21. Jahrhundert
Since the 1950s, cycling policy in China has gone through three phases: from active encouragement (1955–1994) and systematic discouragement (1994–2008) to neglect and ambivalence (since the 2010s). Parallel to the expansion of automobility, the country has been unique in its development of innovations in electric-powered two-wheelers and a vibrant e-cycling practice since the 1980s. Electric bikes have given over 300 million low-status commuters and peddlers access to jobs and housing, even though planners have dismissed them as a problematic ›floating population‹ and remnants of the past. Given China’s current urban sustainable mobility challenges and ambition to become the world’s first ›Ecological Civilization‹ (2013), China’s bicycle industry, e-vehicle manufacturers, and the e-commerce sector may offer an alternative to the US-based ›car civilization‹ if ecological (e-cycles) and social (low-status workers) sustainability are brought into one analytical frame.
Wohl kaum ein anderer Film hat die Vision von der Stadt der Zukunft und dem mechanisierten Menschen so geprägt wie Fritz Langs „Metropolis“. Dabei war dieser heutige Klassiker 1927 im Kino zunächst mit mäßigem Erfolg gestartet. Obwohl er mit einem für die damalige Zeit sehr hohen Aufwand produziert wurde (18 Monate Drehzeit, Budget von letztlich 6 bis 7 Mio. Reichsmark), wollten ihn nach der Premiere nur 15.000 Berliner sehen. Inzwischen hingegen hat sich das Filmbild der Metropole mit ihren auftürmenden Hochhäusern, dem pulsierenden Verkehr mit Autos, Bahnen und Flugzeugen in unser kollektives Gedächtnis eingeschrieben. Es ist zum Symbol geworden für die architektonische Moderne und für die Visualisierung des Begriffs „Moloch Großstadt“. „Metropolis“ gilt inzwischen als der wichtigste deutsche Stummfilm und wurde 2001 als erster Film überhaupt von der UNESCO in das Register „Memory of the World“ aufgenommen. Neben der vielfältigen Rezeptionsgeschichte hat der Film auch eine höchst interessante Überlieferungsgeschichte.
Wie hängen Arbeit und Geschlecht, Erfahrungen marginalisierter Männlichkeit und die Möglichkeiten des Zugangs zu (Erwerbs-)Arbeit zusammen? Dies war die Ausgangsfrage des vorliegenden Gesprächs. Ausdrücklich wollten wir dabei eine relationale Perspektive einnehmen, weil – je nach Kontext differierende – Vorstellungen und Praktiken von Männlichkeit nicht ohne Vorstellungen von Weiblichkeit zu verstehen sind und hegemoniale Männlichkeit auf marginalisierte Männlichkeiten verweist. Das Interesse am Thema erwuchs aus einem Forschungsprojekt zu »Maskulinität(en)«, das Cornelia Brink (Neuere und Neueste Geschichte, Historische Anthropologie) und Olmo Gölz (Islamwissenschaft, Iranistik) gemeinsam mit Kolleg*innen aus weiteren Disziplinen seit 2020 als Teilprojektleiter*innen im Sonderforschungsbereich 948 »Helden – Heroisierungen – Heroismen. Transformationen und Konjunkturen von der Antike bis zur Moderne« an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bearbeiten. Der Forschungsgruppe geht es darum, Heldentum und Männlichkeiten zusammenzudenken und das Heroische als – möglicherweise – zugangsregulierendes Paradigma für Positionen in Geschlechterordnungen zu problematisieren. In einer interdisziplinär besetzten Diskussionsrunde und mit dem Blick »von außen«, d.h. jenseits der Heldenforschung, sollte die Frage nach Zugang und Ausschluss, den damit verbundenen Wahrnehmungen, Handlungsoptionen und (vermeintlichen) Ansprüchen für den Zusammenhang von Männlichkeit und Arbeit erweitert werden. Neben ihrer jeweiligen fachlichen Spezialisierung aus Medizin/Psychoanalyse, Geschichte und Soziologie brachten die Beteiligten durch ihre nicht nur berufliche Sozialisation in Iran und in der Schweiz, in der (»alten« und »neuen«) Bundesrepublik und den USA sowie in der DDR und im vereinten Deutschland ganz unterschiedliche lebensgeschichtliche Zugänge ein. In einer Zeit, in der interdisziplinäre Zusammenarbeit sich als Versprechen ganz selbstverständlich in Anträgen findet, die geistes- und sozialwissenschaftliche Praxis dagegen weiter oft von wechselseitigen Abgrenzungen der einzelnen Fächer bestimmt zu sein scheint, sehen wir einen wichtigen Ertrag des Gesprächs in der Annäherung an einen gemeinsamen Problemzusammenhang aus verschiedenen fachlichen Perspektiven.
Die Pyrenäen bilden eine natürliche Grenze zwischen Frankreich und Spanien, zwischen dem europäischen Hauptland und der iberischen Halbinsel. Dort, wo sie nicht in den Himmel ragen, in ihren Tälern und auf ihren Passhöhen sowie an den Meeren, waren die Pyrenäen auch stets eine tierra de paso, eine Transitzone. An ihren östlichen Ausläufern gibt es zwei bedeutende Übergänge. Einer liegt im sanften, flachen Tal von La Jonquera und quert die Landesgrenze bei Le Perthus. Der andere kreuzt an der Küste am Coll dels Belitres zwischen Cerbère (Frankreich) und Portbou (Spanien). Daneben und dazwischen durchziehen kleine Wege die Landschaft, offizielle und inoffizielle, Pfade für Schmuggler, Verfolgte, Fliehende. Jede Gegend und jede Route hat ihre Konjunktur. Die Hoch-Zeit dieser Transitlandschaft, als sich die europäische Kriegs- und Verfolgungsgeschichte des 20. Jahrhunderts an dieser Grenze kristallisierte, war zwischen dem Winter 1938/39, als der spanische Krieg mit dem Sieg Francisco Francos endete, und den Jahren 1940/41, bevor im Sommer 1941 die systematische Vernichtung der europäischen Juden begann.
For centuries, nostalgia denoted homesickness, but current dictionary definitions indicate that these two concepts have parted ways and acquired discrete meanings. However, it is one thing to demonstrate that contemporary definitions of nostalgia and homesickness are distinct; it is another to show that the way people think about nostalgia and its characteristics corresponds to this lexicographic knowledge. In 2012, Erica G. Hepper and colleagues therefore asked laypeople to identify which features they considered most characteristic of the construct ›nostalgia‹ and found that respondents conceptualised nostalgia as a predominantly positive, social, and past-oriented emotion. In nostalgic reverie, one brings to mind a fond and personally meaningful event, often involving one’s childhood. The person tends to see the event through rose-coloured glasses and may even long to return to the past. As a result, he or she feels sentimental, typically happy but with a hint of sadness.
Neuzeitliche Kunstwörter entbehren häufig der Anschaulichkeit und semantischen Eindeutigkeit. Was genau unter gegenwartsbezogenen Kreuz- und Kofferwörtern wie »Bionik«, »Glokalisierung« oder »Stagflation« zu verstehen ist, bleibt im allgemeinen Sprachgebrauch diffus, und nicht anders ergeht es fachsprachlichen Neologismen wie »Demokratur« oder »autolitär« in der Zeitgeschichte. Diese Feststellung gilt in noch höherem Maße für Wortschöpfungen an der Schwelle zur Moderne, die erst nach Auswanderung aus ihrem Fachkontext sprachliche Popularität gewannen, während ihre Ursprungsverwendung sich wieder verlor: Mit Monomanie, Neurasthenie und auch Nostalgie werden in der Medizin pathologische Phänomene im Grenzbereich von Gesundheit und Krankheit bezeichnet, die erst durch die Sprachschöpfung als Krankheit konstituiert wurden und heute als »vergängliche Krankheitskonzepte« gelten, stattdessen aber zeitweilig oder dauerhaft Eingang in die Alltagssprache fanden.
Europa ist ein »Kontinent der Nostalgie«. So jedenfalls betitelte der Publizist Markus Somm im November 2018 einen Artikel in der »Basler Zeitung«. »Die Europäer verzweifeln an der Gegenwart. Früher war alles besser«, lautete der Untertitel. Den Aufhänger lieferte eine repräsentative Umfrage der Bertelsmann Stiftung unter mehr als 10.800 EU-Bürger*innen über ihr Verhältnis zur Vergangenheit und die daraus resultierenden Einstellungen zu gegenwärtigen Problemlagen. Ungeachtet dessen, dass die Fragen der Bertelsmann-Studie als suggestiv und die Ergebnisdeutungen als vereinfachend kritisiert werden können, ist bemerkenswert, welchen Widerhall diese »Nostalgie-Studie« in der deutschsprachigen Presselandschaft fand. Dabei war es nicht nur das Statement »Früher war alles besser«, das zahlreiche Tageszeitungen wiederholten, sondern auch der Verweis auf die politische Wirkungsmacht des Gefühls der Nostalgie. Die Autorinnen der Studie selbst behaupteten, Nostalgie sei »ein mächtiges Mittel der Politik«. Ob die Politik dieses Gefühl instrumentalisiert oder Nostalgie in spezifischen Kontexten per se politisch aufgeladen ist, ließen sie allerdings unbeantwortet.
