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Angesichts der flimmernden Semantik des Ausdrucks „(ost)deutsche Transformationsforschung“ braucht es zunächst eine präzisierende Bestimmung des Gegenstandes der folgenden Überlegungen. Sie konzentrieren sich auf die sozialwissenschaftliche Erforschung der postsozialistischen Umwälzungsprozesse in den östlichen fünf Bundesländern seit dem revolutionären Aufbruch in der DDR.
Schwarze Löcher
(2019)
Im Jahr 1993 oder 1994 zeigte mir mein Vater ein wackeliges Video. Er und seine ehemaligen Arbeitskollegen hatten gemeinsam ein Schwein aufgezogen, und nun sollte jeder seinen Anteil bekommen. Im Video sah man, wie die Sau über den Hof getrieben wird, dann bindet sie jemand am Hinterlauf fest. Das Tier wird „Wessi“ getauft. Die Männer johlen, das Bier fließt. Dann wird Wessi mit einem Bolzenschussgerät niedergestreckt, das Schwein zappelt am Boden, jemand sticht in die Halsschlagader, das Blut strömt in einen bereitgestellten Bottich. Mein Vater wirft sich auf die Sau, um sie zu fixieren. Es ist der 7. Oktober, das Datum des ehemaligen „Tags der Republik“ der DDR. Das Schwein wird mit kochendem Wasser übergossen und abgeschabt. Wessi wird zu Wurst verarbeitet.
Es ist etwas in Bewegung geraten in der ohnehin komplizierten deutsch-deutschen Erinnerungslandschaft. Nach dreißig Jahren wandeln sich die Rückblicke auf die jüngste Vergangenheit. Im Fokus steht dabei die Zeitenwende von 1989/90, die Deutschland und Europa wieder intensiv umtreibt. Eine neue Welle von Populismen und Nationalismen spült scheinbar vergessene, verdrängte oder überwunden geglaubte Fragen zu den materiellen wie ideellen Erbschaften von Staats- und Postsozialismus erneut an die Oberflächen. Als zuletzt auch die sonst in dieser Hinsicht so schweigsame Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview gegenwärtig – angesichts bisweilen heftiger publizistischer Debatten – ein ostdeutsches „1968“ aufdämmern sah, wurde offensichtlich: Vormals festgefügte Meister- beziehungsweise Siegererzählungen (West?) und hierauf bezogene Gegen- beziehungsweise Opfererzählungen (Ost?) werden brüchig und verlieren an Überzeugungs- und Bindekraft.Politische, generationelle, wissenschaftliche und kommunikativ-technologische Dynamiken überschneiden sich in einem nur schwer überschaubaren Geflecht aus vielfältigen Interessen, Meinungen und Emotionen. Und mittendrin: eine gerade erst dieses neue Feld empirisch für sich entdeckende Zeitgeschichtsforschung.
Nach dem Ende der DDR in Ostdeutschland und im gegenwärtigen Großbritannien zeigt sich ein ähnliches Phänomen: In nicht geringem Umfang wurde das Eigentum an Häusern und Wohnungen vom Grundeigentum getrennt. Anders formuliert: Jemand war zwar Haus- oder Wohnungseigentümer*in, aber besaß nicht den Boden, auf dem das Haus stand. Manchmal wussten die Haus- oder Wohnungseigentümer*innen nicht einmal, wem das dazugehörige Grundstück gehört. Daraus entstanden Abhängigkeiten, Ungleichheiten und Konflikte. Wie aber konnte die privateigentumsfördernde britische Politik, vor allem unter Margaret Thatcher, und die privateigentumsstörende DDR-Politik zu ähnlichen Effekten führen? Und macht ein solcher, eher unkonventioneller Vergleich überhaupt Sinn?