschutz auf ihren Baumwoll- oder Jutetaschen propagieren, sondern es gehört generell zum guten Ton, sich mindestens verbal für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt einzusetzen. Umwelt(schutz) ist aus den alltäglichen Praktiken und gesellschaftlichen Diskursen sowie nationaler, internationaler und supranationaler Politik nicht mehr wegzudenken. Die Umweltbewegung erhielt ab dem zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts einen solch zentralen Stellenwert, wie es zuvor nur die Arbeiterbewegung und die nationalen Bewegungen im 19. und 20. Jahrhundert vermocht hatten. Dabei hat sich die Umweltbewegung über einen vergleichsweise viel kürzeren Zeitraum konstituiert und eine Vielzahl einflussreicher Institutionen auf allen Ebenen hervorgebracht. Doch welche Möglichkeiten hat die zeithistorische Forschung, um die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte und der Gegenwart unter dem Aspekt „Umwelt“ zu analysieren – jenen Jahrzehnten, die auch als „Ära der Ökologie“ beschrieben werden?
Der Beitrag untersucht Motive und Voraussetzungen des Engagements west- bzw. gesamtdeutscher zivilgesellschaftlicher Initiativen in Belarus nach der Katastrophe von Tschernobyl. Gefragt wird, welche Wahrnehmungen und Maßstäbe von Sicherheit und Verunsicherung die Akteure leiteten. Die Fundamente des Engagements lagen in den Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er- und 1980er-Jahre – vor allem in der Anti-AKW- und der Friedensbewegung. Die zunehmende Sensibilisierung für ökologische Schäden, das sinkende Vertrauen in die schützende Rolle des Staates und wachsende Zweifel an der Autorität von „Experten“ verbanden sich mit einem Wandel in der Kommunikation von Emotionen. Angst und Verunsicherung wurden in der Spätphase des Kalten Krieges zum Mobilisierungspotenzial für ein zivilgesellschaftliches Handeln, das zum Teil bis heute andauert und vielfältige Kontakte zwischen Deutschland und Belarus etabliert hat.
Das gesellschaftstheoretische und sozialphilosophische Werk des Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas hat, nicht nur gemessen an seiner interdisziplinären und internationalen Rezeption, die Geistesgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv geprägt. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Habermas durch seine tagespolitischen Interventionen bekannt geworden, in denen er als klassischer „public intellectual“ zu relevanten politischen, gesellschaftlichen und ethischen Fragen dezidiert Stellung bezieht. Ihren vornehmlichen Ort findet diese Zusammenführung von Theorie und Lebenswelt bis heute aber weniger im Rahmen von Symposien, Konferenzen oder der akademischen Lehre, sondern vorzugsweise in der Gestalt politischer Publizistik, den „Kleinen Politischen Schriften“.
Die visuelle Überlieferung aus der Zeit der NS-Diktatur lässt sich nur interdisziplinär erforschen. Die fotografische Massenkommunikation, die im NS-Staat dem Propagan-daministerium unterstellt wurde, kann mit herkömmlichen zeithistorischen Methoden, aber auch mit dem kunstwissenschaftlichen Instrumentarium allein nicht umfassend erklärt werden. Qualitative Ansätze etwa der Kommunikationswissenschaft bieten zusätzliche Möglichkeiten des Erkenntnisfortschritts – nicht zuletzt im Hinblick auf die private Fotografie. Im Paradigma der „Bildwissenschaft“ können sich die Kompetenzen der Einzeldisziplinen neu verbinden und zum differenzierten Verständnis der NS-Herrschaft einen wichtigen Beitrag leisten. Der Aufsatz skizziert zunächst die fotohistorische Erforschung der NS-Zeit seit den 1980er-Jahren. Gefragt wird dann nach der Überlieferungssituation in den Archiven und den Auswirkungen der Digitalisierung. Eine zentrale These lautet dabei, dass sich das Problem der bisher oft mangelhaften Klassifizierung und Erschließung von Fotomaterial durch dessen digitale Zirkulation weiter verschärft.