Der Bedeutungsvielfalt entsprechen unterschiedliche disziplinäre Zugriffe: Während die Soziologie und, in noch stärkerem Maße, die Psychologie der Nostalgie durchaus positive Effekte beimessen, ist sie kaum irgendwo schlechter beleumundet als in der Geschichtswissenschaft, die im Vergleich mit anderen Disziplinen bisher eher wenig Interesse an einer konzeptionellen Auseinandersetzung mit der Nostalgie gezeigt hat. Indem wir in diesem Themenheft Nostalgie-Diagnosen der Vergangenheit mit Reflexionen über die Gegenwart zusammenbringen und dabei verschiedene Zugänge inner- wie außerhalb der Geschichtswissenschaft vorstellen, wollen wir zu einem differenzierteren Umgang mit kulturellen und politischen Aspekten der Nostalgie, ihrer Ambivalenz und Bedeutungsvielfalt, beitragen sowie eine stärkere zeitgeschichtliche Einordnung des Phänomens anregen.
Im Dezember 2020 gab der schwedische Möbelhersteller IKEA bekannt, die weltweite Distribution seines gedruckten Warenkatalogs nach 70 Jahren einzustellen. Im deutschsprachigen Feuilleton wurde diese Nachricht zum Ereignis: »Auch das noch: Den IKEA-Katalog gibt’s nur noch digital«, stellte Jens Jessen in der »ZEIT« leicht ironisch fest. Angesichts der Unsicherheiten, die von der globalen Covid-19-Pandemie ausgingen, schien im nun umso wichtiger gewordenen Bereich des Wohnens eine weitere Konstante des Alltagslebens wegzubrechen. Der ausbleibende Katalog veranlasste einige Kommentator*innen zu sehr persönlichen Formen der Anteilnahme und Abschiedsbekundung. Mitunter ließen diese, nostalgisch gefärbt, das eigene Erwachsenwerden Revue passieren – schließlich waren die IKEA-Kataloge in den Industriestaaten weltweit ein Teil davon. So erscheint der Möbelkatalog als Medium zum Träumen, als warenästhetischer Coming-of-Age-Roman, der Jugendliche im Akt des Durchblätterns von Erwachsenenleben und Unabhängigkeit fantasieren lässt; als Schwelle in eine selbstständige, bessere Zukunft: »Du warst das Fenster, das reale Einrichtungshaus die Tür.« Das IKEA-Du, das in den Katalogen und Einrichtungshäusern propagiert wird – die Bundesrepublik hat es dankend umarmt und vielfach verflucht.
„Computerspiele einschließlich anderer interaktiver Unterhaltungsmedien (Video-/Konsolen-, Online- und Handyspiele) haben in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Sie sind in Deutschland wirtschaftlich, technologisch, kulturell und gesellschaftlich zu einem wichtigen Einflussfaktor geworden. [...] Computerspiele transportieren gesellschaftliche Abbilder und thematisieren eigene kulturelle Inhalte. Sie werden damit zu einem bedeutenden Bestandteil des kulturellen Lebens unseres Landes und sind prägend für unsere Gesellschaft.“1 Wie der Beschluss des Deutschen Bundestags zur Einrichtung des Deutschen Computerspielpreises zeigt, der seit 2009 jährlich vergeben wird, werden Computerspiele mittlerweile auch von offizieller Seite als ebenso bedeutsam wahrgenommen wie andere, bereits etablierte Kulturgüter. Diese Entwicklung entspricht in ihrer Grundtendenz derjenigen anderer Medien wie Film oder Comic, deren kulturelle Bedeutung ebenfalls erst einige Zeit nach ihrer Erfindung gesellschaftlich anerkannt und staatlich gefördert wurde.
Im Frühjahr 2020 tauchten die Begriffe »Postkolonialismus«, »postkoloniale Theorie« und verwandte Kategorien mit ungewohnter Dichte in den deutschen Feuilletons auf, waren Gegenstand von Streitgesprächen im Radio und aufgeregten Twitter-Kommentaren. Zentraler Anlass für die ambivalente Hausse des Postkolonialismus war die Erklärung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, der Kameruner Historiker Achille Mbembe sei wegen antisemitischer Positionen als Eröffnungsredner der Ruhrtriennale »nicht geeignet«. Daraus entwickelte sich eine heftige und durchaus verwirrende Debatte, in der Klein und gleichgesinnte Mbembe-Kritiker*innen des Rassismus und McCarthyismus gescholten wurden, während andere anhand weniger Passagen aus Mbembes umfangreichem Werk nicht nur darauf insistierten, er sei Antisemit und »Israel-Hasser«, sondern zugleich die »postkoloniale Theorie« anprangerten, als deren wichtiger Vertreter Mbembe gilt. Irritierend daran war nicht allein der Gestus, mit dem beispielsweise so mancher Journalist auftrat, als sei er der erste, der Kritik am Postkolonialismus oder an Mbembe übe. Insgesamt fiel zudem auf, wie sehr die Debatte auf einer bestenfalls oberflächlichen Lektüre relevanter Texte basierte. Dies galt zum Teil auch für jene, die etwa die Antisemitismusvorwürfe gegen Mbembe vehement ablehnten. Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, die in der Öffentlichkeit rasch zu einer der führenden Verteidiger*innen Mbembes aufstieg, gestand zunächst freimütig ein, sie könne seiner Theorie eigentlich gar nicht so richtig folgen.
Das Ende der britischen Kolonialherrschaft in Indien 1947 zerteilte das Land nicht nur, sondern verursachte auch (jahrzehntelange) Migrationsbewegungen. In den Ostteil des neu gegründeten Pakistans migrierten urdusprachige Muslime, die der banglasprachigen Mehrheitsgesellschaft trotz gemeinsamer Religionszugehörigkeit überwiegend fremd gegenüberstanden. Als die Spannungen zwischen den ungleichen pakistanischen Landesteilen im Kampf um die Unabhängigkeit Ostpakistans eskalierten und daraus 1971 der neue Staat Bangladesch entstand, galten die Urdusprachigen als »Volksverräter« und verloren ihre Staatsbürgerschaft. Zum Teil bis heute leben sie mit ihren Nachkommen in mehr als 100 Flüchtlingscamps innerhalb des Landes. Der seit über 40 Jahren andauernde Wartezustand dieser Gruppe führt zu unterschiedlichen Strategien und Konflikten. Geschlecht, Bildung und besonders das Alter entscheiden über das Selbstverständnis der Campbewohner: Während sich die ältere Generation weiterhin für eine Repatriierung nach Pakistan einsetzt, fordern die Jüngeren verstärkt die bangladeschische Staatsbürgerschaft, die 2008 vom Obersten Gerichtshof des Landes formal anerkannt wurde. Dazwischen steht eine große Zahl Unentschlossener, die sich mit den Camps arrangiert hat. Der Aufsatz zeigt, dass weder Staatsangehörigkeit noch Staatenlosigkeit festgefügte Identitäten sind; Flüchtlingscamps sind zugleich Orte des Transits, der Vergemeinschaftung und der Stigmatisierung. Der praxeologische Ansatz des Diasporakonzepts bietet Zugang zu der perpetuierten migrantischen Situation der Urdusprachigen.
Der Beitrag fragt nach den Anfängen und den Triebkräften der Ökonomisierung von Altenpflege in England und in der Bundesrepublik Deutschland. Schon vor den marktschaffenden Reformen der 1990er-Jahre stieg der Anteil der privatwirtschaftlichen Altenpflege deutlich an, wobei häufig Kleinunternehmen und Soloselbstständige dieses Segment der Sozialwirtschaft trugen. Der National Health Service and Community Care Act in England (ab 1990) und die Pflegeversicherung in Deutschland (ab 1995) beschleunigten die Ökonomisierung der Altenpflege auf spezifische Weise: In beiden Ländern entstanden Großunternehmen, die den Kommunalverwaltungen und Pflegekassen als mächtige Verhandlungspartner gegenübertraten. Privatisierung und Bürokratisierung griffen ineinander. Für Deutschland lässt sich zudem feststellen, dass der Bezug von Geldleistungen die Vorstellung von Pflege als bezahltem Wirtschaftsgut verbreitete. Wie weit die Vermarktlichung im deutschen Fall ging, wird indes erst deutlich, wenn man die Schattenwirtschaft der prekär und teils illegal Beschäftigten einbezieht. Der zeithistorische Blick legt offen, wie tief Strukturen der Ausbeutung in die Pflege eingeschrieben sind.
Für ein Schreibprojekt, das vor nur gut elf Jahren ins Leben gerufen wurde, ist die Bilanz nicht schlecht: Die Wikipedia vereint heute 20 Millionen Artikel in über 280 Sprachversionen und wird von einer halben Milliarde Einzelnutzer im Monat konsultiert. Allein in der deutschsprachigen Variante sind pro Stunde anderthalb Millionen Seitenaufrufe zu verzeichnen. Die schiere Quantität dieser Nachfrage zeigt also, dass es offenbar einen enormen gesellschaftlichen Bedarf für einen freien Zugang zu strukturierten Informationen gibt. In diesem Zusammenhang wird häufig übersehen, dass es nicht allein die digitale Form ist, welche die Online-Enzyklopädie von ihren historischen Vorläufern in der Nachfolge Diderots unterscheidet. Die freie MediaWiki-Software wurde entlang einer Leitidee entwickelt, die den Grundgedanken des Zusammenwirkens vieler Beteiligter von der Open-Software-Bewegung auf die Vision einer globalen und zugangsoffenen Diskursgemeinschaft überträgt.
