Krieg
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Die Aufnahme hält eine dramatische Szene fest: Angehörige der Volksmarinedivision erwidern am Morgen des 24. Dezember 1918 das von Regierungstruppen auf sie gerichtete Artilleriefeuer, das eben ihre Verteidigungsstellung im Pfeilersaal des Berliner Schlosses getroffen hat; sechs Mann richten in fieberhafter Eile die durcheinandergeworfenen Maschinengewehre neu aus, ohne einen Blick für den tot vor ihnen liegenden Kameraden übrig zu haben; ein weiterer Matrose spurtet mit einer Munitionskiste über den von Glassplittern und Mobiliartrümmern übersäten Teppich, um Nachschub an die Frontlinie zu bringen.
In einer Notiz von Joseph Goebbels findet sich der Hinweis auf eine Sentenz des Reichspresseleiters Max Amann, dass die Zeitschrift „Signal“ „wertvolle Blockadebrecherarbeit gegen den frühen beherrschenden antideutschen Zeitschrifteneinfluß in Europa geleistet“ habe – und das bereits im April 1940. Der Einfluss dieser Zeitschrift auf die offizielle Kriegspropaganda vieler Staaten kann kaum überschätzt werden. Denn im Vergleich selbst zu großen Magazinen wie „Life“, „Picture Post“ oder auch „USSR im Bau“ war „Signal“ einfach ein grafisch wie vom Bildmaterial her gut gemachtes Blatt, gerade in jenem vorsprachlichen Jargon der Designer, die zu jener Zeit für das Machen von Zeitschriften verantwortlich waren. Noch in den 1980er Jahren bekannte der Bildjournalist Robert Lebeck, in „Signal“ mehr gute Bilder gesehen zu haben als in „Life“ oder „Paris Match“ zur selben Zeit.
Die Welt befindet sich noch immer im Schock, weil niemand glaubte, Putin würde tatsächlich die Ukraine überfallen. Von den drei Szenarien angesichts des seit Herbst letzten Jahres nicht abreißenden russischen Truppenaufmarschs an der ukrainischen Grenze war dies das unwahrscheinlichste. Viel zu hoch erschien das Risiko: Wie würde Putin seiner Bevölkerung einen Krieg gegen das „Brudervolk“ verkaufen, wie seine kriegsabgeneigte Bevölkerung auf unzählige Tote vorbereiten? Der Fehler lag darin, nicht in Putins Propaganda-Kategorien zu denken, mit denen der Krieg zur „Spezialoperation“ und der Angriff zur „Befreiung“ wurde. Das noch größere Versäumnis lag darin, dass wir Russlandkenner*innen nicht mit Militärstrateg*innen sprachen, die hätten erläutern können, dass Putin nach dem Lehrbuch des Krieges im 21. Jahrhundert vorgehen würde: erst mit Raketen und schwerer Artillerie alles ausschalten, was die dann nachrückenden Soldaten gefährden könnte. In einem solchen chirurgischen Eingriff – den Feind wehrlos bomben, reingehen, die Regierung austauschen und wieder rausgehen – sah Putin offenbar eine reelle, wenn auch riskante, inzwischen vielleicht gescheiterte Chance, das wahrzumachen, was er bereits im Juli 2021 in einem historischen Essay zu Papier gebracht hatte: die Ukraine Russland wieder einzuverleiben.
Bilder aus Afghanistan und dem dort seit Jahren herrschenden Krieg sind nahezu allgegenwärtig im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs. Doch unterscheiden sich diese Bilder stark von den privaten Fotografien meines Vaters, der seit über 30 Jahren Bundeswehrsoldat ist und im Rahmen des NATO-Einsatzes International Security Assistance Force (ISAF) bisher fünf Mal an verschiedenen Standorten in Afghanistan für jeweils mehrere Monate eingesetzt war. Durch ihn konnte ich Kontakt zu seinen Kolleg*innen herstellen, und schließlich wurden mir 7159 private Fotografien von drei Bundeswehrsoldat*innen für mein Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt.
