Transnationale Geschichte
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Eine »Völkerwanderung«? Die Flucht aus Rumänien und die Flüchtlingspolitik in Österreich um 1990
(2023)
Als sich 1989 der »Eiserne Vorhang« in Europa öffnete, waren im »Westen« die Ängste vor einem ungeregelten Zuzug aus dem sich auflösenden »Ostblock« groß. Dass die Einreise von rumänischen Staatsbürger:innen Anfang der 1990er-Jahre tatsächlich zunahm, wurde als Beleg für die Befürchtungen gesehen. Die Frage nach dem Umgang mit Flüchtlingen aus Rumänien prägte die Auseinandersetzung über Flucht und Migration in Europa jedoch bereits seit Mitte der 1980er-Jahre – auch innerhalb des sozialistischen »Blocks«. Wegen der prekären Wirtschaftslage und der repressiven Politik des Ceaușescu-Regimes versuchten immer mehr Menschen Rumänien zu verlassen. Ihre erste Station war meist Ungarn, das als Reaktion auf die Fluchtbewegung 1989 der Genfer Flüchtlingskonvention beitrat und die Arbeit des UNHCR im eigenen Land zuließ, wovon im Sommer 1989 auch Bürger:innen aus der DDR profitierten, die über Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik gelangen wollten. Die internationale Hilfe knüpfte an die Erwartung an, dass durch eine bessere Versorgung in Ungarn der Migrationsdruck auf den »Westen« reduziert werden könne. Diese Hoffnung teilte auch Österreich, wo fremdenfeindliche Stimmungen gegenüber Rumän:innen die Asyl- und Flüchtlingspolitik für die kommenden Jahrzehnte prägten.
Eine oft übersehene Dimension der Auseinandersetzung bundesdeutscher Sicherheitsakteure mit dem international vernetzten Linksterrorismus ab den 1970er-Jahren ist die sogenannte Polizeihilfe für Staaten des Globalen Südens. Bundesdeutsches Know-how und Polizeitechnik made in Germany sollten die Polizeibehörden in Partnerländern modernisieren und so die internationale Anti-Terror-Zusammenarbeit verbessern. Der Aufsatz untersucht die Dynamiken solcher Kooperationen in Lateinamerika und stützt sich dabei vor allem auf Akten der beteiligten Bundesministerien. Westdeutsche Behörden stuften die Region aufgrund ihrer politischen Instabilität als möglichen Rückzugsort terroristischer Gruppen ein. Anders als oft dargestellt, folgten die Programme jedoch kaum einer außen- oder sicherheitspolitischen Gesamtstrategie. Vielmehr entwickelten sich die prestigeträchtigen Polizeihilfen zu einer symbolischen »Währung« für die Aushandlungsprozesse zwischen den Akteuren einer zunehmend transnationalisierten »Inneren Sicherheit«. Partnerschaften zwischen den Sicherheitsinstitutionen von demokratischen Staaten wie der Bundesrepublik und Militärdiktaturen wie Brasilien, Chile oder Peru waren dabei die Regel.
Cemal Kemal Altun nahm sich am 30. August 1983 durch einen Sprung aus dem sechsten Stock des Berliner Verwaltungsgerichts das Leben. Damit wollte er seiner Abschiebung in die Türkei und der dort drohenden Folter entgehen. Dreizehn Monate Auslieferungshaft und ein zermürbendes Rechtsverfahren machten den »Fall Altun« zum Symbol der Unmenschlichkeit und Ungerechtigkeit bundesdeutscher Ausweisungspraxis. Der Hohe Kommissar für Flüchtlingsfragen der Vereinten Nationen ermahnte die deutschen Behörden, ihre inhumane Behandlung von Migrant*innen zu beenden. Der Europarat protestierte, und die Europäische Kommission für Menschenrechte in Straßburg wurde hinzugezogen. In der Bundesrepublik traten Aktivist*innen in Hungerstreik, und etwa 10.000 Menschen setzten ein Zeichen, als sie Altuns Leichenzug durch West-Berlin in einen Protestmarsch verwandelten. Anti-Abschiebe-Proteste nahmen zu und institutionalisierten sich Mitte der 1980er-Jahre in Form von Kirchenasyl, Flüchtlingsräten, Pro Asyl, Fluchtburg-Bewegung, migrantischer Selbstorganisation und antirassistischen Initiativen.