In den 1970er-Jahren wurde Resilienz zu einem Begriff für die Fähigkeit eines Systems, flexibel auf Stress zu reagieren. Statt nach einer Störung dem linearen Ideal der Erholung zu folgen, sollte sich das resiliente System neu organisieren. Die Konzepte Stress und Resilienz stammen aus der Materialforschung des 19. Jahrhunderts; im 20. Jahrhundert wanderten sie in die Psychologie und in die Ökologie. Der Beitrag skizziert die Entstehung des Ideals multistabiler Systeme, die auch unberechenbare, diskontinuierliche Veränderungen bewältigen sollten. Entlang der Geschichte der Bruchmechanik des 19. Jahrhunderts, der Traumaforschung der 1950er-Jahre sowie der Stressökologie der 1970er-Jahre wird gezeigt, wie sich Stress und Resilienz zu Systembegriffen ausweiteten, die so unterschiedliche Größen wie die menschliche Persönlichkeit und die irdische Umwelt erfassten. Diskutiert wird insbesondere die Vorstellung des antizipierten Versagens. Ob Mensch, Technik oder Umwelt – das einkalkulierte Systemversagen wurde zur Bedingung für die Selbstoptimierung des Systems, das aus Krisen und Katastrophen gestärkt hervorgehen sollte. Der Kollaps wurde nicht mehr als ein das moderne Selbstverständnis unterlaufendes Problem gedeutet, sondern als der Motor der Evolution.
Betrachtet man die Moderne als Projekt der Kontingenzbewältigung, so ist „Sicherheit“ eines ihrer wichtigsten Kernelemente, zielte das Projekt der Moderne doch unter anderem darauf, durch soziale Sicherungssysteme Lebensrisiken zu reduzieren. Wissenschaftliche und technische Fortschritte spielten dabei eine wesentliche Rolle, da entsprechende Hoffnungen von einem weit verbreiteten Optimismus getragen wurden. Je stärker sich jedoch die Erfahrung verdichtete, dass dieser Fortschritt vielfältige Gefahren erst schuf, umso mehr erschien die Moderne als eine Epoche, die im Dienst des Fortschritts auch neue Risiken wie Reaktorunfälle, Börsencrashs oder Arbeitslosigkeit generiert.
Soziale Ungleichheit hat viele Gesichter und stellt sich in verschiedenen Gesellschaftsformationen jeweils unterschiedlich dar.1 China ist ein besonders interessanter Fall, weil dort eine Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft unter der Ägide der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) abläuft. Sozialistisches Erbe und kapitalistische Gegenwart gehen also eine ungewöhnliche Verbindung ein. Vor diesem Hintergrund soll der vorliegende Beitrag zeigen, dass die heutigen sozialen Ungleichheiten in China nicht allein das Produkt der Hinwendung zum Kapitalismus sind. Gemäß der Humankapitaltheorie müsste in einer marktbasierten Gesellschaft die individuelle Bildung den größten Beitrag zur Erklärung bestehender Einkommensungleichheit liefern. In der Praxis sind aber auch in kapitalistischen Gesellschaften die Startvoraussetzungen der Einzelnen nicht gleich: Sie hängen stark von der sozioökonomischen Stellung der Eltern ab, sprich von deren ökonomischem und kulturellem Kapital. Über die Weitergabe des Status von einer Generation zur nächsten bilden sich typischerweise soziale Schichten heraus, die je nach Gesellschaft mehr oder weniger Durchlässigkeit aufweisen. In China kommt noch ein dritter Faktor hinzu: Die im Staatssozialismus angelegten sozialen Differenzierungen bilden die Basis für heutige soziale Ungleichgewichte. „Politisches Kapital“ spielt nach wie vor eine wichtige Rolle – Verbindungen zur Herrschaftselite und die Stellung im offiziellen politischen Diskurs besitzen entscheidenden Einfluss auf die Schichtungsergebnisse.
„Empört Euch!“ war Mitte Februar 2011 für die Dauer von wenigen Minuten in Lichtbuchstaben an verschiedenen Gebäuden Berlins zu lesen, vom Kurfürstendamm bis an den Potsdamer Platz. Die Aufforderung war mehr als ein Werbegag des Ullstein-Verlags für seinen gleichnamigen Bestseller, der wohl auch in Deutschland ohne diese Publikumsaktion per „fahrender Lichtinstallation“ ausgekommen wäre. Es handelt sich bei der kleinen Schrift aus der Feder des 93-jährigen Stéphane Hessel um einen Import aus Frankreich, dem Land, dem hierzulande eine große, wenn nicht die Empörungstradition zugeschrieben wird – kaum ein deutscher Feuilletonartikel oder Radiokommentar, der zum Verständnis des Erfolgs von Hessels Bändchen in Frankreich denn nicht auch auf diese Empörungsgeschichte verweist; gelegentlich wird sogar bis zur Fronde im 17. Jahrhundert zurückgegangen.
Milton Friedman hung up the phone in disgruntlement. The most influential economist of the postwar era had just called three different banks, one in Chicago and then two in New York, in order to initiate a financial transaction. He wanted to sell short $300,000 in pound sterling. Short selling is a technique for speculating on falling prices. Initially, speculators can only speculate on rising prices: they buy something and hope that it gains value, so that they can sell it at a profit. If the price for this asset goes down instead, the speculator incurs a loss when he resells it. So in order to profit from falling prices, speculators need to sell first and buy later – which is indeed possible if what is sold now is in fact only to be delivered a few weeks later. If the speculator is right and prices fall in the interim, he can buy cheap just before delivery is due and thus profit from having already sold what, at the time, he had not yet owned.
Theory matters. Most historians would probably agree with this postulate, in the sense that theories from disciplines such as sociology, economics or psychology can sharpen historical analyses of any topic (though many of them may prefer quite pragmatic, common-sense approaches in their own empirical studies). But when it comes to a historical understanding of a phenomenon like marketization, theory does remain an analytical resource – and at the same time turns into a multifaceted object of research. The way we think about markets is highly affected by theorists, and not only by their ideas but also by their effectiveness in making them influential over specific periods of time.
Millionen von Menschen aus zahlreichen Ländern besuchten im 20. Jahrhundert die Schlachtfelder und Soldatenfriedhöfe des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Die Motive und Praktiken der Reisenden waren dabei durchaus unterschiedlich. In den ersten Nachkriegsjahren und -jahrzehnten fuhren viele Angehörige von Kriegstoten zu Soldatenfriedhöfen, Gedenkstätten und ehemaligen Schlachtfeldern. Aber es waren immer auch andere Personen und Gruppen unter den Reisenden, die keine persönliche Beziehung zu den toten Soldaten hatten. Nach dem Ersten Weltkrieg bezeichneten britische Zeitgenossen die Reisen von Veteranen und Angehörigen gefallener Soldaten zu den von ihnen als heilig betrachteten Schlachtfeldern und Kriegsgräbern als Pilgerfahrten und werteten andere Besucher dieser Orte als »Touristen« ab, die sich an den sakralen Stätten nicht angemessen benähmen und aus reiner Sensationslust angereist seien.
Trauer, Patriotismus und Entertainment. Das »National September 11 Memorial & Museum« in New York
(2016)
Downtown Manhattan, 15. Mai 2014: Mit einer würdevollen Feierstunde eröffnen Michael Bloomberg und Barack Obama – in Anwesenheit der nationalen und lokalen Politprominenz, von Überlebenden, Ersthelfern und Angehörigen der Opfer der Anschläge – das National September 11 Memorial Museum. Der Name der Institution am ehemaligen Standort des World Trade Centers (WTC) ist Programm: Sie soll zugleich Gedenkort und Museum sein. Die gemeinnützige Stiftung, die unter dem Vorsitz des ehemaligen New Yorker Bürgermeisters Bloomberg und der Leitung des Managers und Juristen Joe Daniels die Einrichtung verantwortet, hat es sich zum Ziel gesetzt, diese zentralen erinnerungskulturellen Aufgaben an einem Ort zu vereinen. Hier soll der Toten und der Überlebenden der Anschläge gedacht und an die Ersthelfer erinnert werden, die in den USA als Helden gelten. Die Institution richtet sich an eine breite Öffentlichkeit und soll diese auch historisch-politisch über die Auswirkungen des Terrorismus informieren.
Bei der derzeitigen Deutung der 1970er-Jahre werden insbesondere die sozioökonomischen und soziokulturellen Veränderungen hervorgehoben, die mit der Ölkrise 1973 einhergingen. Demgegenüber unterstreicht der vorliegende Aufsatz die Umbrüche und Krisenreaktionen Ende der 1970er-Jahre. Insbesondere 1979 verdichteten sich zahlreiche globale Ereignisse, die Paradigmenwechsel bewirkten. Verdeutlicht wird dies für den Bereich der Energie- und Wirtschaftsgeschichte, den Wandel der Politik sowie im Feld der Kultur exemplarisch für die neue öffentliche Bedeutung der Religion und der Geschichte. Die markanten Ereignisse und längerfristigen Trends lassen sich zugleich als Ausdruck und Praxis der Globalisierung fassen: Weit entfernte Ereignisse wie der Atomunfall bei Harrisburg, der Machtwechsel in Nicaragua oder die Revolution im Iran führten auch in der Bundesrepublik zu neuen Wahrnehmungs- und Handlungsmustern. Ein genauerer, transnationaler Blick auf die Jahre um 1979 eröffnet zudem zusätzliche Interpretationshorizonte für Kernfragen der Zeitgeschichte, die sich aus dem Umbruch 1989/90 nur bedingt beantworten lassen.
