Kalter Krieg
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Nach 1989 dauerte es einige Jahre, bis diese beiden in Geschichte- wie in den benachbarten Gesellschaftswissenschaften angesiedelten Paradigmen zu einem konstruktiven Verhältnis wechselseitiger Ergänzung fanden. Davon profitieren nun auch die neuen Ansätze zur Erforschung der Geschichte des Kalten Krieges. Die hier vorgelegte Sammlung von Aufsätzen ist im Umfeld eines Forschungsprojektes entstanden, das Teil dieser Konjunktur ist und am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam seit 2001 das Verhältnis von Massenmedien und Kaltem Krieg bearbeitet. Es handelt sich um Zwischenergebnisse aus individuellen Einzelforschungen. Arbeiten zu weiteren Untersuchungsgegenständen, deren Ergebnisse in einem weiteren, umfangreicheren Band zur Kulturgeschichte des Kalten Krieges in Europa zusammengefasst werden, dauern noch an. Die folgenden Thesen zur gesellschafts- wie mediengeschichtlichen Interpretation des Kalten Krieges halten gleichwohl in aller Vorläufigkeit und Kürze einige Grundannahmen wie auch erste allgemeine Befunde der gemeinsamen Projektarbeit fest.
Der Kalte Krieg war konstitutiv für die Mentalität der frühen Bundesrepublik Deutschland. In den 1950er Jahren war die innere Entwicklung Westdeutschlands - politische Konsolidierung, gesellschaftliche Stabilisierung, ideelle Institutionalisierung etc. — untrennbar verbunden mit den spezifischen Bedingungen und Vorgaben der Systemauseinandersetzung zwischen Ost und West. Dies bezog sich etwa auf das zunächst noch überlebensnotwendige Interesse der USA an dem ehemaligen Feindstaat einschließlich massiver ökonomischer, außenpolitischer und sozialpsychologischer Unterstützung der neuen westdeutschen Eliten, was in einer (relativ) bedingungslosen Westintegration mitsamt einem auf der „Politik der Stärke“ fußenden System der militärisch-strategischen Einbindung umgesetzt wurde. Die Vorstrukturierung der außen- wie innenpolitischen Optionen durch die bipolare Weltordnung schloss daneben Zurückwendungen in die Taktiken der Vorkriegsdiplomatie, aber auch alle politischen Experimente im Sinne eines „Dritten Weges“ aus. Schließlich konnten durch die fundamentale Ablehnung des sowjetisch dominierten Diktatursystems auch erste, wenngleich nur provisorische Grenzen zum NS-System gezogen werden; diese - theoretisch mit Totalitarismuskonzepten unterfütterten - Demarkationen ermöglichten den demokratischen Institutionen zunächst relativ sichere, wenngleich nur bescheidene und eindimensionale Entwicklungsspielräume.
Das Bild des Siegers im Land der Besiegten: Der sowjetische Kriegsfilm in SBZ und DDR, 1945 - 1965
(2006)
Die vorliegende Abhandlung behandelt "die Frage, wie ausgewählte Spielfilmproduktionen aus der Sowjetunion in der DDR auf offizieller Ebene rezipiert und dem ostdeutschen Publikum im Rahmen offizieller Filmagitation und -propaganda zugänglich gemacht wurden. Zur Dokumentation offizieller Rezeptionsstrategien werden neben den betreffenden Zulassungsunterlagen der Hauptverwaltung (HV) Film im Ministerium für Kultur insbesondere publizierte Quellen wie Zeitungs- und Zeitschriftenliteratur herangezogen: Wie sollten der Bevölkerung der DDR sowjetische Kriegsfilme näher gebracht werden? Nach welchen Kriterien wurden Filme als „bedeutend“, „sensationell“ etc. bewertet? Wie wurden Filme in den zeitgenössischen politischen Kontext eingeordnet? Wie wurde vor dem Hintergrund der Filme das jeweils aktuelle Verhältnis zu den „sozialistischen Bruderländern“ (insbesondere der Sowjetunion) bzw. zu den „verfeindeten“ NATO-Staaten (insbesondere der Bundesrepublik Deutschland) interpretiert? Wie wurde im Umfeld der offiziellen Filmrezeption in der DDR der Zweite Weltkrieg und seine Geschehnisse aufgearbeitet bzw. nicht aufgearbeitet?"