Das westdeutsche Abschieberegime entstand im Kontext der Problematisierung von People of Color, die seit 1950 in die Bundesrepublik einreisten, um dort ein Studium oder eine Ausbildung aufzunehmen. Die junge Republik lud Menschen aus sich dekolonisierenden Ländern zunächst ein, um sich von der Rassenideologie des National- sozialismus zu distanzieren und sich gegenüber dem Sozialismus zu profilieren. Dabei bestand jedoch weiterhin die im Kern völkische Prämisse, dass People of Color nicht langfristig bleiben sollten. Die Herstellung ihrer Rückführbarkeit manifestierte sich in der Rechts-, Verwaltungs- und Betreuungspraxis lokaler Behörden und Wohlfahrtsverbände, wodurch diese Prämisse in das Ausländergesetz von 1965 einging. Das Gesetz machte insbesondere »außereuropäische« Migrant*innen abschiebbar, denen es pauschal kriminelle Täuschungsabsichten und extremistische Politisierung unterstellte. Es verrechtlichte zudem eine pseudomoralische Rückkehrpflicht von People of Color unter Verweis auf ihren Entwicklungsauftrag in den Herkunftsländern und auf tradierte Geschlechterrollen. Diese Normen waren in der Bundesrepublik permanent abrufbar und wurden sukzessive auf andere Migrant*innen angewandt.
Ausweisungen können weitere politische Funktionen einnehmen, die über die staatliche Steuerung von Migration hinausgehen. Wie wir in diesem Aufsatz anhand zweier Sondertypen von Ausweisungen zeigen, können solche Maßnahmen gerade in Phasen staatlicher Konsolidierung und bei der Überlappung von Souveränitätsansprüchen als politisches right-peopling auftreten. In diesem Kontext untersuchen wir die Rolle von Ausweisungen während der kritischen Phase der deutschen Nationalstaatsbildung nach dem Ersten Weltkrieg. Für die 1920er-Jahre analysieren wir einerseits Ausweisungen von Deutschen aus anderen Landesteilen durch deutsche Landesbehörden (etwa von Württembergern aus Baden), andererseits Ausweisungen von Deutschen aus dem besetzten Rheinland durch die alliierten Besatzungsbehörden. Mit Bezug auf aktuelle Debatten um Illegalisierung und deportability von Migrant*innen betrachten wir Beispiele aus regional- und rechtshistorischen Quellen der Weimarer Republik. So zeigen wir, wie Ausweisungen sozialpolitische und ethnisch-exklusive Ziele hatten, aber auch zu einer Stärkung staatlicher Institutionen und zu einer nationalistischen Identifikation mit dem Deutschen Reich nach dem verlorenen Krieg führten.
Der Aufsatz beleuchtet einen von der migrationsgeschichtlichen Forschung bisher vernachlässigten Raum und seine Akteure: den Flughafen. Der Frankfurter Flughafen ist von besonderem Interesse, weil er sich zum größten Transitdrehkreuz in der Bundesrepublik entwickelte und seit den 1980er-Jahren auch ein Experimentierfeld für den Umgang mit Asylbewerber:innen wurde. Im Zentrum stehen die Positionen und Konflikte von Akteur:innen, die in Asylfälle und Zurückweisungen am Flughafen involviert waren – allen voran der Bundesgrenzschutz, der Flughafensozialdienst und die Migrant:innen selbst. Gezeigt werden zum einen die Folgen übergeordneter Politiken im konkreten Raum. Zum anderen offenbart die lokale Konfliktgeschichte auch Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten im komplexen Grenzraum der Transitzone, die wiederum auf größere politische Zusammenhänge und Regulierungsversuche wie das Flughafenasylverfahren zurückwirkten. Deutlich wird außerdem, dass Zurückweisungen an der Grenze und Abschiebungen/Zurückschiebungen aus dem Inland nicht immer klar zu trennen sind.