Umkämpfte Interaktionen. Flucht als Handlungszusammenhang in asymmetrischen Machtverhältnissen
(2018)
Seit 2015 macht sich eine Vielzahl von Männern, Frauen und Kindern in Italien auf den Weg, um die Alpen zu Fuß in Richtung Frankreich zu überqueren. Dazu reisen sie in der Regel über Turin mit dem Zug in das italienische Bardonecchia, warten dort den Einbruch der Dunkelheit ab und brechen anschließend zum Marsch über die Berge auf. Meist handelt es sich um Menschen aus Afrika, die bereits viele Wochen, wenn nicht Monate unterwegs sind und anders, als es die sogenannte Dublin-Verordnung vorschreibt, nicht in ihrem Ersteinreiseland Italien, sondern in Frankreich oder anderswo Fuß fassen bzw. Asyl beantragen wollen. Den strapaziösen und risikoreichen Weg über die Berge nehmen sie nicht zuletzt deshalb auf sich, weil sie der französischen Grenzpolizei (Police aux frontières, PAF) entgehen wollen, die seit den Terroranschlägen vom 13. November 2015 in Paris und St. Denis die französischen Staatsgrenzen erneut kontrolliert.
Obdachlosen Männern wird aufgrund ihrer prekären Lebenssituation häufig eine »marginalisierte Männlichkeit« (Raewyn Connell) zugeschrieben. Welche Männlichkeitsformen diese soziale Gruppe von sich selbst öffentlich präsentierte, ist bisher aber noch unerforscht. Anhand des »Berber-Briefes« – einer von obdachlosen Männern selbst verfassten und vertriebenen Zeitung – und deutschen Straßenmagazinen werden Männlichkeitsentwürfe von Wohnungslosen oder ehemals Wohnungslosen analysiert. Dabei fällt auf: »Berber-Brief«-Autoren der späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre präsentierten eine selbstbewusste »Protestmännlichkeit«, Straßenmagazinverkäufer der 2010er-Jahre eher eine von Dankbarkeit und Arbeitsethos geprägte »komplizenhafte Männlichkeit«. Wie lässt sich dieser Wandel erklären? Die verschiedenen Medienformate, deren Professionalisierung und Kommerzialisierung waren dabei wichtig, aber auch die Bereitschaft von Obdachlosen, sich bestimmten Verhaltenserwartungen partiell anzupassen – als Folge einer Sozialpädagogisierung und Individualisierung gesellschaftlicher Problemlagen. Der Aufsatz trägt zu einer Geschlechter- und Zeitgeschichte der Armut bei, die auf die Betroffenen als Akteure fokussiert.
Homeless men are often ascribed a ›marginalized masculinity‹ (Raewyn Connell) due to their precarious existence, yet the forms of masculinity this social group has publicly presented to others have remained unexplored. The article analyses the masculinities of homeless or formerly homeless people on the basis of the ›Berber-Brief‹ – a newspaper written and distributed by homeless men themselves – and German street magazines. It is striking that the ›Berber-Brief‹ authors of the late 1980s and early 1990s projected a self-confident ›protest masculinity‹, while the street magazine sellers of the 2010s tended to display a ›complicit masculinity‹ characterised by gratitude and a strong work ethic. How can this shift be explained? The various media formats and their professionalisation and commercialisation were important here, as was the willingness of homeless people to partially adapt to certain behavioural expectations – as a result of a social pedagogisation and individualisation of social problems. The article contributes to a gender and contemporary history of poverty that focuses on the people affected as actors.
»[…] wenn ›die Quelle‹ die Reliquie historischen Arbeitens ist – nicht nur Überbleibsel, sondern auch Objekt wissenschaftlicher Verehrung –, dann wäre analog ›das Archiv‹ die Kirche der Geschichtswissenschaft, in der die heiligen Handlungen des Suchens, Findens, Entdeckens und Erforschens vollzogen werden.« Achim Landwehr wirft in seinem geschichtstheoretischen Essay den Historikern ihren »Quellenglauben« vor – diese Kritik ließe sich im digitalen Zeitalter leicht auf die Heilsversprechen der Apostel der »Big Data Revolution« übertragen. Zwar regen sich mittlerweile vermehrt Stimmen, die den »Wahnwitz« der digitalen Utopie in Frage stellen, doch wird der öffentliche Diskurs weiterhin von jener Revolutionsrhetorik dominiert, die standardmäßig als Begleitmusik neuer Technologien ertönt. Statt in der intellektuell wenig fruchtbaren Dichotomie von Gegnern und Befürwortern, »First Movers« und Ignoranten zu verharren, welche die Landschaft der »Digital Humanities« ein wenig überspitzt auch heute noch kennzeichnet, ist das Ziel dieses Beitrages eine praxeologische Reflexion, die den Einfluss von digitalen Infrastrukturen, digitalen Werkzeugen und digitalen »Quellen« auf die Praxis historischen Arbeitens zeigen möchte. Ausgehend von der These, dass ebenjene digitalen Infrastrukturen, Werkzeuge und »Quellen« heute einen zentralen Einfluss darauf haben, wie wir Geschichte denken, erforschen und erzählen, plädiert der Beitrag für ein »Update« der klassischen Hermeneutik in der Geschichtswissenschaft. Die kritische Reflexion über die konstitutive Rolle des Digitalen in der Konstruktion und Vermittlung historischen Wissens ist nicht nur eine Frage epistemologischer Dringlichkeit, sondern zentraler Bestandteil der Selbstverständigung eines Faches, dessen Anspruch als Wissenschaft sich auf die Methoden der Quellenkritik gründet.
Im Jahr 2012 kam der Film »Fetih 1453« in die türkischen Kinos. Das Heldenepos um den 18-jährigen Sultan Mehmed II., dessen Truppen die oströmische Hauptstadt einnahmen, war unter Einsatz neuester Computertechnik, Animationen und vielerlei Effekten hergestellt worden. Der Kinostart in Istanbul war – damit die geschichtsträchtige Symbolik sich auch jedem Türken deutlich erschließe – um 14.53 Uhr. Der Film entwickelte sich rasch zum Kassenschlager. Er war nicht nur der teuerste in der Türkei jemals gedrehte Film – seine Produktionskosten beliefen sich auf 17 Mio. US-Dollar –, sondern zog auch die meisten Besucher an.
Nostalgie wird oft in kulturellen und, mehr noch, popkulturellen Kontexten diskutiert. Gelegentlich – und gerade in den letzten Jahren wieder – findet sich der Begriff jedoch auch in politischen Zusammenhängen. So wird er dazu verwendet, politische Entwicklungen zu erklären: etwa das britische EU-Referendum, die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA, das Erstarken der AfD in Deutschland oder den Aufstieg neuer Autoritarismen im östlichen Europa. Viele Beobachter*innen stellen einen in ihren Augen alarmierenden Zusammenhang zwischen Politik und Vergangenheitssehnsucht her. Aus ihrer Sicht resultieren die Effekte einer ungebremsten Globalisierung in einer gefährlichen Rückwärtsgewandtheit. Statt über sozioökonomische Konstellationen und Interessen erklären sie Politik emotional und psychologisch, wobei sie Nostalgie repathologisieren.
Der Ruf des Marktes ist lädiert. Die internationalen Finanzkrisen der letzten Jahre haben Ängste vor einem offenbar politisch unbeherrschbaren, globalisierten Hochgeschwindigkeits-Kapitalismus geschürt; zugleich verweist das seit geraumer Zeit gewachsene Unbehagen an einer anhaltenden »Ökonomisierung« von Arbeitsbeziehungen, sozialen Sicherungs- oder Bildungssystemen auf die Schattenseiten eines hochflexiblen Informations- und Konsumgüterangebots, auf das allerdings kaum jemand verzichten möchte. Wie plausibel solche Zeitdiagnosen auch immer erscheinen mögen, sie dürften immerhin das gewachsene Interesse einer Zeitgeschichtsschreibung, die sich wieder stärker der »Problemgeschichte« oder den »Anfängen der Gegenwart« widmet, an jenen ökonomischen Faktoren miterklären, die in der kulturhistorischen Hochkonjunktur der 1990er-Jahre in den Hintergrund gerückt waren.
Der Erfolg der inzwischen nicht mehr ganz so neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die damit verbundene Vervielfachung von Daten und Informationen bedeutet weiterhin eine Herausforderung für die Wissenschaft. Die Option des synchronen Zugriffs auf eine Vielzahl von Informationen, ihre Rasterung mittels Suchmaschinen und Datenbanken dynamisiert und dezentralisiert herkömmliche Wissensspeicher wie Archive, Bibliotheken oder Enzyklopädien. Dies wirft grundlegende Fragen auf: Wie kann zuverlässiges Wissen im Netz generiert, präsentiert und distribuiert werden? Wer bürgt bei einer Vielzahl dezentraler Informationskanäle für deren Validität und Stabilität?
