Recht
Refine
Year of publication
Document Type
- Journal Article (45)
- Online Publication (30)
- Part of a Book (5)
- Book (2)
Language
- German (82) (remove)
Has Fulltext
- yes (82)
Keywords
- Auftragsforschung (1)
- Begriffe (1)
- Deutschland (1)
- Deutschland (DDR). Volkspolizei (1)
- Forschungsfelder (1)
- Geschichte 1945- (1)
- Geschichte 1952-1968 (1)
- Konzern (1)
- Nationalsozialismus (1)
- Politischer Gefangener (1)
- Unternehmen (1)
- Vergangenheitsbewältigung (1)
- Volkswagen AG (1)
- Zwangsarbeiter (1)
Es ist etwas in Bewegung geraten in der ohnehin komplizierten deutsch-deutschen Erinnerungslandschaft. Nach dreißig Jahren wandeln sich die Rückblicke auf die jüngste Vergangenheit. Im Fokus steht dabei die Zeitenwende von 1989/90, die Deutschland und Europa wieder intensiv umtreibt. Eine neue Welle von Populismen und Nationalismen spült scheinbar vergessene, verdrängte oder überwunden geglaubte Fragen zu den materiellen wie ideellen Erbschaften von Staats- und Postsozialismus erneut an die Oberflächen. Als zuletzt auch die sonst in dieser Hinsicht so schweigsame Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview gegenwärtig – angesichts bisweilen heftiger publizistischer Debatten – ein ostdeutsches „1968“ aufdämmern sah, wurde offensichtlich: Vormals festgefügte Meister- beziehungsweise Siegererzählungen (West?) und hierauf bezogene Gegen- beziehungsweise Opfererzählungen (Ost?) werden brüchig und verlieren an Überzeugungs- und Bindekraft.Politische, generationelle, wissenschaftliche und kommunikativ-technologische Dynamiken überschneiden sich in einem nur schwer überschaubaren Geflecht aus vielfältigen Interessen, Meinungen und Emotionen. Und mittendrin: eine gerade erst dieses neue Feld empirisch für sich entdeckende Zeitgeschichtsforschung.
Den Ostdeutschen wird oft vorgehalten, dank ihrer DDR-Vergangenheit nicht in der Demokratie angekommen zu sein. Die statistischen Daten scheinen eindeutig: So bewerten die Ostdeutschen die Demokratie kritischer, Minderheiten werden weniger akzeptiert und knapp ein Fünftel der Ostdeutschen nennt, unter bestimmten Umständen, eine Diktatur als beste Staatsform. Zudem ist die Wahlbeteiligung niedriger, während rechte Parteien stärker reüssieren. Ebenso sind Ostdeutsche seltener Mitglied in Parteien oder Vereinen.
Gerade weil derartige Zahlen so eindeutig wirken, sollten wir sie auch in der künftigen zeithistorischen Erforschung kritischer diskutieren. Denn erstens fällt auf, dass andere Statistiken, die mehr Ähnlichkeiten zwischen Ost und West aufzeigen, weniger Aufmerksamkeit finden.
Noch immer wird Zeithistorikern gelegentlich nachgesagt, sie hätten ein gestörtes Verhältnis zu den modernen audiovisuellen Medien, und in der Tat hat die Disziplin erst mit einiger Verzögerung auf deren Ausbreitung reagiert. Dies galt lange für die Massenmedien ganz allgemein, deren Quellenwert aus der Perspektive einer klassischen, staatszentrierten Politikgeschichte äußerst begrenzt erschien. Aber auch die Wendung hin zur Gesellschaft, zur Erfahrungs- und Erinnerungsgeschichte hat zunächst überraschenderweise kaum dazu geführt, dass die Präsenz von Medien im Alltag in diesen Ansätzen besondere Berücksichtigung gefunden hätte. Zwar ist diese traditionelle Zurückhaltung – von einigen Residuen abgesehen – inzwischen erodiert: „Mediengeschichte“ hat sich als Subdisziplin innerhalb der Zeitgeschichte etabliert. Aber jenseits eines Verständnisses als Spartengeschichte verbreitet sich erst sehr langsam die Erkenntnis, dass die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts generell nicht mehr angemessen geschrieben werden kann, ohne die ubiquitäre Verbreitung und Rezeption der Massenmedien zu berücksichtigen. Das gilt keineswegs nur für die sozial- und erfahrungsgeschichtliche Dimension des Mediengebrauchs. Wenn sich, um nur ein Beispiel zu nennen, die Darstellungsseite von Politik bereits seit geraumer Zeit maßgeblich in populären Medien wie dem Fernsehen vollzieht und Repräsentationen und Wahrnehmungen mit dem politischen Prozess rückgekoppelt sind, dann muss auch die Politikgeschichtsschreibung diesem Umstand Rechnung tragen.
