Gender Studies
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Der Beitrag verfolgt die Karriere eines Bildes der amerikanischen Fotografin Dorothea Lange, das im März 1936 als Presseaufnahme in Umlauf kam und in der Folge unter dem Titel „Migrant Mother“ zu einer Ikone der Großen Depression in den USA wurde. Das Foto wird hier erstmals im Zusammenhang der gesamten Serie von sieben Aufnahmen analysiert, der es entnommen ist. Ausgehend vom politisch-sozialen Kontext des New Deal leistet der Autor eine ikonographische Analyse; er arbeitet die semantischen Überschreibungen und Adaptionen des Bildes im Verlauf seiner Rezeptionsgeschichte heraus und ordnet das Foto schließlich vier verschiedenen Diskursen zu, die die Semantik der „Migrant Mother“ maßgeblich bestimmt haben. Die historische Bedeutung von Dokumentarfotografie erweist sich dabei im Wesentlichen als eine Funktion der sozialen und diskursiven Praxis ihrer Verwendung.
Die Rekrutierung von Führungspersonal erfolgte in der DDR - aufgrund des zentralistischen Staatssystems, der leitenden Rolle der Partei etc. - bekanntermaßen für alle Ebenen und Bereiche von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zentralgesteuert. Die Auswahl, Instruktion und Kontrolle des Führungspersonals stand dabei immer vor einem systemimmanenten Widerspruch zwischen Konformität und Professionalität. Trotz dieser Steuerung gelang es jedoch nicht, Frauen in größerer Zahl in Führungspositionen aller Ebenen einzusetzen, obwohl die SED zwischen 1949 und 1989 in gebetsmühlenartigem Stil immer wieder die Förderung von Frauen für Führungspositionen einklagte und zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Förderinstrumente erließ. Die Kritik an der mangelnden Umsetzung mag anhand des vielbeachteten Kommuniques des ZK der SED „Die Frau - der Frieden und der Sozialismus“ stellvertretend für die zahlreichen gesetzlichen Maßnahmen und Anordnungen der SED in der Zeit vor Veröffentlichung des Kommuniques und bis zum Ende der DDR verdeutlicht werden: „Alle Leitungen der Partei in den Betrieben der Industrie und der Landwirtschaft, im Staatsapparat, in den kulturellen Institutionen, Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen werden verpflichtet, die Beschlüsse der Partei und der Regierung zur Förderung und Entwicklung der Frauen zielstrebiger zu verwirklichen und ihre Durchführung ständig zu kontrollieren“. Warum auch diese „Instruktion“ ihr Ziel nicht erreichen konnte, legt eine bemerkenswerte Aussage von Inge Lange, der „ranghöchsten“ Frau in der DDR - sie war Vorsitzende der Abteilung Frauen beim ZK der SED - aus dem Jahre 1979 nahe. Demnach sei es, so Inge Lange, ganz klar, daß „in der in fernerer Zukunft zu schaffenden kommunistischen Gesellschaft alle Mitglieder der Gesellschaft, Frauen wie Männer, sozial gleichgestellt sein werden“ und nun, 1979, mit der Schaffung dieser Voraussetzungen begonnen werden müsse. Auch zu Beginn ihres letzten Jahrzehnts war die DDR somit weit entfernt von der realen Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frauen, obwohl in den offiziellen Verlautbarungen der Partei- und Staatsfuhrung beides bereits seit langem als verwirklicht galt.
In ihrem Hexenroman „Amanda“ von 1983 schrieb Irmtraud Morgner: „Ein Sozialismus aber, der die Männervorherrschaft nicht abschafft, kann keinen Kommunismus aufbaun.“ In der Tat: Weder der „real existierende“ Sozialismus der DDR noch der Sowjetkommunismus haben Frauen von der Doppelbelastung in Haus- und Erwerbsarbeit befreit. Ebenso wenig haben sie Aleksandra Kollontajs Modell der „sexuell emanzipierten Kommunistin“ ermöglicht. Sie haben den Feminismus als Bewegung und Ideologie sogar abgelehnt. Und doch – so meine hier vertretene These – eröffneten kommunistische Ideen und Praktiken aus der Zeit der Russischen Revolution der Frauenbefreiung, oder dem Feminismus, im 20. Jahrhundert ein politisches Möglichkeitsfeld. Dieses gilt es im Folgenden auszuloten.
Frauenbewegungen in ihren „langen Wellen“ (Ute Gerhard) weisen historische ‚Interferenzen‘ auf, die sich insbesondere an Konflikten, Brüchen ebenso wie Solidaritäten und Bündnissen zeigen. Diese Phänomene lassen sich in Frauenbewegungskontexten über große Zeiträume hinweg nachweisen.
