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Weltweit ist wohl kaum eine Schützenwaffe so verbreitet und hat einen derart legendären Ruf wie „die Kalaschnikow“. Der nach seinem Konstrukteur Michail Timofejewitsch Kalaschnikow benannte Maschinenkarabiner AK-47 (Автомат Калашникова образца 47) bildete den Ausgangspunkt für eine ganze Familie automatischer Infanteriewaffen, die umgangssprachlich als „Kalaschnikow“ bezeichnet werden - seien es sowjetische Originale, Lizenzproduktionen oder illegale Nachbauten aus pakistanischen Dorfschmieden. Die Kalaschnikow ist auch rund 60 Jahre nach ihrer Einführung in die sowjetischen Streitkräfte aus dem weltweiten Gewaltgeschehen nicht wegzudenken. Mit je nach Schätzung insgesamt 50, 70 oder gar über 100 Millionen Exemplaren ist sie längst zum Synonym für Kleinwaffen geworden, mit denen Jahr für Jahr Hunderttausende Menschen getötet werden. In den im Schatten der Atombombe geführten „kleinen“ Kriegen ist die Kalaschnikow somit gleichsam zu einer kumulativen Massenvernichtungswaffe geworden. Ursächlich für ihre weite und andauernde Verbreitung war die Verbindung von einfach gehaltener Konstruktion mit einer relativ guten Schussgenauigkeit und hohen Zuverlässigkeit. Die Kalaschnikow funktioniert unter allen Gefechtsbedingungen, was sie zur bevorzugten Waffe für Kriege in der „Dritten Welt“ macht. Im vorliegenden Beitrag soll ein kurzer Überblick zur Geschichte und symbolischen Aufladung dieser Waffe gegeben werden. Auf den ersten Blick mag es befremden, eine Waffe als zeithistorische „Quelle“ vorzustellen, doch ist damit selbstverständlich keine Verherrlichung militärischer Technik und Gewalt beabsichtigt, sondern gerade ein kritischer Blick auf den militärischen, terroristischen und symbolischen Gebrauch einer Waffe, deren zeitgeschichtliche Bedeutung leider unbestreitbar ist.
„Die Seele im technischen Zeitalter“ war Arnold Gehlens meistverkauftes Buch. Von 1957 bis zu Gehlens Todesjahr 1976 erschienen 15 Auflagen mit insgesamt 106.000 Exemplaren. Die Abhandlung wird seitdem nicht nur zu den „Klassikern der Technikphilosophie“ gezählt, sondern gar zu den „Büchern, die das Jahrhundert bewegten“. Der Verkaufserfolg war dabei sicher auch der Tatsache geschuldet, dass das Buch nach einer ersten und kürzeren, 1949 unter dem späteren Untertitel „Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft“ erschienenen Fassung 1957 mit klangvollerem Obertitel und zusätzlichen Kapiteln in „rowohlts deutsche enzyklopädie“ aufgenommen wurde. Diese von Ernesto Grassi herausgegebene Reihe, in der unter anderem Hans Sedlmayrs „Revolution der modernen Kunst“, Ortega y Gassets „Aufstand der Massen“ und Margret Boveris „Verrat im 20. Jahrhundert“ erschienen waren, war eines der einflussreichsten Publikationsforen der 1950er-Jahre, so dass sich für diese Zeit von einer der späteren „Suhrkamp-Kultur“ vergleichbaren „rde-Kultur“ sprechen lässt.
Die Aktualität der Antiquiertheit. Günther Anders’ Anthropologie des industriellen Zeitalters
(2006)
Der Titel von Günther Anders’ philosophischem Hauptwerk, das vor 50 Jahren erschienen ist, macht es leicht, die historische Distanz, die uns heute von diesem Buch trennt, mit seinem eigenen Begriff zum Ausdruck zu bringen: Die „Antiquiertheit des Menschen“ erscheint heute selbst in vielerlei Hinsicht antiquiert. Anders’ „Gelegenheitsphilosophie“ (S. 8) blieb auf spezifische Weise an die Gelegenheit ihres Entstehens gebunden. Seine Studie „über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution“, so der Untertitel, ist damit zugleich ein Dokument der Zeitgeschichte und der Biographie ihres Autors. Als solches enthält sie aber auch Anregungen für die Zeitgeschichtsforschung, die durchaus noch aktuell sind.
