Zeitgeschichte online
Historische Erzählungen und Kunstwerke von und über LSBTIQ*s sind in deutschen Museen immer noch unterrepräsentiert. Sind sie doch vorhanden, ist die Darstellung oft einseitig. Wahrlich queere Zugänge zu Ausstellungen und musealen Sammlungen sind noch rarer gesät. Wo das Problem liegt und wie geglückte Versuche aussehen können, davon erzählt dieser Essay.
Queere Geschichtsschreibung steckt auch 2022 im deutschsprachigen Raum immer noch in den Anfängen. Die Erforschung lesbischer* Geschichte wurde sehr lange hauptsächlich von Aktivist*innen geleistet, die in politischen Projekten oder finanziert durch kleinere Aufträge nach Spuren lesbischen* Lebens suchten und Stimmen von Zeitzeug*innen aufzeichneten. In der universitären Welt ist lesbische* Geschichtsschreibung bisher allenfalls punktuell zu finden. Folgende Ausführungen zur Situation frauenliebender Frauen* in psychiatrischen Kliniken nach 1945 werden mehr Fragen als Forschungsbefunde enthalten, da sich unsere Forschungen noch in den Anfängen befinden.
Da das Recht und damit auch der Strafvollzug dem Aufbau des Sozialismus dienten, ist anzunehmen, dass diese sozialistische Moral auch in den Gefängnissen vermittelt werden sollte. Wie wurde also in den DDR-Haftanstalten mit gleichgeschlechtlicher Sexualität und nicht-normativen Verkörperungen von Geschlecht umgegangen? Dieser Frage geht der Beitrag am Beispiel des Ost-Berliner Frauengefängnisses nach.
Methoden queeren Forschens
(2023)
Queere Methoden – der Begriff ist ebenso unklar wie widersprüchlich. Wie kann so etwas wie Methoden, die für Ordnung und Übersichtlichkeit stehen, mit queer in Verbindung gebracht werden, also mit den damit verbundenen flüchtigen, widerspenstigen Praktiken und Subjektpositionen oder gar mit einem Theoriekorpus, der alle normativen Setzungen zu unterlaufen verspricht? Zunächst ließe sich vermuten, dass queeres Forschen sich mit queeren Themen, Lebensweisen und Selbstverständnissen beschäftigt – so wie sich die historische Forschung mit der Vergangenheit auseinandersetzt. Warum sollten dazu andere als die etablierten Methoden des archivalischen, historischen oder ethnographischen Forschens notwendig sein? So einfach liegen die Dinge jedoch nicht. Genauso wenig wie die Geschichtswissenschaft schlicht Vergangenes erzählt, beschreibt queere Forschung lediglich queere Lebensweisen. Schon lange ist queer nicht mehr nur ein Adjektiv, das im Sinne von LSBTIA* ein Feld von Subjektpositionen bezeichnet. Häufig wird queeren auch als Verb gebraucht, das ein aktives Tun meint – zum Beispiel im Umgang mit Methoden und dem Forschen selbst. Es geht also darum, die Art und Weise zu queeren, wie sich Forscher*innen den Feldern ihres Interesses nähern und ihre Themen erkunden.
This year marks a number of anniversaries of significant events of Czechoslovak history, starting with the declaration of independent Czechoslovakia in 1918; the Munich Agreement of 1938, which sumitted Czechoslovakia’s border areas to Hitler’s Germany; the communist takeover of 1948; and finally, the Prague Spring and subsequent Soviet-led invasion of 1968. Dubbed the “year of eights” [osmičkový rok] by the Czech media, historical reflections on the part of witnesses, historians, journalists and pundits alike are rife in the press, on the radio and on television. Yet as historian Pavel Kolář writes, when it comes to the events of 1968, “the anniversary has so far not brought any distinctive impulse” and sees this as a confirmation that “with each round anniversary, the significance of ’68 as one of the focal points of Czech memory is declining”.[1] What then remains of the eventful year of 1968 in Czech memory, fifty years on? This article will briefly examine the media response, which acts as a significant vehicle of memory, to both the reformist efforts of the Prague Spring and their suppression by Warsaw Pact tanks in the Czech Republic.
Oft wird behauptet, der Prager Frühling sei nicht durch die Parteiführung von oben in Gang gesetzt worden, sondern durch die Intellektuellen des Landes, also eher von unten. Anders als in Ungarn 1956, in Polen 1980-81 oder die Perestroika in der UdSSR seit Mitte der 1980er Jahre, so die These, sei der Prager Frühling durch kritische WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen initiiert worden. Es ist wichtig, dieses Narrativ, nach dem es vor allem die kreativen Köpfe waren, die die Macht herausgefordert haben, in einem größeren Kontext zu betrachten.