"Hütet euch vor falschen Propheten!" Hörfunkkommentare der katholischen Kirche aus Berlin 1950-1962
(2006)
Von der SED als das „trojanische Pferd der Imperialisten“ gefürchtet, nahm die Medienarbeit des Bistums Berlin im Kalten Krieg an der Schnittstelle von Politik und Religion eine besondere Stellung ein. Kirchenpolitisch von außerordentlicher Bedeutung, umfasste das Bistum neben der gesamten Stadt Berlin auch die Mark Brandenburg sowie Teile Vor- und Hinterpommems und befand sich direkt an der „Nahtstelle der Systeme“. Dadurch avancierte das Ordinariat rasch zum Zentrum der katholischen antikommunistischen Medienarbeit in Westberlin. Der Aufbau eines internen und externen katholischen Kommunikationssystems, das sich auch auf die modernen Massenmedien stützte, lag nach 1945 in den Händen von Prälat Walter Adolph. Virtuos setzte er Presse, Hörfunk und Film im „Glaubenskrieg“ zwischen „bolschewistischem Totalitarismus“ und „christlicher Weltordnung“ ein. Adolph war sicherlich kein intellektueller, originärer Vordenker; seine Aufgabe war die mediale Vermittlung katholischer Vorstellungen an religiös orientierte Öffentlichkeiten in beiden deutschen Staaten. Der von Aktion und Reaktion bestimmte „Kalte Medienkrieg“ in Ost und West soll hier von der spezifischen Situation im „Bistum an Gottes Front“ genauer beleuchtet werden.
Die amerikanische Aggression in Vietnam ist in Europa und Nordamerika als „der Vietnamkrieg" bekannt. Sinnvoller wäre es aber, den Konflikt im Kontext von nationalen Befreiungskriegen als „Indochinakonflikt" zu bezeichnen. Es handelte sich um mehrere Kriege, die miteinander verwoben sowie durch lokale, metropolitane und internationale Faktoren geprägt waren. Der Indochinakonflikt verdeutlicht die Handlungsautonomie von Klientelsystemen im Kalten Krieg; er verweist auf die ideologische und machtpolitische Fragmentierung des so genannten kommunistischen Blocks. Unterhalb der Ebene der globalen Auseinandersetzung war das System des Kalten Krieges multipolar konfiguriert.
Von den Toten der Berliner Mauer nimmt Peter Fechter (1944-1962) im kollektiven Gedächtnis einen herausgehobenen Rang ein. Schon unmittelbar nach seiner gescheiterten Flucht wurde in der Berliner Zimmerstraße nahe dem ehemaligen Checkpoint Charlie ein Denkmal in der Form eines Holzkreuzes errichtet, das man am 13. August 1999 durch eine Stahlstele ersetzte. Jährlich legten und legen Delegationen Kränze am Denkmal nieder. Fernsehdokumentationen informierten 1997 aus Anlass des Prozesses gegen die Mauerschützen. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt Peter Fechter deswegen für viele als der erste Tote an der Berliner Mauer überhaupt.
In allen Phasen und annähernd allen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen der DDR haben die Stiefel der bewaffneten Organe mehr oder minder tiefe Spuren hinterlassen. Wer die DDR in ihrer Komplexität begreifen will, kommt am Faktor Militär nicht vorbei. Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens lassen sich die militär- und sicherheitsrelevanten Fragen in der DDR nur unter einem sehr weit gefassten Sicherheitsbegriff analysieren. Dabei müssen die exogenen Faktoren (Lage der DDR an der Nahtstelle des Kalten Krieges, Bedrohungsbild, Bündnisverpflichtungen im Warschauer Vertrag, Schutz der Landesgrenze) stets im Zusammenhang mit den inneren Wirkungskräften gesehen werden, vor allem mit der Herrschaftssicherung des SED-Regimes. Der äußere und innere Kreis sind oft nicht voneinander zu trennen; sie bildeten die Grundlage für ein engmaschiges Netz militärischer und paramilitärischer Strukturen. Zweitens war der Mobilisierungsgrad der Gesellschaft eine bedeutsame Größe. Etwa 400.000 hauptamtliche Mitarbeiter arbeiteten in den bewaffneten Organen der Nationalen Volksarmee (einschließlich Grenztruppen), der Deutschen Volkspolizei, der Transportpolizei, der Zollverwaltung, des Luftschutzes und der Zivilverteidigung, der Kampfgruppen der Arbeiterklasse, der Gesellschaft für Sport und Technik und natürlich des Ministeriums für Staatssicherheit. Jeder zehnte Erwerbstätige wurde in das so genannte „System der Landesverteidigung“ institutionell eingebunden. Gemessen an der Einwohnerzahl gehörte die DDR damit zu den militärisch am stärksten mobilisierten und letztlich auch militarisierten Gesellschaften im Kalten Krieg. Die ideologische Durchdringung reichte von der Leitidee der „Sozialistischen Wehrerziehung“ in Kindergarten, Schule, Berufsausbildung und Universität über die gesteuerte Präsenz in den Medien bis zur historischen Instrumentalisierung des „Antifaschistischen Kampfes“ und der „Befreiung durch die Sowjetarmee“. Qualität und Quantität dieser Vernetzung sind in der deutschen Militärgeschichte einzigartig. Sie machen die DDR zu einem ausgesprochen interessanten, aber auch methodisch schwer zu fassenden Gegenstand der militärhistorischen Forschung.