»Leise über den Dächern reisen«, so war im Herbst 2012 ein Artikel zu städtischen Seilbahnen betitelt. Der zentrale Vorteil dieses Transportmittels: Seine Nutzer würden hoch über den verstopften Straßen schweben, ihr Ziel fast lautlos, ohne Verzögerung und beinahe CO2-neutral erreichen. In Europa ist die zu den Olympischen Sommerspielen 2012 in London eröffnete und nach ihrem Sponsor benannte Luftseilbahn Emirates Air Line eines der bekanntesten Prestigeprojekte für diese neue städtische Mobilitätsform. Als Vorbilder dienten die urbanen Seilbahnen in Asien und Lateinamerika, obschon vereinzelt auch westliche Städte wie Barcelona, New York oder Koblenz im ausgehenden 20. und frühen 21. Jahrhundert auf dieses Konzept gesetzt hatten. Gerade in Metropolregionen und Megastädten, die sich mit einem massiven Verkehrsaufkommen und einem immer weiter voranschreitenden Bevölkerungswachstum konfrontiert sehen, entwickelt sich die Seilbahn zu einem Fortbewegungsmittel, das Zukunftsutopien bedient.
Es ist mir eine große Freude und Ehre, heute Abend im Potsdamer Einstein Forum über Asyl und Flüchtlinge sprechen zu dürfen. Vor allem aus zwei Gründen freue ich mich besonders. Zum einen, weil Albert Einstein, dessen Namen Ihr Forum trägt, der erste ernannte Professor am Institute for Advanced Study in Princeton war und dort Schutz fand, als er vor der nationalsozialistischen Repression flüchtete. Ich selbst arbeite seit sechs Jahren in dieser Forschungseinrichtung, wo ich die School of Social Science leite. Albert Einstein verbindet mich also im doppelten Sinne mit Ihnen: beruf lich, als Mitgründer derjenigen Institution, an der ich arbeite; aus intellektueller Sicht, da er selbst ein Flüchtling gewesen ist, wie all diejenigen, von denen ich Ihnen erzählen werde.
Der Irak-Krieg des Jahres 2003 wurde von zwei Bildern eingerahmt: Eines zeigt die Bombardements am Anfang und eines den Fall der Saddam-Statue auf dem Firdos-Platz am Ende. Lange vor dem Beginn des Krieges war bereits viel über die Taktik des amerikanischen Militärs geschrieben worden. Ein Militärschlag, wie es ihn noch nie gegeben hatte, sollte ihn eröffnen. „Shock and Awe“ wurde von der Bush-Administration als Bezeichnung ausgegeben, und noch Anfang März wurde die „MOAB“ getestet, die „Mother of all Bombs“. Schon der Name ließ sich leicht mit dem geplanten Irak-Krieg in Verbindung bringen, hatte Saddam Hussein den Zweiten Golfkrieg 1991 doch als „Mother of all Battles“ bezeichnet.
Viele Übersichtsdarstellungen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts stützen sich auf das »konsumistische Narrativ«: die These, dass die Arbeitsgesellschaft der ersten durch die Konsumgesellschaft der zweiten Jahrhunderthälfte abgelöst worden sei. Betrachtet man dagegen die im Aufsatz besprochenen jüngeren arbeits- und konsumgeschichtlichen Studien, wird erstens deutlich, dass die Etablierung arbeitsgesellschaftlicher Phänomene im Laufe des 20. Jahrhunderts nur langsam erfolgte. Zweitens gewannen konsumgesellschaftliche Strukturen und Angebote nicht erst seit dem »Wirtschaftswunder« der Zeit nach 1945 an Bedeutung, sondern bereits in der ersten Jahrhunderthälfte. Konsum- und arbeitsgesellschaftliche Aspekte, so die These, etablierten sich im deutschsprachigen Raum nahezu parallel. Erstere ersetzten letztere nicht – vielmehr ergänzten sie sich. Vor diesem Hintergrund wird abschließend nach Ansätzen gefragt, die über das konsumistische Narrativ hinausführen.
In der Bundesrepublik und in der gesamten westlichen Welt außerhalb der USA wurde Auslandsbestechung bis Ende der 1980er-Jahre als ein legales Mittel der Exportförderung behandelt. Sie war straffrei und sogar steuerlich absetzbar. Das änderte sich erst im Zuge der »Compliance Revolution« der 1990er-Jahre. Der Beitrag analysiert diesen Wandel für die Bundesrepublik und untersucht die Debatten um die Auslandskorruption. Er konzentriert sich dabei auf die Positionen der Unternehmerschaft und der im Bundestag vertretenen Parteien. Ausgangspunkt ist der stabile Korruptionskonsens der Bonner Republik, der zunächst auch noch in der Berliner Republik Bestand hatte, dann aber unter dem Einfluss einer zunehmend kritischen Zivilgesellschaft und der internationalen Staatengemeinschaft zerbrach. Nachdem es unausweichlich geworden war, die Auslandskorruption zu ächten, wurde hartnäckig darum gerungen, mit welchen juristischen Mitteln sie zu bekämpfen sei. Am Ende eines von vielen Blockaden und Umleitungen verzögerten Prozesses stand ab 2002 die Strafbarkeit aller Arten von Auslandskorruption. Welche Ermittlungsinstrumente eingesetzt werden durften und wie effektiv die Strafverfolgung sein sollte, blieb jedoch weiter strittig. Der Aufsatz zeigt nicht zuletzt die Rückwirkungen internationaler Rechtsnormen für die nationalstaatliche Ebene.
While most Europeans lived through an exceptionally peaceful period of history, termed ‘The Long Peace’ by John Lewis Gaddis,2 the populations of other continents were decidedly less fortunate. What was a ‘Cold War’ for the Europeans was anything but ‘cold’ for the Koreans, Vietnamese, Cambodians and Laotians, for most Arab peoples, the Afghans, Pakistanis, Bangladeshis, and Indians, the populations of the Congo, Kenya, Nigeria, Angola, Mozambique, Guinea-Bissau, Ethiopia, Somalia and Eritrea, and of most of Latin America. How, then, can one be so sanguine as to characterise this period as that of a ‘Cold War’ or a ‘long peace’? The reason is that the long-expected Third World War has not (yet?) taken place. It was the prospect of such a Third World War, a ‘total’ and in all probability nuclear war, that attracted the attention of concerned minds in Europe and North America, the cultures that over centuries produced most publications on the subjects of war, strategy, military affairs and international relations.
Seit einigen Jahren verdichtet sich auch in Deutschland das Gespräch über Herausforderungen und Perspektiven des digitalen Zeitalters für die Geschichtswissenschaft. Auf jedem Historikertag seit 2010 gab es mehrere Sektionen, die sich unterschiedlichen Facetten des Themas zuwandten. Es entstehen Fachpublikationen, Überblickswerke, Dissertationen und erste Ansätze, das Feld institutionell neu zu gestalten. Die Geschichtswissenschaft bemüht sich, produktiv auf die Veränderungen einzugehen. Punktuell ist es auch bereits zu einem Dialog mit Archiven und der Archivwissenschaft gekommen. So hat der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) 2015 unter Federführung der Vorsitzenden Eva Schlotheuber und Frank Bösch ein Grundsatzpapier verabschiedet, das sich der Quellenkritik im digitalen Zeitalter annimmt. Die Forderung, Elemente der Digital Humanities in die Historischen Grundwissenschaften zu integrieren, wurde seitdem noch weiter unterstrichen.
In der aktuellen Debatte um Holocaust, Kolonialismus und Erinnerung hat Per Leo jüngst angeregt, dass Historikerinnen und Historiker irritierende Fragen stellen sollten. Diesem, wie ich finde, klugen Vorschlag folgend, möchte ich hier diskutieren, ob und inwieweit die Rede von der Singularität des Holocaust angemessen, sinnvoll, erkenntnisfördernd ist. Wie ist sie (in der Bundesrepublik) entstanden, und worin könnte heute ihre Aussagekraft liegen? Müsste die Perspektive nicht erweitert werden? Solche Fragen führen in das Zentrum einer Debatte, die hierzulande seit der Auseinandersetzung vom Frühjahr 2020 um den afrikanischen postkolonialen Theoretiker Achille Mbembe heftig entbrannt ist, dem der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung Felix Klein vorwarf, den Holocaust zu relativieren. Die vor allem in den Feuilletons geführte Debatte verschärfte sich, als der in den USA lehrende Historiker A. Dirk Moses im Mai 2021 mit einem provokanten Essay die deutsche Erinnerungskultur kritisierte: In der Fixierung auf den Holocaust würden die Kolonialverbrechen ausgeblendet. Die Kontroverse um Antisemitismus auf der diesjährigen documenta bildete mit den schrillen Tönen zweifellos den vorläufigen Tiefpunkt dieser Debatte. Nachdenkliche Argumente wie von Micha Brumlik, Sebastian Conrad, Charlotte Wiedemann oder Natan Sznaider scheinen kaum noch Gehör zu finden.
