Materielle Kultur
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Warum wurde eine West-Berliner Großsiedlung weit über die Grenzen der Stadt hinaus zum viel zitierten Beispiel einer fehlgeschlagenen Stadtplanung und sozialer Probleme? In den Jahren um 1970 erschien eine beeindruckende Zahl an Zeitungsartikeln, Filmen und wissenschaftlichen Studien, die sich mit dem Märkischen Viertel befassten – einer Großsiedlung, die von 1963 bis 1974 am nördlichen Stadtrand West-Berlins entstand. Der Aufsatz folgt der diskursiven Herstellung des Viertels als urbaner Problemzone. Er zeigt, wie darin eine Desillusionierung über die urbane Moderne zum Ausdruck kam, die eng verknüpft war mit der Sorge um eine neue Schicht von desintegrierten Randständigen. Durch ihre Forschungs-, Sozial- und Medienarbeit wirkten in erster Linie Angehörige eines linksalternativen Milieus, das in West-Berlin besonders aktiv war, auf die mediale Darstellung des Viertels ein. In ihrem Bemühen, gesellschaftliche Missstände aufzudecken, trugen sie unfreiwillig zu der nachhaltigen Abwertung des Quartiers bei. Dessen Image war verbunden mit der Suche nach alternativen Beschreibungen der »Ränder« der Gesellschaft angesichts einer sich auflösenden traditionellen »Arbeiterklasse«.
Michael Thompsons Buch »Mülltheorie« beginnt mit einem sehr unappetitlichen Rätsel zu »Rotz«. Es endet mit der Zusammenfassung einer im Buch Schritt für Schritt entwickelten Theorie, in der es darum geht, »Monster« (wie den »Rotz«) nicht aus der gesellschaftlichen Betrachtung und der wissenschaftlichen Theorie auszuschließen. Müll sei ein solches Monster, das in einem modernen Wissenschaftsverständnis ignoriert werde, da der Wert und die soziale Funktion von Müll mit »Null« gleichgesetzt werde. So beobachtete es Thompson in den 1960er- und 1970er-Jahren, als sein Buch entstand.
Die 1970er Jahre werden in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung zumeist als Bruch- und/oder Transformationsphase wahrgenommen. Vom Ende der Zuversicht ist die Rede, von der großen Ernüchterung, vom Ende einer Art goldenem Zeitalter, den Trente Glorieuses des Wiederauf baus nach 1945. Das ist, alles in allem genommen, nicht falsch, lief doch spätestens in den 1970er Jahren die Phase der Nachkriegsrekonstruktion in Westeuropa aus. Auch gerieten zahl reiche der Institutionen der Nachkriegszeit aus einer Vielzahl von Gründen unter Änderungs- oder Anpassungsdruck. Das gilt für die Währungsordnung ebenso wie für die abgeschottete Welt der Kapital- und Finanzmärkte, von denen zumindest in einem internationalen Sinn zuvor im strengen Sinne nicht die Rede sein konnte. Überdies lief eine technische Ära langsam aus, die zumindest vordergründig das Bild der Zeit des Wirtschaftswunders maßgeblich geprägt hatte: Das fordistische Zeitalter kam an sein Ende und eröffnete damit zugleich eine Phase des intensiven Strukturwandels, in dem die alte proletarische Welt der industriellen Massenarbeit langsam und stetig an Bedeutung verlor.