Rundfunk
Radiophone Stimminszenierungen im Nationalsozialismus. Eine medienwissenschaftliche Perspektive
(2011)
Walter Benjamin zufolge hat das mediale Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit von Stimmen und Klängen die Tradierung des Wissens aus ihrem Jahrtausende alten Kreislauf mündlicher Erzählung gelöst, die „Geschichten dem Gedächtnis nachhaltiger anempfiehlt“, als es deren mediale Wiedergabe vermag. Je fesselnder die Erzählsituation von Geschichten ist, „desto größer wird ihre Anwartschaft auf einen Platz im Gedächtnis des Hörenden, desto vollkommener bilden sie sich seiner eigenen Erfahrung an, desto lieber wird er sie schließlich eines näheren oder ferneren Tages weitererzählen. Dieser Assimilationsprozeß“, so fährt Benjamin fort, „bedarf eines Zustandes der Entspannung, der seltener und seltener wird. Wenn der Schlaf der Höhepunkt der körperlichen Entspannung ist, so die Langeweile der geistigen. Die Langeweile ist der Traumvogel, der das Ei der Erfahrung ausbrütet. Das Rascheln im Blätterwalde vertreibt ihn. Seine Nester – die Tätigkeiten, die sich innig mit der Langeweile verbinden – sind in den Städten schon ausgestorben, verfallen auch auf dem Lande. Damit verliert sich die Gabe des Lauschens, und es verschwindet die Gemeinschaft der Lauschenden. Geschichten erzählen, ist ja immer die Kunst, sie weiter zu erzählen, und die verliert sich, wenn die Geschichten nicht mehr behalten werden.“
Für eine Klanggeschichte des 20. Jahrhunderts gibt es innerhalb der Geschichtswissenschaft bisher noch kein ausgefeiltes theoretisches und methodisches Arsenal. Um ein solches zu entwickeln, lohnt sich daher ein Blick in diejenigen Nachbardisziplinen, die in der Analyse von Klängen und auditiver Wahrnehmung geübter sind. Dazu zählt in erster Linie die Musikwissenschaft, die es stets mit gestalteten Klängen (oder gestalteter Stille) zu tun hat und sich schon länger auch mit musikalischen Aufführungspraktiken und Aneignungsformen beschäftigt. Daneben entwickelte vor allen Dingen die Medienwissenschaft in der Auseinandersetzung mit akustischen und audiovisuellen Medien eigene Herangehensweisen an Klangphänomene, wobei besonders die Film Studies und die Radio Studies federführend waren. Schließlich beschäftigt sich auch die Soziologie seit Georg Simmel und Theodor W. Adorno – der nicht nur Soziologe und Philosoph war, sondern auch Musikwissenschaftler und Komponist – im Rahmen einer allgemeinen Soziologie der Sinne mit der gesellschaftlichen Funktion und Prägung des Hörens.
Wie verändern sich die Objekte der Geschichtsschreibung, also die Gegenwart und die jüngere Vergangenheit, durch die Medien? Wie verändert sich die Geschichtsschreibung selbst durch die Medien? Was bedeutet die in Forschung und Öffentlichkeit verbreitete Rede von der ‚Mediengesellschaft‘ aus historischer Perspektive eigentlich genau? Der Aufsatz unterscheidet zunächst einige Prozesse der ‚Medialisierung‘, geht damit verbundenen Strukturverschiebungen nach und betrachtet insbesondere Veränderungen von Öffentlichkeiten. Dabei wird dafür plädiert, die Ambivalenz der Entwicklungen anzuerkennen und nicht vorschnell Paradigmenwechsel zu behaupten. Zudem werden einige Leitlinien formuliert, was eine Medialisierung der Zeitgeschichtsschreibung bedeuten könnte. Hier gilt es, neue Wege zu beschreiten und neue Ziele zu setzen, die der Ära der Audiovisualität gerecht werden.
