Krieg
Kriegsbilder aus der Ukraine, Bildethik, faktenbasierte Berichterstattung, Authentizitätsprüfungen und die emotionale Belastung durch diese Arbeit sind die zentralen Punkte, welche Nadine Kurschat und Frank Seidlitz von der "Focus"-Bildredaktion im Interview mit Christine Bartlitz aufgreifen. Bilder, die von großen Agenturen verbreitet werden oder von ortsansässigen Fotografen stammen, treffen "im Minutentakt" in der Redaktion ein. Es ist Aufgabe der Bildredakteur:innen, zu entscheiden, was veröffentlicht wird.
Kaum ein anderes Medium scheint bei der Konstruktion von Geschichte so effizient wie die Fotografie. Gerade im postnationalsozialistischen Deutschland kommt Fotografien damit eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Mit den vielschichtigen Transformationen multidirektionalen Gedenkens[5] ist die Bereitstellung von Wissen zu Gewalt und ihren medialen Erscheinungsformen von immenser Notwendigkeit. Der Blick in andere Erinnerungskulturen kann dabei hilfreich sein, um über den Umgang mit Fotografien von Gewalt – Gewaltbilder – theoretisch nachzudenken.
Die erstmalige persönliche Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an der diesjährigen UN-Vollversammlung 2023 in New York und an einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats haben die Abwesenheit des von ihm angesprochenen Gegenübers, des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sichtbar gemacht – eine Leerstelle, die aufgrund der Forderung des russischen UN-Botschafters, dem ukrainischen Präsidenten das vorgesehene Eröffnungsstatement der Sicherheitsratssitzung im letzten Moment zu entziehen, noch deutlicher wurde. Nach der Annexion der Krim hatte sich Putin 2015 noch mit einer Rede an die 70. UN-Generalversammlung gewandt, in der er unter anderem auch den Krieg der Separatisten im Donbas gegen die Ukraine zu rechtfertigen suchte. Den Wettbewerb um die globale Medienöffentlichkeit, deren Aufmerksamkeit Wladimir Putin mit dem Besuch des wieder ernannten chinesischen Außenministers Wang Yi im Kreml am selben Tag zu gewinnen versuchte, hat der ukrainische Präsident aktuell wohl für sich entscheiden können.
Over recent years, several private photos of the persecution of the Hungarian Jews have been made accessible to the public online. However, due to the lack of historical context and basic metadata, these photographs remain difficult to trace. This problem is particularly significant for international researchers without knowledge of Hungarian.
In 2020, I started examining ways to design and develop online exhibitions, and this short essay outlines the process and results: the online gallery “Forced Labour, Hungary 1940”. The aim of this project was to present and contextualise one small collection of family materials – two photo albums and a diary – to make them accessible for a broader, international public.
Ich untersuche in diesem Aufsatz die für die Kampagne der NS-Propaganda zur Anwebung von Arbeitskräften in der Ukraine entwickelte Bildsprache der deutschen Besatzer während des Zweiten Weltkriegs in den besetzten Gebieten und stelle die Kampagne als konzertierte Aktion in Filmen und Plakaten vor. Mein Thema hat eine politische Dimension insofern, als die an der Herstellung der Filme und Plakate Beteiligten aus der einheimischen Bevölkerung als Kollaborateure galten und gelten. Die damaligen sowjetischen Sicherheitsdienste fahndeten nach dem Krieg nach ihnen und verurteilten Kollaborateure nach Überprüfung teilweise zu hohen Strafen.
Russians Against War, Voices Of Peace, Sound of Peace und Stand With Ukraine Charity Tour: So hießen die Konzertreihen, die russische Musiker:innen nach Beginn der Invasion zur Unterstützung des angegriffenen Nachbarlands organisiert haben. Bekannte Künstler:innen wie Noize MC, Monetotschka, Zemfira oder Oxxxymiron spielten in Berlin, Helsinki, London, Istanbul, Prag, Tbilisi, Tallinn und Warschau. Viele der auftretenden Künstler:innen haben seit Jahren Schwierigkeiten, in Russland Konzerte zu spielen. Die meisten haben nach dem 24.02.22 das Land verlassen, einige sind zu ausländischen Agenten erklärt worden. Im europäischen Ausland spielen sie die Lieder, die in Russland niemand hören soll – und die über Youtube doch ein Publikum finden. Sie singen über ihr Heimatland, das von einem „Amok laufenden alten Gnom“ (Oxxxymiron) beherrscht wird, die Ukraine mit Gewalt überzieht und der Welt mit dem Atompilz droht. Sie beklagen Propaganda und Lüge, Zensur und Unterdrückung, Militarisierung und Kriegskult. Die Musiker:innen sammeln Geld für ukrainische Geflüchtete und rufen auf den europäischen Bühnen die zwei Worte, die in Russland nicht gesagt werden dürfen: нет войне, Nein zum Krieg.
