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Als Industriefotograf ist uns Herbert List (1903-1975) praktisch nicht geläufig. Wir kennen seine hervorragenden Porträtfotografien, so von den Malern Chagall, Braque, Miró und Picasso, seine journalistischen und künstlerischen Arbeiten wie „Licht über Hellas“ und viele Aufnahmen für die Bildagentur „Magnum“.
Industrieaufträge im engeren Sinne sind nur für die Phoenix-Gummiwerke in Hamburg und die August Thyssen-Hütte (ATH) nachgewiesen. In vier Kampagnen hat List 1954 bis 1959 in Duisburg-Hamborn dieses Werk fotografiert. Jetzt hat das ThyssenKrupp Konzernarchiv diesen exzeptionellen Fundus wiederentdeckt und zeigt ihn bis 31. Juli 2014 in einer Ausstellung im Foyer der Hauptverwaltung von ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg.
Atomisierung, Entmündigung, Zwangsorganisation. Arbeitsrecht und Arbeitsverfassung im Dritten Reich
(2013)
Die Arbeitsverfassung des Dritten Reiches zielte in ihrem Kern auf die "vollkommene Atomisierung der deutschen Arbeiterklasse", so der sozialdemokratische Politikwissenschaftler Franz Leopold Neumann 1942 in seinem berühmten "Behemoth". Und in den Deutschland-Berichten der SOPADE hieß es bereits 1935: "Das Wesen der faschistischen Massenbeherrschung ist Zwangsorganisation auf der einen, Atomisierung auf der anderen Seite." Atomisierung und eine zugleich repressive wie sozialpaternalistische Integration der Arbeitnehmerschaft in eine rassistisch definierte "deutsche Volks- und Leistungsgemeinschaft" - in diese Formel lassen sich auch die Grundintentionen fassen, nach denen das NS-Regime die neue Arbeitsverfassung und ebenso das Arbeitsrecht zu strukturieren versuchte. Was aber heißt dies konkret? Wie erfolgreich waren das Hitler-Regime und die nationalsozialistischen Arbeitsrechtler bei der Verwirklichung dieser Ziele? Zu diskutieren ist in diesem Zusammenhang außerdem, ob (und inwieweit) sich die Arbeitsmarktkonstellationen, (sonstige) Tarifverhältnisse und innerbetriebliche Sozialbeziehungen auf Dauer überhaupt autoritär-zentralistisch regulieren lassen.
In den 1970er-Jahren endete des bundesdeutschen Wirtschaftswunder. Mit den konjunkturellen - und aus heutiger Sicht vergle1chswe1se harmlosen - Krisen von 1966/67 und 1973/74, mit der Aufkündigung des Bretton-Wood-Abkommens 1971, mit dem Ölpreisschocks von 1973/74 und 1979/80, mit der Billigkonkurrenz der fernöstlichen Tigerstaaten und mit den sich am Horizont bereits abzeichnenden fundamentalen Wandlungen von Wirtschaft und Gesellschaft durch Mikroelektronik und moderne Informationstechnologien, für die sich die Bezeichnung »dritte industrielle Revolution« eingebürgert hat, kündigte sich eine anhaltende industrielle Strukturkrise an, die sich derzeit zu einer Fundamentalkrise des globalen Kapitalismus auswächst. Die fordistische Suggestion eines fortwährend boomenden Kapitalismus ohne echte Krise und ebenso die Hoffnung auf eine dauerhafte Voll- oder gar Überbeschäftigung entpuppten sich als Illusion. Stattdessen wurde nun die »Krise des Fordismus« debattiert - und oft sehr Unterschiedliches darunter gefasst. Spätestens in den 1980er-Jahren machte die Formel vom »Ende des Fordismus« die Runde. »Krise« und »Ende« sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Gleichzeitig blieb die Bundesrepublik Deutschland zumindest die erste Hälfte der 1970er-Jahre aber auch von einer bis dahin ungekannten gesellschaftlichen Aufbruchstimmung und Reformeuphorie gekennzeichnet, die etwa Mitte der 1960er-Jahre eingesetzt hatte. Sie zeigte ebenfalls nachhaltige Wirkungen und wird nicht selten durch die von Zeithistorikern unlängst geprägte, deprimiert-ratlose Formel »Nach dem Boom« verdeckt beziehungsweise verniedlicht.
Das NS-Regime und seine Repräsentanten erwiesen sich im Hinblick auf die industrielle Frauenerwerbstätigkeit als „Modernisierer wider Willen". Der vielbenutzte und meist wenig aussagekräftige Terminus „Modernisierung" wird dabei im folgenden auf die einfache Formel reduziert: Entwicklung der vorgefundenen Wirtschafts- und Gesellschaftsverhältnisse hin zur entfalteten kapitalistischen Industriegesellschaft, wie wir sie heute z. B. in der Bundesrepublik Deutschland vorfinden. Das „Dritte Reich" wird in diesem Zusammenhang als eine Art „Übergangsgesellschaft" verstanden, in der in der Weimarer Republik in Ansätzen zwar vorhandene, jedoch noch nicht voll entfaltete Formen entwickelter industriekapitalistischer Produktion und Rollenzuweisungen in innerbetrieblicher und überbetrieblicher Hinsicht entfesselt sowie vor- bzw. frühkapitalistische Mentalitäten aufgebrochen und durch uns heute geläufige „moderne" Wertorientierungen ersetzt wurden.
Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es nachzuweisen, daß der in der historischen Forschung im allgemeinen unkritisch übernommene Eindruck, das NS-Regime habe die Lebenshaltungskosten auf niedrigem Niveau weitgehend stabilisieren können und den Arbeitern - womöglich als Konzession für politisches 'Stillhalten' - ein hohes durchschnittliches Realeinkommen zugestanden, die tatsächliche Entwicklung grob verzerrt. ...
Die rechtlichen Regelungen der Arbeitsbeziehungen während der zwölf Jahre, die das Dritte Reich überdauerte, systematisch auszuleuchten, würde den Rahmen eines Aufsatzes bei weitem sprengen, allein weil der relativ kurze
Zeitraum der NS-Herrschaft von einer ungemeinen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dynamik war, die immer auch die rechtlichen Regelungen, in unserem Fall: Formen, Inhalte und Wirkungen der Arbeitsverfassung, erfassen musste. Die folgenden Bemerkungen konzentrieren sich
auf einige zentrale Aspekte des NS-Arbeitsrechts.
Das in seinen quantitativen wie qualitativen Dimensionen bereits von den Zeitgenossen oft unterschätzte Wirtschaftsimperium der "Deutschen Arbeitsfront" (DAF) ist als Untersuchungsgegenstand an den Schnittstellen von Wirtschafts-, Politik- und Sozialgeschichte angesiedelt. Der folgende Beitrag knüpft dabei an die nicht zuletzt von Hans Mommsen aufgeworfene Frage an, in welchem Verhältnis Nationalsozialismus und Modernität bzw. Modernisierung standen. Die gewerkschaftsnahen Genossenschaften und Unternehmen bildeten traditionell bis 1933 zentrale Klammern für den Zusammenhalt der sozialistischen Milieus. Von der DAF im Frühjahr 1933 geraubt und dann zu einem gigantischen Konzern ausgebaut, führt deren Indienstnahme auf ein weiteres Grundproblem der NS-Forschung, das Ausbleiben eines Massenwiderstands gegen die NS-Diktatur, hin, das neben Tim Mason, Detlev Peukert und anderen ebenfalls Hans Mommsen wiederholt diskutiert hat: Warum hat sich gegen die NS-Diktatur kein Massenwiderstand formiert?
Der in der neueren historischen Forschung gern benutzte Terminus "Modernisierung" mag insofern von Nutzen sein, als sich mit seiner Hilfe recht gut der Frage nachgehen läßt, inwieweit Kontinuitäten vom "Dritten Reich" zur Bundesrepublik bestanden und in welcher Hinsicht während der Zeit der NS-Herrschaft Entwicklungen angebahnt wurden, die erst nach 1945 zum Durchbruch kamen. Falsch wäre es allerdings, den Blick ausschließlich auf die Zeit ab 1933 zu verengen: Alle entscheidenden Elemente dessen, was für die Zeit des "Dritten Reiches" als "Modernisierung" der Industriearbeit bezeichnet werden kann, hatte sich bereits in der Weimarer Republik, seit Beginn der "goldenen zwanziger Jahre" (ab 1924/25) herausgebildet.
Vor allem drei Faktoren bestimmten während des "Dritten Reiches" die Struktur der Frauenarbeit: erstens die geschlechtsspezifische, biologistisch begründete Diskriminierung, zweitens der klassenbezogene Aspekt sowie drittens der Rassismus. Zweifelsohne waren alle drei Faktoren für das Verhalten des NS-Regimes gegenüber Frauen und für die Wandlungen der Struktur lohnabhängiger, idustrieller Frauenarbeit während des "Dritten Reiches" relevant. Entscheidend ist jedoch die Frage nach der Gewichtung der drei Faktoren: ...
Die Liste der Wohltaten, mit denen die Deutsche Arbeitsfront (DAF), die mitgliederstärkste und finanzkräftigste Massenorganisation des Dritten Reiches mitsamt ihrer wichtigsten Suborganisation, der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude" (KdF) das deutsche Volk zu erfreuen gedachte, ist lang. Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, dass die DAF mit KdF die größte massentouristische Organisation des Dritten Reiches besaß, außerdem wie eine riesige Theater-, Konzert- und Unterhaltungsagentur fungierte, sich in größeren Dimensionen dem sozialen Wohnungsbau widmete, einkommensschwächeren 'Volksgenossen' den Erwerb eines erschwinglichen PKW in absehbarer Zeit versprach usw. usf. Diese Wohltaten wurden natürlich nicht uneigennützig gewährt oder in Aussicht gestellt. Im Folgenden interessiert der hinter ihnen stehende Eigennutz. Oder, um es paradox und im NS-Jargon zu formulieren: deren nationalsozialistischer 'Gemeinnutz', das 'volksgemeinschaftliche Gemeinwohl'-Konzept, die Prämissen und Zielsetzungen, die die DAF mit ihrer 'Dienstleistungspolitik' verfolgte.