Vor einer Trivialisierung des Holocaust warnend, bezeichnete Claude Lanzmann vor acht Jahren den Regisseur Steven Spielberg als „eine Art big brother der Erinnerung“. Damit gehörte Lanzmann zu einem Kreis von Historikern, Publizisten und Gedenkstättenmitarbeitern, die massive Kritik an Spielbergs ambitioniertem Vorhaben äußerten, weltweit möglichst viele Überlebende des Holocaust zu befragen. Die Gegenstimmen waren vielfältig und bezogen sich unter anderem auf die in den 1990er-Jahren noch gewöhnungsbedürftige Tatsache, dass Spielberg die digitalisierten Videointerviews in einem computergestützten, internetfähigen Riesenarchiv des Holocaust speichern wollte. Zudem bestand die Sorge, Spielbergs Medienpräsenz und erfolgreiche Sponsorenwerbung werde dazu führen, dass anderen, seit Jahrzehnten arbeitenden Oral-History-Projekten keinerlei Förderung mehr zukomme. Beanstandet wurde auch, dass nicht professionell ausgebildete Personen als Interviewer eingesetzt wurden. Wegen der hohen Zahl archivierter Aussagen von Überlebenden werde sich der inhaltliche Fokus von den Getöteten hin zu jenen verschieben, die der Ermordung entgangen waren. So werde die Geschichte des Holocaust als Geschichte eines Triumphs erzählt, die sie historisch nicht sei. Die Interviews seien darauf angelegt, genau jene Gefühle hervorzurufen, die Raul Hilberg für unlauter hielt: „There is nothing to be taken from the Holocaust that imbues anyone with hope or any thought of redemption.“ Tatsächlich kann die Interviewsammlung Spielbergs vielzitierten und wegen seiner Assoziation zu verbrannten Leichen etwas obszön wirkenden Anspruch, „jedes Körnchen Asche“ aufzusammeln, nicht einlösen. Denn diejenigen, die sprechen können, haben, wie Primo Levi es nannte, „den tiefsten Punkt des Abgrunds“ nicht berührt. Deutlich wird jedoch Spielbergs nachdrücklicher, fast obsessiv wirkender Versuch, vergehende Erinnerungen an den Holocaust vor dem Vergessen bannen zu wollen.
Mit der Wende des Zweiten Weltkrieges und dem beginnenden Rückzug der Wehrmacht entstand für die Menschen, die in den besetzten Gebieten mit den Deutschen zusammengearbeitet hatten, eine neue Situation. Die Rückkehr der alten Machthaber, in deren Augen sie Landesverräter waren, würde ganz sicher Repressionen für sie bedeuten. Dabei war die Motivation zur Zusammenarbeit irrelevant, ja sogar der Grad der Freiwilligkeit. Kollaboration wird hier also im ursprünglichen Wortsinne von Zusammenarbeit gefasst. Ob diese erzwungen, aus Not, taktisch, opportunistisch oder aus Überzeugung erfolgte, oder gar als Kooperation zu kennzeichnen ist, spielte für die Angst vor Vergeltung keine primäre Rolle...
Als das Institut für Zeitgeschichte 2005 ankündigte, dass es in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv und dem Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg eine ambitionierte 16-bändige Quellenedition zur Geschichte des Holocaust starten werde, mögen manche Fachkollegen und interessierte Laien verwundert gewesen sein. Wie zeitgemäß kann ein solches Vorhaben noch sein – angesichts rasanter technischer Veränderungen und damit verbundener Möglichkeiten der Speicherung und Verbreitung von in den Archiven ‚eingelesenen‘ Akten? Demgegenüber lässt sich die Ansicht vertreten, dass die professionelle Durchführung eines derartigen Projekts längst überfällig war. Wie der Mitherausgeber Dieter Pohl treffend argumentiert hat, ist es trotz mancher Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte und ungeachtet aller Widrigkeiten zu einem Paradigmenwechsel gekommen – vor allem in der systematischen Erfassung des erhaltenen Materials durch die internationale Vernetzung verschiedener Forschungsgemeinschaften.
Die südafrikanische Apartheid ist zum Bestandteil des »kollektiven Gedächtnisses« nationaler und transnationaler Erinnerungskulturen geworden. Dies betrifft nicht allein die Ereignisse in Südafrika selbst, sondern auch die weltweiten Diskussionen über den Umgang mit der Apartheid, die in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen ebenso wie in einzelnen Ländern geführt wurden. Die seit den 1960er-Jahren zunehmende weltweite Ächtung der Apartheid als rassistisches Regime hing zusammen mit einem Anwachsen von Anti-Apartheid-Bewegungen in zahlreichen Ländern und neuen Legitimationen westlicher Außenpolitiken. Von den sowjetisch kontrollierten, aber auch skandinavischen Ländern wurden die Befreiungsbewegungen – vor allem der African National Congress (ANC) – materiell unterstützt. Die Auseinandersetzungen über Apartheid und den Umgang mit einem Land, in dem Menschenrechtsverletzungen gesetzlich abgesichert waren, trugen in einem erheblichen Maße zur Etablierung der Menschenrechte als international verbindlicher Norm bei. Das Thema Apartheid bietet die Möglichkeit, transnationale Verflechtungen und gesellschaftliche Wahrnehmungen vertiefend auszuloten sowie die Bedeutung der 1970er- und 1980er-Jahre für die Ausbildung einer »reflexiven Moderne« zu erkunden.
