Zeithistorische Forschungen
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„Anarchie der Zellen“.
Geschichte und Medien der Krebsaufklärung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Am Beispiel des Films „Krebs“ (1930) wird die historische Bedeutung und Funktion von Filmen im Rahmen der Gesundheitsaufklärung analysiert. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert und verstärkt durch den Ersten Weltkrieg etablierten sich in verschiedenen Ländern Kampagnen zu medizinischen und hygienischen Themen. Neben Plakaten und Ausstellungen erschienen Filme als ein ideales Medium der Wissensvermittlung. Die Filme verknüpften Inszenierungen von Wissenschaft mit gesellschaftspolitischen Visionen und Aufforderungen für das individuelle Verhalten. Ein zentraler Akteur war dabei – vor und nach 1945 – das Hygiene-Museum in Dresden, das unter anderem den Film „Krebs“ produzierte. Die Argumentationsstrategien dieses Films werden hier näher untersucht, um damit einen Einblick in die Entstehung der Wissensgesellschaft im 20. Jahrhundert zu geben. Der Aufsatz verbindet medizin-, medien- und museumsgeschichtliche Zugänge mit Fragen der Körpergeschichte und des social engineering.
Die zu keinem Zeitpunkt besonders exklusive Position der akademischen Zeitgeschichte in der Öffentlichkeit wird heute mehr denn je herausgefordert von außerakademischen Beiträgen zur Geschichtsschreibung. Das gestiegene wie auch pluralisierte Bedürfnis nach geschichtlicher Einordnung der Gegenwart findet in den populären Geschichtsformaten ganz offensichtlich eine breite Resonanz. Bei dieser Ausweitung spielen fundamentale politische, sozialgeschichtliche und kulturelle Entwicklungen eine Rolle, namentlich die Aufweichung der nationalgeschichtlichen und nationalkulturellen Rahmenbedingungen, unter denen die moderne Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung seit dem frühen 19. Jahrhundert entstanden waren. Im frühen 21. Jahrhundert verstehen sich vormals undiskutierte Bezugsrahmen einer solchen Geschichtsschreibung nicht mehr von selbst. Vielmehr muss zunehmend klargestellt werden, wer welche Art der Geschichte für welches Publikum darstellen will.
Taylors Name steht heute – mit dem Begriff „Taylorismus“ – für Arbeitszerlegung und Dequalifizierung. In seinem vielfach nachgedruckten Hauptwerk „The Principles of Scientific Management“ fasste der amerikanische Ingenieur und Rationalisierungsberater Frederick Winslow Taylor (1856–1915) vorhandene heterogene Rationalisierungsvorschläge und -maßnahmen sowie eigene Überlegungen zu einer plakativen Lehre zusammen. An ihr entzündeten sich in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg heftige Auseinandersetzungen um die Organisation der Fabrik und die Gestaltung industrieller Arbeit.
In Auseinandersetzung mit Jörn Rüsens „vier Typen des historischen Erzählens“ (traditionales, exemplarisches, kritisches und genetisches Erzählen) wird ein fünfter Idealtypus zu begründen versucht, der sich aus gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen sowie der Emergenz digitaler Medien ergibt. Das „situative Erzählen“ als neuer Modus der historischen Sinnbildung antwortet zum einen auf Formen der Identitätskonstruktion innerhalb einer „flüchtigen Moderne“, deren Kennzeichen die Absage an „große Erzählungen“ und die Auflösung stabiler Identitäten sind. Zum anderen wird diese Erzähl- und Sinnbildungspraxis durch hypertextuelle Kulturtechniken codiert, ausgestaltet und prämiert. Der Beitrag nennt einige historiographische Ansätze des „situativen Erzählens“ und fragt nach den Konsequenzen für die Geschichtswissenschaft.