Die erstmalige persönliche Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an der diesjährigen UN-Vollversammlung 2023 in New York und an einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats haben die Abwesenheit des von ihm angesprochenen Gegenübers, des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sichtbar gemacht – eine Leerstelle, die aufgrund der Forderung des russischen UN-Botschafters, dem ukrainischen Präsidenten das vorgesehene Eröffnungsstatement der Sicherheitsratssitzung im letzten Moment zu entziehen, noch deutlicher wurde. Nach der Annexion der Krim hatte sich Putin 2015 noch mit einer Rede an die 70. UN-Generalversammlung gewandt, in der er unter anderem auch den Krieg der Separatisten im Donbas gegen die Ukraine zu rechtfertigen suchte. Den Wettbewerb um die globale Medienöffentlichkeit, deren Aufmerksamkeit Wladimir Putin mit dem Besuch des wieder ernannten chinesischen Außenministers Wang Yi im Kreml am selben Tag zu gewinnen versuchte, hat der ukrainische Präsident aktuell wohl für sich entscheiden können.
"Zeitenwende": gleich mehrfach gebrauchte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine am 27. Februar im Deutschen Bundestag dieses Wort, um zu beschwören, dass seit dem russischen Überfall auf die Ukraine plötzlich alles ganz anders sei. Außenministerin Annalena Baerbock hatte schon am Morgen des russischen Überfalls bekundet: „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht.“
Doch provozieren die großen Worte von der Zeitenwende die Skepsis des Zeithistorikers. Mit einigem zeitlichen Abstand hat sich schon manche eilig ausgerufene historische Zäsur als weniger einschneidend erwiesen, als sie im Eifer des Moments noch scheinen mochte.
Im Falle der deutschen Bundesregierung stößt die eminent politische Absicht, mit der der russische Angriffskrieg zum unvorhersehbaren historischen Wendepunkt erklärt wird, übel auf.
"Was will Putin?", wurde in den letzten Wochen gerätselt. Eher sollte gefragt werden, was will der Westen tun, um die Pläne des russischen Präsidenten zu verhindern. Dessen Pläne sind umfassend und unmissverständlich deutlich in den beiden im Dezember veröffentlichten Schreiben an die NATO und an die Regierung der USA formuliert worden. Die hektischen diplomatischen Bemühungen seit Dezember 2021 konnten kaum Ergebnisse bringen, weil die absolute Setzung des russischen Standpunktes keinen Raum für Verhandlungen bot. Insofern sieht im Nachhinein alles, was passiert ist, nach einem minutiös geplanten Szenario aus, das punktgenau mit der Rückkehr der russischen Olympioniken und der anschließenden Rede Putins an die Nation am 21. Februar 2022 seinen ersten Abschluss fand. Diese Rede hatte zwei Funktionen: innenpolitisch bediente sie das Bedürfnis nach nationaler Größe und einem starken, weisen Führer, außenpolitisch lieferte sie krude Argumente für die Verschleierung der Expansionsgelüste Putins und seiner brutalen und menschenverachtenden Machtpolitik.
Among Soviet historians it has become a kind of truism that the Soviet Union was in a permanent state of contradictions and that Soviet society adopted to these contradictions with a variety of survival mechanisms that ranged from ignoring contradictions to circumventing their challenges. One of the most significant contradictions was the tension between the Soviet Union’s self-declared anti-imperialism and anti-colonialism and the fact that it asserted its own imperial and colonial structures, especially in the post-WW II period. Many more qualified people have written on this and debated which of the two elements should be considered primary or how one should characterize the resulting entity. I shall try to address a different question here: What does and did empire mean to Russians, especially vis-à-vis Ukraine?
Mich erreichen in diesen Tagen dramatische Nachrichten aus der Ukraine. Als Historikerin, die seit vielen Jahren über die Geschichte des deutschen Vernichtungskriegs in der Ukraine forscht, bin ich erschüttert mitzuerleben, wie Putins menschenverachtender Krieg mit seiner ganzen Brutalität in den Alltag der Menschen in der Ukraine eingebrochen ist.
