Flucht und Vertreibung
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Das erste, was man in Georgien am 24. Februar nach Russlands Angriff auf die Ukraine dachte, war: Fängt jetzt auch der Krieg gegen Georgien wieder an? Sind wir das nächste Land? Auch in Georgien fanden mehrere Demonstrationen gegen den Krieg statt und die georgische Bevölkerung steht der Ukraine bei, aber die angespannte Situation ist auf andere Art zu spüren. Die Menschen solidarisieren sich nicht nur aus Mitleid mit der ukrainischen Bevölkerung, sondern vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen. Der Krieg im August des Jahres 2008 hat Spuren hinterlassen.
"Zeitenwende": gleich mehrfach gebrauchte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine am 27. Februar im Deutschen Bundestag dieses Wort, um zu beschwören, dass seit dem russischen Überfall auf die Ukraine plötzlich alles ganz anders sei. Außenministerin Annalena Baerbock hatte schon am Morgen des russischen Überfalls bekundet: „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht.“
Doch provozieren die großen Worte von der Zeitenwende die Skepsis des Zeithistorikers. Mit einigem zeitlichen Abstand hat sich schon manche eilig ausgerufene historische Zäsur als weniger einschneidend erwiesen, als sie im Eifer des Moments noch scheinen mochte.
Im Falle der deutschen Bundesregierung stößt die eminent politische Absicht, mit der der russische Angriffskrieg zum unvorhersehbaren historischen Wendepunkt erklärt wird, übel auf.
Rückkehr oder Flucht? Als im Sommer und Herbst 1975 Hunderttausende aus Angola und Mosambik in Portugal eintrafen, schien die Not der Menschen offensichtlich und die Sache klar – doch sie war es nicht. Portugal hatte zwar 1960 die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ratifiziert. Die Regierung vertrat aber den Standpunkt, dass die Ankommenden, von denen viele Hals über Kopf aufgebrochen waren und nun mittelos und tief verunsichert in Notunterkünfte gebracht wurden, keine „Flüchtlinge“ seien.Rückkehr oder Flucht? Als im Sommer und Herbst 1975 Hunderttausende aus Angola und Mosambik in Portugal eintrafen, schien die Not der Menschen offensichtlich und die Sache klar – doch sie war es nicht. Portugal hatte zwar 1960 die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ratifiziert. Die Regierung vertrat aber den Standpunkt, dass die Ankommenden, von denen viele Hals über Kopf aufgebrochen waren und nun mittelos und tief verunsichert in Notunterkünfte gebracht wurden, keine „Flüchtlinge“ seien.
Im Jahr 1983 gewährte die Heilig-Kreuz-Gemeinde im Berliner Bezirk Kreuzberg mehreren palästinensischen Geflüchteten Kirchenasyl, um deren Abschiebung zu verhindern. Diesem Beispiel folgten bald weitere Westberliner Gemeinden beider Konfessionen, und bis 1988 schlossen sich insgesamt 35 Kirchen in der Initiative »Asyl in der Kirche« zusammen. Auf diesem Weg versuchten sie, vor allem »De-Facto-Flüchtlinge« vor der Abschiebung in den Libanon zu bewahren. Dies waren die ersten Fälle von Kirchenasyl in der Bundesrepublik bzw. Westberlin. Sie lieferten den Auftakt für die Entstehung der selbsternannten ökumenischen »Kirchenasylbewegung«. Dieser Zusammenschluss aus sowohl evangelischen als auch katholischen Gemeinden stellt einen signifikanten Akteur in der Migrationspolitik seit den 1980er Jahren dar und orientierte sich an internationalen Vorbildern aus den USA, den Niederlanden und der Schweiz.
Die Holocaust-Forschung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten internationalisiert, zugleich aber auch immer stärker ausdifferenziert und spezialisiert. Dabei entstanden regelrechte Sub-Disziplinen, etwa die »Täterforschung«, und viele Forschungsergebnisse sind – auch bedingt durch mangelnde Sprachkenntnisse – selbst für Spezialisten kaum noch zu überschauen. Mit diesem Band legen wir nun eine Einführung in die verschiedenen Forschungsansätze vor und diskutieren zugleich die Frage, in welche größeren historischen Zusammenhänge der Holocaust eingeordnet werden kann bzw. muss. Dabei geht es um Kernfragen künftiger Forschung ebenso wie um grundsätzliche Probleme, die durch die Internationalisierung und Ausdifferenzierung der Forschung entstanden sind.