Für diese Debatte haben wir vier prominenten Vertreter*innen beider Disziplinen, der Rechts- und der Geschichtswissenschaft, schriftlich Fragen zur Situation, zum Potential und zu den Herausforderungen einer Zeitgeschichte des Rechts gestellt.
Wie verhält sich die Rechtsgeschichte zur »allgemeinen« Geschichtswissenschaft in Deutschland? Woher rührt das ausgeprägte disziplinäre Selbstbewusstsein der juristischen Rechtshistoriker*innen, und sollten Allgemeinhistoriker*innen dem etwas entgegensetzen? Worin sehen Sie die »großen Themen« und methodischen Trends der aktuellen rechtshistorischen Forschung, besonders der Juristischen Zeitgeschichte in der Bundesrepublik? Wieviel Theorie und Methodik braucht die Rechtsgeschichte? Wo sehen Sie Potential für neue Perspektiven, und inwieweit sollte eine zeitgemäße Rechtsgeschichte über den nationalen Rahmen hinausgehen? Welche Chancen, welche Grenzen sehen Sie für die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Jurist*innen und Historiker*innen?
Die Rote Armee Fraktion im Original-Ton. Die Tonbandmitschnitte vom Stuttgarter Stammheim-Prozess
(2009)
Unter der Überschrift „Stimmen aus Stammheim“ berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 1. August 2007 von zuvor noch nicht veröffentlichten Originaltönen, die während des Strafprozesses gegen die RAF-Gründungsmitglieder - Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe - in Stuttgart-Stammheim aufgenommen worden waren. Eindeutig habe es „Signale“ gegeben, „die damals niemand verstand“. Am gleichen Tag konstatierte die „Frankfurter Rundschau“: „Nur Hass und Verbitterung. Neue Tonbandmitschnitte erhellen das vergiftete Klima im Prozess gegen die RAF-Gründer“. Andere Schlagzeilen lauteten: „Ulrike Meinhofs letzte Worte“, „Im Keller vergessen“, „Stimmen aus dem Grab“ oder „Mythische Stimmen aus dem Jenseits“. In der „ZEIT“ wurde kritisch angemerkt, die Konkurrenz vom „Spiegel“ mache „viel Aufhebens um die Stammheimer Tonband-Mitschnitte, die ein findiger Journalist in den Katakomben der Justiz aufgestöbert hat“.
Fraenkels »Doppelstaat« als Rechtsgeschichte. Arbeitsrecht und Politik während der NS-Diktatur
(2019)
Ernst Fraenkels Buch »Der Doppelstaat«, 1941 in den USA erschienen und erst 1974 auf Deutsch publiziert, weist trotz seiner zentralen Stellung in der Forschung zur NS-Herrschaft eine lückenhafte Rezeptionsgeschichte auf. Der Aufsatz plädiert dafür, das Werk als Rechtsgeschichte zu verstehen. Am Beispiel des Arbeitsrechts wird aus einer praxeologischen, Fraenkel folgenden Perspektive deutlich gemacht, wie und warum sich die Grenzen zwischen Normen- und Maßnahmenstaat verschoben. Diese Kategorien bezeichnen nicht etwa den Gegensatz zwischen Staat und Partei; vielmehr ist genauer nach dynamischen Grenzüberschreitungen und Rechtsaneignungen zu fragen. Dargelegt wird, wie das privatrechtliche Gepräge des Arbeitsrechts staatlich durchdrungen wurde, sodass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Subjekten zu Objekten des Rechts der Arbeit wandelten. Möglich wurde dies nur durch das maßnahmenstaatliche Handeln sämtlicher Instanzen aus Verwaltung, Justiz und Polizei. »Treuhänder der Arbeit« und Gestapo dehnten das System der »Arbeitserziehungslager« immer weiter aus. Das Recht verlor sukzessive seine herrschaftsbeschränkende Funktion und geriet zu einem Herrschaftsmittel. Nicht mehr die Gerichte kontrollierten die Verwaltung, sondern die Behörden lenkten die Gerichts- und Rechtspraktiken.