In der Frauenbewegung des Kaiserreichs spielte der Konflikt zwischen bürgerlichen und proletarischen Frauen eine besondere Rolle, denn er führte hier zu einer selbstständigen Organisation und gezielten Mobilisierung von Arbeiterinnen jenseits der bürgerlichen Frauenvereine. Diese Konstellation erzeugte in der Geschichtsschreibung der Frauenbewegung, die mit den Aktivistinnen der ersten Welle einsetzte, von Beginn an Streitigkeiten darüber, wer zur Frauenbewegung zählte oder besser: wer nicht dazu gehören sollte.
In der Historiographie der Frauenbewegung, die anfangs von Aktivistinnen betrieben wurde, die sich selbst zum Forschungsgegenstand machten und damit ein politisches Programm verfolgten, dominierte lange die Betonung der Differenz. Die jüngere Forschung hat zwar den Blick geweitet, um der Heterogenität der Frauenbewegung im Kaiserreich Rechnung zu tragen, aber schreibt paradoxerweise die Marginalisierung der proletarischen Frauenbewegung tendenziell fort, indem sie sowohl ältere Narrative aus der Forschung übernimmt als auch implizit gegen die Renaissance der „Klassenfrage“ in der zweiten Rezeptionswelle der 1970er Jahre gerichtet ist.
Eine (schlaglichtartige) Rekonstruktion der Rezeptionsgeschichte erscheint lohnenswert, da dadurch Schieflagen und deren Ursachen offengelegt werden können. Wir vertreten in diesem Beitrag die These, dass sich das zeitgenössische Schicksal des doppelten Paria-Daseins der organisierten Proletarierin im Kaiserreich auf traurige Art und Weise in der gegenwärtigen Forschung wiederholt: Einerseits wird ihre Geschichte politisch marginalisiert, weil sie eine Frau ist, und andererseits, weil ihr als Sozialdemokratin/Sozialistin bis heute die eigene Autonomie abgesprochen wird.
Unser Beitrag versteht sich als Aufschlag einer möglichen Debatte und möchte dazu anregen, die proletarische Frauenbewegung als wichtige Referenzfigur der deutschen Frauenbewegungsgeschichte (wieder) wahrzunehmen, um der Heterogenität der Frauenbewegung(en) des Deutschen Kaiserreichs in einem intersektionalen Sinne gerecht zu werden.
Anhand von über 100 tschechischen und slowakischen Elternratgebern fragt der Aufsatz nach der Einbindung von Erziehungsnormen in Prozesse der Werte- und Gemeinschaftskonstruktion sowie nach der gesellschaftspolitischen Rolle von ExpertInnen. Die Analyse macht deutlich, dass Inhalte und Formen der Ratgeber nicht immer spezifisch sozialistisch waren. Vielmehr können die vermittelten Normen, die geschilderten Probleme und die vorgeschlagenen Lösungen auch in einen gesamteuropäischen oder globalen Zusammenhang moderner Industriegesellschaften eingeordnet werden. Für die 1950er-Jahre ist dabei eine Mischung aus sozialistischer Aufbaurhetorik und bürgerlich anmutenden Familienidealen markant. Der revolutionäre Ehrgeiz der tschechoslowakischen Politik nach 1948 ist in Elternratgebern nur sehr bedingt wiederzufinden. Für die 1960er-Jahre ist eine Psychologisierung der Kindheit zu beobachten, welche Erziehungsfragen in kritische gesellschaftspolitische Perspektiven einordnete (Mangel an Zeit und Zuwendung für Kinder, einseitig technokratische Medizin etc.). Diese Betrachtungsweise wurde in der »Normalisierungszeit« nach 1968 weitergeführt. Zugleich stiegen die Ansprüche an Elternschaft und Erziehung. Damit wurden Elternratgeber zu Instrumenten der Normen- und Konsensbildung, Disziplinierung und Subjektformung im späten Sozialismus.
In konfessionsvergleichender Perspektive behandelt der Beitrag das Verhältnis der christlichen Großkirchen zu den sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik. Genauer untersucht werden die Interaktionen mit den frühen Protestbewegungen, der Studentenbewegung, der „Dritte-Welt“-Bewegung sowie der Friedensbewegung. Die Abgrenzungs- und Transferprozesse zwischen Kirchen und Bewegungssektor werden als Reaktionen des kirchlich verfassten Christentums auf die Wandlungsprozesse der bundesdeutschen Gesellschaft verstanden. Es wird gezeigt, dass die beiden Kirchen aus strukturellen, kirchenpolitischen und theologischen Gründen bei ähnlichen Herausforderungen verschieden agierten. Als Bindeglieder zu den sozialen Bewegungen werden die Bewegungsgruppen innerhalb und am Rande der Kirchen ausgemacht, die oft transkonfessionell handelten. Sie beförderten innerhalb der Bewegungen eine Moralisierung der Politik und in ihren Kirchen eine Politisierung der Religion.
