Menschenrechte
Die südafrikanische Apartheid ist zum Bestandteil des »kollektiven Gedächtnisses« nationaler und transnationaler Erinnerungskulturen geworden. Dies betrifft nicht allein die Ereignisse in Südafrika selbst, sondern auch die weltweiten Diskussionen über den Umgang mit der Apartheid, die in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen ebenso wie in einzelnen Ländern geführt wurden. Die seit den 1960er-Jahren zunehmende weltweite Ächtung der Apartheid als rassistisches Regime hing zusammen mit einem Anwachsen von Anti-Apartheid-Bewegungen in zahlreichen Ländern und neuen Legitimationen westlicher Außenpolitiken. Von den sowjetisch kontrollierten, aber auch skandinavischen Ländern wurden die Befreiungsbewegungen – vor allem der African National Congress (ANC) – materiell unterstützt. Die Auseinandersetzungen über Apartheid und den Umgang mit einem Land, in dem Menschenrechtsverletzungen gesetzlich abgesichert waren, trugen in einem erheblichen Maße zur Etablierung der Menschenrechte als international verbindlicher Norm bei. Das Thema Apartheid bietet die Möglichkeit, transnationale Verflechtungen und gesellschaftliche Wahrnehmungen vertiefend auszuloten sowie die Bedeutung der 1970er- und 1980er-Jahre für die Ausbildung einer »reflexiven Moderne« zu erkunden.
Im Südafrika der 1950er-Jahre kam jede neue Ausgabe des Magazins »Drum« dem Öffnen eines Fensters zu einer anderen Welt gleich. Visuelle Repräsentationen vom urbanen Leben der Bevölkerungsmehrheit, von Kunst und Kultur, panafrikanischer Politik, aber auch von den Missständen in Südafrika waren in der offiziellen Bildwelt der 1950er-Jahre eine Sensation. Die 1951, drei Jahre nach Einführung der Apartheid als offizieller Regierungspolitik, zum ersten Mal erschienene englischsprachige Zeitschrift war daher revolutionär. Peter Magubane, einer der Fotojournalisten von »Drum«, bezeichnete die Redaktionsstube im Rückblick als eine Art Heterotopie innerhalb des segregierten Stadtraums: »›Drum‹ war eine andere Art von Zuhause, hier gab es keine Apartheid.«
My main argument here is that the story seen from the perspective of the influential year of 1962 reveals a very different historical context, with a different set of actors and a different trajectory and causalities regarding the human rights breakthrough, from those stories focusing on Western agency in the 1940s and the 1970s. It repositions the history of human rights in significant ways and makes apartheid and racial discrimination more crucial to the human rights story than has hitherto been acknowledged. It is also important to emphasize that the positions and arguments presented by countries from the Global South in these UN debates were richly nuanced. These nuances are important if we are to fully appreciate the dynamics during these years. Tanzania differed significantly from, for instance, Senegal in the way it envisaged the scope and applicability of international human rights law and investigatory measures. Tanzania wanted a sole focus on Southern Africa and not beyond; Senegal had a wider perspective. This should remind us that when we are imagining Africa as a historical-political space, we need to allow for diversity, individual histories and agency, aspects that cannot be adequately captured by labels such as ›The Third World‹, ›Global South‹ or indeed even ›Africa‹.
Die Bedeutung der Apartheid für die internationale Menschenrechtspolitik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegt in ihrer Exzeptionalität: Kein anderes Thema stand so lange auf der menschenrechtspolitischen Agenda, nämlich von den späten 1940er-Jahren bis zum Ende der Minderheitsherrschaft 1994, als der »Kalte Krieg« schon einige Jahre vorüber war. Keine andere Regierung erfuhr in dieser Zeit eine stärkere internationale Isolierung als die südafrikanische. Kein anderes Staatsverbrechen zog in der internationalen Politik, unter zivilgesellschaftlichen Aktivisten und in der medialen Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit auf sich, als es die Rassendiskriminierung am Kap während der Hochphase der weltweiten Entrüstung gegen Ende der 1980er-Jahre tat. Das Faszinosum der transnationalen Geschichte Südafrikas besteht nicht in dem, was an ihr typisch, sondern in dem, was an ihr besonders ist.
