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Zwei Pressefotografien zeigen Menschen unterschiedlicher Migrantengruppen: eine türkische „Gastarbeiterfamilie“ und sogenannte Aussiedlerkinder. Beide Bilder stehen in einem engeren inneren Zusammenhang, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Im Juli 1973, vier Monate vor Verkündung des „Anwerbestopps“ von Arbeitskräften aus Südeuropa, titelt „Der Spiegel“: „Gettos in Deutschland. Eine Million Türken“. Auf dem Cover des Nachrichtenmagazins ist eine achtköpfige, vermutlich türkische Familie abgebildet: fünf Kinder, Mutter, Vater und ein weiterer männlicher Verwandter oder Freund der Familie. Das zweite Bild zeigt ein modernes Sprachlabor im Durchgangswohnheim Unna-Massen im Jahr 1971: An Arbeitsplätzen, die mit Trennwänden voneinander abgeschirmt sind, sitzen „Aussiedlerkinder“ und erhalten über Kopfhörer Deutschunterricht.
Von einem ganz ähnlichen Verständnis visueller Zeugnisse ist auch die gegenwärtige Sonderausstellung der Stiftung Topographie des Terrors geleitet. Nur nimmt sie anstelle der weit häufiger fixierten osteuropäischen Perspektive auf den Holocaust erstmalig ein westeuropäisches Land in den Blick. „Fotografien der Verfolgung der Juden. Die Niederlande 1940-1945“ ist aus einer Kooperation mit dem Amsterdamer NIOD Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Genocidestudies und dem Joods Cultureel Kwartier / Nationaal Holocaust Museum i.o. hervorgegangen, in dem die Ausstellung zuvor zu sehen war.
Nachrichten, Blogs, Online-Zeitschriften, Websites von Museen, von Gedenkstätten und anderen Bildungseinrichtungen, Online-Ausstellungen, Social Media – sie alle zeigen Bilder: groß aufgezogen, als Fotostrecke, in kleineren Formaten, mit oder ohne Bildunterschrift. Visuelle Informationen gehören im Netz dazu. Häufig dienen Bilder der Illustrierung von Texten; sie sind ästhetische Elemente, die visuell die Inhalte der Website kommunizieren sollen. Selten steht ihr eigener Quellenwert im Vordergrund. Bilder – und hierzu zählen auch historische Fotografien – sind niedrigschwellig durch Bildagenturen, Online-Bildarchive, Bilddatenbanken und Social Media zugängig, darunter auch solche, die diskriminierende Inhalte zeigen. Wie aber können wir mit Bildmaterial umgehen, das negative oder ausgrenzende Zuschreibungen aufweist und etwa die Persönlichkeitsrechte eines Menschen verletzt? Auseinandersetzungen über bildethische Fragestellungen in der Verwendung von (historischen) Fotografien finden zwar intern in einer Redaktion, in einem Ausstellungsteam, bei der Planung eines Buches immer wieder statt, allerdings werden diese noch kaum dokumentiert. Eine Diskussion in der Fachöffentlichkeit hat sich darüber noch nicht etabliert. Der Workshop „Bildethik – zum Umgang mit Bildern im Internet“ wollte genau hier ansetzen und einen Austausch von Erfahrungen, Methoden und Strategien im Umgang initiieren.
Die Ästhetik der Ausstellungsgestaltung im Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, verweist beim Betreten der Räume sofort auf das Thema: Ein aufdringliches Teppichblau konkurriert mit Ausstellungswänden aus hellgrauen Lochblechsegmenten. Die Kapiteltexte sind auf verschiedenfarbige Tafeln aufgezogen und stehen locker im Raum verteilt, ebenso wie einige Spiegel, Vitrinen, Tische, Regale und Medienstationen. Alles trägt zum vorläufigen, werkstatthaften und uneinheitlichen Charakter des ersten Eindrucks der Ausstellung zum Medium Amateurfotografie bei.
Sicher fühlen sich einige Besucher*innen von diesem Anblick leicht abgeschreckt, bei mir löste er eher eine euphorische Goldgräberstimmung aus. Eine Ausstellung kleinformatiger Amateurfotografie, alle einheitlich einzeln gerahmt hinter Passepartouts wie kleine kunsthistorische Preziosen, hätte ich in diesem Zusammenhang als unpassend empfunden. Wenn sie auch in diesem Fall nicht völlig vermieden wurden: Auf diese Weise werden hier beispielsweise die Fotografien des Bauhauses präsentiert.