Die Menschenrechte sind ein Konzept der Aufklärung. Ausgehend vom Individuum, waren Rechtsgleichheit, politische Teilhabe und Freiheit frühe Schlagworte. Obwohl angestrebt, gelang eine Verankerung dieser Rechte in staatlichen Verfassungen bis in das 20. Jahrhundert nur selten. Erst die Zeit nach 1945 gilt, mit der Gründung der UNO, als Durchbruch für eine Menschenrechtspolitik als Praxis in internationalen Beziehungen, wobei umstritten war, auf welche Sphären sie sich beziehen sollte. Menschenrechtsgeschichte heißt daher, über die politische Ideengeschichte hinaus, danach zu fragen, wie und mit welcher Wirkung Menschenrechte zum Leitmotiv politischen Handelns wurden – aber auch die strategischen Interessen hinter den damit verbundenen Kontroversen zu verstehen.
Rund 50 bundesdeutsche Unternehmen hatten während der Apartheid eigene Produktionsstätten in Südafrika. Wie legitimierten diese Unternehmen ihr Engagement? Nachdem gegenüber der Situation der schwarzen Bevölkerungsmehrheit lange eine Ignoranz vorgeherrscht hatte, wurde ab den 1970er-Jahren die Verbesserung der Arbeitsbedingungen schwarzer Beschäftigter ein erklärtes Ziel – als Folge ökonomischer Probleme (wie dem Fachkräftemangel) und eines steigenden politischen Drucks durch Kirchen und Gewerkschaften in der Bundesrepublik. Seit 1977 bildete der »Code of Conduct«, den die Europäische Gemeinschaft erließ, einen institutionellen Rahmen für die Menschenrechte aller Beschäftigten. Im zerfallenden Apartheid-Staat forderten westdeutsche Unternehmen während der 1980er-Jahre politische Reformen und etablierten mit den schwarzen Gewerkschaften stabile Verhandlungsbeziehungen. Anhand des Volkswagen-Konzerns und seiner Tochtergesellschaft Volkswagen of South Africa (VWoSA) wird dieser Prozess nachgezeichnet. Der Konflikt um die Apartheid zählt zu den Ausgangspunkten für die heutige Corporate Social Responsibility multinationaler Konzerne, mit der soziale Normen und Verpflichtungen auch für Tochterunternehmen festgeschrieben werden.
Die Geschichte der „Chinesenviertel“ und chinesischer Migranten in europäischen Metropolen demonstriert, wie „Fremde“ zur Gefahr für die nationale Arbeit und für die Großstädte stilisiert wurden; sie zeigt aber auch, wie Migranten wirtschaftliche Nischen besetzen und schließlich als kulturelle Bereicherung akzeptiert werden konnten. In Hamburg präfigurierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein ausgeprägter Hygiene-Diskurs die vehemente Ablehnung, während sich die Behörden in Rotterdam anfangs indifferent verhielten und die dortige Bevölkerung in den frühen 1930er-Jahren durchaus Empathie mit arbeitslosen Chinesen zeigte. In London wiederum schlug die anfängliche Toleranz seit dem Ersten Weltkrieg in Abwehr um. Ab den 1950er- und 1960er-Jahren setzte mit dem großen Erfolg chinesischer Gastronomie eine neue Phase chinesischer Migration ein, die nun als kulinarische Bereicherung der urbanen „Konsumgesellschaft“ allgemein anerkannt wurde. Während ein kosmopolitischer Charakter von westeuropäischen Metropolen seit den 1970er-Jahren als mehr oder minder selbstverständlich gilt, ist die Geschichte chinesischer Migranten in Westeuropa ein gutes Beispiel für den langen und unebenen Weg zur multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft.