Die kultur-, technik- und fotogeschichtliche Ausstellung „Die Welt um 1914. Farbfotografien vor dem Großen Krieg“ präsentiert drei Fotokampagnen, die die Schönheit und Vielfalt der Welt vor dem Ersten Weltkrieg dokumentieren sollen. Gezeigt werden 200 Farbfotos des Fotochemikers Adolf Miethe, seines Assistenten und Fotodokumentars des Russischen Reiches Sergei M. Prokudin-Gorskii und Fotos aus der Sammlung „Archives de la planète“ des französischen Bankiers Albert Kahn. Neben Bildkarten, Feldpostkarten, den ersten Fotobüchern und den „Kaiserpanoramen“ des Berliner Unternehmers August Fuhrmann wird auch die Entwicklung der Farbfotografie allgemein vorgestellt. In den letzten beiden Räumen sind Farbfotos aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zu sehen, die aus dem Bereich der Kriegspropaganda stammen.
Erst seit der im Februar 2022 erfolgten großflächigen Ausweitung des Angriffskriegs, den Russland seit acht Jahren gegen die Ukraine führt, hat das Land einen Platz auf der Mental Map vieler Menschen in Deutschland erhalten. Was vorher allenthalben als Teil einer vermeintlich weit entfernten, als fremd erscheinenden Welt, bestenfalls als ein unter Russland subsumiertes "Niemandsland" bzw. Reservoir billiger Arbeitskräfte galt, rückte ins Zentrum des öffentlichen Interesses.
Darauf, dass auch der Blick in deutsche Familiengeschichten Bezüge zur Ukraine liefern könnte, wiesen Demonstrierende aus der ukrainischen Diaspora einen Tag nach Beginn der russischen Großinvasion auf einer Demonstration in Berlin hin.
Die jüngste Zeitgeschichte hätte dafür auch vorher zahlreiche Anlässe geliefert; die Voraussetzungen für Reisen in die ehemaligen "Ostblockländer" sowie der kulturelle, politische und zivilgesellschaftliche Austausch haben sich seit den 1990er Jahren wesentlich vereinfacht. Einwander:innen aus der ehemaligen Sowjetunion, die in den 1990er Jahren – vor allem als "Spätaussiedler:innen" und "Kontingentflüchtlinge" – nach Deutschland kamen, werden nur zögerlich von der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen. Die Lebensrealitäten und Geschichten ost(mittel)europäischer – darunter ukrainischer – Arbeitsmigrant:innen in der deutschen Landwirtschaft und der Altenpflege wurden kaum in den Blick genommen.
Dieses oft überdeckte und dennoch prägende Wissen – ein unweigerlich immer wieder hervorstechendes Erbe – ist Gegenstand des folgenden Artikels. Es wird danach gefragt, wie der allgemeine Wissensstand zum Zweiten Weltkrieg und zur deutschen Besatzung in Ostmitteleuropa eingeschätzt werden kann und aus welchen Quellen sich der teils verdeckte bzw. verdrängte Wissensschatz speist.
Kriegerische Auseinandersetzungen, gewaltsame Konflikte und Terrorismus gehören zu den dominanten Themen der weltweiten Berichterstattung. Die dabei vermittelten Bilder prägen unser Wissen und unsere Konfliktwahrnehmung entscheidend. Bisher nähert sich die Kommunikations- und Medienforschung der (foto)journalistischen Praxis zumeist von Seiten des fertig ausgewählten, abgedruckten bzw. ausgestrahlten Medienmaterials. Im Mittelpunkt stehen dabei Forschungsbegriffe wie Nachrichtenfaktoren, Gatekeeping oder Framing. In seiner Dissertation „Fotoreporter im Konflikt. Der internationale Fotojournalismus in Israel/Palästina“ nimmt Felix Koltermann eine neue Perspektive ein. Ihn interessieren nicht die Auswahl der fertigen Bilder oder deren Distribution, sondern die konkreten Produktionsbedingungen von Fotoreporter*innen.