Das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD) ist ein Kölner Verein, der sich die Dokumentation der Migration nach Deutschland zur Aufgabe gemacht hat. 1990 als „Archiv von unten“ von aus der Türkei stammenden Migranten unter dem Kürzel DOMiT (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei e.V.) gegründet, widmete es sich zunächst ausschließlich der Migrationsgeschichte aus der Türkei. 2007 erfolgte die Fusion mit dem Verein Migrationsmuseum in Deutschland und die thematische Weitung hin zur Geschichte der Einwanderung nach Deutschland in allen Facetten.
Vortragende wie Moderator*innen der Tagung „Private Blicke in Diktatur und Demokratie: Schmalfilme und Fotos im 20. Jahrhundert“ haben der Redaktion von Visual History vorab ein Foto oder Filmstill aus der Forschungspraxis geschickt und dazu einige Sätze notiert: zum Bild selbst, zum Projekt, zum Vortrag auf der Tagung – so ist ein visuelles Mosaik zum Informieren, Stöbern und Entdecken entstanden.
Der Dresdner Kunst- und Fotohistoriker Wolfgang Hesse forscht seit vielen Jahren zur proletarischen Amateurfotografie. Seine hier vorliegende Internet-Publikation befasst sich mit dem „Roten Abreißkalender“ der KPD der Weimarer Republik. Sowohl die Arbeiter- wie die Abreißkalender gehen in ihrer Tradition auf das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts zurück. Die ersten Arbeiterkalender sind 1867 in Budapest und 1868 in Berlin nachweisbar. Die wichtigsten inhaltlichen Änderungen gegenüber dem traditionellen „Volkskalender“ bestanden darin, dass die geschichtlichen Teile statt der bisherigen „Heldengeschichtsschreibung“ Daten der allgemeinen Weltgeschichte, der demokratischen und der deutschen Arbeiterbewegung enthielten. Um 1880 tauchten in Deutschland die ersten (nicht-politischen) Abreißkalender auf, die, dem englischen Vorbild der date blocks folgend, literarische, religiöse oder Texte aus dem Alltagsleben auf den Kalenderblättern anboten. Sie inspirierten, unter neuem Vorzeichen, auch Unternehmungen wie das hier vorgestellte.
„Wenn ich nicht Peter Panter wäre, möchte ich ein Buchumschlag im Malik-Verlag sein“, schrieb Kurt Tucholsky 1932. Dieses Zitat findet sich in der großen Ausstellung, mit der die Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin noch bis zum 23. August 2020 John Heartfield würdigt – unter anderem als kongenialen Gestalter von Buchumschlägen. Während diese Ausstellung geradezu ein Gesamtkunstwerk ist und Heartfield als Multimedia-Künstler hervortreten lässt, zeigt der Salon Berlin des Museums Frieder Burda vom 12. Mai bis zum 24. Oktober 2020 eine Fotokunstausstellung, die demgegenüber minimalistisch wirkt, aber ihren eigenen Reiz hat – und direkte Bezüge zur Heartfield-Ausstellung. Darauf wird noch einzugehen sein.
Im experimentellen und künstlerisch-kreativen Umgang von den am Workshop teilnehmenden Historiker*innen mit diesem regionalen Thema sind schließlich sieben Comic-Plakate entstanden, die gezielt Einblicke in den Alltag des frühen 20. Jahrhunderts geben und Momente aus dem teils harten Leben in der Weltstadt Berlin visualisieren.
Zur Transformation von Häftlingen in Überlebende gehörte schon 1945 eine spezifische Visualität als KZ-Überlebende: Ihre Berichte gewannen mit den Fotografien und Zeichnungen an Glaubwürdigkeit und letztlich Bedeutung. Welche Motive und Sujets gehörten zu dieser Identitätssuche der Überlebenden? Meistens nutzten ehemalige Häftlinge die Bilder der alliierten Befreier, die eine spezifische Auffinde-Situation der Lager bei Kriegsende zeigten.
Antiziganismus
(2020)
Bisweilen bestechen Bilder erst durch das, was auf ihnen nicht zu sehen ist. Die Art und Weise, wie das Abgebildete eingeordnet und ergänzt, wie aus dem Ausschnitt ein Panorama, aus dem Augenblick eine Geschichte wird, offenbart oftmals mehr über die Wirkweisen von Bildern als diese selbst. So auch im Fall von „Maria“, einem jungen Mädchen, dessen Porträt aus einer Wohnsiedlung von Rom*nja in der griechischen Stadt Farsala im Herbst 2013 weltweite Wogen schlug.
