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In Nürnberg formulierten die Alliierten 1945 erstmals das völkerrechtliche Prinzip, dass allgemeine Menschenrechte über nationalem Recht stehen. Damit wurde es möglich, staatlich sanktionierte Verbrechen zu ahnden – in diesem Fall die deutschen Verbrechen der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs. Seit den 1990er-Jahren haben diverse vergleichbare Prozesse stattgefunden, etwa zu den Ereignissen in Jugoslawien, Ruanda und Kambodscha. Dass das Führungspersonal eines Landes für Kriegsverbrechen und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ strafrechtlich belangt werden kann, war im 20. Jahrhundert stark umkämpft und ist bis heute nicht vollständig durchgesetzt. Der Aufsatz stellt die drei wichtigsten Etappen im Überblick dar: die Leipziger Prozesse nach dem Ersten Weltkrieg, die Prozesse von Nürnberg und Tokio nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die Debatte um die Entstehung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Strittig war und ist vor allem, inwieweit auch Großmächte wie die USA bereit sind, universellen Menschenrechten und einer supranationalen Autorität gegenüber herkömmlichen nationalen Souveränitätsrechten einen Vorrang einzuräumen.
Wer es wieder oder erstmals zur Hand nimmt, dem fällt sofort auf, wie flott sich das handliche Buch mit seinen 180 Seiten und weit über 50 Abbildungen und Tabellen lesen lässt. Kurz und bündig formuliert das Team um Dennis Meadows bereits in der Einführung seine Grundaussage: Rasches Handeln sei erforderlich, denn wenn „die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht“ (S. 17). Dieser Schlussfolgerung lagen etwa 18 Monate Forschung und ein computergestütztes Weltmodell zugrunde, mit dessen Hilfe Ursachen und Folgen exponentiellen Wachstums anhand der genannten fünf makroökonomischen Basistrends und ihrer Wechselwirkungen berechnet werden sollten.
Angela Davis war eine der intellektuellen Leitfiguren der afroamerikanischen Bewegungen für Freiheit und Gleichheit in den USA. Als sie von 1970 bis 1972 inhaftiert war, gab es in der DDR eine breite Solidaritätskampagne, initiiert von der SED-Führung und mobilisiert durch die Massenorganisationen. Diese Kampagne verweist auf eine transnationale Dimension in der Geschichte der DDR; Davis wurde als „unsere Genossin“ vereinnahmt. Der Beitrag zeigt, welche Bedeutung die Kampagne im Rahmen der internationalen Anerkennungsbestrebungen der DDR hatte, welchen Stellenwert sie aber auch innenpolitisch gewann. Nach ihrer Freilassung besuchte Davis 1972 und 1973 die DDR und wurde als sozialistische Heldin präsentiert. Dies ist nicht allein als Ausdruck propagandistischer Steuerung zu verstehen, sondern zugleich als Teil einer genuinen Alltagskultur des Kalten Kriegs in der DDR.
Am 17. November 1922 erschien in der Wiener Tageszeitung „Neue Freie Presse“ ein „Vorschlag“, den man schon zwei Tage davor in der „Vossischen Zeitung“ hatte lesen können. Der Artikel stammte von Richard Coudenhove-Kalergi und bot eine pointierte Zusammenfassung seines wenig später erscheinenden Bandes „Pan-Europa“. Das Ziel des Autors: Europa solle sich zu einer politischen Einheit zusammenschließen.