Was der französische Kriegsfotograf Patrick Chauvel hier zum Ausdruck bringt, würden viele seiner Kollegen sicher unterschreiben. Wer einmal angefangen hat, Krieg zu fotografieren, kommt davon oft nicht mehr los – so zumindest berichten es viele der in diesem Band vertretenen Fotografinnen und Fotografen. Der von Michael Kamber zusammengestellte Band enthält 21 Gespräche mit 15 Männern und fünf Frauen, die in Kriegen von Vietnam bis Afghanistan fotografierten (Joao Silva ist mit zwei Gesprächen vertreten).
Eingeteilt sind die Gespräche in die Komplexe „Mission“, „Krieg“ und „Narben“.
Würdigung/Entwürdigung
(2022)
In der Geschichte der dokumentarischen Fotografie gibt es ungezählte Aufnahmen, die Opfer von Krieg, Gewalt und Armut zeigen. Oft ist es die erklärte Intention des Fotografen oder der Fotografin, auf Missstände aufmerksam zu machen und den Opfern, also den Abgebildeten, zu ihrem Recht zu verhelfen. Es gibt aber auch Fotograf:innen, denen das Wohlbefinden derer, die sie fotografieren, völlig egal ist. Während also die einen versuchen, die Würde des Menschen mit ihren Fotografien zu schützen oder gar wiederherzustellen, nehmen andere bewusst die Entwürdigung von Menschen in Kauf.
Im Jahr 1951 veröffentlichte Hannah Arendt ihr Hauptwerk Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, in dem sie den Nationalsozialismus auf der Ebene der Herrschaftsform mit dem Stalinismus verglich. Bei beiden handelte es sich aus ihrer Sicht nicht um herkömmliche Diktaturen, wie sie seit der Antike beschrieben worden sind, sondern um terroristische Regime, die den Kern allen politischen Handelns zerstören.
Spätestens seit Ende Februar steht die Frage im Raum, ob Putins Russland die Grenze von der gewöhnlichen zur totalitären Diktatur nicht längst überschritten hat. Wichtige Indizien dafür sind das Umlügen von Tatsachen, die Entwicklung einer neuen und im Kern imperialistischen Geschichtsideologie, und Putins Entschlossenheit, diese Ideologie mit allen Mitteln, auch mit brutalster Gewalt, "wahr" werden zu lassen.
Der Krieg in der Ukraine ist nicht der erste in den Sozialen Medien. Doch kein anderer ging bisher so viral: 62 Milliarden Aufrufe für den Hashtag #ukraine auf der Social Media Plattform TikTok allein deuten die Dimension der Reichweite an, die schon zu der Bezeichnung „TikTok Krieg“ führte. Die verschiedenen Akteur:innen stehen sich nicht nur physisch-militärisch gegenüber, sondern ringen in einem steten Kampf um Likes in den Sozialen Netzwerken, um die Aufmerksamkeit eines weltweit wachsenden Publikums und die Hoheit der Narrative. Inzwischen ist die Rede von einem „LikeWar“, in dem es allerdings nicht um Likes, sondern über Leben und Tod geht. Dieser Bereich der Cognitive Warfare, bei der das Denken und Handeln von Individuen und Kollektiven das Schlachtfeld bildet, zieht sich durch alle Bereiche des Krieges in der Ukraine und darüber hinaus. Dabei zeigt sich der weltanschauliche Gegensatz zwischen Diktatur und Demokratie auch im Umgang mit und Einsatz von Sozialen Medien.
Am 6. Dezember wird Timothy Snyder der Hannah-Arendt-Preis im Bremer Rathaus verliehen. Sein Buch „Bloodlands. Europe between Hitler and Stalin“, das 2010 in den USA und 2011 in deutscher Übersetzung erschien, hat die Geschichtsschreibung nachhaltig verändert.
Erstmals hat ein Historiker explizit die Massenmorde des nationalsozialistischen und stalinistischen Regimes in Beziehung gesetzt und jene ostmitteleuropäische Region von Zentralpolen, der Ukraine und den baltischen Staaten bis Weißrussland in den Mittelpunkt gestellt, in der von 1917 bis 1947/48 etwa 14 Millionen Menschen starben, keine Soldaten, sondern wehrlose Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder – die „Bloodlands“.