Am Beispiel Hamburgs wird untersucht, wie die Geräusche einer bedeutenden Hafenstadt auf die einheimische Bevölkerung und auf Besucher wirkten. Die Klänge der Schiffssirenen, mitunter als „herrlicher Lärm“ bezeichnet, banden die Bewohner emotional an ihre Stadt. Auch bei Auswärtigen hinterließ das akustische und visuelle Erlebnis des Hamburger Hafens einen nachhaltigen Eindruck, nicht zuletzt da Hafengeräusche mit Fernweh und Abenteuerlust assoziiert wurden. Schon seit dem frühen 20. Jahrhundert griffen Massenmedien und Massenkultur die maritime Geräuschkulisse auf. Sehr populär wurde etwa die 1929 begonnene, bis heute fortgeführte Radiosendung „Hamburger Hafenkonzert“. Auch in Filmen fungierten maritime Klänge als variierende Bedeutungsträger. Während sich die ökonomische und soziale Bedeutung des Hafens für die Stadt Hamburg seit den späten 1960er-Jahren veränderte, werden maritime Sounds und Images auf medialer Ebene fortgeschrieben.
Soziale Ungleichheit hat viele Gesichter und stellt sich in verschiedenen Gesellschaftsformationen jeweils unterschiedlich dar.1 China ist ein besonders interessanter Fall, weil dort eine Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft unter der Ägide der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) abläuft. Sozialistisches Erbe und kapitalistische Gegenwart gehen also eine ungewöhnliche Verbindung ein. Vor diesem Hintergrund soll der vorliegende Beitrag zeigen, dass die heutigen sozialen Ungleichheiten in China nicht allein das Produkt der Hinwendung zum Kapitalismus sind. Gemäß der Humankapitaltheorie müsste in einer marktbasierten Gesellschaft die individuelle Bildung den größten Beitrag zur Erklärung bestehender Einkommensungleichheit liefern. In der Praxis sind aber auch in kapitalistischen Gesellschaften die Startvoraussetzungen der Einzelnen nicht gleich: Sie hängen stark von der sozioökonomischen Stellung der Eltern ab, sprich von deren ökonomischem und kulturellem Kapital. Über die Weitergabe des Status von einer Generation zur nächsten bilden sich typischerweise soziale Schichten heraus, die je nach Gesellschaft mehr oder weniger Durchlässigkeit aufweisen. In China kommt noch ein dritter Faktor hinzu: Die im Staatssozialismus angelegten sozialen Differenzierungen bilden die Basis für heutige soziale Ungleichgewichte. „Politisches Kapital“ spielt nach wie vor eine wichtige Rolle – Verbindungen zur Herrschaftselite und die Stellung im offiziellen politischen Diskurs besitzen entscheidenden Einfluss auf die Schichtungsergebnisse.
Seit Ende 2000 hat die Commerzbank die Zahl ihrer Mitarbeiter um rund 7.000 reduziert. Sie bietet den Entlassenen jedoch einen einmaligen Service: Diese können sich drei Monate auf Kosten der Bank von einem Outplacement-Berater coachen lassen. Das beginnt mit einem fünftägigen Trainings-Seminar, bei dem jeder seine Stärken herausarbeiten soll. Jeder Mensch sei eine Ich-Aktie, deren Wert erst ermittelt werden müsse. Dann gehe es darum, diesen Wert am Markt zu platzieren, wobei dem Marketing entscheidende Bedeutung zukomme: Wer einen niedrigen Wert hat, sich aber besser vermarkte, habe größere Chancen als derjenige, der sich nicht vermarkten könne.
Der Ruf des Marktes ist lädiert. Die internationalen Finanzkrisen der letzten Jahre haben Ängste vor einem offenbar politisch unbeherrschbaren, globalisierten Hochgeschwindigkeits-Kapitalismus geschürt; zugleich verweist das seit geraumer Zeit gewachsene Unbehagen an einer anhaltenden »Ökonomisierung« von Arbeitsbeziehungen, sozialen Sicherungs- oder Bildungssystemen auf die Schattenseiten eines hochflexiblen Informations- und Konsumgüterangebots, auf das allerdings kaum jemand verzichten möchte. Wie plausibel solche Zeitdiagnosen auch immer erscheinen mögen, sie dürften immerhin das gewachsene Interesse einer Zeitgeschichtsschreibung, die sich wieder stärker der »Problemgeschichte« oder den »Anfängen der Gegenwart« widmet, an jenen ökonomischen Faktoren miterklären, die in der kulturhistorischen Hochkonjunktur der 1990er-Jahre in den Hintergrund gerückt waren.
