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Als im Frühjahr 1998 die Ergebnisse des zweiten Wettbewerbs zum Denkmal für die ermordeten Juden Europas diskutiert wurden und man diese breite öffentliche Debatte sogar als das eigentliche Denkmal für die Opfer des Holocaust bezeichnete, betrat eine „Initiative Denkmal Deutsche Einheit“ die erinnerungspolitische Bühne. In ihrem öffentlichen Aufruf forderte sie die Schaffung eines „Freiheits- und Einheitsdenkmals“, dem die Losung „Wir sind das Volk! Wir sind ein Volk!“ zugrundeliegen sollte. Das Denkmal sollte die friedliche Revolution in der DDR von 1989 würdigen und einen Ausdruck der Freude über die errungene nationale Einheit im Stadtbild der deutschen Hauptstadt darstellen. Der Kontrast zum jüngeren erinnerungspolitischen Diskurs in der Bundesrepublik Deutschland war markant: Dem Tiefpunkt deutscher Geschichte im Völkermord an den europäischen Juden wurde ein Höhepunkt des Freiheitswillens der Deutschen und des Ringens um ihre nationale Einheit gegenübergestellt.
Visuelle Quellen finden seit einiger Zeit zunehmend das Interesse der Geschichtswissenschaft. Die von Bernhard Jussen, Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, herausgegebene DVD widmet sich einer Quellengattung, die geradezu der Prototyp des modernen Massenbilds war: den farbigen Reklame-Sammelbildern, die Lebensmitteln, Zigaretten, Waschmitteln oder Schuhcreme beilagen und in Alben gesammelt wurden. Eine Ahnung ihrer enormen Bedeutung für die deutsche Alltagskultur besonders in den 1930er-Jahren vermittelt heute noch die Zahl der erhaltenen Exemplare, die auf den einschlägigen Internetseiten, in Antiquariaten oder auf jedem beliebigen Flohmarkt angeboten werden. Dass dieser Fundus kaum systematisch erforscht ist, liegt nicht zuletzt daran, dass die Bilder und Alben zwar für Sammlerzwecke katalogisiert, ihre Zahl und ihre Herausgeber bekannt sind, ein Überblick zu den Motiven bisher aber nicht möglich war. Analysen von Bedeutung oder Konjunkturen bestimmter Themen scheiterten an der mangelnden Handhabbarkeit des Materials. Die Editionen der Reihe „Atlas des Historischen Bildwissens“, Ergebnisse des Projekts „Kollektives Bildwissen und historische Imagination in der Moderne“ an der Universität Bielefeld, tragen dazu bei, diese Lücke zu schließen. Die 2002 erschienene erste DVD enthält die vollständigen Serien der verbreiteten „Liebig’s Sammelbilder“; die nun vorliegende zweite DVD umfasst 22.000 Sammelbilder verschiedener Hersteller mit historischen Motiven. Gefördert wurde das Projekt von der Fritz Thyssen Stiftung.
Am 8. Mai 2015 jährte sich die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht und damit das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa zum 70. Mal. Dieser Termin ist zugleich der 30. Jahrestag eines gedächtnispolitischen Schlüsselereignisses in der bundesrepublikanischen Geschichte, nämlich der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (1920–2015) zum 40. Jahrestag des Kriegsendes vor dem Deutschen Bundestag in Bonn. In Nachdrucken, Ton- und Filmaufnahmen bald millionenfach verbreitet und zumal an Schulen intensiv thematisiert, wurde sie anlässlich Weizsäckers Tod zu Beginn dieses Jahres noch einmal nachhaltig im öffentlichen Bewusstsein verankert: Von der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« bis zum »neuen deutschland«, von der LINKEN bis zur CSU – kaum ein Nachruf verzichtete auf eine Würdigung der Rede, als deren normativer Kern seit jeher die Erklärung des im bundesrepublikanischen Gedächtnisdiskurs traditionell umstrittenen 8. Mai 1945 zum ›Tag der Befreiung‹, ein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit einer anhaltenden Auseinandersetzung mit dem NS-Regime sowie des Gedenkens an dessen Opfer gelten.