The web and tomorrow’s historiography. Since the 1990s the world wide web (or simply, the web) has been an integral and important part of the communicative infrastructure of modern societies. On the one hand the web has developed as a new medium in its own right, in continuation of other media types such as newspapers, film, radio and television. On the other hand, the web has been intimately entangled in the social, cultural and political life taking place outside of the web. For example, within the realm of politics the web has been essential for the extreme left and right since the mid 1990s (as a platform for discussion and mobilisation as well as for the diffusion of political ideas). And in everyday life an important part of modern youth culture has for a number of years been closely connected to such web phenomena as YouTube, Facebook and Twitter.
Nichts, jenseits der Luft zum Atmen und dem Wasser zum Trinken, ist für die menschliche Existenz so grundlegend wie die Ernährung, kaum etwas so essentiell wie die regelmäßige Nahrungsaufnahme. Doch während Empfehlungen für Ernährungsumstellungen zum Veganismus oder zu vermeintlich »natürlichen« Paleo-Diäten in Teilen der westlichen Öffentlichkeiten auf fruchtbaren Boden fallen1 und der Wunsch nach Selbstoptimierung das Alltagsverhalten vieler Menschen beeinflusst, berichten Ärzt:innen und Gesundheitsexpert:innen in aller Welt über wachsende Probleme mit Fettleibigkeit und damit verbundenen Krankheiten. Nach Daten der OECD von 2017 hat Übergewicht in der Altersgruppe der 15- bis 74-Jährigen in allen Mitgliedsländern während der letzten drei Dekaden kontinuierlich zugenommen. Während in Frankreich und Italien im Jahr 2017 etwa 40 Prozent der Bevölkerung als übergewichtig galten, erreichten die Werte in den USA und Mexiko fast 70 Prozent. Im OECD-Durchschnitt gilt zudem eine von fünf Personen nicht nur als übergewichtig, sondern als fettleibig.
Was vor einigen Jahren ein Schreckensszenario war, ist längst eingetreten. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs gilt schon heute: »Quod non est in google, non est in mundo.« Freilich, eine verkürzte Sicht. Der Aufbau elektronischer Findmittel zur Durchforstung von Archiv-, Bibliotheks- und Museumsbeständen hat in den vergangenen Jahren ein starkes wissenschaftliches Interesse gefunden. Die Gesellschaft vernetzte sich, es entstanden viele nützliche Service-Angebote, neue Begehrlichkeiten wurden geweckt. Heute geht es nicht mehr darum, Inhalte nur zu erschließen, sondern darum, sie online zu vermitteln. In sozialen Medien werden diese Inhalte »getaggt«, »geliked«, empfohlen oder gar kommentiert. Die sammelnden Institutionen stehen damit vor einer gewaltigen Herausforderung – technisch, finanziell und vor allem konzeptionell. Mit dem Aufkommen von Bits und Bytes befindet sich die Kulturtechnik des Sammelns und Präsentierens in einem tiefgreifenden Umbruch. Der digitale Wandel impliziert die Frage, ob Gedächtnisinstitutionen künftig noch derselbe Stellenwert zukommen wird, zukommen muss wie heute: Schaffen entmaterialisierte Kulturgüter eine neue Kulturgesellschaft?
Der Computer und die mit ihm verbundenen Informations- und Kommunikationstechnologien sind spätestens mit dem Aufkommen der Mikroelektronik Anfang der 1970er-Jahre zu entscheidenden Faktoren der Entwicklung moderner Industriegesellschaften geworden. Im Verlauf der 1980er-Jahre diffundierten Computer und neue Medien in nahezu alle Bereiche der Gesellschaft – angefangen von der Arbeit über die Formen der sozialen Kommunikation, die politische Kultur, die Bildung, den Konsum und die Freizeit bis hinein in die individuellen Lebensstile. Der „Informationsgesellschaft“ (ein Begriff, der nicht zufällig ab etwa 1980 populär wurde) hat die zeithistorische Forschung bislang eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Mit Blick auf die wichtigsten Phasen und Zäsuren diskutiert der Aufsatz mögliche Perspektiven einer Zeitgeschichte der Informationsgesellschaft. Plädiert wird dabei für eine integrierende gesellschaftsgeschichtliche Analyse des mit dem Computer verbundenen Wandels sowie der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Kontexte.
Wie verändern sich die Objekte der Geschichtsschreibung, also die Gegenwart und die jüngere Vergangenheit, durch die Medien? Wie verändert sich die Geschichtsschreibung selbst durch die Medien? Was bedeutet die in Forschung und Öffentlichkeit verbreitete Rede von der ‚Mediengesellschaft‘ aus historischer Perspektive eigentlich genau? Der Aufsatz unterscheidet zunächst einige Prozesse der ‚Medialisierung‘, geht damit verbundenen Strukturverschiebungen nach und betrachtet insbesondere Veränderungen von Öffentlichkeiten. Dabei wird dafür plädiert, die Ambivalenz der Entwicklungen anzuerkennen und nicht vorschnell Paradigmenwechsel zu behaupten. Zudem werden einige Leitlinien formuliert, was eine Medialisierung der Zeitgeschichtsschreibung bedeuten könnte. Hier gilt es, neue Wege zu beschreiten und neue Ziele zu setzen, die der Ära der Audiovisualität gerecht werden.
Zeitgeschichte neurodivers? Standpunktepistemologie und (geschichts-)wissenschaftliche Kommunikation
(2022)
In der akademischen wie der breiteren Öffentlichkeit ist der Begriff der Diversität gegenwärtig nahezu universal anschlussfähig. Der Gründungsdirektor des Göttinger Max-Planck-Instituts zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften Steven Vertovec stimmt gar Loretta Lees zu, die schon 2003 bemerkte, mit Diversität verhalte es sich wie mit Mutterschaft oder Apfelkuchen: Man könne nur mit größeren Schwierigkeiten dagegen sein. In den letzten dreißig Jahren ist Diversität zunächst in den USA und dann auch in Westeuropa sowohl als sozialwissenschaftliche Analysekategorie wie auch als gesellschaftliche Selbstbeschreibung und zur Aushandlung von Teilhabeansprüchen immer bedeutsamer geworden. Diversität ist das normative Leitbild staatlicher und internationaler Antidiskriminierungsprogramme, die, wie etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006 in der Bundesrepublik, »Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität […] verhindern oder […] beseitigen« sollen (§ 1). Das öffentliche Bekenntnis zu Diversität ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit in Unternehmen und Organisationen, die oft Strategien des Diversitätsmanagements entwickeln. Der Ursprung dieser gesellschaftlichen Diversitätsbejahung liegt in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre, der zweiten Frauenbewegung, aber auch der Gay-, Lesbian- und Transgender-Bewegung sowie der Behindertenrechtsbewegung, die vor allem seit den 1970er-Jahren in den USA und in Westeuropa für die Anerkennung ihrer marginalisierten und diskriminierten Subjektpositionen stritten.
Noch immer wird Zeithistorikern gelegentlich nachgesagt, sie hätten ein gestörtes Verhältnis zu den modernen audiovisuellen Medien, und in der Tat hat die Disziplin erst mit einiger Verzögerung auf deren Ausbreitung reagiert. Dies galt lange für die Massenmedien ganz allgemein, deren Quellenwert aus der Perspektive einer klassischen, staatszentrierten Politikgeschichte äußerst begrenzt erschien. Aber auch die Wendung hin zur Gesellschaft, zur Erfahrungs- und Erinnerungsgeschichte hat zunächst überraschenderweise kaum dazu geführt, dass die Präsenz von Medien im Alltag in diesen Ansätzen besondere Berücksichtigung gefunden hätte. Zwar ist diese traditionelle Zurückhaltung – von einigen Residuen abgesehen – inzwischen erodiert: „Mediengeschichte“ hat sich als Subdisziplin innerhalb der Zeitgeschichte etabliert. Aber jenseits eines Verständnisses als Spartengeschichte verbreitet sich erst sehr langsam die Erkenntnis, dass die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts generell nicht mehr angemessen geschrieben werden kann, ohne die ubiquitäre Verbreitung und Rezeption der Massenmedien zu berücksichtigen. Das gilt keineswegs nur für die sozial- und erfahrungsgeschichtliche Dimension des Mediengebrauchs. Wenn sich, um nur ein Beispiel zu nennen, die Darstellungsseite von Politik bereits seit geraumer Zeit maßgeblich in populären Medien wie dem Fernsehen vollzieht und Repräsentationen und Wahrnehmungen mit dem politischen Prozess rückgekoppelt sind, dann muss auch die Politikgeschichtsschreibung diesem Umstand Rechnung tragen.
Die zu keinem Zeitpunkt besonders exklusive Position der akademischen Zeitgeschichte in der Öffentlichkeit wird heute mehr denn je herausgefordert von außerakademischen Beiträgen zur Geschichtsschreibung. Das gestiegene wie auch pluralisierte Bedürfnis nach geschichtlicher Einordnung der Gegenwart findet in den populären Geschichtsformaten ganz offensichtlich eine breite Resonanz. Bei dieser Ausweitung spielen fundamentale politische, sozialgeschichtliche und kulturelle Entwicklungen eine Rolle, namentlich die Aufweichung der nationalgeschichtlichen und nationalkulturellen Rahmenbedingungen, unter denen die moderne Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung seit dem frühen 19. Jahrhundert entstanden waren. Im frühen 21. Jahrhundert verstehen sich vormals undiskutierte Bezugsrahmen einer solchen Geschichtsschreibung nicht mehr von selbst. Vielmehr muss zunehmend klargestellt werden, wer welche Art der Geschichte für welches Publikum darstellen will.