Kämpfe um Rückführungen prägen das europäische Grenzregime des 21. Jahrhunderts. Wie wir mit dem Konzept der Rückführbarkeit (Returnability) herausarbeiten, kommen dabei »sanfte« Instrumente der sogenannten Rückkehrförderung ebenso zum Einsatz wie gewaltsame Abschiebungen. Diese werden von migrantischen Widerständen herausgefordert. Zentrale Auseinandersetzungen in diesem Rückführungsregime analysieren wir im Zentrum der Europäischen Union und an ihren Rändern: Für Deutschland betrachten wir am Beispiel der bayerischen »Anker-Zentren« die Mikrophysik der Macht in Sammelunterkünften, Rückkehrberatung und Abschiebevollzug. Für Tunesien zeigen wir, wie staatliche Instrumente der Inhaftierung und Abschiebung durch internationale Programme und informelle Praktiken zur Unterstützung »freiwilliger Rückkehr« ergänzt werden. Unsere sozialwissenschaftliche Untersuchung stützt sich auf teilnehmende Beobachtungen, Interviews und schriftliche Quellen. Zeithistorisch bezieht sie die administrativen, diskursiven und politischen Voraussetzungen des heutigen Grenzregimes ebenso mit ein wie die migrantischen Handlungsspielräume und Widerstandspraktiken.
»Die deutschen Juden, denen die neue Wendung nicht unerwartet kommen kann, haben ihre innere Ruhe und Würde zu wahren. Es ist selbstverständlich, daß das deutsche Judentum sich gegen jeden Versuch der formalen und tatsächlichen Entrechtung und Depossedierung mit allen Mitteln und aller Energie zur Wehr setzen wird. Diesen Kampf kann nur ein Judentum führen, das von unbeugsamem Stolz auf sein Volkstum erfüllt ist. Mit Versuchen der Anpassung und Selbstverleugnung ist es vorbei.«
In 1892, the year the American writer Pearl S. Buck was born, the US Congress renewed the Chinese Exclusion Act, initially passed in 1882, for another ten years. It sought to prevent all laborers of Chinese ethnicity from entering or reentering the US, with breaches punishable by law. Three months after her birth, Buck moved with her missionary parents to China and spent most of her life until her early forties there. During the global Cold War, Buck, already a Nobel Laureate (1938), sharply criticized US foreign policy and its racism, the ignorance of American diplomats about China, and the arrogant belief in solving conflicts in Asia through military means in her book Friend to Friend (1958). While there is little doubt about Buck’s official US nationality, her cultural belonging of choice – which decisively shaped her lifelong literary writing, in particular the novel The Good Earth (1931) that earned her the Nobel Prize – is inherently multivalent. In The Good Earth, Buck depicts the lives of Chinese peasants and their loyalty to the earth that nurtures humanity and provides all that lives on it with nutrition. In the following pages, I will discuss Buck’s bicultural biography and several aspects of this extremely popular and influential novel and, rather than viewing it as a piece of classic American literature, I will propose re-reading it as a work in the Chinese tradition of literary realism and in the context of the emerging trend of rural realism in the early twentieth century. The purpose of my re-reading of The Good Earth is to highlight less apparent global connections in the tradition of rural nostalgia and to complicate the paradigm of national literature and national history. Indeed, the earth, ruralism, nutrition, and food, as the novel describes, constitute the very foundation of human existence across borders, political camps, language barriers, and cultural differences from antiquity to the present day.