Computerisierung
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Beim Umgang von Historikerinnen und Historikern mit dem Netz können wir einen interessanten Wandel beobachten: Grundsatzkritik an der Verwendung des Netzes in geschichtswissenschaftlicher Lehre und Forschung findet sich kaum mehr. Noch vor gut zehn Jahren war das anders. Da waren die Bedenkenträger nicht zu überhören, die das Netz für die (Geistes-)Wissenschaften als unnütz und unnötig einstuften und entschlossen waren, dieses vermeintlich kurze technische Intermezzo auszusitzen – Vertreter vor allem der älteren Generation, die sich schon mit der Einführung des Personal Computers seit den 1980er-Jahren schwertaten. Heute geht es vielmehr um die Frage, in welchen Bereichen und mit welchen Fragestellungen das Netz in den Forschungs- und Lehralltag zu integrieren ist.
Die Computerindustrie entwickelte sich in den USA und der UdSSR sehr unterschiedlich. Während in den Vereinigten Staaten der Konzern IBM nahezu ein Monopol erlangte, herrschte in der Sowjetunion ein Konkurrenzkampf. Mehrere Akteure verfolgten an unterschiedlichen Standorten eigene Entwicklungslinien; ein Austausch fand kaum statt. Als Reaktion auf eine von IBM 1963 vorgestellte neue Modellreihe kam es in der UdSSR zu einer Diskussion über die Computerindustrie, die den hartnäckigen Widerstand lokaler Entscheidungsträger bei der Durchsetzung zentraler Direktiven offenbarte. Es bedurfte mehrerer Machtworte von führenden Vertretern der Rüstungsindustrie, um das IBM System /360 als Vorbild einer eigenen Reihe durchzusetzen. Dabei berief man sich vor allem auf die Erfolge, die beim Nachbau von IBM-Rechnern in der DDR erzielt worden waren. Das Ministerium für Staatssicherheit hatte Entwicklungsdokumente aus dem Westen beschafft, und diese Wirtschaftsspionage trug wesentlich dazu bei, den innersowjetischen Konflikt zu entscheiden. Der technologische Rückstand der UdSSR gegenüber den USA blieb gleichwohl bestehen.
»If you can’t beat ’em, join ’em«. Computerschach und der Wandel der Mensch-Maschinen-Verhältnisse
(2018)
Wie verändern sich die Objekte der Geschichtsschreibung, also die Gegenwart und die jüngere Vergangenheit, durch die Medien? Wie verändert sich die Geschichtsschreibung selbst durch die Medien? Was bedeutet die in Forschung und Öffentlichkeit verbreitete Rede von der ‚Mediengesellschaft‘ aus historischer Perspektive eigentlich genau? Der Aufsatz unterscheidet zunächst einige Prozesse der ‚Medialisierung‘, geht damit verbundenen Strukturverschiebungen nach und betrachtet insbesondere Veränderungen von Öffentlichkeiten. Dabei wird dafür plädiert, die Ambivalenz der Entwicklungen anzuerkennen und nicht vorschnell Paradigmenwechsel zu behaupten. Zudem werden einige Leitlinien formuliert, was eine Medialisierung der Zeitgeschichtsschreibung bedeuten könnte. Hier gilt es, neue Wege zu beschreiten und neue Ziele zu setzen, die der Ära der Audiovisualität gerecht werden.
Archive investieren mittlerweile sehr viel Geld in die Digitalisierung ihrer Bestände, um sie ihren NutzerInnen komfortabel online bereitzustellen. Mit dem Aufbau virtueller Lesesäle geht es nicht mehr um die schon traditionell zu nennende Form der Digitalisierung, bei der exemplarisch besondere Einzelstücke in Form einer Ausstellung online präsentiert werden, sondern es geht tatsächlich um die Bereitstellung von Archivgut zur wissenschaftlichen Auswertung im virtuellen Raum statt im analogen Lesesaal. Doch während Fördermittel in großem Stil beantragt und bewilligt sowie die technischen Rahmenbedingungen geschaffen und ausgebaut werden, finden inhaltlich-methodische Diskussionen in Deutschland bisher kaum statt. In Frankreich hingegen wird in Anlehnung an das vor 30 Jahren erschienene Buch von Arlette Farge der »Geschmack des Archivs« im digitalen Zeitalter debattiert, und in der Schweiz wird das klare Ziel verfolgt, dass der virtuelle Raum den analogen ersetzen soll. In skandinavischen Ländern ist dies sogar schon geschehen. Dabei ist es in Deutschland keine programmatische Festlegung, dass am traditionellen Lesesaal festgehalten wird, oder muss es zumindest nicht sein, weil die schiere Menge an analogem Archivgut noch für lange Zeit auch herkömmliche Lesesäle erforderlich machen wird. Umso schwieriger wird es in dieser Übergangsphase, die Konturen des virtuellen Raumes genauer zu fassen und zu klären, was eigentlich das Ziel der digitalen Bereitstellung sein soll: eine Art Add-on, ein gleichwertiges Nebeneinander oder eine neue Form der Quellennutzung?