Jetzt ist die Rede von einer Zeitenwende. Wie schon 2014 bei der Annexion der Krim und der Entzündung eines Stellvertreterkriegs im Donbass. Trotzdem sind die damaligen Ereignisse in der europäischen Öffentlichkeit schnell wieder in Vergessenheit geraten, genauso wie der Krieg in Georgien 2008. Im Rückblick wächst die Einsicht, dass wir in Deutschland und Europa durch jahrelange Fehleinschätzungen und zögerliches Handeln eine Mitschuld daran tragen, dass Putin die „rote Linie“ immer weiter nach vorne geschoben hat.
Der Krieg in der Ukraine betrifft Deutschlands Einwohner:innen auf unterschiedliche Art und Weise. Er durchdringt die Stadt- und Privaträume anders, aktualisiert unterschiedliche Erinnerungen und ruft verschiedene (Re)aktionen hervor. Er beherrscht nun fast jedes Gespräch, das man zufällig auf der Straße, in einem Café oder Geschäft überhört. Aufgrund ihrer eigenen Herkunft fühlen sich die Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland – die postsowjetischen Migrant:innen – besonders von diesem Krieg betroffen, egal wie sie zu ihm stehen. Der Krieg hat direkte Auswirkungen auf ihre Lebenswelten, er betrifft Familienangehörige und Freunde sowohl in der Ukraine als auch in Russland, und er hinterlässt Spuren in den hiesigen Communities. Entsprechend wichtig ist eine differenzierte Betrachtung. Denn es gibt nicht die Einstellung der postsowjetischen Migrant*innen zum Krieg. Hier können wir nur ein paar Schlaglichter werfen.
Viele wundern sich dieser Tage über den kometenhaften Aufstieg des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einem globalen Medienstar. Besonders augenfällig wird dies durch den grellen Kontrast zur medialen Inszenierung seines Widerparts im Kreml. Selenskyj lässt Putin alt aussehen, doch hinter seinem internetaffinen, von Videoclips und Selfie-Ästhetik inspirierten Kommunikationsstil stehen mehr als nur ein paar gute PR-Strategen. Dass der ukrainische Präsident sich der „sozialen Medien“ virtuos zu bedienen weiß, hat er nicht erst seit Kriegsausbruch unter Beweis gestellt. Dass die ukrainische Führung nun auch in ihrer Kriegspropaganda erfolgreich auf Interaktion und Nähe setzt, ist nicht zuletzt ein Gradmesser für den Stand der öffentlichen Kommunikation in der sich demokratisierenden ukrainischen Gesellschaft.
"Entscheidung in Kiew. Ukrainische Lektionen" – so hat Karl Schlögel sein 2015 veröffentlichtes Buch über die Ukraine betitelt. Drei Punkte sind es, die den Band im März 2022 zu einer ebenso fesselnden wie aufwühlenden Lektüre machen.
Erstens sind da die politischen Einschätzungen und Prognosen, die klingen, als entstammten sie unserer unmittelbaren Gegenwart. Zweitens faszinieren Schlögels Essays über (sowjet-)ukrainische Städte, die zwischen 1988 und 2015 verfasst wurden und die den größten Teil des Buches ausmachen. Manches von dem, was er etwa in Charkiw noch sah, in dieser "Stadt, die weiß, was auf dem Spiel steht und dass jederzeit alles verloren sein kann" (S. 181), ist jetzt bereits durch russische Raketen zerstört. Und drittens unterzieht er seine Doppelrolle als Historiker des sowjetischen Imperiums und teilnehmender Beobachter epochaler Zeitenwenden einer selbstkritischen Revision. Daran schließt sich die Frage an, was Zeithistorikerinnen und -historiker konkret tun können, wenn es ernst wird.
Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist im Krieg in der Ukraine allgegenwärtig. Die alten Menschen, die oft nicht mehr fliehen wollen oder können, erinnern sich an ihre Kindheit im Krieg. Sie erinnern sich an die deutsche Besatzung, an die Zerstörung ihrer Städte, an den mühsamen Wiederaufbau und an die Hoffnungen, die sie in die neue Staatlichkeit setzten.
Eine tragische Wiederholung ist auch das Schicksal der Kulturgüter. Vieles wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört, verbrannt oder verschleppt. Noch immer vermissen ukrainische Museen und Bibliotheken große Teile ihrer Sammlungen. Gerade erst konnten Verlustkataloge abgeschlossen werden. Einige wenige Rückgaben von Kunstwerken, Büchern und Dokumenten gab es in den letzten Jahren, aber solche Fälle sind die Ausnahme. Nun droht erneut die Gefahr, dass einzigartiges Kulturerbe zerstört und damit ein Teil der ukrainischen Identität ausgelöscht wird.
