Jugend
Vor knapp drei Jahren, im Sommer 2019, feierten Studierende aus der Ukraine, Russland und Deutschland in Bremen mit einem Grillfest am Weserstrand den Abschluss eines herausfordernden Geschichtsprojekts: Ein Jahr lang hatten sie intensiv an einer gemeinsamen Internetplattform gearbeitet, die als "Open Memory Map" Informationen zu Orten der Erinnerung an vergessene Opfergruppen des Nationalsozialismus präsentiert. Der unerklärte Krieg in der Ostukraine begleitete das Projekt. Dass sich ukrainische und russische Geschichtsstudierende dennoch begegneten, zusammenarbeiteten und austauschten, war ein erklärtes Ziel von Organisator:innen und Geldgebern. Zugleich war es die größte Herausforderung.
Magdeburg, 18. September 1985: Das neue Schuljahr in der DDR ist zwei Wochen alt, als eine junge Lehrerin für die Vertretungsstunde in der 9. Klasse eingeteilt wird. Ihren Englischunterricht kann sie nicht fortsetzen und so gibt sie den Schüler:innen spontan eine andere Aufgabe: „Schreibt doch mal auf, wie ihr euch das Leben im Jahr 2010 vorstellt!“ Im Gegensatz zum regulären Unterricht macht sie den Jugendlichen keinerlei Vorgaben, was der Text beinhalten soll, und wartet gespannt auf die Ergebnisse. Als sie die Aufsätze am Abend liest, überraschen die Zukunftsträume der Jugendlichen sie völlig. Die Schüler:innen träumen von offenen Grenzen, von schnellen Autos und dem Besitz eines Eigenheims. „Wenn das deine Parteisekretärin findet, dann ist deine Karriere ja ganz schnell vorbei!“[1], befürchtet sie und beschließt daher, die 23 Texte für sich zu behalten.
Über 30 Jahre später blicken wir nicht nur auf das Jahr 2010, sondern auch auf die untergegangene DDR zurück.
Mehrere Männer und Jungen werden an einem Militärcheckpoint kontrolliert, ließe sich auf den ersten Blick über obiges Foto festhalten. Im Zentrum des Bildes steht ein Mann in Lederjacke, zerissenem Netzhemd über der nackten Brust, enger Hose und Springerstiefeln, der die Kontrolle bereits durchlaufen hat und einen bewaffneten Soldaten passiert, der wiederum auf sein Gewehr gestützt am linken Bildrand zu sehen ist. Dass es sich bei zwei der Personen auf dem Foto jedoch um Mitglieder der britischen Punkband The Clash und damit international gefeierte Stars der Musikszene jener Jahre handelte, verändert die Wahrnehmung des Bildes grundlegend: Es ist ein Beispiel für den auswärtigen Blick auf eine von Gewalt geprägte Gesellschaft und die visuelle Konstruktion verschiedener Männlichkeiten darin.
Dreißig Jahre nach der deutschen Vereinigung werden vor allem Stimmen lauter, die einen grundlegenden Perspektivwechsel in der Geschichtsschreibung fordern: Erfahrungen und Perspektiven von People of Color, Jüdinnen und Juden sowie Geflüchteten sollten stärker in die Betrachtung der „Wiedervereinigung“ und der anschließenden Transformationsprozesse einbezogen werden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der 2020 erschienene Herausgeber*innenband Erinnern stören von Lydia Lierke und Massimo Perinelli.
Ein Blick auf Quellen der Umbruchszeit zu Beginn der neunziger Jahre verdeutlicht: Diese Erfahrungen wurden durchaus zeitgenössisch festgehalten – in Filmen, sozialwissenschaftlichen Untersuchungen, Fotografien und Interviews. Vor allem dokumentarische Filme wurden von aktivistischen und subkulturell links geprägten Milieus produziert, verblieben aber lange in internen Rezeptionsschleifen, ohne Eingang in größere gesellschaftliche Debatten zu finden. Dabei stellten sie durch die Perspektive auf die Betroffenen Zusammenhänge zwischen alltäglicher Diskriminierung und der Gewalt seitens extrem Rechter her.
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Aus geschichtswissenschaftlicher Sicht, die verstärkt darauf dringt, das Augenmerk auf Rassismus, politischen Nationalismus und Rechtsextremismus zu legen, gilt es, diese Diskursverschiebungen ebenso nachzuzeichnen wie zeitgenössische Quellen in ihrer Entstehung und Rezeption zu historisieren. Exemplarisch soll hier der Dokumentarfilm Stau – Jetzt geht’s los von Thomas Heise (Deutschland 1992) als eine Schlüsselquelle besprochen werden, die verständlich machen kann, welche Perspektiven und Fragen Anfang der neunziger Jahre in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema Rechtsextremismus im Vordergrund standen.
Digitale Spiele
(2020)
Digitale Spiele sind integraler Teil der „Digitalen Revolution“. Sie dienen nicht nur als Trägermedium von Geschichtsbildern, sondern können als wirtschaftliche und kulturelle Artefakte konkreter menschlicher Gesellschaften begriffen werden. Im Zuge ihrer Verbreitung zum Massenphänomen beeinflussten sie Ästhetik und Narrative anderer Medien – und sind zu einem internationalen Milliardengeschäft geworden. Der Artikel von Eugen Pfister und Tobias Winnerling gibt einen Überblick der unterschiedlichen Begrifflichkeiten und eine Chronologie der Spieleentwicklung, um dann Digitale Spiele aus Sicht der Geschichtswissenschaften zu beleuchten.
Youth Organizations
(2019)
Hitler Youth, Komsomol, Boy Scouts – no grand narrative of the twentieth century can ignore these youth leagues and their millions of members. For some these organizations meant fun and games or adventure, for others rigid hierarchies and political indoctrination. These stereotypes notwithstanding, historians have nevertheless succeeded in painting a nuanced picture of this pedagogical innovation. This contribution outlines the key developments in scholarly debate and shows how addressing youth organizations can benefit core working areas of contemporary history.
Jugendorganisationen
(2018)
Hitlerjugend, Komsomol, Boy Scouts – keine Großerzählung zum 20. Jahrhundert kommt ohne diese millionenstarken Jugendverbände aus. Für die einen bedeuten Jugendorganisationen Spiel, Spaß und Abenteuer, für die anderen straffe Hierarchien und politische Indoktrination. Ungeachtet dieser Stereotypen ist es der historischen Forschung gelungen, ein differenziertes Bild dieser pädagogischen Innovation zu zeichnen. Der Beitrag stellt die wichtigsten Etappen der Forschungsdiskussion vor und zeigt, welchen Erkenntnisgewinn die Beschäftigung mit Jugendorganisationen für zentrale Arbeitsfelder der Zeitgeschichte haben kann.