1900-1945
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Noch immer liegen NS- und Genozidforschung weit auseinander – und sind zugleich doch eng miteinander verbunden. Denn zum einen bildet der Holocaust für die Genozidforschung bis heute die Matrix der unterschiedlichsten Typologieversuche. Zum anderen gründet die These von der Singularität des Holocaust notwendig, obgleich meist nur implizit auf dem Vergleich mit anderen Massenmorden. Dennoch arbeiten beide Disziplinen bis heute vielfach nebeneinander her. NS-Forscher ignorieren die Forschungsergebnisse zu den übrigen Völkermorden im 20. Jahrhundert weitgehend und perpetuieren damit die Singularitätsthese durch den eigenen eingeengten, überwiegend nationalgeschichtlich-deutschen Horizont. Die zahlreichen Bücher zu Genoziden basieren hingegen oft auf einem Kenntnisstand des Holocaust, der aus den 1970er-Jahren stammt, und beziehen sich damit sich auf eine gänzlich veraltete Matrix, die wiederum die eigenen Schlussfolgerungen verzerrt.
Rereading a book is always an uncanny experience in multiple temporalities. If the linguistic turn has taught us anything, it is that the context of reading shapes the meaning of the text that is read. The historicist impulse to reconstruct the original context on the basis of the text itself is at best an asymptotic, at worst a quixotic, pursuit. Yet texts remain, some more so than others. Those texts which continue to be read and reread long after their original context has passed we call ‘classics’. This is a term most frequently applied to literature, of course, but also to philosophy and other scholarly works animated by a generalising impulse. It pertains to works, in other words, which lay claim to a significance transcending their original context. It is rarely applied to works whose principle value is empirical or narrowly scholarly. These are presumed to be only temporarily useful interventions into an ongoing scholarly debate, in which later works draw on and ‘supersede’ the insights of earlier ones, rendering their predecessors superfluous. (Rather the reverse of Jove and his children.) Consequently, relatively few works of historical scholarship are considered classics in the full sense. History’s emphasis on the particular, its frequent skepticism of theoretical generalisations, and its embrace of archival empiricism have all tended to preclude the emergence of a broad canon of ‘historical classics’. There have, however, been exceptions to this rule.
In der Fülle an Literatur über Strafprozesse gegen nationalsozialistische Gewaltverbrecher nimmt ein Buch einen besonderen Platz ein: Hannah Arendts „Eichmann in Jerusalem“. Kaum ein anderes Werk zu diesem Thema hat derart kontrovers geführte und lange nachwirkende Diskussionen ausgelöst. Bis heute wird Arendts Buch als eines der ersten zur Hand genommen, wenn es um den 1961 in Jerusalem durchgeführten Prozess gegen Adolf Eichmann geht, den ehemaligen SS-Obersturmbannführer und Leiter des für die Organisation der Vertreibung und Deportation der Juden zuständigen Referats des Reichssicherheitshauptamtes. Viele andere Arbeiten über den Fall Eichmann sind heute dagegen nahezu vergessen oder nur einem engeren Publikum bekannt.