Materielle Kultur
(2020)
Der Mensch lebt, gesellschafts- und zeitgebunden, mit physisch präsenten Objekten innerhalb einer ihn umgebenden materiellen Kultur, die Handeln und Wahrnehmungen, Möglichkeiten und Zwänge, Erinnerung und Zukunftsoptionen beinhaltet. Im folgenden Beitrag werden zunächst grundlegende Definitionen problematisiert, um dann auf die Quellenbestände und die Methodologie der Dinganalyse einzugehen. Nach einem Überblick über die interdisziplinäre Forschung und der Herausarbeitung zentraler Forschungsfelder wird am Beispiel der DDR der Vorschlag gemacht, die Erforschung der materiellen Kultur innerhalb der Zeitgeschichte anhand von drei Problemhorizonten zu stärken.
„Computerspiele einschließlich anderer interaktiver Unterhaltungsmedien (Video-/Konsolen-, Online- und Handyspiele) haben in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Sie sind in Deutschland wirtschaftlich, technologisch, kulturell und gesellschaftlich zu einem wichtigen Einflussfaktor geworden. [...] Computerspiele transportieren gesellschaftliche Abbilder und thematisieren eigene kulturelle Inhalte. Sie werden damit zu einem bedeutenden Bestandteil des kulturellen Lebens unseres Landes und sind prägend für unsere Gesellschaft.“1 Wie der Beschluss des Deutschen Bundestags zur Einrichtung des Deutschen Computerspielpreises zeigt, der seit 2009 jährlich vergeben wird, werden Computerspiele mittlerweile auch von offizieller Seite als ebenso bedeutsam wahrgenommen wie andere, bereits etablierte Kulturgüter. Diese Entwicklung entspricht in ihrer Grundtendenz derjenigen anderer Medien wie Film oder Comic, deren kulturelle Bedeutung ebenfalls erst einige Zeit nach ihrer Erfindung gesellschaftlich anerkannt und staatlich gefördert wurde.
Infrastrukturen
(2020)
Als „Infrastrukturen“ werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts Einrichtungen der Versorgung und Entsorgung, der Kommunikation und des Verkehrs bezeichnet, in einem erweiterten Sinne auch solche, die unsere Gesellschaft ökonomisch, sozial, kulturell oder medial miteinander vernetzen. Dirk van Laak rekapituliert die Konjunktur des Begriffs, geht auf die jüngere Geschichte ein und skizziert abschließend ausgewählte Felder, in denen Infrastrukturen momentan erforscht oder weiter analysiert werden könnten.
Infrastructures
(2021)
Since the middle of the 20th century, the term “infrastructure” has been used to describe facilities for supply and disposal, communication and transport, and in a broader sense also those that interconnect our society economically, socially, culturally or medially. Dirk van Laak recapitulates the current status of the term, looks at its recent history and concludes by outlining selected fields in which infrastructures are currently being researched or could be further analysed.
Taylors Name steht heute – mit dem Begriff „Taylorismus“ – für Arbeitszerlegung und Dequalifizierung. In seinem vielfach nachgedruckten Hauptwerk „The Principles of Scientific Management“ fasste der amerikanische Ingenieur und Rationalisierungsberater Frederick Winslow Taylor (1856–1915) vorhandene heterogene Rationalisierungsvorschläge und -maßnahmen sowie eigene Überlegungen zu einer plakativen Lehre zusammen. An ihr entzündeten sich in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg heftige Auseinandersetzungen um die Organisation der Fabrik und die Gestaltung industrieller Arbeit.