Mitten in der Stadt, direkt neben dem Viktualienmarkt, eröffnete im Frühjahr 2007 das Jüdische Museum München. Integriert in ein Ensemble aus der neuen Hauptsynagoge, dem jüdischen Gemeindezentrum und dem Stadtmuseum, soll es nicht nur ein Ort von Geschichte und Erinnerung sein, sondern ein Ort der Gegenwart, Kommunikationsraum und Haus der Begegnung. Jüdisches Leben in den verschiedensten Facetten in Vergangenheit und Gegenwart zu zeigen - das ist Konzept und Ziel des neuen Museums.
Einer der kühleren Sommertage im August. Durch eine kleine Passage erreiche ich Steibs Hof, wo früher mit Pelzen gehandelt wurde und heute das N’Ostalgie-Museum Leipzig seine Ausstellung zur »Alltagskultur der DDR« präsentiert. Am Eingangstresen, der zugleich als Bar des integrierten Cafés mit dem Namen »1:33« fungiert, begrüßt mich ein Mann: »Guten Tag. Wollen Sie Ihre Erinnerung auffrischen?« Noch bevor ich mein Ticket bezahlt habe, stellt er mir den »jungen Mann« vor, der all die hier präsentierten Objekte zusammengetragen habe. Das Porträt, auf das er weist, zeigt einen älteren Herrn in der Tür eines knallroten Wartburg 311. »In liebevoller Erinnerung« steht darüber, und unter der Fotografie: »Horst Häger. Geb. 24.11.1937, gest. 12.07.2011. Gründete 1999 das N’Ostalgie-Museum und hat über die Zeit bis 2011 alle ausgestellten Exponate zusammengetragen.« Wie ich erfahre, hat eine Enkelin Hägers das Museum 2016 aus Brandenburg an der Havel nach Leipzig überführt. Mit den Worten »Damit Sie wissen, wer Sie heute Abend ins Bett geleitet« überreicht mir der Mann an der Kasse meine Eintrittskarte, auf der das Sandmännchen abgebildet ist, und entlässt mich in die kleine Ausstellung. An diesem Vormittag bin ich die erste Besucherin, doch noch während ich die Objekte im Eingangsbereich betrachte, kommen weitere Gäste. Wie ich werden sie mit der Frage begrüßt, ob sie ihre Erinnerungen »auffrischen« wollen, was jeweils kurze Irritation auslöst. Fast rechtfertigend klingen die Antworten der beiden Paare: »Wir wollen gern das Museum besuchen« und »Wir würden uns gern umschauen«.
»In den Musennestern, wohnt die süße Krankheit Gestern« – so schreibt Uwe Tellkamp im pathossatten Roman »Der Turm«, dem literarischen Abgesang auf die DDR. Er schildert darin ein Refugiumsbürgertum, das sich gegen die Zumutungen der DDR in den Villen der Dresdner Elbhänge eingenistet hat – Zumutungen, die nun offenbar mit der DDR nicht untergegangen sind, denn seit einiger Zeit gehört Tellkamp selbst zu einem rechtsintellektuellen Milieu ostdeutscher Neodissidenten, die sich von einem wie auch immer gearteten Mainstream ausgegrenzt fühlen. Sie erinnern an die DDR, beklagen ihr geistiges Exil, und einige von ihnen tragen zur Normalisierung der extremen Rechten in Ostdeutschland bei.
Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) spricht von der größten humanitären Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg (UNHCR 2014) und die Anzahl an Asyl- und Schutzsuchenden in Europa nimmt Ausmaße wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr an. Die Themen Flucht und Flüchtlingsaufnahme werden in Öffentlichkeit und Politik kontrovers diskutiert. Für die Sozialwissenschaften sind die Themen Vertreibung, Zwangsmigration und Flüchtlingsschutz nicht nur hoch aktuell, sondern fundamental mit der Organisation und Gestalt der modernen Staatenwelt verbunden. Aus vielfältigen Gründen sind Menschen gezwungen, auf der Suche nach Unterstützung und politischem Schutz ihre Länder zu verlassen. In der nationalstaatlich organisierten Welt können fundamentale Rechte nur gewährleistet werden, wie Hannah Arendt es bekanntermaßen ausdrückte, sofern man das Recht hat, Rechte zu haben (Arendt 1994: 290-302). Jene, die aus ihren Herkunftsländern fliehen, klagen damit nicht nur gegenüber der restlichen Welt ihre Menschenrechte ein, sie stellen auch grundsätzliche Fragen an die Sozialwissenschaften. Wie gehen in unserer globalen Gesellschaft, aber auch regional, national und lokal, Flucht und Vertreibung einher mit humanitärer Unterstützung, mit dem Anspruch auf Rechte und Schutz für Flüchtlinge? Damit verbunden sind auch Fragen von Sicherheitspolitik, Grenzschutz, Rassismus und ökonomischen Interessen, um nur einige Themen zu benennen. Flüchtlinge existieren tatsächlich und metaphorisch zugleich an der Peripherie und im Zentrum.
The introduction to this issue on historical surveillance studies argues for an integrated understanding of surveillance that focuses on the interconnectedness of the state, economy and sciences within the context of different forms of technological revolution. It suggests reading contemporary diagnoses of ‘total surveillance’ from a long-term historical perspective beginning in the seventeenth century. In this light, surveillance is not limited to intelligence history or state control. Rather, it produces patterns of order and data that can be deployed for political processes like urban planning, welfare policy, crime prevention, or the persecution of political opponents. Furthermore, surveillance is also part of the economy, encompassing market and consumption research, advertising, and workplace monitoring. Research into the political and the economic aspects of surveillance should be combined. After defining the term ‘surveillance’ and differentiating between security and surveillance studies, the article provides an overview of different empirical studies in this new historiographical field. It concludes with short summaries of the articles collected in this issue.
By the late 1970s, it was technologically possible to manufacture microcomputers – very small, stand-alone computers for personal use – in very large quantities. Selling them, however, meant creating a mass market where none existed: conventionally, only trained professionals, and a few devoted enthusiasts, interacted directly with the machines. Designers, marketers, retailers and other promoters therefore sought to build meanings into the design and presentation of computers which would connect them with new audiences. Such meanings reflected – and might themselves modify – the prevalent hopes, fears, desires and expectations of the users’ cultures.
Vor etwas mehr als zehn Jahren schlug der Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen vor, eine neue geologische Epoche zu taufen, die mit der Industrialisierung in England und im übrigen Europa begonnen habe: das Anthropozän. Die Bezeichnung unterstreicht, dass menschliche Aktivitäten immer größere Spuren in allen Teilsystemen des Erdsystems hinterlassen, seitdem sie sich mit der Kraft fossiler Brennstoffe entfalten. Der geologische Epochenschnitt koinzidiert mit einer Zäsur in der Gesellschaftsgeschichte, die in der Geschichtswissenschaft seit langem allgemein akzeptiert ist: die industrielle Transformation. Die daraus folgende Parallelisierung von Menschen- und Erdgeschichte kann nicht zufällig sein. Aber bisher ist unklar, in welcher Verbindung ihre Narrative stehen und welche Implikationen das für die Geschichtsschreibung hat. Das folgende Plädoyer für eine Klimageschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zielt auf diesen Nerv.
Das Deutsche Historische Museum (DHM) ist Teil einer vernetzten Erinnerungslandschaft, die aus Museen, Gedenkstätten, Mahnmalen und anderen Gedenkorten besteht. Für die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist diese Erinnerungslandschaft nicht nur in Berlin und seinem Umland besonders vielgestaltig. Während die meisten Museen und Gedenkstätten Objekte bzw. Dokumente zu ihrem jeweiligen Spezialgebiet sammeln, hat das DHM den Auftrag, zur gesamten deutschen Geschichte im europäischen Kontext zu sammeln. Da die Bestückung der Dauerausstellung mit Originalen das vorrangige Sammlungsziel ist, wird am DHM nicht ganz so detailliert gesammelt wie an den thematischen Spezialmuseen und Gedenkstätten. Gesucht werden vielmehr aussagekräftige und anschauliche Originale, die einen historischen Sachverhalt exemplarisch verdeutlichen.
In Nürnberg formulierten die Alliierten 1945 erstmals das völkerrechtliche Prinzip, dass allgemeine Menschenrechte über nationalem Recht stehen. Damit wurde es möglich, staatlich sanktionierte Verbrechen zu ahnden – in diesem Fall die deutschen Verbrechen der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs. Seit den 1990er-Jahren haben diverse vergleichbare Prozesse stattgefunden, etwa zu den Ereignissen in Jugoslawien, Ruanda und Kambodscha. Dass das Führungspersonal eines Landes für Kriegsverbrechen und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ strafrechtlich belangt werden kann, war im 20. Jahrhundert stark umkämpft und ist bis heute nicht vollständig durchgesetzt. Der Aufsatz stellt die drei wichtigsten Etappen im Überblick dar: die Leipziger Prozesse nach dem Ersten Weltkrieg, die Prozesse von Nürnberg und Tokio nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die Debatte um die Entstehung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Strittig war und ist vor allem, inwieweit auch Großmächte wie die USA bereit sind, universellen Menschenrechten und einer supranationalen Autorität gegenüber herkömmlichen nationalen Souveränitätsrechten einen Vorrang einzuräumen.