Im Frühjahr 2007 veröffentlichte der „Spiegel“ eine Hommage an das „neue Berlin“. Die Titelstory über die „Wiederkehr einer Metropole“ – „Aufgebaut von den Preußen, geschändet von den Nazis, zerstört von den alliierten Bombern, meldet sich Berlin auf der Weltbühne zurück“ – nimmt ihren Ausgangspunkt am „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Zitiert wird aus der Besucherordnung, die ein Begehen im Schritttempo vorschreibt, die Lärmen, lautes Rufen und Rauchen verbietet und somit „eigentlich genau regelt, in welcher Gefühlslage hier in den Abgrund der deutschen Geschichte geschaut werden soll“. Doch die Jugendlichen, „die seit den ersten Frühlingstagen […] wieder das Denkmal bevölkern, denken nicht daran, hier nur Trauerarbeit zu leisten. Eine siebte Klasse aus Fürth, soeben noch ergriffen von den Dokumenten im Souterrain des Denkmals, spielte vergangenen Donnerstag inmitten des Stelenfeldes Fangen. Als sich zwei Schüler plötzlich in die Arme fielen, kreischten sie.“ Diese Szene wird zum Symbol für die neue „Leichtigkeit“, die Berlin im Umgang mit seiner traumatischen Vergangenheit erlangt habe: „Vielleicht gibt es ja im Leben jeder Stadt so etwas wie eine Relativitätstheorie. Jedes Ereignis, auch das finsterste, verblasst demnach mit der Zeit. […] Das neue Berlin ist mehr als nur ein Ort des Gedenkens und Trauerns – fröhlich, frech und manchmal mit dreister Leichtigkeit findet die Preußen-Hauptstadt zu einer neuen Identität.“
Walther Hofers Dokumentation über den Nationalsozialismus, erstmals im August 1957 erschienen, war bis zum Jahresende 1957 bereits mit 100.000 Exemplaren verkauft. Mit einer Gesamtauflage von über einer Million Exemplaren zählt sie bis heute zweifellos zu den Klassikern dieser Gattung. Der aus der Schweiz stammende Herausgeber lehrte damals an der Freien Universität Berlin; 1952 hatte er sich bei Hans Herzfeld mit einer diplomatiegeschichtlichen Studie über die „Entfesselung des Zweiten Weltkrieges“ habilitiert. Auf schmaler Quellengrundlage inmitten der Ruinen einer geteilten Hauptstadt verfasst, war diese Publikation, die 1954 als erster Band in der Schriftenreihe des Münchner Instituts für Zeitgeschichte erschien, ein mutiges Unterfangen, das den Ruf Hofers als eines NS-Experten begründete. 1960 wechselte er an die Universität Bern, wo er bis zu seiner Emeritierung 1988 den Lehrstuhl für Neuere Geschichte innehatte und sich als langjähriger Nationalrat der konservativen Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (später: SVP) auch aktiv in der Politik betätigte.
In diesen Sätzen ist anschaulich und wie im Brennglas die zentrale Bedeutung der Wissenschaften für die Kriegführung zusammengefaßt. Darüber hinaus macht das Zitat deutlich, daß der Erste Weltkrieg eine Epochenschwelle markiert - für die Geschichte der Kriege, für die Geschichte der Wissenschaften und für die Geschichte des Verhältnisses beider zueinander. Dies heißt selbstredend nicht, daß die Wissenschaften für die älteren Kriege und in den älteren Kriegen keine Rolle gespielt haben. Sie blieben bis weit ins 19. Jahrhundert jedoch von eher untergeordneter Bedeutung. Das änderte sich mit Beginn der Hochindustrialisierung. Die Entwicklungen seit 1945, sowohl innerhalb der Wissenschaften als auch im Verhältnis von Wissenschaften und Militär zueinander, wiederum unterscheiden sich - allen personellen und auch organisatorisch-strukturellen Kontinuitäten zum Trotz - auf Grund eines völlig veränderten politisch-ökonomischen Kontextes von den Jahrzehnten zuvor so stark, daß es den Rahmen eines Aufsatzes sprengen würde, ihnen gleichfalls nachzugehen. Der Schwerpunkt des folgenden Beitrages liegt deshalb auf dem Zeitraum zwischen 1880 und 1950.
Im April 2008 wurde in Gegenwart von Simone Veil, der früheren Präsidentin des EU-Parlaments, an der Pariser Universität Sciences Po eine neue und ambitionierte elektronische Informationsquelle freigeschaltet: die Enzyklopädie über Massengewalt oder „mass violence“, wie der Titel im Englischen heißt (das die bevorzugte Sprache dieser Website ist). Das Projekt ist also noch jung, und so nimmt es nicht wunder, dass es trotz einer fast vierjährigen Vorlaufphase nicht frei von Startproblemen ist. Sie liegen zum Teil im monumentalen, aber noch unzureichend eingelösten Dokumentationsanspruch der Enzyklopädie, vor allem aber in der unscharfen Bestimmung dessen, was dokumentiert werden soll.