Ganz gegensätzlich zum teils immer noch lebendigen Vorurteil vom weltfremden Historiker, der lieber in staubigen Archiven wühle als sich im Netz zu tummeln, waren gerade die Geschichtswissenschaften sehr früh dabei, als in den 1990er-Jahren erste Versuche stattfanden, die Potenziale von Netzpublikation und -kommunikation auch für die Geisteswissenschaften fruchtbar zu machen. Viele der damaligen Initiativen haben sich – nicht zuletzt durch das Engagement Einzelner – bis heute gehalten, sich stetig weiterentwickelt und sind inzwischen Plattformen geworden, die wichtige Rollen im Arbeitsalltag der Wissenschaftler spielen, denken wir etwa an „H-Soz-u-Kult“ oder an die „sehepunkte“.
„Computerspiele einschließlich anderer interaktiver Unterhaltungsmedien (Video-/Konsolen-, Online- und Handyspiele) haben in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Sie sind in Deutschland wirtschaftlich, technologisch, kulturell und gesellschaftlich zu einem wichtigen Einflussfaktor geworden. [...] Computerspiele transportieren gesellschaftliche Abbilder und thematisieren eigene kulturelle Inhalte. Sie werden damit zu einem bedeutenden Bestandteil des kulturellen Lebens unseres Landes und sind prägend für unsere Gesellschaft.“1 Wie der Beschluss des Deutschen Bundestags zur Einrichtung des Deutschen Computerspielpreises zeigt, der seit 2009 jährlich vergeben wird, werden Computerspiele mittlerweile auch von offizieller Seite als ebenso bedeutsam wahrgenommen wie andere, bereits etablierte Kulturgüter. Diese Entwicklung entspricht in ihrer Grundtendenz derjenigen anderer Medien wie Film oder Comic, deren kulturelle Bedeutung ebenfalls erst einige Zeit nach ihrer Erfindung gesellschaftlich anerkannt und staatlich gefördert wurde.
Unternehmensplanspiele entstanden in den USA um 1956 aus militärischen Simulationsprogrammen, Fallstudien an Business Schools sowie Kriegsplanspielen und einer Reihe weiterer Einflussgrößen. Angesiedelt am Schnittpunkt von Unternehmensführung, ökonomischen Paradigmen und Computerisierung, bietet das Feld der Unternehmensplanspiele besonders gute Voraussetzungen, um Transformationen gesellschaftlicher Steuerungslogiken nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nachzuvollziehen. In den »ernsthaften Spielen« wurden Praktiken des Entscheidens sowie die Adaption an ein neues Medium und einen veränderten Rationalitätsbegriff (spielerisch) erprobt. Der Aufsatz nähert sich diesem Feld aus einer medienkulturwissenschaftlichen Perspektive. Der Beitrag fokussiert auf die erste Phase der Verwendung von Unternehmensplanspielen bei der Ausbildung von Führungskräften in der Bundesrepublik seit Beginn der 1960er-Jahre. Näher vorgestellt wird der Einsatz des von IBM entwickelten Planspiels TOPIC 1 bei Hoechst.
Im Mai 2020 haben die Allianz der Gleichstellungsbeauftragten der außeruniversitären Forschungsorganisationen (AGbaF) und die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen (bukof) eine Umfrage unter den Frauen- und Gleichstellungsakteur*innen in außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen durchgeführt. Anlässe hierfür waren die alarmierenden Befunde über die Verstärkung der strukturellen Benachteiligung von Wissenschaftlerinnen und weiterer Statusgruppen in den jeweiligen Organisationen seit Beginn der Corona-Pandemie sowie das Sammeln von Daten zur Impulssetzung im Rahmen eines gemeinsam geplanten Online-Meetings. Ziel der im Mai 2020 lancierten Umfrage war es, durch standardisierte Nachfragen und damit quantifizierbaren Rückmeldungen eine solide Datenbasis aus den jeweiligen Organisationen zur Gleichstellungssituation und eine Grundlage für gleich- stellungsorientierten Handlungsbedarf zu erhalten.
381 Frauen- und Gleichstellungsakteur*innen erhielten einen kurzen Fragebogen zu ihrer Einschätzung der Lage hinsichtlich der Verstärkung struktureller Nachteile für Frauen in wissenschaftlichen Kontexten in Zeiten von Corona und den sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Gleichstellungsarbeit. Der Rücklauf lag mit 210 ausgefüllten Bögen bei 55%. Es beteiligten sich 18 Universitäten, 13 Fachhochschulen / (Fach-)Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, 6 Künstlerische Hochschulen und 173 Forschungsinstitute (Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer Gesellschaft, Leibniz Gemeinschaft, Helmholtz Gemeinschaft).
Digitale Spiele
(2020)
Digitale Spiele sind integraler Teil der „Digitalen Revolution“. Sie dienen nicht nur als Trägermedium von Geschichtsbildern, sondern können als wirtschaftliche und kulturelle Artefakte konkreter menschlicher Gesellschaften begriffen werden. Im Zuge ihrer Verbreitung zum Massenphänomen beeinflussten sie Ästhetik und Narrative anderer Medien – und sind zu einem internationalen Milliardengeschäft geworden. Der Artikel von Eugen Pfister und Tobias Winnerling gibt einen Überblick der unterschiedlichen Begrifflichkeiten und eine Chronologie der Spieleentwicklung, um dann Digitale Spiele aus Sicht der Geschichtswissenschaften zu beleuchten.