Der Quellenwert von Fotografien für die Geschichtswissenschaft ist unbestritten. Dennoch dienen solche visuellen Dokumente in historiografischen Werken weit häufiger der Illustration als der Argumentation. Dies hängt mit den methodischen Problemen der Interpretation von Bildern im Allgemeinen und Fotografien im Besonderen zusammen.
„…als explodierte gerade ein Elektrizitätswerk“. Klang und Revolte in der Bundesrepublik um 1968
(2011)
Die 1960er-Jahre hatten einen ebenso neuartigen wie vielstimmigen Sound, und musikalische Klänge stellten eine wichtige Triebkraft des Wandels um 1968 dar. Weitgehend ungeklärt ist bisher, wie sich Klang und Revolte zueinander verhielten. Der Aufsatz untersucht die Bedeutung elektroakustisch verstärkter Musik in der Bundesrepublik um 1968 in drei Schritten: Erstens wird der Kampf der Beat- und Rockmusik um gesellschaftliche Anerkennung beschrieben, wobei der Streit um die steuerrechtliche Einstufung von Konzerten besonders aufschlussreich ist. Zweitens wird die Bedeutung des technisch verstärkten Klangs für die Entstehung einer jugendlichen Massenkultur dargestellt, drittens das Verhältnis von Klang und Text analysiert. Dem antikapitalistischen Zeitgeist entsprechend wurden politische Positionen gelegentlich auch in den Texten formuliert. Doch das rebellische Potenzial der Rockmusik wurde nicht primär in politisch expliziten Aussagen gesehen, sondern im Sound, der als „authentisches“ Kommunikationsmedium zwischen Bands und Publikum galt.
In der Anti-Apartheid-Bewegung spielte Musik als politisches Medium eine herausragende Rolle, besonders in den 1980er-Jahren. Auf der Basis von Quellenmaterial aus England und aus Südafrika untersucht der Aufsatz die Kontroverse um Paul Simons Album »Graceland« (1986) vor dem Hintergrund des Kulturboykotts. Dieser sollte das Apartheid-Regime auf dem Gebiet der Kultur isolieren, wurde aber seit Mitte der 1980er-Jahre von der Opposition innerhalb Südafrikas immer mehr als Fessel betrachtet. Der African National Congress (ANC) betrieb eine Modifikation des Boykotts – gegen den Widerstand der britischen Anti-Apartheid-Bewegung. Die Kontroverse um »Graceland« steigerte noch die Verwirrung: Es gab unterschiedliche Meinungen zu der Frage, ob Simon durch seine Zusammenarbeit mit südafrikanischen Musikern den Kulturboykott gebrochen habe und wie dies eventuell zu sanktionieren sei. Der Versuch, in Zeiten gesteigerter Medialisierung grenzüberschreitende kulturelle Ströme durch politische Instanzen kontrollieren zu wollen, war letztlich zum Scheitern verurteilt.
Music played an important role as a political medium for the anti-apartheid movement, particularly in the 1980s. Drawing on sources from the UK and South Africa, the article investigates the controversy surrounding Paul Simon’s album Graceland (1986) against the backdrop of the cultural boycott against South Africa. The aim of the boycott was to isolate the apartheid regime in the field of culture, but from the middle of the 1980s, the opposition within South Africa increasingly regarded it as an obstacle. The African National Congress (ANC) pursued a modification of the boycott against the resistance of the British Anti-Apartheid Movement (AAM). The controversy over Graceland only served to compound the confusion: opinions differed as to whether Simon had really breached the cultural boycott by collaborating with South African musicians, and on how this could potentially be sanctioned (in either sense of the word). The incident shows that the attempt to control transnational cultural currents through political institutions in times of increased mediatisation was ultimately doomed to failure.
As one of the most viewed films on apartheid South Africa, Sir Richard Attenborough’s Oscar-nominated Cry Freedom helped push the atrocities of the apartheid system to the forefront of public attention. The screenplay was based on South African journalist Donald Woods’ autobiographical books Biko (1978) and Asking for Trouble (1981), which detail Woods’ relationship with Biko and the court trial following Biko’s death in police custody.