Eine charakteristische Kompaktkamera, ein vertrautes Klick- und Summgeräusch sowie eine quadratische Fotografie mit dickem weißen Rand stehen spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Marke und die originelle Fototechnik „Polaroid“. Mit einem Sofortbild, das in wenigen Sekunden, ohne Dunkelkammer oder Negativentwicklung, auf fast magische Art und Weise vor den Augen des Machers entsteht, hält das Polaroid-Bild den nie wiederkehrenden Augenblick fest und verkörpert Momenthaftigkeit und Schnelllebigkeit wie kein anderes. Die Fototechnik hat sich ihren Platz in der Geschichte erobert und büßte in den letzten Jahrzehnten wohl gerade deshalb bei Profis, Amateuren und Liebhabern kaum an Charme oder Beliebtheit ein. Für die Ausstellung „Das Polaroid Projekt“ stellte die C|O Berlin Foundation aus den weltweiten Beständen der „Polaroid Collection“ in Cambridge (USA) und Amsterdam rund 250 Polaroid-Bilder neu zusammen. Diese künstlerischen Werke werden durch Kameramodelle, Prototypen und allerhand Ausstellungsstücke ergänzt, sodass sowohl die bedeutende Technik als auch das Phänomen „Polaroid“ umfangreich beleuchtet werden.
In beiden deutschen Teilstaaten gehörten die Rentenversicherungen zu den ersten Nutzern von Computern. Bereits seit Mitte der 1950er Jahre berechneten diese die Altersruhegelder im Westen, zehn Jahre später auch in der DDR. Die digitale Datenverarbeitung versprach große Rationalisierungs- und Beschleunigungseffekte. Gleichwohl führten die verschiedenen Staats- und Versicherungsformen zu einer unterschiedlichen Nutzung von Computern.
Die Studie von Thomas Kasper zeigt, unter welchen Bedingungen sich die elektronische Datenverarbeitung in der Sozialverwaltung durchsetzen konnte. Sie verdeutlicht, welchen bisher unbekannten Einfluss sie auf sozialpolitische Entscheidungen sowie auf die Arbeitsverhältnisse und den Datenschutz in beiden deutschen Teilstaaten hatte. Nach der Wiedervereinigung ließ nur die gemeinsame Nutzung der vorhandenen digitalen Strukturen die Zusammenführung beider Sozialsysteme gelingen.
Inwiefern können Bilder aus polizeilichen Überwachungskameras als „Quellen“ zeithistorischer Forschung verstanden und genutzt werden? Und was steht einem solchen Verständnis entgegen? Einerseits liegt mit den Bildern aus Überwachungskameras, als Instrumenten der Beobachtung und der Dokumentation des Miteinanders im öffentlichen Raum, ein materialreicher Fundus aktueller Daten und Aussagen der Gesellschaft vor. Andererseits ist dieses Archiv unserer Gegenwart für Sozialwissenschaftler und Historiker weitgehend unzugänglich, da die Aufnahmen aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes strengen Regeln unterliegen. Sofern es sich um Kameras im öffentlichen Raum handelt, sind die Bilder für andere als polizeiliche Zwecke nicht verwertbar (oder nur in stark eingeschränkter Weise). Kurz und überspitzend formuliert: Die Gesellschaft bildet sich in all ihren Äußerungen ab, nur um die meisten dieser Bilder sofort und ungesehen wegzusperren – ein Umstand, der im Übrigen in auffälligem Kontrast zu unserer sonstigen visuellen Kultur steht, die darauf angelegt ist, Bilder, auch privat hergestellte, möglichst breit zirkulieren zu lassen. Im Folgenden soll die Geschichte polizeilicher Videoüberwachung in Großbritannien skizziert werden, verbunden mit einigen allgemeineren Thesen zu Überwachungsbildern am Ende des Beitrags.
Seit dem Ende der 1960er-Jahre lieferte der für seine Sofortbildkameras und -filme bekannte US-amerikanische Fotografiehersteller Polaroid Apparate nach Südafrika, die zur effizienten Erstellung von Ausweisdokumenten für die schwarze Bevölkerung dienen konnten. Besonders in der Firmenzentrale in Massachusetts löste dies den Protest schwarzer Mitarbeiter/innen aus (Polaroid Revolutionary Workers Movement, PRWM). Die Fallstudie untersucht einige Pamphlete und Flugblätter, die sich elaborierter Manipulationen von Fotografien und einer aufrüttelnden Bildsprache bedienten. Die Bewegung setzte das Medium Fotografie gegen den Sofortbildhersteller ein, um diesen mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Der Streit um den US-amerikanischen Handel mit Südafrika gelangte bis ins Repräsentantenhaus. Die Darstellung der Bild- und Konfliktgeschichte ermöglicht es zugleich, einen breiteren Blick auf die Genese und die konkrete historische Situation der ausweisbasierten Kontrollmechanismen im Apartheidstaat Südafrika zu richten. Der tatsächliche Einsatz der Polaroid-Technik für Überwachungszwecke lässt sich nicht eindeutig ermitteln, und der Protest hatte insofern Erfolg, als das Unternehmen seine Lieferungen nach Südafrika Ende der 1970er-Jahre stoppte.
