Docupedia-Zeitgeschichte
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Die „Dritte Welt“ hat es nur als abstraktes wirkmächtiges zeitgenössisches Ordnungsmuster der Welt gegeben. Der Begriff wurde von imaginären und tatsächlichen Entwicklungen in den Ländern Asiens und Afrikas sowie zum Teil auch Lateinamerikas geprägt. Jürgen Dinkel zeigt die entsprechende Aufladung des schillernden Begriffs ebenso wie das jeweils politische und wirtschaftliche Agieren dieser an sich sehr unterschiedlichen Länder auf, um mit der Historisierung von Geschichte und Semantiken der Dritten Welt zu beginnen.
„Volksgemeinschaft”
(2014)
„Volksgemeinschaft”, wie sie vom NS-Regime propagiert worden ist, hat es als soziale Wirklichkeit nicht gegeben. Nicht in der Feststellung eines sozialen Ist-Zustandes, sondern vielmehr in der Verheißung, in der Mobilisierung lag die politische Kraft. Michael Wildt plädiert in seinem Beitrag dafür, den Begriff der „Volksgemeinschaft“ praxeologisch zu verstehen und nach den Praktiken ihrer Herstellung zu fragen. In dieser analytischen Perspektive bildet „Volksgemeinschaft” keine festgefügte soziale Formation, sondern wäre vielmehr als soziale Praxis zu untersuchen.
Diktaturenvergleich
(2014)
Komparative Verfahren gehören inzwischen auch in der Geschichtswissenschaft zum selbstverständlichen methodischen Handwerkszeug. Detlef Schmiechen-Ackermann zeichnet in seinem Beitrag frühe Etappen der Diktaturforschung und des Vergleichs im internationalen Maßstab nach und fragt, warum vergleichende Betrachtungen von Diktaturen in öffentlichen Debatten in der Vergangenheit so umstritten waren. Daran schließen sich Überlegungen zur Methodik und zu den unterschiedlichen Varianten des „Diktaturenvergleichs“ an sowie ein knapper Ausblick auf die sich wandelnden Perspektiven vergleichender Diktaturforschung im 21. Jahrhundert.
Postsozialismus
(2013)
Der Beitrag von Petra Stykow befasst sich mit „Postsozialismus“- bzw. „Postkommunismus“-Konzepten, die sich in sozialwissenschaftlichen (Anthropologie, Wirtschaftssoziologie/Politische Ökonomie, Politikwissenschaft, Geografie) sowie in kulturwissenschaftlich-philosophischen Diskursen nach dem Ende des Kalten Kriegs entwickelt haben. Sie bezeichnen historische Gemeinsamkeiten der Länder im östlichen Europa und (re-)konstruieren damit eine Geschichtsregion, die traditionell als „Osteuropa“ und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als „Ostblock“ firmierte.
Transitional Justice
(2013)
Der Begriff Transitional Justice etablierte sich am Ende der 1990er-Jahre in Politik und Politikberatung sowie in der sozial- und rechtswissenschaftlichen Forschung. Er steht für den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit Verbrechen, die während eines Bürgerkriegs oder vor einem politischen Umbruch begangen wurden. Anne K. Krüger widmet sich in ihrem Beitrag dem Verhältnis der Transitional Justice-Forschung zu deutschen Debatten über die „Vergangenheitsaufarbeitung”, zeichnet die unterschiedlichen Forschungsrichtungen in diesem oftmals praxisbezogenen Feld nach und skizziert schließlich Anschlusspunkte für die Zeitgeschichtsschreibung.
Säkularisierungstheorie
(2013)
Die Säkularisierungstheorie, die sich mit dem Bedeutungsrückgang der Religion in modernen Gesellschaften beschäftigt und lange Zeit die Beschreibungen und Erklärungen für den religiösen Wandel in der Moderne dominierte, scheint in der heutigen Zeit an Gewicht zu verlieren. Detlef Pollack diskutiert in seinem Beitrag dieses Phänomen, wobei er zuerst auf den Inhalt der Säkularisierungstheorie eingeht, bevor er sich mit den verschiedenen Bedeutungen des Säkularisierungsbegriffes befasst. Zum Abschluss skizziert Pollack die kritischen Positionen in Bezug auf die Theorie und nimmt gleichzeitig Stellung dazu.
„Masse"
(2013)
Die Masse ist ein Gespenst der europäischen Geschichte – und dennoch, so zeigt es Stefanie Middendorf in ihrem Beitrag auf, als zeithistorischer Forschungsgegenstand relativ unentdeckt geblieben. In ihrem Beitrag gibt Middendorf einen Aufriss zur Geschichte der Masse, erläutert deren verschiedene Interpretationsansätze und plädiert dafür, sich der Geschichte des Massenbegriffs, seinen erfahrungs- und wahrnehmungsbedingten Aufladungen sowie seinem analytischen Wert
vermehrt aus historiografischer Sicht zu widmen.
Die zeithistorische Analyse und die Beschreibung von Widerstand und Opposition gehören zu den zentralen Gegenständen der Erforschung moderner Diktaturen. Dabei stehen Untersuchungen zum Widerstand in der DDR immer in engem Bezug zur NS-Forschung bzw. zu deren Definition des Widerstandsbegriffs. Rainer Eckert regt deshalb an, den Forschungsbereich Widerstand und Opposition in der DDR und damit auch für alle anderen kommunistischen Staaten stärker zu positionieren. Eine künftige Schwerpunktlegung auf die internationale als auch auf die regionale Ebene würde zudem die Perspektive schärfen. Ebenso könnten laut Eckert der Vergleich widerständiger Generationen und die Analyse der Verhältnisse und Differenzen innerhalb der verschiedenen Oppositionellengruppen sowie von Einzelpersonen neue Erkenntnisse bringen.
Wertewandel
(2012)
Wie haben sich Normen und Werte in modernen Industriegesellschaften verändert? Isabel Heinemann beschäftigt sich in ihrem Beitrag über den Begriff des „Wertewandels“ mit der Frage, welche Möglichkeiten für eine kritische Historisierung des ursprünglich sozialwissenschaftlichen Konzepts bestehen. Sie plädiert dafür, den Begriff aus seiner vorherrschenden Fixierung auf die 1960er- und 1970er-Jahre als vermeintlicher Kernphase des Wertewandels zu lösen, um durch den Vergleich von Phasen intensiven Wandels mit Perioden von größerer sozialer und normativer Kontinuität die Bedeutung und Reichweite von Wertewandelprozessen besser erschließen zu können.
Zeit ist eine der grundlegendsten Kategorien der Geschichtswissenschaft. Rüdiger Graf widmet sich dem Begriff und Phänomen der Zeit zunächst anhand von neueren Theorien über die Zeit in unterschiedlichen Wissensfeldern. Ausgehend von sprachanalytischen Überlegungen hält er fest, dass die Geschichtswissenschaft sich stärker als bisher mit dem Zusammenhang von vergangenen Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukunftsvorstellungen beschäftigen sollte. Die zentrale Aufgabe einer Zeitgeschichte als einer Geschichte unserer Zeit besteht für ihn darin, zentrale Deutungen der Zeit nicht einfach zu reproduzieren, sondern sie vielmehr zu historisieren und zugleich als Faktoren in und für den Wandel der Zeit miteinzubeziehen.