In den 1980er-Jahren erweiterte die In-vitro-Fertilisation (IVF) nicht nur die Möglichkeiten der Familienplanung, sondern eröffnete auch neue, rasch expandierende Forschungs- und Geschäftsfelder für Mediziner in der Bundesrepublik. Die Vermarktlichung der menschlichen Reproduktion war Gegenstand eines breiten Aushandlungsprozesses über das technisch Machbare und das ethisch Vertretbare. Der Aufsatz stellt die Reproduktionsmediziner in den Mittelpunkt: Als Anbieter von innovativen Dienstleistungen verfolgten sie neben einem wissenschaftlichen Fortschrittsstreben auch ökonomische Interessen. Über die Medien sowie als Mitglieder von Ethikkommissionen nahmen sie politischen Einfluss. Sie verstärkten die öffentliche Wahrnehmung der Reproduktionsmedizin und waren an der Erstellung von gesetzlichen Richtlinien für ihr Tätigkeitsfeld beteiligt. Die medial geübte Kritik betonte die Gefahren einer technokratisch-politischen Steuerung und mögliche Kontinuitäten zur NS-Zeit. Mit der Verabschiedung des – im internationalen Vergleich restriktiven – Embryonenschutzgesetzes von 1990 kam die Debatte zu einem vorläufigen Ergebnis, war und ist jedoch keineswegs beendet.
Am 5. August 1974, gegen 20 Uhr am Montagabend, rief ein erboster Zuschauer im Mainzer Sendezentrum des ZDF an. Die laufende Sendung sei eine »Zumutung«, er wolle im Feierabend ein »Programm zur Entspannung«. Gedankliches Abschalten ließ die zweite Episode der monatlich ausgestrahlten, siebenteiligen Reihe »Unser Walter – Spielserie über ein Sorgenkind« offenbar nicht zu. Die Serie porträtierte Walter Zabel, einen Jugendlichen mit Trisomie 21. Derart ablehnende Reaktionen waren aber in der Minderzahl. Nach der Ausstrahlung jedes Teils notierte der ZDF-Telefondienst auf dem Mainzer Lerchenberg stets mehr mitfühlende und interessierte als kritische Rückmeldungen und »Schimpfereien«. Die ZuschauerInnen bekundeten nicht nur ihr Entsetzen über die alltäglichen Ausgrenzungen, denen die Familie Zabel begegnete. Sie befürworteten das Ziel der Serie, in »unserer grausamen Gesellschaft Verständnis für solche Kinder zu wecken«. Andere wollten betroffenen Eltern gar selbst Hinweise über spezielle Anlaufstellen geben, und auch behinderte Menschen griffen zum Telefon, um mit ihren Erfahrungen die fiktionale Handlung zu ergänzen. Nicht zuletzt fragten Eltern von Kindern mit Trisomie 21 nach AnsprechpartnerInnen, beispielsweise nach der Anschrift der in der Sendung genannten Bundesarbeitsgemeinschaft »Hilfe für Behinderte«, einem Dachverband von Organisationen von und für behinderte Menschen (heute: BAG Selbsthilfe). Diese Reaktionen des Fernsehpublikums zeigen, wie sehr sich die Darstellungskonventionen und auch die Wahrnehmungsweisen von Behinderungen in den frühen 1970er-Jahren im Umbruch befanden.
In den 1920er- und 1930er-Jahren gab es, ähnlich wie heutzutage, auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt Modemagazine unterschiedlicher Preisklassen, die sich unter anderem durch die in ihnen präsentierte Mode und Modefotografie voneinander unterschieden. Höherpreisige Magazine wie beispielsweise »die neue linie« (1929–1943, Otto Beyer, Leipzig), »Die Dame« (1911–1943, Ullstein, ab 1937 Deutscher Verlag, Berlin) und »Die Mode« (1941–1943, Otto Beyer, Leipzig) richteten sich an gehobenere Schichten und präsentierten ihrer Leserschaft statt konkreter Bekleidungsvorschläge eher einen »Lebens- und Kleidungsstil«. Die abgedruckten Modefotografien orientierten sich an internationalen Fotostandards und sollten Ausdruck einer »deutschen Hochmode« sein.
Die gezeigte Szene war Teil der täglichen Sendung »Medizin nach Noten«, einem Fernsehformat, das die DDR jahrzehntelang begleitete – und bis über ihr Ende hinausreichte. Die Erstausstrahlung erfolgte zu Beginn der 1960er-Jahre, die letzte Ausstrahlung 1994. Bemerkenswert ist diese Sendung nicht nur wegen der sehr langen Laufzeit, sondern auch, weil sie besondere Einblicke in die Geschichte des Sports und gleichzeitig in diejenige des Fernsehens der DDR liefert. Der folgende Beitrag versucht zu zeigen, in welcher Weise durch die Verbindung dieser beiden Geschichten neue Perspektiven für das Konvergenz- oder auch Spannungsfeld von Gesundheit, Politik und Ökonomie hervortreten.