Krieg
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As much as war is about armed military conflict, it is also fundamentally about mass displacement, broken lives, and lost futures. This simple truth has become way too obvious in large parts of Poland, where providing food, clothes and shelter to strangers, and collecting donations to help refugees from neighboring Ukraine have become common practices among “ordinary” people. Much of the efforts of this grassroots mass mobilization to help those escaping their war-torn country falls on the shoulders of various parts of society, including individual activists and non-activists as well as civil society organizations.
What is perhaps less visible in this civil society mobilization and its media coverage are the efforts of migrant and minority communities that do their share in offering relief to those fleeing from Ukraine.
Dnipro oder Dnjepr? Über die Ortsnamen, die wir wählen, und die Folgen unserer Entscheidungen
(2024)
Die moderne westliche Welt bekennt sich bewusst zu Toleranz, zur Achtung lokaler Stimmen, zur Demonstration der Ideale der Gleichheit, auch auf sprachlicher Ebene. Wichtige Elemente dieses Prozesses sind das konsequente ‘Gendering‘, die Betonung der Tatsache, dass der gewählte Begriff die Gruppenidentität nicht verletzt und keine koloniale Optik reproduziert. Wie sieht die deutsche Terminologie in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Länder Osteuropas aus? In den folgenden Ausführungen geht es nicht um die Nationalisierung der Geschichte, sondern um die Gefahr von Doppelstandards bei der Wahl der Terminologie und die Bedeutung einer angemessenen Darstellung der historischen Vergangenheit und Gegenwart. Eine Darstellung, die allen historischen Akteuren Respekt zollt. Und die Komplexität der Geschichte Osteuropas vermitteln und nicht ausblenden will.
Vergangene Zukunft? Der russisch-ukrainische Krieg und die Rückkehr der modernen Zeiterfahrung
(2024)
Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine überbieten sich die Prognosen über den Anbruch einer neuen (oder alten?) Zeit der Geopolitik. Es prägen die Sorgen des „Krieges in Europa“ beziehungsweise eines „Dritten Weltkrieges“, in dem sich die Kategorien des Westens und Ostens, der Demokratie und Diktatur (wieder) feindselig gegenüberstehen.
Die Bedrohungskulisse des Krieges suggeriert die Reaktivierung einer Zukunftsperspektive, die sich als genuin modern bezeichnen lässt: erstens und ganz banal, weil sich darin die moderne Geschichte des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts zu wiederholen scheint; zweitens aufgrund der wiedergewonnenen Bedeutung des historischen Ost-West-Konfliktes, die die bereits länger diskreditierte These eines postmodernen Endes der Geschichte nach 1989 endgültig archiviert; und schließlich, weil der Krieg einen Erwartungshorizont eröffnet, dessen Gestaltung allein in den Händen der Menschen – nicht Gottes, der Viren oder des Klimas – liegt und somit eine völlig menschliche „Machbarkeit“ der eigenen Geschichte voraussetzt.
Erleben wir aber wirklich eine Rückkehr der Moderne oder wie können wir die Zeiterfahrung sonst begreifen, die durch den Diskurs über den Krieg gerade ausgelöst wird? Ich möchte hier einige Überlegungen über diese Fragen zusammentragen, die mich in den letzten Tagen und Wochen begleitet haben.
Die Volksrepublik China, die Mongolei, Nordkorea und Japan – vier von insgesamt vierzehn direkten Nachbarn Russlands sind ostasiatische Staaten. Im Allgemeinen wird Russland als geografisches, politisches und kulturelles Bindeglied zwischen Asien und Europa verstanden. Allerdings wird Russland in Ostasien und „in Japan nicht primär als europäische, sondern als asiatische Macht wahrgenommen.“ Aus Japans Sicht führt die asiatische Großmacht Russland unter Missachtung territorialer Grenzen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Auswirkungen auf Japans politische Agenda.
Der Krieg in der Ukraine betrifft Deutschlands Einwohner:innen auf unterschiedliche Art und Weise. Er durchdringt die Stadt- und Privaträume anders, aktualisiert unterschiedliche Erinnerungen und ruft verschiedene (Re)aktionen hervor. Er beherrscht nun fast jedes Gespräch, das man zufällig auf der Straße, in einem Café oder Geschäft überhört. Aufgrund ihrer eigenen Herkunft fühlen sich die Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland – die postsowjetischen Migrant:innen – besonders von diesem Krieg betroffen, egal wie sie zu ihm stehen. Der Krieg hat direkte Auswirkungen auf ihre Lebenswelten, er betrifft Familienangehörige und Freunde sowohl in der Ukraine als auch in Russland, und er hinterlässt Spuren in den hiesigen Communities. Entsprechend wichtig ist eine differenzierte Betrachtung. Denn es gibt nicht die Einstellung der postsowjetischen Migrant*innen zum Krieg. Hier können wir nur ein paar Schlaglichter werfen.
"Entscheidung in Kiew. Ukrainische Lektionen" – so hat Karl Schlögel sein 2015 veröffentlichtes Buch über die Ukraine betitelt. Drei Punkte sind es, die den Band im März 2022 zu einer ebenso fesselnden wie aufwühlenden Lektüre machen.