Die Menschenrechte sind ein Konzept der Aufklärung. Ausgehend vom Individuum, waren Rechtsgleichheit, politische Teilhabe und Freiheit frühe Schlagworte. Obwohl angestrebt, gelang eine Verankerung dieser Rechte in staatlichen Verfassungen bis in das 20. Jahrhundert nur selten. Erst die Zeit nach 1945 gilt, mit der Gründung der UNO, als Durchbruch für eine Menschenrechtspolitik als Praxis in internationalen Beziehungen, wobei umstritten war, auf welche Sphären sie sich beziehen sollte. Menschenrechtsgeschichte heißt daher, über die politische Ideengeschichte hinaus, danach zu fragen, wie und mit welcher Wirkung Menschenrechte zum Leitmotiv politischen Handelns wurden – aber auch die strategischen Interessen hinter den damit verbundenen Kontroversen zu verstehen.
Im Januar 2012 feierte der Afrikanische Nationalkongress (ANC), die Regierungspartei der Republik Südafrika, mit großem Pomp sein hundertjähriges Bestehen. Der ANC ist die älteste Organisation des afrikanischen Nationalismus nicht nur in Südafrika, sondern auf dem Kontinent – und war lange Zeit die erfolgloseste. Während politische Parteien in Westafrika wie Kwame Nkrumahs Convention Peoples Party (Ghana) bereits zwei Jahre nach ihrer Gründung die Regierungsgeschäfte übernahmen und in anderen Beherrschungskolonien die Entkolonialisierung ähnlich schnell verlief, konnte der ANC erst 82 Jahre nach seiner Gründung die Regierung stellen.
Vertreibung, Flucht und Wanderungsbewegungen sind Phänomene, die es wohl zu allen Zeiten gegeben hat. Vor dem Beginn der Ära der Nationalstaaten wurden Flüchtlinge und Einwander*innen nicht selten als Bereicherung empfunden, da sie Informationen über andere Länder und Kulturen, Sitten und Gebräuche mitbrachten. Im Mittelalter war in Europa eine universalistische Philosophie vorherrschend, die Flüchtlingen im Allgemeinen positiv gegenüberstand. Die Vereinigten Staaten von Amerika wurden im späten 18. Jahrhundert bekanntlich auch von Flüchtlingen gegründet, die Europa verlassen hatten, weil sie hier kein Recht auf Religionsfreiheit gefunden hatten oder in anderer Hinsicht unterdrückt worden waren.
In this article I examine the context for the British bank Barclays’ decision to disinvest from South Africa in 1986, with special attention to the impact of the Anti-Apartheid Movement’s campaign against the bank. The 18-year long campaign against Barclays – the largest bank in South Africa at the time and the fourth largest foreign-owned corporation – points to significant developments within the fields of corporate social responsibility and the potential influence of social movements on multinational corporations. Applying the theoretical approach of subpolitics as developed by Ulrich Beck in combination with the later subdivision by Boris Holzer and Mads P. Sørensen into a passive and an active form, it is possible to analyse the decisions of both anti-apartheid activists and Barclays on similar terms. The conclusions drawn in this article emphasise the idea that economic decisions taken by multinational corporations may have unintended political consequences and, furthermore, that the awareness of this phenomenon has contributed to the development of corporate social responsibility. Finally, I suggest that the campaign against Barclays generated public attentiveness towards the social responsibility of businesses.
Music played an important role as a political medium for the anti-apartheid movement, particularly in the 1980s. Drawing on sources from the UK and South Africa, the article investigates the controversy surrounding Paul Simon’s album Graceland (1986) against the backdrop of the cultural boycott against South Africa. The aim of the boycott was to isolate the apartheid regime in the field of culture, but from the middle of the 1980s, the opposition within South Africa increasingly regarded it as an obstacle. The African National Congress (ANC) pursued a modification of the boycott against the resistance of the British Anti-Apartheid Movement (AAM). The controversy over Graceland only served to compound the confusion: opinions differed as to whether Simon had really breached the cultural boycott by collaborating with South African musicians, and on how this could potentially be sanctioned (in either sense of the word). The incident shows that the attempt to control transnational cultural currents through political institutions in times of increased mediatisation was ultimately doomed to failure.
Seit einiger Zeit erfreuen sich Themen wie »Gerechtigkeit«, »Würde« oder das »richtige« Leben großer Popularität. Auch in der Geschichtswissenschaft floriert die Erforschung von Moral: »Menschenrechte«, »Transitional Justice« oder »Humanitarismus« sind als neue Themenfelder erschlossen worden. In Frankfurt am Main und Berlin beschäftigen sich größere Forschungsverbünde mit der Analyse normativer Ordnungen moderner Gesellschaften. Unter dem Schlagwort »NS-Moral« geht es um Inhalte und Geltungsmacht einer partikularen Moral des Nationalsozialismus. Zeitlich übergreifende Darstellungen zur Geschichte der »Menschheit« oder des »Westens« verfolgen selbst das Ziel, eine bestimmte (politische) Moral zu rechtfertigen.