Deutschlands Einheit treibt rund 20 Jahre nach ihrer Sturzgeburt seltsame Blüten. Lobeshymnen und Jubelfeiern wechseln sich immer noch mit deprimierenden Bilanzen ab. Blühende Landschaften gibt es, und zwar gar nicht so wenige, aber flächendeckend sind sie nicht geworden. Umso heftiger ist der Groll bei den tatsächlichen und vermeintlichen Verlierern. Er grummelt unter der Oberfläche, wagt sich aber kaum an die Öffentlichkeit. Die im Dunkeln sieht man nicht. Die Linkspartei profitiert davon. Regelmäßig erhobene Umfragen differieren zwar erheblich, bringen aber nur in seltenen Fällen wirklich erfreuliche Ergebnisse. Der Journalist Michael Jürgs, ein kontinuierlicher Beobachter der Entwicklung mit spitzer Feder, kommt dennoch in seiner Bilanz der Einheit von 2008 zu dem launigen Ergebnis: „Da es inzwischen sogar in Oberammergau keine Sensation mehr ist, wenn ein Kellner sächselt, lässt sich vermuten, dass die Einheit beim Volk angekommen ist.“ Die Geschichte der Einheit ist zwar mittlerweile vielfach und ausführlich dargestellt worden; ob sich die damit verbundenen Probleme tatsächlich auf so unspektakuläre Weise erledigt haben, wie Jürgs suggeriert, ist jedoch fraglich.
Herfried Münkler, seit 1992 Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin, betrachtet Imperien als „eine Form von Problembearbeitung neben der des Staates und anderen Organisationsformen des Politischen“. Idealtypisch unterscheidet er zwischen dem „pluriversen Ordnungsmodell der Politik“, d.h. einer von mehr oder weniger gleichberechtigten Staaten ausgehandelten Weltordnung, und dem imperialen, d.h. von einer klaren Vormacht bestimmten Ordnungskonzept. Dieser Gegensatz könne auch und gerade viele Konfliktlagen des 20. Jahrhunderts erklären. Anders als die Imperialismustheoretiker, die imperiale Herrschaftsformen seit Ende des 19. Jahrhunderts auf unterschiedliche Weise kritisiert haben, fragt Münkler zunächst einmal wertfrei nach den Merkmalen von Imperien, den Quellen ihrer Macht, ihren Stabilitätsbedingungen und Techniken der Krisenbewältigung sowie nach den Ursachen ihres Scheiterns. Sein universalhistorischer Blick reicht vom Imperium Romanum über das Mongolenreich, die frühneuzeitlichen See-Imperien und das russische Zarenreich bis zum heutigen Europa und den USA.
Inwiefern können Bilder aus polizeilichen Überwachungskameras als „Quellen“ zeithistorischer Forschung verstanden und genutzt werden? Und was steht einem solchen Verständnis entgegen? Einerseits liegt mit den Bildern aus Überwachungskameras, als Instrumenten der Beobachtung und der Dokumentation des Miteinanders im öffentlichen Raum, ein materialreicher Fundus aktueller Daten und Aussagen der Gesellschaft vor. Andererseits ist dieses Archiv unserer Gegenwart für Sozialwissenschaftler und Historiker weitgehend unzugänglich, da die Aufnahmen aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes strengen Regeln unterliegen. Sofern es sich um Kameras im öffentlichen Raum handelt, sind die Bilder für andere als polizeiliche Zwecke nicht verwertbar (oder nur in stark eingeschränkter Weise). Kurz und überspitzend formuliert: Die Gesellschaft bildet sich in all ihren Äußerungen ab, nur um die meisten dieser Bilder sofort und ungesehen wegzusperren – ein Umstand, der im Übrigen in auffälligem Kontrast zu unserer sonstigen visuellen Kultur steht, die darauf angelegt ist, Bilder, auch privat hergestellte, möglichst breit zirkulieren zu lassen. Im Folgenden soll die Geschichte polizeilicher Videoüberwachung in Großbritannien skizziert werden, verbunden mit einigen allgemeineren Thesen zu Überwachungsbildern am Ende des Beitrags.
Im Oktober 2007 startete der „Spiegel“ sein eigenes Historien-Portal „einestages“. Die Seite wurde zunächst als lebendige Art der Geschichtsvermittlung und der Konservierung von Erinnerungen überwiegend gelobt und heimste entsprechend auch Preise ein. Dieser Erfolg bewog den „Spiegel“ dazu, ausgewählte Beiträge in einer Printausgabe zu veröffentlichen, die sich jedoch nicht am Markt etablieren konnte. Bei „einestages“ soll es weniger um die großen historischen Fragen gehen, als um Episoden des Alltags, biographische Skizzen und antiquarische Erinnerungsstücke – Geschichten statt Geschichte, lautet das erklärte Ziel. So sollen etwa auch „das Musik-Phänomen Tokio Hotel“ und die „Tapeten der 1970er Jahre“ thematisiert werden. Dabei bedienen sich die Macher des Portals recht großzügig des mittlerweile auch schon in die Jahre gekommenen Memoria-Vokabulars und verkünden ganz unbescheiden den „Aufbau eines kollektiven Gedächtnisses unserer Geschichte“.
Niall Ferguson, vormals Fellow and Tutor in Modern History in Oxford und jetzt Professor of International History an der Harvard University, steht ohne Zweifel in der Tradition debattierfreudiger und argumentationsstarker britischer Historiker. Neben fundierten Einzelstudien, vor allem zur Geschichte Hamburgs in der Weimarer Republik und zur Geschichte der Familie Rothschild, zielen seine häufig provozierenden Arbeiten auf eine breite historisch interessierte Öffentlichkeit.1 Mit seiner medialen Präsenz steht er in der Tradition britischer „Tele-Dons“ nach dem Vorbild des Oxford-Historikers A.J.P. Taylor. Der Blick in die Vergangenheit dient auch für Ferguson nicht allein der Aufklärung der Gegenwart, sondern als konkrete Handlungsanweisung in politischen Krisen und damit der Legitimation des Historikers als eines politischen Ratgebers. Dazu kommt die ausgeprägte Lust des Autors an der Dekonstruktion vermeintlich etablierter historischer Wahrheiten. Aber bereits im Falle seines provozierenden Buches über Großbritanniens Rolle im Ersten Weltkrieg2 monierten nicht wenige Rezensenten, dass Ferguson sich verzweifelt bemühe, Türen einzurennen, die seit langem offen stehen.
Dieser Aufsatz widmet sich urbanen „Gegenorten“ im südafrikanischen Durban, die als spezifisch gewaltsame Räume problematisiert und reguliert wurden bzw. werden: Shebeens (populäre, nicht-lizensierte Bars) im frühen 20. Jahrhundert und Bad Buildings (besetzte, „gekidnappte“ Häuser) im beginnenden 21. Jahrhundert. Anhand von eigenen Interviews mit Sicherheitsmanagern, Kriminalitätsanalysten und Planern sowie durch polizeiliche, lokalpolitische und journalistische Berichte wird ein sich wandelndes Verständnis von Gewalt und ihrer Räumlichkeit herausgearbeitet. Die projektierten Räume der Gewalt haben dabei ein zeitliches Pendant, in welchem die jeweilige Gegenwart als Ausnahmezustand pathologisiert wird. Das (selektive) Sichtbar- und Unsichtbarmachen von Gewaltphänomenen durch Expertendiskurse ist der Schlüssel zum Verständnis der unterschiedlichen Stränge einer räumlichen und zeitlichen Verkapselung von Gewalt.
Der Artikel widmet sich aus medienwissenschaftlicher Perspektive der „televisiven Historiographie“ und speziell dem Format „Virtual History“, welches der Sender „Discovery Channel“ entwickelt hat. Dieses Sendeformat versucht mittels aufwändiger digitaler Techniken, Bildmaterial von historischen Ereignissen neu zu produzieren, das dennoch einer historischen „Realität“ entsprechen soll und als „authentisch“ deklariert wird. Ausgehend von der Annahme, dass das Fernsehen generell weniger dem Authentischen als dem Falschen und der Verfälschung verpflichtet ist, fragt der Artikel nach der „Indexikalität“ virtueller digitaler Fernsehbilder. Im Anschluss an Maurice Halbwachs’ Unterscheidung von Geschichte und Gedächtnis wird die These entwickelt, dass der klassische Film mit der Konstitutionslogik der Geschichte korrespondiert, während das Fernsehen ein paradoxes Gedächtnismedium ist: Indem es überall dabei (gewesen) sein will, unterläuft es die operative Gedächtnisfunktion, zwischen Erinnern und Vergessen zu unterscheiden.
Tom Scott-Smith is Associate Professor of Refugee Studies and Forced Migration, Fellow of St. Cross College Oxford, and Course Director for the MSc in Refugee and Forced Migration Studies. Previously, he worked as a development practitioner concerned with the education sector in the Middle East and Sub-Saharan Africa. The following interview discusses arguments and questions arising from his newest book (2020), historical and currents trends of hunger relief, important players, institutions and gender relations in the humanitarian sector – and more. It was conducted by Heike Wieters (Historical European Studies, Humboldt-Universität zu Berlin) and Tatjana Tönsmeyer (Contemporary History, Bergische Universität Wuppertal) in a back-and-forth conversation via E-Mail.