Visual-History
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„Geschichte ist oft bilderlos.“ – Damit stellt sich die Frage, wie man in der Präsentation und Vermittlung von Geschichte mit bildlichen Überlieferungslücken umgeht? Es stellt sich aber auch die Frage nach dem Umgang mit überlieferten Bildern, die aus rassistischen, diskriminierenden oder ethischen Gründen nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezeigt werden sollten. Wie visualisiert man also Ereignisse, die nicht oder nur bedingt bildlich darstellbar sind? Diesen und weiteren Fragen ging ein dezidiert interdisziplinär ausgerichteter Workshop am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung unter dem Titel „Was man nicht sieht! Perspektivwechsel durch Comics“, geleitet von Christine Bartlitz (Potsdam) und Irmgard Zündorf (Potsdam) nach.
Ukrainische „Nachtwache“
(2022)
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, den die russischen Streitkräfte unter der bewusst nebulös gehaltenen Bezeichnung als „militärisch-technische Sonderoperation“ mit ihrer Invasion am 24. Februar 2022 begonnen haben, wird auch in einer globalisierten medialen Öffentlichkeit als sogenannter Kommunikations-Krieg ausgetragen – darüber sind alle Kommentare und Analysen einig. Auf diesem Kriegs-Schauplatz kommt der Darstellung und Deutung der Ereignisse mittels visueller Medien eine zentrale Bedeutung zu: Auch diese Feststellung wird nicht nur weithin geteilt, sie beeinflusst deren Auswahl aufgrund des Referenzrahmens, den sie für die Deutung des Geschehens zur Verfügung stellen.
Hier soll ein Motiv herausgehoben werden, dem in allen Analysen ebenfalls eine zentrale Bedeutung zugeschrieben wird: der Repräsentation der beiden Spitzenpolitiker als zentraler Akteure, des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seines russischen Gegenübers, Wladimir Putin.
un.sichtbar – Zur Einführung
(2024)
Studierende des Masterstudiengangs Public History der Freien Universität Berlin haben im Wintersemester 2023/24 mit Unterstützung von Christine Bartlitz (ZZF), Christoph Kreutzmüller (Selma Stern) und Theresia Ziehe (Jüdisches Museum) das Fotoalbum der deutsch-jüdischen Familie Lindenberger als zeitgeschichtliche Quelle im Sinne einer Visual History untersucht und sich dabei auf das Spannungsverhältnis von Sichtbarem und Unsichtbarem im Album und bei den einzelnen Bildern konzentriert. In dem Themendossier „un.sichtbar. Blicke auf das Fotoalbum einer jüdischen Familie 1904-1969“ geben wir Einblicke in unsere Arbeit: In 17 Beiträgen nähern wir uns aus ganz unterschiedlichen Perspektiven den Bildern aus dem Album und stellen das Fotoalbum in Gänze sowie einzelne Fotografien im Detail vor, unter der Fragestellung: Was können uns die Bilder zeigen – und was zeigen sie nicht?
Urban Eyes. Deutschsprachige Fotograf:innen im New Yorker Exil in den 1930er und 1940er Jahren
(2023)
New York: Faszinosum – Freiheit – Vielfältigkeit – Überwältigung – Chaos – Orientierungslosigkeit. So in etwa erging es in den 1930er und 1940er Jahren auch jenen deutschsprachigen Fotograf:innen, die sich nach der Passage in die Emigration auf den Straßen in der US-amerikanischen Metropole wiederfanden. Die Großstadt war einigen von ihnen durch Medien der Weimarer Republik bekannt. Ihre Ankunft fand jedoch nicht im Kontext einer Reise statt, in der Sightseeing an erster Stelle stand.
Vernichtungskrieg und Provenienzforschung. Der nationalsozialistische Kulturgutraub in Osteuropa
(2020)
Mit dem deutschen Überfall auf Polen 1939 begann ein rassistischer Vernichtungskrieg in Osteuropa, der den Tod von Millionen von Zivilisten einkalkulierte. Der Eroberungsfeldzug wurde begleitet von einem systematischen Kunst- und Kulturgutraub durch die deutschen Einheiten in den eingenommenen Gebieten.