Erstens sind da die politischen Einschätzungen und Prognosen, die klingen, als entstammten sie unserer unmittelbaren Gegenwart. Zweitens faszinieren Schlögels Essays über (sowjet-)ukrainische Städte, die zwischen 1988 und 2015 verfasst wurden und die den größten Teil des Buches ausmachen. Manches von dem, was er etwa in Charkiw noch sah, in dieser "Stadt, die weiß, was auf dem Spiel steht und dass jederzeit alles verloren sein kann" (S. 181), ist jetzt bereits durch russische Raketen zerstört. Und drittens unterzieht er seine Doppelrolle als Historiker des sowjetischen Imperiums und teilnehmender Beobachter epochaler Zeitenwenden einer selbstkritischen Revision. Daran schließt sich die Frage an, was Zeithistorikerinnen und -historiker konkret tun können, wenn es ernst wird.
Mich erreichen in diesen Tagen dramatische Nachrichten aus der Ukraine. Als Historikerin, die seit vielen Jahren über die Geschichte des deutschen Vernichtungskriegs in der Ukraine forscht, bin ich erschüttert mitzuerleben, wie Putins menschenverachtender Krieg mit seiner ganzen Brutalität in den Alltag der Menschen in der Ukraine eingebrochen ist.
Jetzt ist die Rede von einer Zeitenwende. Wie schon 2014 bei der Annexion der Krim und der Entzündung eines Stellvertreterkriegs im Donbass. Trotzdem sind die damaligen Ereignisse in der europäischen Öffentlichkeit schnell wieder in Vergessenheit geraten, genauso wie der Krieg in Georgien 2008. Im Rückblick wächst die Einsicht, dass wir in Deutschland und Europa durch jahrelange Fehleinschätzungen und zögerliches Handeln eine Mitschuld daran tragen, dass Putin die „rote Linie“ immer weiter nach vorne geschoben hat.
Am 15. Februar, etwas mehr als eine Woche vor Beginn der russischen Invasion in die Ukraine, war ich zum letzten Mal im Archiv des ukrainischen Geheimdienstes SBU. Als ich mich von der Lesesaalaufsicht verabschiedete und ihr sagte, ich hoffe, bald zurückkehren zu können, blickte ein älterer Nutzer auf. Wo ich denn herkomme. „Aus Berlin“, antwortete ich. "Ach so", sagte er und schaute wieder in seine Akten, "aus Deutschland. Na, großartig. Ihr Deutschen schickt uns 5000 Helme, und die Russen lassen demnächst Raketen auf uns niederregnen." Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich für mein Land geschämt und für meine Regierung, die der Ukraine die angeforderte Unterstützung mit Hinweis auf unsere Geschichte versagte – auf eben jene Geschichte, die ich gerade in Kiew erforschte.
Ich war vier Wochen lang in der ukrainischen Hauptstadt, bis ich meinen Aufenthalt vorzeitig abbrechen musste. Vom ersten Tag an spürte ich den eigentümlichen Schwebezustand, in dem sich das ganze Land befand. Der Alltag in der großen Metropole lief weiter, ungeachtet der immer bedrohlicheren Nachrichten. Im persönlichen Gespräch hingegen bot sich ein anderes Bild. Zwar blieb der offen ausgesprochene Pessimismus des Nutzers im SBU-Archiv die Ausnahme, Illusionen machte sich aber niemand.
Viele wundern sich dieser Tage über den kometenhaften Aufstieg des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einem globalen Medienstar. Besonders augenfällig wird dies durch den grellen Kontrast zur medialen Inszenierung seines Widerparts im Kreml. Selenskyj lässt Putin alt aussehen, doch hinter seinem internetaffinen, von Videoclips und Selfie-Ästhetik inspirierten Kommunikationsstil stehen mehr als nur ein paar gute PR-Strategen. Dass der ukrainische Präsident sich der „sozialen Medien“ virtuos zu bedienen weiß, hat er nicht erst seit Kriegsausbruch unter Beweis gestellt. Dass die ukrainische Führung nun auch in ihrer Kriegspropaganda erfolgreich auf Interaktion und Nähe setzt, ist nicht zuletzt ein Gradmesser für den Stand der öffentlichen Kommunikation in der sich demokratisierenden ukrainischen Gesellschaft.
Die Welt befindet sich noch immer im Schock, weil niemand glaubte, Putin würde tatsächlich die Ukraine überfallen. Von den drei Szenarien angesichts des seit Herbst letzten Jahres nicht abreißenden russischen Truppenaufmarschs an der ukrainischen Grenze war dies das unwahrscheinlichste. Viel zu hoch erschien das Risiko: Wie würde Putin seiner Bevölkerung einen Krieg gegen das „Brudervolk“ verkaufen, wie seine kriegsabgeneigte Bevölkerung auf unzählige Tote vorbereiten? Der Fehler lag darin, nicht in Putins Propaganda-Kategorien zu denken, mit denen der Krieg zur „Spezialoperation“ und der Angriff zur „Befreiung“ wurde. Das noch größere Versäumnis lag darin, dass wir Russlandkenner*innen nicht mit Militärstrateg*innen sprachen, die hätten erläutern können, dass Putin nach dem Lehrbuch des Krieges im 21. Jahrhundert vorgehen würde: erst mit Raketen und schwerer Artillerie alles ausschalten, was die dann nachrückenden Soldaten gefährden könnte. In einem solchen chirurgischen Eingriff – den Feind wehrlos bomben, reingehen, die Regierung austauschen und wieder rausgehen – sah Putin offenbar eine reelle, wenn auch riskante, inzwischen vielleicht gescheiterte Chance, das wahrzumachen, was er bereits im Juli 2021 in einem historischen Essay zu Papier gebracht hatte: die Ukraine Russland wieder einzuverleiben.