Soziale Bewegungen
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Spanien hat sich seit den 1950er-Jahren zu einem der wichtigsten Urlaubsziele in Europa entwickelt. Für die Regionen, in die Touristen aus der ganzen Welt reisten und noch heute reisen, bedeutete dies eine fundamentale Neugestaltung von sozialen Strukturen und Lebensgewohnheiten sowie auch von Landschaft und Umwelt. Der Aufsatz beleuchtet das Verhältnis zwischen Umwelt und Tourismus anhand der Beispiele Mallorca und Costa Brava – ausgehend von den Wahrnehmungen und Handlungen spanischer Akteure, die seit den frühen 1970er-Jahren mit dem Tourismus zusammenhängende Probleme diagnostizierten. Im Zentrum der Analyse stehen zunächst Politiker, die aus ökonomischen Gründen die Bedeutung von Umweltfragen für die langfristige Sicherung des Tourismus erkannten, sowie dann Naturschutzgruppen und Bürgerinitiativen, die sich gegen den weiteren Ausbau des Massentourismus engagierten. Die umweltpolitische Argumentation dieser Gruppen verband sich mit regionalen Identitätsentwürfen und Autonomieansprüchen; sie führte zu Teilerfolgen wie der Ausweisung von Schutzgebieten. Der Beitrag stützt sich auf Quellen aus spanischen Lokal- und Regionalarchiven, auf Material der Umweltinitiativen sowie auf Pressedebatten über den Tourismus.
Die „Réflexions sur la violence“ von Georges Sorel (1847-1922) gelten bis heute als eine wichtige Inspirationsquelle linker wie rechter Gewaltlegitimation. Ihr Autor, ein französischer Straßen- und Brückenbauingenieur, der nach 25 Berufsjahren 1892 sein Amt aufgab, um sich fortan gelehrten Studien zu widmen (ein geerbtes Familienvermögen machte dies möglich), durchlief selbst den intellektuellen Parcours vom linken zum rechten Rand des europäischen politischen Spektrums und wieder zurück. Sorels Interessen reichten von der frühen Kirchengeschichte bis hin zu Philosophie, Psychologie und Soziologie; vor allem aber richteten sie sich auf die klassischen Schriften des Marxismus, denen er ausführliche Analysen widmete. Er kommentierte das politische Zeitgeschehen in seinem Heimatland, verfolgte die Revisionismusdebatte der deutschen Sozialdemokratie mit großem Interesse und stand mit Benedetto Croce, Vilfredo Pareto und anderen italienischen Denkern in engem Kontakt.
Die "Arbeiterverbrüderung" war eine unter maßgeblicher Federführung des Buchdruckers Stephan Born und des Goldschmieds Ludwig Bisky im Hochsommer des europäischen Revolutionsjahres 1848 ins Leben gerufene Mischung aus Gewerkschaft und früher Arbeiterpartei. Förmlich gegründet wurde die Arbeiterverbrüderung von insgesamt 34 stimmberechtigten und fünf beratenden Delegierten während eines dem Anspruch nach nationalen, tatsächlich jedoch in erster Linie norddeutschen Kongresses, der vom 23. August bis zum 3. September 1848 in den Räumlichkeiten des Berliner Handwerkervereins tagte. Zweck und Ziel dieses Kongresses war es, die im Frühjahr und Sommer 1848 in zahlreichen deutschen Städten entstandenen Ansätze berufsübergreifender, quasi gewerkschaftlicher Arbeiterorganisationen zusammenzufassen und gleichzeitig den Forderungen der in den deutschen Staaten noch schwachen sozialistischen Bewegung einen möglichst repräsentativen Ausdruck zu verleihen.