‘Silenced Power’. Warfare Technology and the Changing Role of Sounds in Twentieth-Century Europe
(2011)
How did the technological ability to manipulate the sounds of weapons affect warfare in Europe during the twentieth century? The article first observes the role of warfare sounds in Europe prior to the First World War. The focus here is on the connection between the large-scale use of artillery and rapid-fire technologies and the development of sonic perceptions of ‘sounded power’ during the late nineteenth century. The second part discusses the introduction of ‘soundless weapons’ during the First World War. The horror of ‘silenced power’ as a force undermining the long-term tradition of ‘sounded power’ on the battlefield is exemplified by the case of gas warfare in the First World War and its long-term influence in Germany during the Weimar Republic and National Socialism. The paper points to existing gaps in research regarding the role of sound and silence on the battlefield, and further argues that although the notion of ‘silenced power’ was more prevalent in the first half of the twentieth century its potential horror could not be ignored after 1945.
Die geschichts- und politikwissenschaftliche wie auch die soziologische Diskussion zur typologischen Bestimmung des SED-Regimes hat dessen diktatorischen Charakter deutlicher und zugleich differenzierter hervortreten lassen. Eher am Rande wurde dabei nach technokratischen Komponenten im sozialistischen Herrschaftssystem gefragt, wenngleich die einschlägige Literatur eine ganze Reihe von Hinweisen auf ein Technokratieproblem in der DDR enthält. Im allgemeinen scheint Technokratie aber als ein peripheres Phänomen wahrgenommen worden zu sein. Indes spricht manches für die Relevanz technokratischer Einflüsse in der Geschichte der DDR. Im Aufstieg und Niedergang der Macht- und Funktionseliten sind technokratische Szenarien zu erkennen, deren zentraler Bezugspunkt in der Zentralverwaltungswirtschaft lag. Doch strahlten die Wirkungen technokratischen Handelns offenbar weit in andere Bereiche des täglichen Lebens aus. Um zu erfahren, auf welche Weise und warum sich technokratische Potentiale anreicherten und wie sie wirkten, ist es nötig, die historischen Bedingungen für Technokratie in der DDR zu bestimmen. Das setzt voraus, die technokratischen Spielräume der SED-Diktatur auszuleuchten, den Umgang der Macht- und Funktionseliten mit technokratischen Konzepten und Praktiken aus den Quellen zu rekonstruieren und den spezifischen Phänotyp des Technokraten in der Gesellschaft der DDR zu lokalisieren.
In den 1970er-Jahren wurde Resilienz zu einem Begriff für die Fähigkeit eines Systems, flexibel auf Stress zu reagieren. Statt nach einer Störung dem linearen Ideal der Erholung zu folgen, sollte sich das resiliente System neu organisieren. Die Konzepte Stress und Resilienz stammen aus der Materialforschung des 19. Jahrhunderts; im 20. Jahrhundert wanderten sie in die Psychologie und in die Ökologie. Der Beitrag skizziert die Entstehung des Ideals multistabiler Systeme, die auch unberechenbare, diskontinuierliche Veränderungen bewältigen sollten. Entlang der Geschichte der Bruchmechanik des 19. Jahrhunderts, der Traumaforschung der 1950er-Jahre sowie der Stressökologie der 1970er-Jahre wird gezeigt, wie sich Stress und Resilienz zu Systembegriffen ausweiteten, die so unterschiedliche Größen wie die menschliche Persönlichkeit und die irdische Umwelt erfassten. Diskutiert wird insbesondere die Vorstellung des antizipierten Versagens. Ob Mensch, Technik oder Umwelt – das einkalkulierte Systemversagen wurde zur Bedingung für die Selbstoptimierung des Systems, das aus Krisen und Katastrophen gestärkt hervorgehen sollte. Der Kollaps wurde nicht mehr als ein das moderne Selbstverständnis unterlaufendes Problem gedeutet, sondern als der Motor der Evolution.