Im Mai 2006 einigten sich Vertreter der elf Aufsichtsländer darauf, die Ressourcen des Internationalen Suchdienstes (ISD) des Internationalen Roten Kreuzes in Arolsen für die historische Forschung zu öffnen. Bis zum Oktober 2006 unterzeichneten die einzelnen Regierungen das entsprechende Protokoll. Die Ratifizierung durch die beteiligten Staaten zog sich allerdings noch bis November 2007 hin. Für den Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Jakob Kellenberger, nahm damit „ein langer und schwieriger Prozess“ sein Ende. Nach jahrzehntelanger Kritik an der Abschottung scheinen die Tore des Suchdienstarchivs nun endlich aufgestoßen zu werden.
Historische Ausstellungen und Museen haben in der Bundesrepublik seit mehr als drei Jahrzehnten Konjunktur. Seit den 1970er-Jahren häufen sich die Sonderausstellungen zu historischen Themen, und es gibt einen bisher ungebrochenen Museumsboom. Beobachten lässt sich nicht nur eine stetige quantitative Zunahme von und ein wachsendes öffentliches Interesse an historischen Ausstellungen; zugleich bildeten sich auch neue Ausstellungstypen und Präsentationsformen heraus. Schließlich wurden in den 1980er-Jahren die Forderungen nach der Errichtung eines zentralen historischen Museums immer lauter, bis dies zur Gründung von gleich zwei Geschichtsmuseen mit gesamtstaatlichem Anspruch führte (dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und dem Deutschen Historischen Museum in Berlin). Der Trend scheint ungebrochen. Nach der Eröffnung der neuen Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM) im Frühjahr 2006, mit der eine fast 20-jährige Planung zum vorläufigen Abschluss kam und mit der erstmals der Versuch einer historischen Überblicksdarstellung von der Römerzeit am Rhein bis zum wiedervereinigten Deutschland unternommen wurde, steht als ein weiteres historisches Großmuseum der Neu- bzw. Umbau eines Militärhistorischen Museums in Dresden an. Dieses wird nicht nur mit den expressiven Bauformen des amerikanischen Architekten Daniel Libeskind auf sich aufmerksam machen, sondern auch mit einem anspruchsvollen inhaltlichen und gestalterischen Konzept.
Die Geschichte der „Chinesenviertel“ und chinesischer Migranten in europäischen Metropolen demonstriert, wie „Fremde“ zur Gefahr für die nationale Arbeit und für die Großstädte stilisiert wurden; sie zeigt aber auch, wie Migranten wirtschaftliche Nischen besetzen und schließlich als kulturelle Bereicherung akzeptiert werden konnten. In Hamburg präfigurierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein ausgeprägter Hygiene-Diskurs die vehemente Ablehnung, während sich die Behörden in Rotterdam anfangs indifferent verhielten und die dortige Bevölkerung in den frühen 1930er-Jahren durchaus Empathie mit arbeitslosen Chinesen zeigte. In London wiederum schlug die anfängliche Toleranz seit dem Ersten Weltkrieg in Abwehr um. Ab den 1950er- und 1960er-Jahren setzte mit dem großen Erfolg chinesischer Gastronomie eine neue Phase chinesischer Migration ein, die nun als kulinarische Bereicherung der urbanen „Konsumgesellschaft“ allgemein anerkannt wurde. Während ein kosmopolitischer Charakter von westeuropäischen Metropolen seit den 1970er-Jahren als mehr oder minder selbstverständlich gilt, ist die Geschichte chinesischer Migranten in Westeuropa ein gutes Beispiel für den langen und unebenen Weg zur multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft.