Intellectual History
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Joseph Weizenbaum (1923–2008), in Berlin geboren, war durch die Nazis gezwungen, mit seiner jüdischen Familie aus Deutschland zu fliehen. Am MIT in Boston wurde er seit den 1960er-Jahren ein renommierter KI-Forscher. Er ist bis heute nicht nur als ein Pionier der Forschung zur Künstlichen Intelligenz anerkannt, sondern vor allem als ein streitbarer Kritiker der Computerkultur. Sein Buch »Computer Power and Human Reason. From Judgement to Calculation« ist ein Klassiker der Technik- und Wissenschaftskritik, ja der Kritik an der technischen und naturwissenschaftlichen Moderne überhaupt. Es ist aber besonders der Titel der deutschen Ausgabe, der mit seiner Dichotomisierung von Macht und Ohnmacht, Computer und Vernunft die These des selbsterklärten »Dissidenten« oder »Ketzers« der Informatik eingängig auf den Punkt bringt. Und das Zitat auf der Umschlagrückseite verortet das Buch auch gleich im Feld der Kritischen Theorie Max Horkheimers, auf den Weizenbaum sich explizit bezieht: »Ich bekämpfe den Imperialismus der instrumentellen Vernunft, nicht die Vernunft an sich.«
I first came across Harlan Lane’s work towards the end of my PhD, which I was undertaking at University College London, UK. My dissertation was on the construction of ›difference‹ in the British Empire, particularly the differences ascribed to race and gender. Using nineteenth-century medical missionaries as a way in, I had started to think about differences evoked by health, disability, and the body. In particular, I noted the way in which missionaries used the language of disability as a discourse of racialisation. The African and Indian colonial subjects they encountered were described throughout missionary literature as ›deaf to the Word‹, ›blind to the light‹ and ›too lame‹ to walk alone. I have two d/Deaf cousins, one of whom is the sign language sociolinguist Nick Palfreyman, and around about this time Nick had started to familiarise me with some of the issues surrounding Deaf politics. Becoming interested and wanting to know more, I began to learn British Sign Language (BSL) and contemplate the connections between the historical work I was doing and contemporary struggles of Deaf politics and disability politics (I was particularly interested in DPAC – Disabled People Against Cuts – given the contemporary climate of austerity in the UK). As I did so I became acquainted with the work of Harlan Lane. Here, although acutely aware of my own positionality as a white, British, hearing woman, I have taken up the challenge set by the editors of this special issue to re-read his work twelve years on from my initial encounter with it, using the insights into postcolonial study I have gained through my historical work.
Angesichts heutiger Debatten über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sowie über die Frage, wer in der Öffentlichkeit sicht- und hörbar werden sollte, ist »Epistemology of the Closet« brandaktuell. Immer öfter beschweren sich alte, heterosexuelle und weiße Cis-Männer darüber, dass sie angeblich nichts mehr sagen dürften. Im Zeichen einer neuen Identitätspolitik, so die Sorge, beschäftige sich eine Vielzahl kleiner Gruppen mit ihren je eigenen Anliegen, aber niemand habe mehr das große Ganze, den gesellschaftlichen Zusammenhang im Blick. Dabei geht es doch eher darum, dass die Beschwerdeführer nicht mehr so selbstherrlich wie noch vor 30 Jahren für die Allgemeinheit sprechen und die Diskurshoheit für sich beanspruchen können. Das Buch »Epistemology of the Closet« steht am Anfang dieser Entwicklung. Es handelt von der Sichtbarmachung des lange verheimlichten gleichgeschlechtlichen Begehrens und nimmt der heterosexuellen Dominanz ihre Unschuld, markiert sie als eine Struktur der Unterdrückung. Gleichzeitig enthält das Buch aber auch Zweifel an allzu festgefahrenen Vorstellungen von individueller und kollektiver Identität. Es begründet also das, was man heutzutage als Identitätspolitik bezeichnet, und unterläuft es zugleich.
Bei seiner Erstveröffentlichung stieß Michele Wallaces Buch »Black Macho and the Myth of the Superwoman« auf ein geteiltes Echo. Während Vertreterinnen der Frauenbewegung den Text als Markstein der (afroamerikanischen) feministischen Literatur feierten, als der er auch heute noch betrachtet wird, schallte der Autorin aus anderen Teilen der Öffentlichkeit vor allem Kritik entgegen. In »Black Macho« setzte sich Wallace provokant mit dem geschlechterpolitischen Erbe der Bürgerrechtsbewegung auseinander. Vor allem die Black-Power-Bewegung habe ein Ideal schwarzer Hypermaskulinität hervorgebracht, das afroamerikanische Männer in ihren Entwicklungspotentialen beschränke und schwarze Frauen dauerhaft in traditionellen Rollen an den Rändern einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung gefangen halte. Wallace interessierte sich besonders für die intersektionalen Verflechtungen von Race, Class und Gender, die afroamerikanische Frauen und Männer auf unterschiedliche Art und Weise marginalisierten. Ihr Buch war zugleich eine Abrechnung mit der US-amerikanischen Gesellschaft, in deren Selbstverständnis, so Wallace, Rassismus und Sexismus seit der Kolonialzeit fest verankert waren und die People of Color seit Jahrhunderten strukturell benachteiligte.
Das Lebensthema des Religionsphilosophen, Kulturhistorikers und Politikers Ernst Troeltsch (1865-1923) war die „moderne Welt“. In den großen Neuordnungsdiskursen nach 1918 spielte er eine wichtige Rolle in den westeuropäischen, aber auch in den osteuropäischen Kulturtransfers. Gangolf Hübinger und Johannes Bent stellen sein spätes Hauptwerk „Der Historismus und seine Probleme“ vor und betonen die intellektuelle Bedeutung von Troeltsch sowohl für die Demokratiediskurse der ersten deutschen Republik als auch für die Frage nach der Orientierungskraft von „Geschichte“ für die moderne Gesellschaft, insbesondere für die „Europadiskurse“ des 20. Jahrhunderts.
Herrschaft und Macht
(2021)
In ihrem Artikel geben Andrea Maurer und Christoph Lau einen Überblick über die Begriffe „Herrschaft“ und „Macht“, wobei sie zunächst wichtige Charakteristika von Herrschaft in Abgrenzung zu Macht und anderen Formen der Über- und Unterordnung (Gewalt) erläutern. Daran anschließend werden Forschungsperspektiven und -desiderata besprochen und die Potenziale einer wissenschaftlich fundierten Herrschaftsdiskussion ausgewiesen.
Nach dem Ende des Kalten Krieges gewann ein spezifisches Genre von Büchern an Popularität, die durch klangvolle Titel auf sich aufmerksam machten und versprachen, sowohl das globale Geschehen zu erklären als auch die künftige Rolle der USA in der Welt zu skizzieren. Dabei wurde der große Wurf meist eher angekündigt als tatsächlich erzielt. Wenige dieser Bücher erwiesen sich jedoch als so breitenwirksam und langlebig wie das 1996 veröffentlichte Werk »The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order« des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntington (1927–2008). Der Verfasser schien kaum zu übertreiben, wenn er im Vorwort schrieb, dass seine These »in jeder Zivilisation« einen »Nerv getroffen« habe. Laut einem »Newsweek«-Bericht bestellte die Iranische Revolutionsgarde in den 1990er-Jahren stapelweise übersetzte Kopien, um sie an ihre Mitglieder zu verteilen. Übersetzungen mit nicht weniger griffigen Titeln – »Der Kampf der Kulturen« oder »Le Choc des civilisations« – fanden sich rasch auf den Bestsellerlisten verschiedener Länder. Die Rede von einem »Clash« war aber auch besonders geeignet, sich zu verselbstständigen. Ihr wurde eine unmittelbare Plausibilität und Erklärungskraft beigemessen, ganz gleich, ob es um internationale Konflikte, Terrorakte oder innergesellschaftliche Auseinandersetzungen ging – das zeigte insbesondere die Verbreitung der Formel nach den Anschlägen vom 11. September 2001.
Im Frühjahr 2020 tauchten die Begriffe »Postkolonialismus«, »postkoloniale Theorie« und verwandte Kategorien mit ungewohnter Dichte in den deutschen Feuilletons auf, waren Gegenstand von Streitgesprächen im Radio und aufgeregten Twitter-Kommentaren. Zentraler Anlass für die ambivalente Hausse des Postkolonialismus war die Erklärung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, der Kameruner Historiker Achille Mbembe sei wegen antisemitischer Positionen als Eröffnungsredner der Ruhrtriennale »nicht geeignet«. Daraus entwickelte sich eine heftige und durchaus verwirrende Debatte, in der Klein und gleichgesinnte Mbembe-Kritiker*innen des Rassismus und McCarthyismus gescholten wurden, während andere anhand weniger Passagen aus Mbembes umfangreichem Werk nicht nur darauf insistierten, er sei Antisemit und »Israel-Hasser«, sondern zugleich die »postkoloniale Theorie« anprangerten, als deren wichtiger Vertreter Mbembe gilt. Irritierend daran war nicht allein der Gestus, mit dem beispielsweise so mancher Journalist auftrat, als sei er der erste, der Kritik am Postkolonialismus oder an Mbembe übe. Insgesamt fiel zudem auf, wie sehr die Debatte auf einer bestenfalls oberflächlichen Lektüre relevanter Texte basierte. Dies galt zum Teil auch für jene, die etwa die Antisemitismusvorwürfe gegen Mbembe vehement ablehnten. Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, die in der Öffentlichkeit rasch zu einer der führenden Verteidiger*innen Mbembes aufstieg, gestand zunächst freimütig ein, sie könne seiner Theorie eigentlich gar nicht so richtig folgen.