Guerrilla Mothers and Distant Doubles: West German Feminists Look at China and Vietnam, 1968–1982
(2015)
Communist China and Vietnam looked like the future to many West German feminists in the years after 1968. This article reconstructs a lost history of influence, identification and emulation, tracing some of the ways that Chinese and Vietnamese communism inspired and attracted West German feminists from the late 1960s to the early 1980s. Beginning in a spirit of socialist universalism, West German feminists drew on reports of the experience of East Asian women who they felt lived in the ›liberated zones‹ of post-revolutionary society. Like the French radicals who declared that ›Vietnam is in our factories‹, West German feminists created a global framework for their activism. Looking east, they borrowed or adopted models of consciousness-raising and direct action from China and Vietnam. This article tracks the arc of exchange, from the enthusiasm of the late 1960s and 1970s to the West German feminist disenchantment with both East Asian communism and the global South by the early 1980s.
“Silent Dust”, released in February 1949, was one of a group of films that explored the problems of the returning Second World War veteran. Although the maladjusted veteran is a feature of all major wars, it assumes an added significance in this instance because the Second World War, in Britain and America at least, is conventionally understood “almost universally as honourable and noble, fought with right and justice exclusively on the Allied side”. Angus Calder has argued that the dominant narrative constructed about the Second World War in Britain was what he terms the “myth of the Blitz”, a heroic myth of courage, endurance and pulling together. This myth, through its perpetuation in an enormous array of cultural practices - notably a cycle of combat films in the 1950s such as “The Dam Busters” (1955) and “Reach for the Sky” (1956) - became the accepted view and was almost impossible to dislodge. It was a myth that was officially ratified in the British state’s commemoration of the war and, like all dominant discourses, served to marginalise alternative constructions of the conflict, particularly those that represent it as a traumatic and possibly brutalising experience. By analysing “Silent Dust” in detail and in relation to its social and cultural context, I hope to recover this repressed narrative and restore it to its rightful place as an important discourse about the Second World War.
Einer der kühleren Sommertage im August. Durch eine kleine Passage erreiche ich Steibs Hof, wo früher mit Pelzen gehandelt wurde und heute das N’Ostalgie-Museum Leipzig seine Ausstellung zur »Alltagskultur der DDR« präsentiert. Am Eingangstresen, der zugleich als Bar des integrierten Cafés mit dem Namen »1:33« fungiert, begrüßt mich ein Mann: »Guten Tag. Wollen Sie Ihre Erinnerung auffrischen?« Noch bevor ich mein Ticket bezahlt habe, stellt er mir den »jungen Mann« vor, der all die hier präsentierten Objekte zusammengetragen habe. Das Porträt, auf das er weist, zeigt einen älteren Herrn in der Tür eines knallroten Wartburg 311. »In liebevoller Erinnerung« steht darüber, und unter der Fotografie: »Horst Häger. Geb. 24.11.1937, gest. 12.07.2011. Gründete 1999 das N’Ostalgie-Museum und hat über die Zeit bis 2011 alle ausgestellten Exponate zusammengetragen.« Wie ich erfahre, hat eine Enkelin Hägers das Museum 2016 aus Brandenburg an der Havel nach Leipzig überführt. Mit den Worten »Damit Sie wissen, wer Sie heute Abend ins Bett geleitet« überreicht mir der Mann an der Kasse meine Eintrittskarte, auf der das Sandmännchen abgebildet ist, und entlässt mich in die kleine Ausstellung. An diesem Vormittag bin ich die erste Besucherin, doch noch während ich die Objekte im Eingangsbereich betrachte, kommen weitere Gäste. Wie ich werden sie mit der Frage begrüßt, ob sie ihre Erinnerungen »auffrischen« wollen, was jeweils kurze Irritation auslöst. Fast rechtfertigend klingen die Antworten der beiden Paare: »Wir wollen gern das Museum besuchen« und »Wir würden uns gern umschauen«.