Gleich nach dem Erscheinen im August 1977 erntete das Buch von damaligen Stars der linksintellektuellen Szene wie Herbert Marcuse oder Ernest Mandel allerhöchstes Lob. Marcuse stellte fest, das Werk des bis zum Zeitpunkt seiner Verhaftung durch die Staatsorgane der DDR nur Insidern bekannten Autors Rudolf Bahro sei „der wichtigste Beitrag zur marxistischen Theorie und Praxis, der in den letzten Jahrzehnten erschienen ist“. Mandel, der führende Denker der trotzkistischen Vierten Internationale, bezeugte, Bahro sei ein „wirklicher Kommunist“ und „Revolutionär“. Keinen Gefallen an Bahros Werk fanden hingegen jene Theoriearbeiter, die dem „real existierenden Sozialismus“ nahe standen. So erklärte beispielsweise der Marburger Politologe Wolfgang Abendroth, Bahro verliere sich „in gelegentlich zutreffender, aber häufig verzerrter und übersteigerter Kritik der sozialistischen Länder“. Ihm hielt der Theologe Helmut Gollwitzer entgegen, Abendroth beschränke sich in seiner Auseinandersetzung mit Bahro auf eine Rechtfertigung des Sowjetsystems und übersehe die Herausforderung der „Alternative“ für die marxistische Theoriebildung: „Die kommunistische Zielsetzung wird hier endlich einmal wieder ernst genommen, wird aus dem Himmel der Ideale heruntergeholt in ‚konkrete Denkbarkeit‘; den schon erreichten Verhältnissen wird die Melodie ihrer Möglichkeiten vorgesungen, und diese wird zum Kriterium der Kritik - zu einem Kriterium, dem keiner sich entziehen kann, dem es um das Ziel des Sozialismus noch ernst ist.“
Kolonialkrieg, Globalstrategie und Kalter Krieg. Die Emergencies in Malaya und Kenya 1948–1960
(2005)
Kein Staat der Welt hat während des Kalten Krieges öfter Krieg geführt als Großbritannien. Obwohl das Königreich ein Hauptakteur des Ost-West-Konfliktes und die größte Kolonialmacht der Erde war, erklären sich diese „heißen Kriege" im Kalten Krieg weder aus der Blockkonfrontation noch aus der Logik eines kolonialen Freiheitskampfes wirklich hinreichend. Man kann diese Kriege nur verstehen, wenn man sie als Resultate einer auf die Weltmachtrolle und das Selbstverständnis als Imperialmacht zentrierten Kollektivmentalität in den politischen und militärischen Eliten des Mutterlandes begreift. Die „heißen Kriege" waren in erster Linie ein Ausfluss globalstrategischen Sicherheitsdenkens. Der Artikel zeigt dies am Beispiel der Emergencies (Ausnahmezustände) in Malaya und Kenya, die für die strategische Verteidigung der Indikregion bedeutsam waren.
Der Aufsatz skizziert Migrationen aus der Volksrepublik Polen (1949–1989). Besonders berücksichtigt werden dabei die Politik der Ausreiseverhinderung seit den späten 1940er-Jahren und die Errichtung eines Grenzkontrollsystems nach sowjetischem Vorbild, die neuen Möglichkeiten für Migrationen im Jahr 1956 und danach, die relative Öffnung zum Westen in den 1970er-Jahren und die Erosion der restriktiven Ausreisepolitik in den 1980er-Jahren, die schließlich zum Exodus von 1987–1989 führte. Der Beitrag nennt wichtige Faktoren der Migrationsentwicklung: die Muster und Institutionen der „Passpolitik“ (die mit der generellen Entwicklung des Herrschaftssystems verbunden war), die Dynamik von Migrantennetzwerken, relative Deprivation und Entfremdung von „Volkspolen“, Druck von außen und Schattenwirtschaft.