Mit Christian Geulens „Plädoyer für eine Geschichte der Grundbegriffe des 20. Jahrhunderts“ möchten wir eine Diskussion eröffnen zu den möglichen Konturen einer Historischen Semantik des vergangenen Jahrhunderts sowie zum Verhältnis von Zeitgeschichte und Begriffsgeschichte. Als Beitrag zur Historisierung und epochalen Charakterisierung der „Hochmoderne“ skizziert Geulen das Programm einer begriffsgeschichtlichen Grundlagenforschung, die zugleich als Vorstoß zur wissenschaftsgeschichtlichen Erschließung der eigenen Disziplin zu verstehen ist. Nach dem editorischen Abschluss der lexikalischen Großforschungsprojekte der „Geschichtlichen Grundbegriffe“ (1972–1992), des „Handbuchs politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820“ (1985–2000), des „Historischen Wörterbuchs der Philosophie“ (1971–2007) und der „Ästhetischen Grundbegriffe“ (2000–2005) beginnt soeben erst eine Rückschau auf die begriffsgeschichtliche Fundierung der deutschsprachigen Geisteswissenschaften im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Seit der Industrialisierung gehören Auslandsreisen zu den bevorzugten Informations- und Wissensquellen deutscher Unternehmer. Wichtigstes Reiseland war in der Frühphase der Industrialisierung zunächst England als „first industrial nation“. Deutsche Unternehmer importierten von dort technische Innovationen und Know-How, auf legalem oder auch auf illegalem Wege und in Form von Industriespionage. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurden die USA für deutsche Unternehmer interessanter, wohingegen Japan erst weit nach dem Zweiten Weltkrieg ins Blickfeld geriet. Während zwischen den „westlichen“ Industrienationen der Informationsfluss vergleichsweise unproblematisch verlief, gab es im japanischen Fall erhebliche interkulturelle Hürden zu überwinden.
Die Deutung der jüngeren und jüngsten Vergangenheit liegt nicht allein in der Hand professioneller Zeithistorikerinnen und Zeithistoriker, sondern ist ein hart umkämpftes Feld mit verschiedensten Akteuren. Das vorliegende Heft widmet sich diesem breiteren Feld der „populären“ Geschichtsschreibung aus unterschiedlichen Perspektiven. Welche Rolle spielt die „akademische“ Zeitgeschichte nun bei der Konstituierung von Geschichtsbildern und Geschichtserzählungen? „Akademisch“ mag wie ein abwertendes Signum klingen – unverständlich, im System Wissenschaft verfangen, vorbei am Publikum –, während es für den praktizierenden Akademiker eine Quelle seines Berufsethos sein dürfte (oder vielleicht der letzte Rettungsanker der Selbstlegitimierung). Strittig bleibt indes, was das „Fachwissenschaftliche“ genau ausmacht: Sind es bestimmte Mindeststandards, die ein Geschichtswerk erfüllen muss, um als „wissenschaftlich“ anerkannt zu werden, oder ist die „akademische“ Geschichtsschreibung im Wesentlichen durch eine (nicht allein fachspezifische) Forschungspraxis gekennzeichnet, die an strukturelle Bedingungen von Drittmittel- und „Exzellenz“-Projekten und akademische Moden gebunden ist sowie zu guter Letzt als „Abschlussbericht“ in Darstellung überführt werden muss?
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(2010)
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(2010)
Inwiefern können Bilder aus polizeilichen Überwachungskameras als „Quellen“ zeithistorischer Forschung verstanden und genutzt werden? Und was steht einem solchen Verständnis entgegen? Einerseits liegt mit den Bildern aus Überwachungskameras, als Instrumenten der Beobachtung und der Dokumentation des Miteinanders im öffentlichen Raum, ein materialreicher Fundus aktueller Daten und Aussagen der Gesellschaft vor. Andererseits ist dieses Archiv unserer Gegenwart für Sozialwissenschaftler und Historiker weitgehend unzugänglich, da die Aufnahmen aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes strengen Regeln unterliegen. Sofern es sich um Kameras im öffentlichen Raum handelt, sind die Bilder für andere als polizeiliche Zwecke nicht verwertbar (oder nur in stark eingeschränkter Weise). Kurz und überspitzend formuliert: Die Gesellschaft bildet sich in all ihren Äußerungen ab, nur um die meisten dieser Bilder sofort und ungesehen wegzusperren – ein Umstand, der im Übrigen in auffälligem Kontrast zu unserer sonstigen visuellen Kultur steht, die darauf angelegt ist, Bilder, auch privat hergestellte, möglichst breit zirkulieren zu lassen. Im Folgenden soll die Geschichte polizeilicher Videoüberwachung in Großbritannien skizziert werden, verbunden mit einigen allgemeineren Thesen zu Überwachungsbildern am Ende des Beitrags.