Die Bevölkerung Russlands steht nicht geschlossen hinter dem Krieg gegen die Ukraine. Trotz aller Bemühungen der staatlichen Propaganda, den Krieg in der russischen Öffentlichkeit als „Spezialoperation“ zu inszenieren, regt sich vielerorts Widerstand. Die Proteste begannen unmittelbar nach dem russischen Angriff. In vielen Städten gingen tausende Menschen auf die Straßen und Plätze um gegen den Krieg zu demonstrieren. In sozialen Medien wird der Hashtag #НетВойне (dt. Nein zum Krieg) millionenfach genutzt, geteilt und gelikt. Jede einzelne Unmutsäußerung erfordert großen persönlichen Mut und Zivilcourage im Angesicht des staatlichen Repressionsapparats. Und dennoch äußern sich viele russische Wissenschaftler:innen, Journalist:innen, Künstler:innen und Journalist:innen deutlich gegen den Krieg. Gegenwärtig kursieren mehrere "Offene Briefe", die binnen kürzester Zeit von hunderten oder gar tausenden Personen unterzeichnet wurden. Dass ihre Stimmen in Deutschland gehört werden, ist wichtig in einer Situation, in der deutsche und europäische Wissenschaftsinstitutionen ihre teils seit Jahrzehnten bestehenden Kooperationen mit russischen Universitäten und Forschungseinrichtungen auf unbestimmte Zeit unterbrochen oder gänzlich beendet haben. Deshalb werden hier drei dieser Dokumente in Auszügen übersetzt und so für ein deutschsprachiges Publikum dokumentiert.
Am 15. Februar, etwas mehr als eine Woche vor Beginn der russischen Invasion in die Ukraine, war ich zum letzten Mal im Archiv des ukrainischen Geheimdienstes SBU. Als ich mich von der Lesesaalaufsicht verabschiedete und ihr sagte, ich hoffe, bald zurückkehren zu können, blickte ein älterer Nutzer auf. Wo ich denn herkomme. „Aus Berlin“, antwortete ich. "Ach so", sagte er und schaute wieder in seine Akten, "aus Deutschland. Na, großartig. Ihr Deutschen schickt uns 5000 Helme, und die Russen lassen demnächst Raketen auf uns niederregnen." Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich für mein Land geschämt und für meine Regierung, die der Ukraine die angeforderte Unterstützung mit Hinweis auf unsere Geschichte versagte – auf eben jene Geschichte, die ich gerade in Kiew erforschte.
Ich war vier Wochen lang in der ukrainischen Hauptstadt, bis ich meinen Aufenthalt vorzeitig abbrechen musste. Vom ersten Tag an spürte ich den eigentümlichen Schwebezustand, in dem sich das ganze Land befand. Der Alltag in der großen Metropole lief weiter, ungeachtet der immer bedrohlicheren Nachrichten. Im persönlichen Gespräch hingegen bot sich ein anderes Bild. Zwar blieb der offen ausgesprochene Pessimismus des Nutzers im SBU-Archiv die Ausnahme, Illusionen machte sich aber niemand.
Die Welt befindet sich noch immer im Schock, weil niemand glaubte, Putin würde tatsächlich die Ukraine überfallen. Von den drei Szenarien angesichts des seit Herbst letzten Jahres nicht abreißenden russischen Truppenaufmarschs an der ukrainischen Grenze war dies das unwahrscheinlichste. Viel zu hoch erschien das Risiko: Wie würde Putin seiner Bevölkerung einen Krieg gegen das „Brudervolk“ verkaufen, wie seine kriegsabgeneigte Bevölkerung auf unzählige Tote vorbereiten? Der Fehler lag darin, nicht in Putins Propaganda-Kategorien zu denken, mit denen der Krieg zur „Spezialoperation“ und der Angriff zur „Befreiung“ wurde. Das noch größere Versäumnis lag darin, dass wir Russlandkenner*innen nicht mit Militärstrateg*innen sprachen, die hätten erläutern können, dass Putin nach dem Lehrbuch des Krieges im 21. Jahrhundert vorgehen würde: erst mit Raketen und schwerer Artillerie alles ausschalten, was die dann nachrückenden Soldaten gefährden könnte. In einem solchen chirurgischen Eingriff – den Feind wehrlos bomben, reingehen, die Regierung austauschen und wieder rausgehen – sah Putin offenbar eine reelle, wenn auch riskante, inzwischen vielleicht gescheiterte Chance, das wahrzumachen, was er bereits im Juli 2021 in einem historischen Essay zu Papier gebracht hatte: die Ukraine Russland wieder einzuverleiben.