Umkämpfte Interaktionen. Flucht als Handlungszusammenhang in asymmetrischen Machtverhältnissen
(2018)
Seit 2015 macht sich eine Vielzahl von Männern, Frauen und Kindern in Italien auf den Weg, um die Alpen zu Fuß in Richtung Frankreich zu überqueren. Dazu reisen sie in der Regel über Turin mit dem Zug in das italienische Bardonecchia, warten dort den Einbruch der Dunkelheit ab und brechen anschließend zum Marsch über die Berge auf. Meist handelt es sich um Menschen aus Afrika, die bereits viele Wochen, wenn nicht Monate unterwegs sind und anders, als es die sogenannte Dublin-Verordnung vorschreibt, nicht in ihrem Ersteinreiseland Italien, sondern in Frankreich oder anderswo Fuß fassen bzw. Asyl beantragen wollen. Den strapaziösen und risikoreichen Weg über die Berge nehmen sie nicht zuletzt deshalb auf sich, weil sie der französischen Grenzpolizei (Police aux frontières, PAF) entgehen wollen, die seit den Terroranschlägen vom 13. November 2015 in Paris und St. Denis die französischen Staatsgrenzen erneut kontrolliert.
Die Umbrüche nach 1989 eröffneten für die niederschlesische Stadt Breslau neue Wege, mit seinem „fremden Erbe“ umzugehen. Nach über 40 Jahren politisch erzwungenen kollektiven Vergessens war das Tabu der multiethnischen und insbesondere deutschen Vergangenheit der Stadt gebrochen. Diese Stadt ist nämlich Teil des Gebietes, welches von einer massiven Zwangsmigration betroffen war. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als entsprechend den Bestimmungen der Potsdamer Konferenz 1945 die Grenzen europäischer Nationalstaaten neu gezogen wurden, folgte die „Umsiedlung“ von zwölf Millionen Menschen. Weite Teile multiethnischer Grenzgebiete, die für Zentral- und Osteuropa vor dem Zweiten Weltkrieg typisch waren, sollten von da an unter dem kommunistischen Diktat, zu monoethnischen Staaten werden. Die kulturelle Vielfalt in diesem von Hannah Arendt als „belt of mixed populations“ bezeichneten Territorium war 1989 nahezu vollständig homogenisiert worden.
Eine Geschichte des wissenschaftlichen Fortschritts müsste zugleich eine Geschichte des Verlustes und des Vergessens sein. Zu solchen Überlegungen wird gedrängt, wer die Studien von Joseph B. Schechtman und Eugene M. Kulischer über die Bevölkerungsverschiebungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Hand bekommt. Bekanntlich ist das Problem von Flucht, Vertreibung, Zwangsumsiedlungen im Zusammenhang der Jugoslawienkriege und anderer „ethnischer Säuberungen“ wieder zu einem brisanten Thema geworden, das die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit auf sich ziehen konnte. Für die neuere Forschung – etwa Klaus J. Bades „Europa in Bewegung“ (2000) oder Norman Naimarks „Fires of Hatred“ (2001) – sind Kulischer und Schechtman kein monumentaler Referenzpunkt, sondern nur eine Fußnote.
Ol’ga Šparaga hat die belarusischen Untersuchungsgefängnisse von innen gesehen. Sie erzählt vom Schmutz und von der Kälte, von den Verhören – und von der Angst der Wärter. Um einem drohenden Strafverfahren wegen angeblicher Organisation von Massenunruhen zu entgehen, ist sie nach Litauen geflohen, wo sie Bildungsbeauftragte des Koordinationsrats der belarussischen Gesellschaft wurde. Trotz der massiven Repressionswelle, mit der das Regime die Gesellschaft überzieht, bleibt sie optimistisch: An dem Versuch, die Zeit anzuhalten, ist bisher noch jeder gescheitert.
Am 21. Juni 1900 geboren, wächst Willy Stiewe in Berlin auf und studiert nach dem Abitur für kurze Zeit Jura. Ab 1921 ist er in der Redaktion der eben vom Hackebeil-Verlag gegründeten Halbwochenzeitschrift „Große Berliner Illustrierte“ tätig, die 1924 in „Hackebeil’s Illustrierte“ umbenannt wird. Neben dieser Arbeit gibt er 1922 zunächst ein Liederbuch heraus, dem 1924 unter dem Titel Der Krieg nach dem Kriege: Eine Bilderchronik aus Revolution und Inflation ein erstes zeitgeschichtliches Fotobuch folgt.