Heute startet das Themendossier „Bildethik. Zum Umgang mit Bildern im Internet“ auf Visual History. In den folgenden Wochen werden wir Beiträge präsentieren, die sich aus wissenschaftlicher, archivalischer und musealer Perspektive Fragen der Bildethik in Dokumentations- und Forschungsprojekten, Zeitschriftenredaktionen, Online-Archiven, Museen und Ausstellungen widmen. Mit diesem Themendossier wollen wir einen Austausch zum Umgang mit historischem Bildmaterial in Online-Umgebungen anregen. Viele Beiträge gehen auf einen Workshop zurück, der am 18. März 2019 am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam stattgefunden hat.
Ende September 2020 ist im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam die Ausstellung „Mensch Brandenburg! 30 Jahre, 30 Orte, 30 Geschichten“ eröffnet worden. Anlässlich des 30. Jahrestags der Gründung des Bundeslands unternimmt die Ausstellung eine Entdeckungsreise zu 30 Orten und den damit verbundenen Themen und Menschen, die Brandenburg in den letzten 30 Jahren geprägt haben: verwaiste Landstriche und boomende Metropolregionen, verschwundene Orte und neue Seenlandschaften, wortkarge Menschen und Geschichtenerzähler, die Treuhand, der Wolf, die Braunkohle, der BER – und nicht zuletzt sehr viel Natur. Neben den Porträts von 30 Menschen, die über ihre Arbeit und ihr Engagement erzählen, wird jeder vorgestellte Ort in der Ausstellung visuell gerahmt. Die Fotografien erzählen von der Zeit der Transformation nach 1989, von den politischen und strukturellen Umbrüchen der letzten drei Jahrzehnte. Gemacht hat diese Bilder der Fotograf Sven Gatter.
„zurückGESCHAUT“ ist in diesem Zusammenhang deutschlandweit eine der ersten Dauerausstellungen zur deutschen Geschichte von Kolonialismus, Rassismus und Widerstand. Deshalb stellt sich die Frage, wie die Ausstellungsmacher*innen diskriminierende und kolonialrassistische Fotografien im Hinblick auf bildethische Grundsätze in ihr Ausstellungskonzept integriert haben. Seit 2017 thematisiert die Ausstellung im Museum Treptow in Berlin die sogenannte Erste Deutsche Kolonialausstellung im Treptower Park als einen eigenständigen Teil der Berliner Gewerbeausstellung von 1896. Nachdem im Folgenden mit der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 der historische Gegenstand, in einem Exkurs das Bezirksmuseum Treptow sowie die Inhalte und der Aufbau von „zurückGESCHAUT“ vorgestellt werden, soll der Fokus im Zusammenhang mit der aufgeworfenen Frage auf dem sogenannten Raum mit dem Opernglas liegen. In diesem wird unter anderem das von Bismarck Bell erworbene Opernglas ausgestellt.
Im Jahr 2014 beschloss die zwölf Jahre nach ihrem Tod von Freund*innen der Fotografin gegründete Abisag Tüllmann Stiftung die Übergabe des fotografischen Werks an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Letztere sollte den Nachlass Abisag Tüllmanns sichern, erschließen und zugänglich machen. Der damalige Leiter der bpk-Bildagentur Hanns-Peter Frentz und Heidi List als Vertreterin der Abisag Tüllmann Stiftung verfolgten mit ihrer Arbeit das Ziel, einen Großteil des Nachlasses nicht nur für die wissenschaftliche, sondern auch für die allgemeine Öffentlichkeit zu bewahren und online zugänglich zu machen.
Der Historiker Gerhard Paul gehört zu den wichtigsten Vertreter*innen der deutschsprachigen Visual History. Er war bis 2016 Professor für Geschichte und Geschichtsdidaktik an der Europa-Universität Flensburg, wo er seit seiner Pensionierung als Seniorprofessor weiterforscht. Das von Christine Bartlitz und Josephine Kuban für das Online-Portal „Visual History“ (www.visual-history.de) geführte multimediale[1] Interview stellt die Privatperson ebenso wie den renommierten Wissenschaftler vor, der 1951 in Hessen geboren wurde, und verschränkt dies mit aktuellen Fragen zum Forschungsfeld der Visual History rund um die Methoden, den Stellenwert in den Geschichtswissenschaften und Debatten zu Bild- und Urheberrechten.
Der Artikel beleuchtet die Geschichte des afro-amerikanischen Missionars William Henry Sheppard. Seine Aufdeckungsarbeit im Kontext der "Kongo-Gräuel" setzte entscheidende Impulse bei der Bekanntmachung eines der größten Skandale der Kolonialgeschichte. Besonders das Medium der Fotografie avancierte zur wichtigen Waffe im Kampf gegen die an den Einwohnern des Kongos verübten Gräueltaten.