Public History
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Destination Vergangenheit. David Lowenthals Panorama geschichtskultureller Aneignungen (1985/2015)
(2021)
»The Past is a Foreign Country« ist ein Zentralmassiv der Heritage Studies, der Cultural and Historical Geography und der Public History. Das 1985 erschienene Buch nimmt populäre Zugänge und Formen der Bewahrung und Repräsentation der Vergangenheit in den Blick; dabei spannt es den Bogen von der Gegenwart bis zurück in die Renaissance. Lowenthal zitiert mit seinem Titel den britischen Schriftsteller Leslie Poles (L.P.) Hartley (1895–1972), der seinen Roman »The Go-Between« (1953) mit den Worten begann: »The past is a foreign country; they do things differently there.« Schon die Umschlagbilder legen eine Reise in ferne Vergangenheiten nahe und wecken zugleich den mit dem (Geschichts-)Tourismus verbundenen Exotismus, der aus dem Fremden ebenso wie aus dem Vergangenen das unberührt-unverfälscht Natürliche und Authentische macht. Die Destinationen, die Lowenthal bei seiner Reise in vergangene Geschichtskulturen aufsuchte, lagen vor allem im Vereinigten Königreich, in Nordamerika und im westlichen Europa. Das Buch durchzieht die These, dass alle populären Versuche, die Vergangenheit möglichst authentisch zu bewahren, zu rekonstruieren, darzustellen oder wahrzunehmen, auf die eine oder andere Weise zum Scheitern verurteilt sind, dass sich aber gerade aus der Formbarkeit der Vergangenheit ihre identitätsbildende Kraft erschließt.
Zeitgeschichte selbst kann man genauso wenig „ausstellen“ wie Geschichte an sich; Museen und Ausstellungen können nur bestimmte historische Artefakte präsentieren und tragen dadurch zur (Re-)Konstruktion von „Geschichte“ bei. Eine Debatte über die Kriterien der Sammlung und Präsentation, wie sie hier angeregt wird, ist dabei zugleich eine über das heutige Museum bzw. die moderne kulturhistorische Ausstellung. Das Museum ist nicht mehr allein die alte „Wunderkammer“, baut aber in seinen Sammlungen historisch und systematisch immer noch auf diesem Prinzip auf. Hinzugetreten ist seit dem 19. Jahrhundert ein zunehmend historisch und an nationalen Konstruktionen orientiertes Präsentations- und Deutungsmuster der Ausstellungen, das eng verknüpft ist mit der Professionalisierung der Ausstellungsmacher. Darüber hinaus sind Museen neuerdings „Informations- und Dienstleistungszentren“ geworden, die die Rekonstruktion von Geschichtsfragmenten mittels Objektarrangements und Textinformationen inszenieren.
Für den „Kalten Krieg“ gibt es eine Vielzahl von Definitionen und historiographischen Zugängen. In der Regel ist die Epoche zwischen 1947 und 1989/91 gemeint, wobei die Zeit ab 1917 als Vorspann oder auch die Transformationsphase nach 1991 mitunter in die Betrachtung einbezogen werden. Der Kalte Krieg wird häufig als ein „Weltanschauungskrieg“ charakterisiert, der durch die Bipolarität der Supermächte und ihrer jeweiligen politischen Allianzen, die atomare Aufrüstung und den stets angedrohten, aber in Europa nie offen ausgetragenen militärischen Konflikt gekennzeichnet war, während gleichzeitig Stellvertreterkriege in der so genannten Dritten Welt entfacht wurden. Die Zeit des Kalten Krieges bzw. des Ost-West-Konflikts und der Teilung Europas ist inzwischen gut erforscht, wegen des wachsenden Zeitabstands in der breiteren Öffentlichkeit aber nicht mehr allgemein präsent. Deshalb hat eine international zusammengesetzte Gruppe von Politikern und Wissenschaftlern im Juni 2008 den Aufruf zur Gründung eines „Museums des Kalten Krieges - Teilung und Befreiung Europas“ formuliert, das am ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie eingerichtet werden soll. Auch unabhängig von der Frage, ob dieser Plan letztlich Erfolg haben wird, ist eine Debatte lohnend, wie sich die Epoche des Kalten Krieges museal präsentieren und verständlich machen lässt.