In dem Projekt „Visual Histories“ werden unter dem Motto „Alte Bilder, neuer Blick“ die Geschichten und die Geschichte hinter den Bildern in unterschiedlichen Reiseberichten ergründet. In Form eines Podcasts werden Untersuchungen von Reiseberichten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts präsentiert. Im Vordergrund stehen dabei nicht nur die Reiseberichte von neun verschiedenen Autor*innen, sondern auch vier Weltregionen, die China, Japan und Korea, Afrika sowie Australien und Neuseeland umfassen.
Othering begegnet uns nicht nur im geschriebenen Wort. Es kann sich ebenfalls in der Kombination von Bild und Text manifestieren. Wie wichtig eine Reflexion der Artikelbebilderung durch die Redaktion ist, möchte ich im Folgenden anhand eines Artikels der „Berliner Morgenpost“ veranschaulichen. Hierzu ist ein poststrukturalistisch orientierter Zugriff besonders geeignet, da hier die Auffassung vertreten wird, dass die Bedeutungen den Dingen nicht immanent sind, sondern sie ihnen diskursiv zugewiesen werden. Somit werden im Diskurs die Dinge erst als soziale Phänomene konstituiert, über die gesprochen bzw. geschrieben wird. Mittels einer solchen anti-essentialistischen Perspektive auf Identitäten kann die Forschung dazu beitragen, binäre Identitätskonstruktionen aufzudecken, zu hinterfragen und letztlich zu überwinden.
Es ist notwendig, ein kritisches Bewusstsein über die Rolle und Funktion von Bildern in antisemitischen Diskursen zu schaffen und durch die Vermittlung von Medienkompetenz antisemitische Kommunikation durchschaubar zu machen. Außerdem sollten durch historisierende Bildanalysen solche Elemente herausgearbeitet werden, durch die antisemitische Bilder von anderen visuellen Aussagen unterschieden und abgegrenzt werden können.
Die mexikanische Fotojournalistin Julia Le Duc nahm das Foto der Toten am Montag, dem 24. Juni 2019, auf. Der vorliegende Beitrag nimmt dieses im Juni 2019 weltweit verbreitete Foto zum Anlass, um über Bildzirkulation und Medienkritik nachzudenken. Nach einer Kontextualisierung des Fotos einerseits mit dem Fall Alan Kurdi, andererseits mit Folgebildern der Hinterbliebenen und Überlebenden, führt der Beitrag neuere Foto- und Bildtheorien von Ariella Azoulay, Lilie Chouliaraki, Robert Hariman und John Louis Lucaites weiter. Die These lautet, dass über Fragen der Bildethik hinaus es vor allem darum gehen muss, Gesellschaften so zu verändern, dass – auch strukturelle – Gewalt nicht mehr stattfindet. Hierin liegt die imaginativ-transformative Kraft des Fotojournalismus.
Im Vergleich zu älteren Untersuchungen zur Pressefotografie im Nationalsozialismus herrscht aktuell aufgrund der fortgeschrittenen Digitalisierung eine vollkommen neue Ausgangslage vor. Gerade Österreicht sticht im internationalen Vergleich positiv hervor.
Umso mehr springt die Diskrepanz zwischen zunehmender digitaler Verfügbarkeit von publizierter Fotografie und dem Fehlen systematischer Studien zur NS-Pressebildkultur in Österreichs Illustrierten ins Auge. In unserem Forschungsprojekt „Visuelle Öffentlichkeit im Nationalsozialismus“, das von 2023-2027 am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien durchgeführt wird, wollen wir die digitale Verfügbarkeit historischer Zeitungsbestände gezielt methodisch nutzen. In Zusammenarbeit mit dem Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften soll ein umfangreicher Bilderpool aus der österreichischen NS-Bildpresse als Untersuchungskorpus und Ausgangsbasis für quantitative und qualitative Analysen generiert werden. Während quantitative Erhebungen Aufschluss über die Bildakteur:innen der NS-Bildpresse und die visuelle Zusammensetzung der Illustrierten erlauben, soll in qualitativen Fallstudien mittels Bildanalysen und Bildvergleichen die Frage nach der propagandistischen Indienstnahme des Mediums Fotografie im Nationalsozialismus beantwortet werden.