Der Aufsatz setzt die Massenerschießungen von Katyn, bei denen der NKWD 1940 Tausende polnischer Kriegsgefangener tötete, in den Kontext einer deutsch-sowjetischen Verflechtungsgeschichte, um die abstrakten Gewalthierarchien früherer Diktaturvergleiche zu überwinden. Dass Goebbels’ sonst wenig glaubwürdige Propaganda 1943 die wirklichen Täter nannte, prägte die langfristigen Kommunikationsmuster ebenso wie Stalins Versuch, Zweifler an der angeblichen deutschen Täterschaft als Kollaborateure des „Dritten Reichs“ zu diskreditieren. In den Deutungen von Katyn während des Kalten Kriegs wirkten die konträren Sichtweisen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs folgenreich nach. Analysiert werden das Beschweigen, die Verrätselung und die Boulevardisierung Katyns vor allem in der westlichen Rezeption; so trägt der Aufsatz dazu bei, die Geschichtskultur des Kalten Kriegs zu historisieren. Katyn ist ein Lehrstück über die Selektivität historischer Narrationen, das bis in aktuelle Debatten um eine europäische Weltkriegserinnerung hineinreicht.
Tom Scott-Smith is Associate Professor of Refugee Studies and Forced Migration, Fellow of St. Cross College Oxford, and Course Director for the MSc in Refugee and Forced Migration Studies. Previously, he worked as a development practitioner concerned with the education sector in the Middle East and Sub-Saharan Africa. The following interview discusses arguments and questions arising from his newest book (2020), historical and currents trends of hunger relief, important players, institutions and gender relations in the humanitarian sector – and more. It was conducted by Heike Wieters (Historical European Studies, Humboldt-Universität zu Berlin) and Tatjana Tönsmeyer (Contemporary History, Bergische Universität Wuppertal) in a back-and-forth conversation via E-Mail.
Since the late 1950s, nutrition experts have debated whether foods enriched with micronutrients such as protein could alleviate world hunger. Industrial production of such ›wonder foods‹ began in the 1960s, making the food industry an actor in international food aid. Following a brief review of the history of scientific nutrition research, the article analyzes the first boom of fortified foods between the 1950s and the 1970s. With particular reference to the NGO CARE and the Institute of Nutrition of Central America and Panama (INCAP) with its product Incaparina, it shows how the conflict-ridden cooperation between humanitarian actors, governments, business and science developed. In addition to looking at contemporary debates about prices, quality controls and marketing strategies, consumer perspectives must be considered in order to understand the success or failure of new products. After a temporary slump in euphoria from the 1970s onwards, ›wonder foods‹ have experienced a revival since the 1990s – mainly because the networks between governments, nutrition experts, international organizations and the food industry were further cultivated and greater consideration was given to the needs of consumers.
Seit den späten 1950er-Jahren diskutierten ErnährungsexpertInnen, ob mit Mikronährstoffen wie Protein angereicherte Nahrungsmittel den Hunger auf der Welt lindern könnten. Die industrielle Produktion solcher »Wonder Foods« begann in den 1960er-Jahren. Damit wurde die Lebensmittelindustrie zu einem Akteur in der internationalen Nahrungsmittelhilfe. Nach einem kurzen Rückblick auf die Geschichte wissenschaftlicher Ernährungsforschung analysiert der Aufsatz den ersten Boom angereicherter Nahrungsmittel zwischen den 1950er- und den 1970er-Jahren. Am Beispiel der NGO CARE und des zentralamerikanischen Ernährungsinstituts INCAP mit seinem Produkt »Incaparina« wird gezeigt, wie sich die konfliktreiche Kooperation zwischen humanitären Akteuren, Regierungen, Wirtschaft und Wissenschaft entwickelte. Neben dem Blick auf zeitgenössische Debatten über Preise, Qualitätskontrollen und Marketingstrategien müssen insbesondere KonsumentInnenperspektiven einbezogen werden, um Erfolg oder Scheitern neuer Produkte zu verstehen. Nach einem temporären Einbruch der Euphorie ab den 1970er-Jahren erlebten »Wonder Foods« seit den 1990er-Jahren ein Revival – vor allem deshalb, weil die Netzwerke zwischen Regierungen, ErnährungsexpertInnen, internationalen Organisationen und Lebensmittelindustrie weiter gepflegt wurden und die Bedürfnisse von KonsumentInnen mehr Berücksichtigung fanden.