Zwar wurde im Verlauf der stalinistischen Aufbauphase der 1950er Jahre in der Tschechoslowakei hauptsächlich die Arbeiterklasse gefördert, gleichzeitig verbesserten sich jedoch auch Status und materieller Wohlstand vieler Intellektueller, vor allem der SchriftstellerInnen.
Anlässlich des 80. Geburtstages von Franz Kafka hatte vom 27. bis 29. Mai 1963 im barocken Schloss von Liblice die inzwischen legendäre Kafka-Konferenz unter der Federführung von Eduard Goldstücker und seiner Prager Germanistenkollegen stattgefunden. Ein Jahr danach, im Sommer 1964 berichtete der Budapester Korrespondent der Associated Press über die kulturpolitische Situation in den osteuropäischen Ländern. Unter dem Titel „Wer wird sich schon vor Kafka fürchten?“ diagnostizierte der Autor ein „kulturpolitisches Tauwetter“, das insbesondere in Ungarn, der Tschechoslowakei und Polen zu spüren sei.
Es ist etwas in Bewegung geraten in der ohnehin komplizierten deutsch-deutschen Erinnerungslandschaft. Nach dreißig Jahren wandeln sich die Rückblicke auf die jüngste Vergangenheit. Im Fokus steht dabei die Zeitenwende von 1989/90, die Deutschland und Europa wieder intensiv umtreibt. Eine neue Welle von Populismen und Nationalismen spült scheinbar vergessene, verdrängte oder überwunden geglaubte Fragen zu den materiellen wie ideellen Erbschaften von Staats- und Postsozialismus erneut an die Oberflächen. Als zuletzt auch die sonst in dieser Hinsicht so schweigsame Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview gegenwärtig – angesichts bisweilen heftiger publizistischer Debatten – ein ostdeutsches „1968“ aufdämmern sah, wurde offensichtlich: Vormals festgefügte Meister- beziehungsweise Siegererzählungen (West?) und hierauf bezogene Gegen- beziehungsweise Opfererzählungen (Ost?) werden brüchig und verlieren an Überzeugungs- und Bindekraft.Politische, generationelle, wissenschaftliche und kommunikativ-technologische Dynamiken überschneiden sich in einem nur schwer überschaubaren Geflecht aus vielfältigen Interessen, Meinungen und Emotionen. Und mittendrin: eine gerade erst dieses neue Feld empirisch für sich entdeckende Zeitgeschichtsforschung.
Die Friedliche Revolution und die folgende Systemtransformation wurden von den Ostdeutschen als tiefer biographischer Einschnitt erlebt. Weite Teile ihrer Lebenswelt veränderten sich, einstige Sicherheiten waren auf einmal nicht mehr sicher. Dieser revolutionäre Wandlungsprozess wurde ganz unterschiedlich erlebt und gedeutet. Heute prägen die damaligen Erfahrungen den Rückblick auf diese Zeit. Es besteht ein Erinnerungskonflikt zwischen einem Revolutionsgedächtnis, das die demokratischen Errungenschaften hochhält, und einem Verlustgedächtnis, das den Umbruch als Zeit der Verunsicherung und enttäuschten Erwartungen abgespeichert hat und bis heute eine skeptische Haltung zur neuen politischen Ordnung einnimmt. Eng verklammert ist die jeweilige Deutung zudem mit unterschiedlichen Geschichtsbildern von der SED-Diktatur, deren wichtigste Quelle heute die Familie ist. Schule und Gedenkstätten spielen bei der Ausprägung von Geschichtsbildern hingegen eine deutlich nachgeordnete Rolle. Auch die jeweiligen Diktaturerfahrungen prägen also die Sicht auf die Transformation.
Geschlechterverhältnisse innerhalb der sozialwissenschaftlichen Transformationsforschung eher eine marginale Rolle. Es war vor allem die interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung, die die Auswirkungen des Systemwechsels in der früheren DDR in den Blick nahm. Die Fülle der bis in die frühen 2000er Jahre entstandenen Forschungen trug Karin Aleksander in ihrer Bibliographie „Frauen und Geschlechterverhältnisse in der DDR und in den neuen Bundesländern“ zusammen.