Die „Umwälzungen“ des Jahres 1848 waren nicht nur der "Anstrengung", sondern auch "dem Erfolge nach eine wirkliche Revolution". Obgleich nicht alle Zeitgenossen diese Ansicht Robert Springers teilten und manche Konservative und Liberale schon frühzeitig den revolutionären Charakter der Märzereignisse leugneten, sie zum bloßen "Ministerwechsel" zu degradieren suchten - daß im März 1848 Berlin nicht nur äußerlich zum revolutionären Schlachtfeld mit Hunderten von Toten und zahllosen Barrikaden wurde, sondern in ganz Preußen ein fundamentaler politischer Umbruch stattfand, läßt sich kaum bestreiten: Für acht Monate wurde dem Monarchen ein Parlament zur Seite gestellt, das mit diesem eine Verfassung "vereinbaren" sollte und überdies nicht unwesentlich die Politik des preußischen Staates mitbestimmte. (Aus der Einleitung)
Berlin-Moabit, 1971: Drei Anwälte sitzen im Gerichtssaal – der eine, Horst Mahler, als Angeklagter, dem die Mitgliedschaft in der Roten Armee Fraktion (RAF) vorgeworfen wird; die beiden anderen, Hans-Christian Ströbele und Otto Schily, als seine Verteidiger. Ein Foto dieser Szene wählt die Regisseurin Birgit Schulz als Einstieg für ihren Dokumentarfilm „Die Anwälte“ über die Lebensläufe von Mahler, Ströbele und Schily, die sich damals in jenem Gerichtssaal kreuzten, in dem sie nun für den Film interviewt wurden. Doch geht Schulz weit über diesen Schnittpunkt hinaus. Sie nutzt das Foto als Ausgangspunkt für eine filmische Parallelbiographie, die den Werdegang der drei Anwälte bis in die Gegenwart verfolgt. Die Protagonisten werden nicht allein als „RAF-Anwälte“ beschrieben – eine Kennzeichnung, gegen die sie sich auch selbst verwahren. So betont Schily, wie unsinnig das Label „Terroristenanwalt“ sei. Man werde ja auch nicht zum „Mörderanwalt“, wenn man einen Mörder verteidige, oder zu einem „Flick-Untersuchungsanwalt“, nur weil man den gleichnamigen Untersuchungsausschuss geleitet habe. Damit gibt Schily das Stichwort für eine weitere zentrale Episode der jüngeren bundesdeutschen Zeitgeschichte, die der Film in biographisch verdichteter Form erzählt. „Eine deutsche Geschichte“ lautet schließlich auch der Untertitel des Films, dessen Protagonisten die Geschichte der Bundesrepublik gleichermaßen entscheidend mitgestaltet haben, wie sie umgekehrt von ihr geprägt wurden.
West-Berlin galt besonders in den 1980er-Jahren als Hochburg der Subkultur, als Labor des stadtpolitischen Protestes und Experimentierfeld einer anderen Stadtpolitik. Speziell der Bezirk Kreuzberg ist mit seiner Geschichte der Hausbesetzungen und regelmäßigen Krawalle, aber auch mit dem Konzept einer »Behutsamen Stadterneuerung« (im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1984) zum Synonym für eine Stadtentwicklung jenseits des Mainstreams geworden.
Seit dem Ende der 1960er-Jahre lieferte der für seine Sofortbildkameras und -filme bekannte US-amerikanische Fotografiehersteller Polaroid Apparate nach Südafrika, die zur effizienten Erstellung von Ausweisdokumenten für die schwarze Bevölkerung dienen konnten. Besonders in der Firmenzentrale in Massachusetts löste dies den Protest schwarzer Mitarbeiter/innen aus (Polaroid Revolutionary Workers Movement, PRWM). Die Fallstudie untersucht einige Pamphlete und Flugblätter, die sich elaborierter Manipulationen von Fotografien und einer aufrüttelnden Bildsprache bedienten. Die Bewegung setzte das Medium Fotografie gegen den Sofortbildhersteller ein, um diesen mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Der Streit um den US-amerikanischen Handel mit Südafrika gelangte bis ins Repräsentantenhaus. Die Darstellung der Bild- und Konfliktgeschichte ermöglicht es zugleich, einen breiteren Blick auf die Genese und die konkrete historische Situation der ausweisbasierten Kontrollmechanismen im Apartheidstaat Südafrika zu richten. Der tatsächliche Einsatz der Polaroid-Technik für Überwachungszwecke lässt sich nicht eindeutig ermitteln, und der Protest hatte insofern Erfolg, als das Unternehmen seine Lieferungen nach Südafrika Ende der 1970er-Jahre stoppte.
