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Das NS-Regime begann mit dem Ausnahmezustand. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 durch den Reichspräsidenten entsprach formal noch der Verfassung, obwohl die Präsidialkabinette der Weimarer Republik seit 1930 längst die verfassungsgemäße Balance zwischen Reichstag, Regierung und Präsidenten zugunsten autoritärer Regierungen ohne parlamentarische Mehrheit verschoben hatten und daher das Präsidialkabinett Hitler ebenso wenig wie seine Vorgänger dem demokratischen Inhalt der Weimarer Verfassung entsprach. Auch war der Wahlkampf zu den Reichstagswahlen Anfang März bereits von der Behinderung und Verfolgung der Opposition durch die Nationalsozialisten mit allen Mitteln des Staates, die ihnen nun zur Verfügung standen, gekennzeichnet.
In ihrer Bilanz der Frauenforschung zum Nationalsozialismus stellten Dagmar Reese und Carola Sachse 1990 die Frage, wie es geschehen konnte, dass der Forschungsdiskurs, „der sich zu Beginn der 1980er Jahre in breitgefächerten Ansätzen abzeichnete, in vielfältige Einzelaspekte hineinreichte und gleichwohl um einige deutlich erkennbare Leitfragen kreiste, gegen Ende dieses Jahrzehnts nicht mehr wahrgenommen wird?" Diese Frage hat sich bis heute nicht erledigt. So hält sich hartnäckig eine dreiphasige Periodisierung der Frauen- und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus, die nicht von ungefähr die Assoziation von These, Antithese und Synthese erweckt: In der ersten Phase seit Mitte der 1970er Jahre seien „die Frauen“ als Opfer gesehen worden, in einer darauf folgenden Phase habe sich die Frauenforschung den Frauen als Täterinnen zugewandt, während seit den 1990er Jahren eine allgemeine Differenzierung der Frauen- und Geschlechterthematik im Verhältnis zum Nationalsozialismus stattgefunden habe. Dieser weitenden Dreiteilung liegt eine holzschnittartige Opfer-Täter-Dichotomie zugrunde, und sie basiert auf einer immer noch populären aber wie wir meinen: verfälschenden – Negativeinschätzung vor allem der ersten Phase der Frauenforschung zum Nationalsozialismus.
Kein Aspekt der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine derart rasante Forschungskarriere absolviert wie das Thema „NS-Zwangsarbeit“. Ein kaum mehr überschaubarer Katalog von Veröffentlichungen legt seit den 1980er Jahren die unzähligen Einzelschichten des Themas frei, so dass unser Wissen über dieses in der Geschichte singuläre Großprojekt zur ungehemmten Abschöpfung von fremder Arbeitskraft für die eigene Kriegswirtschaft exponentiell gewachsen ist.
Die öffentliche Diskussion um die nationalsozialistische Vernichtungspolitik hat sich durch die Debatte um das Buch von Daniel Goldhagen verändert. Wie immer in solchen Fällen ist diese Debatte nicht frei von schrillen Tönen und absurden Überzeichnungen. Aber bei aller Kritik an dem Buch von Goldhagen ist es doch gewiß eine positive Entwicklung, wenn die Diskussion um Nationalsozialismus und »Holocaust« nun endlich wieder auf das eigentliche Geschehen, den Massenmord selbst konzentriert wird, auf die Motive der Täter, das Leiden der Opfer. Demgegenüber sind Fragen wie: ob der Judenmord als Phänomen der Moderne zu verstehen sei oder nicht, ob er eine Art putativer Notwehr gegen den vermuteten Mordwunsch der Bolschewiki am europäischen Bürgertum gewesen sei und anderes, das in den vergangenen Jahren die öffentliche Debatte bestimmt hat, in den Hintergrund getreten.
Seit dem Beginn der empirischen, aktengestützten NS-Forschung in Deutschland sind sechs Jahrzehnte vergangen. Das ist ein Zeitraum, der nicht nur arithmetisch zwei Generationen umspannt, denn mit ein bisschen Generosität und, zugegeben, ein wenig Bereitschaft zur Vereinfachung lässt sich behaupten, dass es vor allem zwei Generationen gewesen sind, die den Kurs der Geschichtsschreibung über das »Dritte Reich« in diesen zweimal 30 Jahren bestimmt haben, und zwar in zeitweise ziemlich kontroverser Debatte: nämlich einerseits die vormaligen Flakhelfer und jungen Frontsoldaten und andererseits die dann schon bald so genannten Achtundsechziger.
Die Holocaust-Forschung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten internationalisiert, zugleich aber auch immer stärker ausdifferenziert und spezialisiert. Dabei entstanden regelrechte Sub-Disziplinen, etwa die »Täterforschung«, und viele Forschungsergebnisse sind – auch bedingt durch mangelnde Sprachkenntnisse – selbst für Spezialisten kaum noch zu überschauen. Mit diesem Band legen wir nun eine Einführung in die verschiedenen Forschungsansätze vor und diskutieren zugleich die Frage, in welche größeren historischen Zusammenhänge der Holocaust eingeordnet werden kann bzw. muss. Dabei geht es um Kernfragen künftiger Forschung ebenso wie um grundsätzliche Probleme, die durch die Internationalisierung und Ausdifferenzierung der Forschung entstanden sind.