»WAS IST WAS« – hinter diesem etwas kryptischen Titel verbarg sich für Kinder und Jugendliche der 1960er- bis 1980er-Jahre das Wissen der Welt. Mindestens einige dieser etwa 40-seitigen Bildbände über »Dinosaurier«, »Das Weltall«, »Seeschlachten«, »Das Mittelalter«, »Autos« »Päpste« oder »Insekten« standen in so gut wie jedem westdeutschen Kinderzimmer. Und wer sie besaß, wird zugeben müssen, noch heute von diesem Wissen zu zehren. »WAS IST WAS« war die deutsche Variante einer amerikanischen Kindersachbuchreihe, die unter dem Titel »How and Why – Wonderbooks« seit den 1950er-Jahren erschien. Der Nürnberger Tessloff-Verlag erwarb die Rechte an diesem Titel, übersetzte ihn in »WAS IST WAS« und brachte die ersten vier Kindersachbücher 1961 heraus (zunächst als Zeitschriftenreihe, ab 1963 dann in Buchform). Über 140 Bände sind bisher erschienen, und viele von ihnen sind in aktualisierten Neuauflagen weiterhin lieferbar. Die Reihe ist nicht abgeschlossen, inzwischen aber multi-medialisiert – und sie hat Konkurrenz bekommen.
Für dieses Buch muss man sich etwas Zeit nehmen. Ich hatte die gut 700 Seiten umfassende amerikanische Originalausgabe von »Mechanization Takes Command« (den Titel kürzte Giedion in seinen Notizen mit dem Akronym »M.T.C.« ab) im Sommer 2017 im Amtrak California Zephyr auf meiner Reise von Greenriver, UT, nach Chicago, IL, im Gepäck. Diese Reise bot aktualisiertes Anschauungsmaterial zu Giedions Sondierungen der US-amerikanischen Industrialisierungsgeschichte. Sie folgte jener Eisenbahnlinie, welche Kalifornien (wo die Frontier-Gesellschaft Amerikas im ausgehenden 19. Jahrhundert an ihr Ende gelangte) mit Chicago verbindet (der nach dem großen Brand von 1871 zur Industriemetropole avancierten Stadt am Lake Michigan). Dazwischen öffnete sich der Midwest, dessen verrostete und verlassene industrielle Infrastruktur (Bahnhöfe, Fabriken, Brücken, Städte) durch das Zugfenster ins Blickfeld geriet und somit den Endpunkt der von Giedion dokumentierten Entwicklungen brutal vor Augen führte. Die heruntergewirtschafteten Landschaften des Midwest und Giedions Streifzüge in ihre Industrialisierung während des 19. Jahrhunderts flossen ineinander über. Etwa dann, wenn der Zug stillstand und mein Blick bei den Getreide-Elevatoren hängen blieb, wo sich die Eisenbahnlinien kreuzen und der Personenzug den unendlich langen Güterwagen, die von Diesellokomotiven angetrieben werden, den Vortritt lassen musste. Oder wenn ich beim mäandrierenden Durchblättern des Buches und dem Blick aus dem Zugfenster den Faden verlor und eindöste – und dann beim Eindunkeln jäh von den sleeping car attendants, welche die ausklappbaren Sitze für die Nacht mit ein paar Handgriffen zu Betten umwandelten, in die Gegenwart zurückgeholt wurde. Oder im Nachfolgemodell des von George M. Pullman 1869 in seinem Patent beschriebenen Speisewagens, wo die Reisende aus Europa und Wählerinnen des amtierenden Präsidenten sich am gemeinsamen Tisch zum Verzehr von Burger, Steaks und Hot Dogs wiederfanden. Jenes Präsidenten, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Re-Industrialisierung abgehängter Regionen im einst prosperierenden Rostgürtel der USA versprach.