Seit den 1960er-Jahren wurden für die Migranten in der Bundesrepublik Radiosendungen und Zeitschriften in ihrer jeweiligen Nationalsprache produziert. Die Entwicklung dieser Medien wurde von weitgreifenden Konflikten geprägt, die sich im Kontext internationaler Auseinandersetzungen um die politische Beeinflussung der so genannten „Gastarbeiter“ entfalteten. Zum einen stand die Gründung und Finanzierung von „Gastarbeitersendungen“ bzw. „Gastarbeiterzeitschriften“ im Rahmen des Kalten Krieges: Die Medien sollten die Zuwanderer vom (befürchteten) Konsum fremdsprachiger Auslandsprogramme abhalten, welche die Ostblockstaaten zu propagandistischen Zwecken ausstrahlten. Zum anderen konnten die meist autoritären Heimatregierungen der Migranten die Kritik nicht dulden, die in den „Gastarbeitersendungen“ zum Ausdruck gebracht wurde. Daraus entwickelten sich schwerwiegende diplomatische und innerdeutsche Spannungen. Trotz aller politischen Schwierigkeiten orientierten sich die Programme inhaltlich vor allem an den sozialen Bedürfnissen der Migranten.
Das Beschreibungs- und Erklärungsmodell der „neuen Kriege“, wie es vor allem der Politologe Herfried Münkler entwickelt und publizistisch äußerst wirkungsvoll vertreten hat, kommt ohne die Berücksichtigung der medialen Faktoren nicht mehr aus. An wesentlichen Stellen seiner scharfsinnigen historischen Phänomenologie des Krieges, die gerade durch die Konfrontation der Aktualität mit den Erscheinungsformen der vormodernen Kriege des 16. und 17. Jahrhunderts ihre besondere Prägnanz gewinnt, wird immer wieder auf die gewandelte Rolle des Fernsehens verwiesen. In den kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten beiden Jahrzehnte werde der Kampf mit Waffen „zunehmend durch den Kampf mit Bildern konterkariert“. TV-Kamerateams seien für die Kriegsparteien inzwischen ein beliebig handhabbares Instrument der Aufmerksamkeitssteuerung, ja die durch Fernsehbilder erst hergestellte „Weltöffentlichkeit“ sei zur „Ressource“ des Krieges geworden. Münklers Argumentation kulminiert dann in der These, die „Verwandlung der Berichterstattung über den Krieg in ein Mittel seiner Führung“ bedeute den „wahrscheinlich größte[n] Schritt bei der Asymmetrisierung des Krieges“. Ein Hauptbefund der Studie, die Ablösung der staatlich monopolisierten Kriege durch radikal asymmetrische Formen der Auseinandersetzung, wird also am Medium Fernsehen festgemacht - alles deutet darauf hin, dass Münklers Konzept der „neuen Kriege“ eine umfassende Theorie ihrer medialen Repräsentation quasi mitformuliert. Doch dieser Eindruck täuscht. Die medialen Spiegelungen der kriegerischen Ereignisse und vor allem der audiovisuelle Diskurs des Fernsehens werden nur am Rande beachtet; Münkler belässt es bei Anmerkungen und Anfügungen. Nur eingestreut wird der Hinweis, man dürfe den „wachsenden Einfluss der Medien auf die politischen Entscheidungsabläufe“ nicht unterschätzen. Dabei bietet Münklers Konzept der „neuen Kriege“ eigentlich alle Voraussetzungen, um eine solche Beiläufigkeit zu überschreiten, denn optisch-visuelle Begriffe fungieren als Grundkategorien: „Erscheinungsformen“ und „Erscheinungsweisen“ der „neuen“ Realitätsformationen sollen aufgezeigt werden. Alles kreist um die Problematik der Sichtbarkeit; eine unübersichtliche „Gemengelage“ wird als das hervorstechendste Charakteristikum der aktuellen Kriege kenntlich gemacht.
Programmzeitschriften stellen eine vielseitige Quelle für die Gesellschafts- und Kulturgeschichte dar. Die Rundfunk- und Familienzeitschrift „HÖR ZU“ steht für den wohl legendärsten ökonomischen Erfolg einer illustrierten Zeitschrift in der Bundesrepublik Deutschland. In den 1960er-Jahren wurde die Programmzeitschrift bei einer Auflage von mehr als vier Millionen Exemplaren bei einer wesentlich höheren Nutzungsrate von jedem dritten Bundesbürger gelesen. Der Beitrag zeigt, wie „HÖR ZU“ das Reformklima in der Bundesrepublik von Mitte der 1960er- bis Mitte der 1970er-Jahre medial verarbeitete. Nach einer Betrachtung der Vorgeschichte und der innerredaktionellen Veränderung des Blattes unter dem Chefredakteur Hans Bluhm steht die Be-richterstattung über Fernsehstars und -prominente im Mittelpunkt. Dabei wird untersucht, welche neuen Wert- und Denkmuster im Bereich von Ehe, Familie und privater Lebensführung postuliert wurden.