Computerliebe. Die Anfänge der elektronischen Partnervermittlung in den USA und in Westeuropa
(2020)
Lange vor der Ära des Online-Datings begannen Heiratsagenturen und Partnerschaftsvermittlungen in den USA und in Europa den Computer einzusetzen, um die Märkte der »einsamen Herzen« zu erobern. Der Beitrag untersucht die Geschichte dieser elektronischen Kontaktvermittlung zwischen den 1950er- und den 1980er-Jahren. Wie änderten sich Vorstellungen von Liebe, Partnerschaft und Ehe im Zeitalter der »technokratischen Hochmoderne«? Und welche Rolle spielte der Computer dabei als »Elektronen-Amor« und »Matchmaking Machine«? Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg avancierte der Rechner zum »wissenschaftlichen« Werkzeug einer Optimierung des Privaten. Dabei reflektierte die Geschichte der elektronischen Partnervermittlung – von der »Eheanbahnung« bis zum »Single-Dating« – einen tiefgreifenden soziokulturellen Wandel. Allerdings gab es zugleich eine erstaunliche Persistenz tradierter Werte und Muster des Kennenlernens. So eröffnete das Computer-Dating einerseits gerade für Frauen neue Wege der Partnerwahl. Andererseits (re)produzierte es soziale, ökonomische, religiöse und kulturelle Trennlinien der Gesellschaft. Die »Algorithmen der Liebe« suchten vornehmlich nach Übereinstimmungen; sie schrieben dabei konventionelle Geschlechterbilder und soziale Rollenzuweisungen fort.
Informations- und Kommunikationstechnologien durchdringen gegenwärtig alle Lebensbereiche. Dabei haben sich mit dem Anbruch des digitalen Zeitalters auch die Vorstellungen von Öffentlichkeit, Privatsphäre und Partizipation stark gewandelt. Techniken des „e-Governments“ steuern politische und soziale Prozesse. Computer regulieren den globalen Finanzmarktkapitalismus, berechnen (und manipulieren) Wahlergebnisse, lenken globale Kommunikationsströme, optimieren industrielle Produktions- und logistische Vertriebsprozesse und speichern überdies das Wissen von Verkehrsbetrieben, Krankenhäusern, Polizeibehörden und Geheimdiensten. Mit dieser Form der „Verdatung der Welt“ sind in den letzten Dekaden neue Wissensräume entstanden. Computer, Suchmaschinen und Datenbanken ordnen unsere moderne Welt.[1] Sie regeln den öffentlichen Raum und stecken zugleich die Sphäre des Privaten ab.
Die Automatisierung der industriellen Produktion hat innerhalb der Geschichtswissenschaften bislang erstaunlich wenig Aufmerksamkeit gefunden. An einem Fallbeispiel, der Halle 54 bei Volkswagen in Wolfsburg, widmet sich der Aufsatz den Grenzen der (Voll-)Automatisierung, wie sie in den 1980er-Jahren sichtbar wurden. Die Halle 54, eröffnet 1983, wurde zeitgenössisch als »Modell des technischen Fortschritts« bezeichnet. Hier hatte VW in einem weltweit beachteten Versuch die komplizierte Endmontage zu 25 Prozent automatisiert. Die anfangs gefeierten Roboter erwiesen sich jedoch schnell als fehlerhaft. Der Beitrag analysiert insbesondere das Mensch-Maschine-Verhältnis und dessen damalige Bewertung. Das Fallbeispiel verdeutlicht zum einen die aufgeregten Diskurse der 1980er-Jahre um eine scheinbare Wiederentdeckung menschlicher Überlegenheit gegenüber der Maschine; zum anderen zeigt es die Grenzen der Vollautomatisierung in der Endmontage, die bis heute als zu schwierig für Roboter gilt. Gleichwohl führten diese Erfahrungen nicht zu einer prinzipiellen Abkehr von der Automatisierung, sondern vielmehr zu einer »angepassten Automatisierung«.