Während der Apartheid-Ära führten die vielfältigen Verbindungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach Südafrika zu Konflikten im westdeutschen Protestantismus. Einen Streitpunkt bildete die Frage, wie man sich zu Boykotten südafrikanischer Produkte, zu Desinvestitionen und zu Wirtschaftssanktionen verhalten sollte. Dieses Thema wurde in der Bundesrepublik seit Ende der 1970er-Jahre besonders durch die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland und deren Kampagne »Kauft keine Früchte aus Südafrika!« in die Öffentlichkeit getragen. Beeinflusst von der Befreiungstheologie und der »Schwarzen Theologie« forderten südafrikanische Kirchen ihre ausländischen Partner wenige Jahre später dazu auf, sich für umfassende Sanktionen in ihren jeweiligen Ländern einzusetzen, um die Apartheid in Südafrika zu überwinden. Dieser Wandel innerhalb der südafrikanischen Kirchen veränderte den westdeutschen Protestantismus nicht nur auf kirchenpolitischer, sondern auch auf theologischer Ebene, wie die Rezeption des »Kairos-Dokuments« südafrikanischer Theologen von 1985 zeigt.
Die Mobilisierungskraft der Anti-Apartheid-Bewegungen, die die als rassistisch kritisierte Politik Südafrikas auf die internationale Agenda brachten, ist eines der zentralen Forschungsfelder für die geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Apartheid und den Reaktionen in den westlichen Gesellschaften. Während in den 1960er- und 1970er-Jahren das Aktionsrepertoire der Anti-Apartheid-Bewegungen von Straßenkampagnen und Informationsarbeit geprägt war, wandelte sich in den 1980er-Jahren das Auftreten der US-amerikanischen und europäischen Apartheid-Gegner. Besonders das britische Anti-Apartheid Movement und sein Umfeld hatten erheblichen Anteil an der Etablierung des »Protest[es] gegen die Apartheid als Teil der Massenkultur insbesondere in der Musik«.
Die Bevölkerung Russlands steht nicht geschlossen hinter dem Krieg gegen die Ukraine. Trotz aller Bemühungen der staatlichen Propaganda, den Krieg in der russischen Öffentlichkeit als „Spezialoperation“ zu inszenieren, regt sich vielerorts Widerstand. Die Proteste begannen unmittelbar nach dem russischen Angriff. In vielen Städten gingen tausende Menschen auf die Straßen und Plätze um gegen den Krieg zu demonstrieren. In sozialen Medien wird der Hashtag #НетВойне (dt. Nein zum Krieg) millionenfach genutzt, geteilt und gelikt. Jede einzelne Unmutsäußerung erfordert großen persönlichen Mut und Zivilcourage im Angesicht des staatlichen Repressionsapparats. Und dennoch äußern sich viele russische Wissenschaftler:innen, Journalist:innen, Künstler:innen und Journalist:innen deutlich gegen den Krieg. Gegenwärtig kursieren mehrere "Offene Briefe", die binnen kürzester Zeit von hunderten oder gar tausenden Personen unterzeichnet wurden. Dass ihre Stimmen in Deutschland gehört werden, ist wichtig in einer Situation, in der deutsche und europäische Wissenschaftsinstitutionen ihre teils seit Jahrzehnten bestehenden Kooperationen mit russischen Universitäten und Forschungseinrichtungen auf unbestimmte Zeit unterbrochen oder gänzlich beendet haben. Deshalb werden hier drei dieser Dokumente in Auszügen übersetzt und so für ein deutschsprachiges Publikum dokumentiert.