So viel Krise war lange nicht. Spätestens die erstaunliche Geschwindigkeit, mit der im Herbst 2008 astronomische Summen zur Stützung des internationalen Bankensystems mobilisiert wurden, machte offensichtlich, dass es sich diesmal nicht um einen letztlich sektoral oder regional begrenzten Einbruch der Finanzmärkte und Aktienkurse handelte wie bei der „Asienkrise“ 1997/98 oder beim Platzen der Dotcom-Blase im März 2000. Die wesentlich dramatischere öffentliche Wahrnehmung der Situation dürfte zum nicht geringen Teil die Undurchschaubarkeit jener „strukturierten Produkte“ reflektieren, die aus amerikanischen Immobilienspekulationen für jedermann zunächst eine weltumspannende Banken-, sodann eine allgemeine Wirtschaftskrise gemacht haben, deren Ende trotz der Erholungssignale der Finanzmärkte keineswegs ausgemacht ist.
Theory matters. Most historians would probably agree with this postulate, in the sense that theories from disciplines such as sociology, economics or psychology can sharpen historical analyses of any topic (though many of them may prefer quite pragmatic, common-sense approaches in their own empirical studies). But when it comes to a historical understanding of a phenomenon like marketization, theory does remain an analytical resource – and at the same time turns into a multifaceted object of research. The way we think about markets is highly affected by theorists, and not only by their ideas but also by their effectiveness in making them influential over specific periods of time.
Der Schlaf scheint auf den ersten Blick eine „anthropologische Konstante“ zu sein. Eine Historisierung der Regeln und Praktiken des Schlafs im 20. Jahrhundert kann jedoch zeigen, wie eng Vorstellungen vom „richtigen“ Schlafen an die Machtstrukturen der Gesellschaft geknüpft waren. Dieser Artikel geht der Frage nach, auf welche Weise Arbeitgeber, Sozialplaner, Ärzte und Psychologen auf den Schlaf und damit auf den Körper, die Arbeitskraft und die Zeit des Individuums zuzugreifen versuchten. Anhand von fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Diskussionen, aber auch von populären Ratgebertexten wird in einem ersten Schritt untersucht, wie und warum der Rhythmus des Schlafs seit Ende der 1920er-Jahre zu einem stark beachteten Thema wurde. In einem zweiten Schritt geht es um die Veränderungen, die der Zweite Weltkrieg im Umgang mit dem Schlaf bewirkte. In einem dritten Schritt wird der entscheidende Bruch in der Mitte der 1950er-Jahre untersucht, der das schlafende und arbeitende Individuum zum Gegenstand einer modernen Schlafforschung und neuer Schlafregeln machte.
Bilder von Flüchtlingslagern rufen in der Regel emotionale Reaktionen, ja Bestürzung über die enormen Ausmaße dieser prekären Einrichtungen hervor. Manchmal führen sie gar zur Frage, ob und wie diese Orte überhaupt existieren können. Bei der Betrachtung von Fotos und der gesamten Bildwelt der Flüchtlingslager stellen sich spontan Assoziationen ein: materielle Not, eine offensichtlich nur provisorische Organisation der Räume, schwach ausgeprägte Spuren, die das Lager als Form von der natürlichen Umgebung und dem Boden kaum abheben. All dies vermittelt den Eindruck, dass morgen bereits verschwunden sein könnte, was uns heute vor Augen steht. Wir werden von einem Gefühl der Unwirklichkeit ergriffen, das mit der europäischen Geschichte verknüpft ist, mit den in Europa vorherrschenden Normen der Raumorganisation und den Lebensweisen des Westens. Dieses Gefühl legt eine bestimmte Einordnung nahe. Es mischt sich mit einer von den Themen Ausnahmezustand und Thanatopolitik geprägten Vorstellung des Lagers. Manche Sozialwissenschaftler/innen, Journalist/innen und Fotograf/innen haben sich von dieser stark vereinfachenden Repräsentation täuschen lassen und die Lager der Gegenwart vor dem Hintergrund der Shoah betrachtet. Global gesehen, ist die Wirklichkeit der Lager des 21. Jahrhunderts jedoch wesentlich komplexer und ambivalenter. Einerseits muss das Modell der Ausnahme relativiert werden durch die sowohl globale als auch lokale Kontextualisierung der Lager – selbst wenn sich die für die Sicherheit verantwortlichen oder humanitären Mächte gern von diesem Modell inspirieren lassen. Andererseits prallen im Alltag der Flüchtlingslager zwei unterschiedliche Zeitregime aufeinander, ereignet sich gleichsam ein Schock zwischen der Langsamkeit des Alltags der Ein-Gelagerten (encampés) und der von der humanitären Dringlichkeit bzw. der Brutalität der Sicherheitseinsätze verursachten Hektik und Betriebsamkeit (urgentisme). Aus diesem Grund sind Spannung und Ungewissheit stets Teil des Handelns, der Sinnzuschreibung solcher Orte und ihrer Zukunft.
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(2004)
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