Am Morgen des 24. Februar, kurz nachdem Russland die Ukraine angegriffen hatte, lag eine Mail der Pressesprecherin meiner Universität im Postfach: Sie rechne angesichts der Lage mit vermehrten Anfragen der Presse. Ob ich, immerhin doch Osteuropahistorikerin, als Expertin für den aktuellen Konflikt zur Verfügung stünde? Wenn man, wie ich, seine Schwerpunkte in der Kindheitsgeschichte des 20. Jahrhunderts einerseits und dem russischen 17. und 18. Jahrhundert andererseits gelegt hat, wird man mit solchen Anfragen normalerweise nicht überhäuft. Sicher, Dokumentarfilmer*innen und Podcaster*innen fragen manchmal an, aber das heute-journal oder die Tagesschau? Ungewöhnlich.
Russians Against War, Voices Of Peace, Sound of Peace und Stand With Ukraine Charity Tour: So hießen die Konzertreihen, die russische Musiker:innen nach Beginn der Invasion zur Unterstützung des angegriffenen Nachbarlands organisiert haben. Bekannte Künstler:innen wie Noize MC, Monetotschka, Zemfira oder Oxxxymiron spielten in Berlin, Helsinki, London, Istanbul, Prag, Tbilisi, Tallinn und Warschau. Viele der auftretenden Künstler:innen haben seit Jahren Schwierigkeiten, in Russland Konzerte zu spielen. Die meisten haben nach dem 24.02.22 das Land verlassen, einige sind zu ausländischen Agenten erklärt worden. Im europäischen Ausland spielen sie die Lieder, die in Russland niemand hören soll – und die über Youtube doch ein Publikum finden. Sie singen über ihr Heimatland, das von einem „Amok laufenden alten Gnom“ (Oxxxymiron) beherrscht wird, die Ukraine mit Gewalt überzieht und der Welt mit dem Atompilz droht. Sie beklagen Propaganda und Lüge, Zensur und Unterdrückung, Militarisierung und Kriegskult. Die Musiker:innen sammeln Geld für ukrainische Geflüchtete und rufen auf den europäischen Bühnen die zwei Worte, die in Russland nicht gesagt werden dürfen: нет войне, Nein zum Krieg.
In der Kriegsbildberichterstattung ging NS-Deutschland – so die gängige Meinung in den Geschichtswissenschaften – gänzliche neue Wege, indem Bilder nicht nur zensiert, was bereits im Ersten Weltkrieg üblich gewesen war, sondern durch einen eigenen Propagandaapparat umfassend diszipliniert worden seien. Durch ein eigenes Ministerium, das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, einerseits und militärisch organisierte Propagandatruppen andererseits, deren bekannteste die Propagandakompanien (PK) waren, sei bereits auf der Ebene der Bildproduktion und -distribution interveniert worden. Nimmt man allerdings die visuelle Kriegspropaganda des faschistischen Italien zu dieser Zeit vergleichend in den Blick, gerät die These der Einzigartigkeit und internationalen Vorreiterfunktion der deutschen Kriegsbildberichterstattung im Allgemeinen und der PKs im Speziellen ins Wanken.
Noch stärker als die Folgen des Ersten Weltkriegs wurde die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg durch dessen Visualisierung in der Fotografie und im Film geprägt: durch die NS-Kriegspropaganda ebenso wie durch private Fotografien des Kriegsgeschehens oder auch durch Dokumentationen von Kriegsverbrechen. Während zum Kriegsende hin die NS-Propaganda mit Bildern und Filmen den „Durchhaltewillen“ steigern sollte, dokumentierten die alliierten Medien die nun zu Tage tretenden Massenverbrechen der Nationalsozialisten. Daneben findet sich auf deutscher Seite in den letzten Kriegswochen eine Fotografie der „Katastrophe des Krieges“, die nun auf deutschem Boden stattfand. Parallel entstanden so zwei Bilderwelten, die sich in den ersten Nachkriegsjahrzehnten wenig berührten, jedoch Strategien unterschiedlicher Erinnerungsdiskurse zum Ausdruck brachten.