Menschen schreiben, Menschen notieren. Papierne (heute auch digitale) Gedächtnisstützen halten fest, was sich im Kopf der oder des Schreibenden abspielt, um es für kurze oder längere Zeit zu sichern und zu übertragen. Termine, Kontakte und Adressen werden besonders oft verschriftlicht, da es sich um Informationen handelt, die präzise wiedergegeben werden müssen. Jeder einzelne Datensatz (eine Adresse, Telefonnummer, Ort und Zeit eines Treffens, Kontakte zu einer bestimmten Person) ist in sich eher trocken und schwer zu merken, die Verschriftlichung verwaltet also und assistiert unserer Erinnerung. An der Schnittstelle zwischen Alltagslogistik, Sozialleben und Erinnerung sind Adressbücher Hilfsmittel und Kulturtechnik zugleich. Das Adressbuch als Gegenstand dient im Sinne Bruno Latours der Delegation, da sein*e Benutzer*in Informationen auslagern kann. Dadurch werden Adressbücher fester Bestandteil von Netzwerken, welche ohne diese Niederschrift nicht aufrechtzuerhalten wären. Das lässt sich am Beispiel europäischer Netzwerke in London während des Zweiten Weltkrieges darlegen: anhand eines edierten »Who’s Who« und des persönlichen Adressbuches des Juristen René Cassin.
Historiker und Historikerinnen, zumal jene der jüngeren deutschen Geschichte, beschäftigen sich am liebsten mit Recht, wenn es nicht weh tut. Der Boom der Menschenrechtshistoriographie steht dieser Diagnose ebensowenig entgegen wie die Flut an Behördengeschichten der NS-Zeit. Beide Trends bestätigen vielmehr den Befund, versteckt sich hinter den Etiketten doch nicht selten eine klassische Politikhistorie, oft in der Gestalt einer Gesetzgebungsgeschichte, aufgelockert durch und verwoben mit ideen- und diskurshistorischen Elementen. Dies erlaubt es einerseits, sich von der etablierten, meist juristisch definierten Rechtsgeschichte abzusetzen, der vorgeworfen wird, zu einer sterilen Dogmengeschichte erstarrt zu sein. Andererseits hält man an tradierten Arbeitsteilungen fest: Die lästige, wiewohl notwendige Pflichtaufgabe, sich in die technischen Einzelheiten des Rechts zu vertiefen, darf aus der eigenen Zuständigkeit entlassen werden. Entsprechend begrenzt bleibt der wissenschaftliche Austausch: Rechtswissenschaftler/innen lesen historiographische Arbeiten als leichte Lektüre für den Hintergrund; Historiker/innen rezipieren die Studien ihrer juristischen Kolleg/innen als sprödes Fußnotenfutter. Dass der fächerübergreifende Kontakt zuletzt vor allem durch regierungsseitig initiierte Projekte über die NS-Belastung einzelner Ministerien und Behörden vorangetrieben wurde, bestätigt diese Beobachtung eher, als dass sie widerlegt würde.
Die historische Migrationsforschung steht mitunter vor dem Problem, dass viele Methoden und Materialien, die in den übrigen Sozialwissenschaften zum Standard gehören, nicht zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die häufig stark betonte quantitative oder administrativ-juristische und politische Perspektive erweitert werden soll auf sozialkulturelle Phänomene, etwa auf Fragen der Konstitution von Gruppen und Gemeinschaften, der Identitätsbildung und des Identitätswandels sowie der Vielfalt der Adaptionsstrategien und ihrer Motivationen. Methoden der Oral History fallen praktisch völlig aus, wenn die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg oder gar noch frühere Epochen untersucht werden sollen. Auch schriftliche Zeugnisse aus dem Kreis der Wandernden bzw. Gewanderten sind äußerst rar, und wenn sie vorliegen, bilden sie einen sehr eng eingegrenzten Ausschnitt aus dem sozialen Spektrum des Migrationsgeschehens ab. Schwierig zu beantworten ist insbesondere die Frage nach dem Alltagsleben und den Sozialbeziehungen innerhalb von Einwanderergruppen sowie nach deren Beziehungen zu den vollberechtigten Staatsangehörigen.
Das Taschenbuch „Medizin ohne Menschlichkeit“ wurde ein Best- und Longseller. Binnen sechs Wochen nach Erscheinen, im Frühjahr 1960, konnte der Fischer-Verlag bereits 29.000 Exemplare absetzen. 2004 erreichte der Band die 16. Auflage. Ein erstaunlicher Erfolg für die Neuausgabe eines Buches von 1949; eines Buches zudem, das, wie der Untertitel anzeigte, „Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses von 1946/47“ präsentierte. Seither waren immerhin 13 Jahre vergangen. Auch die Herausgeber waren einem breiten Publikum unbekannt: Der Psychoanalytiker und Heidelberger Extraordinarius Alexander Mitscherlich war eben erst dabei, in Frankfurt das spätere Sigmund-Freud-Institut zu begründen. Fred Mielke, in den ersten Nachkriegsjahren Medizinstudent bei Mitscherlich, war bereits im Frühjahr 1959 an Leukämie verstorben.