Zu den Voraussetzungen der ‚alten‘ Diplomatie im 19. Jahrhundert gehörte eine gemeinsame, universal verständliche und verlässliche Formen- und Zeichensprache. Durch den Ersten Weltkrieg geriet die Diplomatie in eine Vertrauens- und Legitimationskrise, machte die Öffentlichkeit doch diplomatische Geheimverhandlungen für den Krieg verantwortlich. Der amerikanische Präsident Wilson forderte deshalb eine transparentere New Diplomacy. Das Austarieren von Geheimnis und (Medien-)Öffentlichkeit war nun Teil eines fundamentalen Wandlungsprozesses der ‚alten‘ Diplomatie. Mit kulturgeschichtlichem Zugriff geht der Aufsatz diesem Wandel nach. Untersucht werden die Pariser Friedenskonferenz von 1919 und speziell die beiden Begegnungen zwischen alliierter und deutscher Delegation bei der Übergabe und Unterzeichnung des Friedensvertrags in Versailles. Anhand dieser Szenen wird diskutiert, wie die gemeinsame Sprache zwischen Diplomaten verloren ging, welche langfristigen Faktoren dafür verantwortlich waren und wie der Krieg als Katalysator für tiefgreifende Veränderungen wirkte.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts verwandelte sich die arbeitsfreie Zeit in ein Produkt der Leistungsgesellschaft: Der »Kult der Effizienz« dirigiere die Freiheit unserer Freizeit, so 1972 der Zukunftsforscher Horst Opaschowski. Jede Leistung bedürfe der »Abschlaffung«, verkündete ein Jahr später der Philosoph Franz Vonessen auf einer von der Carl Friedrich von Siemens Stiftung organisierten Vortragsreihe zum »Sinn und Unsinn des Leistungsprinzips«; eine Ausnahme bilde nur das »ernste Spiel der Gedanken« zum reinen Selbstzweck. Das allein am Erfolg orientierte Leistungsdenken sei ein »tödlicher Scherz«. Die wahre Leistung bestehe in der Ruhe, erinnerte er an Blaise Pascals berühmtes Diktum, also in der Fähigkeit des Menschen, in seinem Zimmer zu bleiben.
Archiv der Poeten. Eine Anthologie zur Geschichte des lyrischen Sprechens – und der Aufnahmetechnik
(2011)
Mit der Erfindung des Phonographen durch Thomas Alva Edison im Jahre 1877 wurde möglich, was bis dahin ins Reich der Fantasie gehörte: die Speicherung von Schall und Klang. Damit wurde wiederholt und jederzeit abrufbar, was zuvor nur in seiner flüchtigen Einmaligkeit zu vernehmen war: die Stimme, oder konkreter: Gesungenes und Gesprochenes. Gereimtes war es, was Edison als Beweis für das Funktionieren seiner Technik in den Schalltrichter des Sprechapparates hineinrief: „Mary had a little lamb. Its fleece was white as snow. And everywhere that Mary went, the lamb was shure to go.“ Auch wenn diese Aufnahme nicht mehr existiert, da sich die ersten Wachswalzen bloß ein- bis zweimal abspielen ließen, kann man von der Geburt der Tonaufnahme aus dem Geiste des Gedichts sprechen.
Am Abend des 30. Oktober 1938, einen Tag vor Halloween, ging der Schauspieler und Regisseur Orson Welles in New York auf Sendung, um für CBS eine Hörspiel-Fassung des Science-Fiction-Romans „Krieg der Welten“ zu präsentieren. Das Buch des britischen Autors H.G. Wells war 1898 erschienen und verarbeitete in einer packenden Schilderung der Invasion Südenglands durch Marsmenschen zeitgenössische Theorien über Rassenbeziehungen, Kolonialismus und technologischen Fortschritt. Der Drehbuchautor Howard Koch hatte die Vorlage gemeinsam mit Welles zu einer einstündigen „Live-Reportage“ über die Landung von Marsmenschen an der amerikanischen Ostküste umgestaltet. Das Ergebnis war beklemmend und machte die Übertragung zu einer künstlerischen Sternstunde des Radios. Ob allerdings während der Sendung tatsächlich Millionen Amerikaner glaubten, Außerirdische würden New York und New Jersey in Schutt und Asche legen, wie es die Schlagzeilen der Zeitungen in den Tagen danach suggerierten, wird inzwischen bezweifelt.
By the late 1970s, it was technologically possible to manufacture microcomputers – very small, stand-alone computers for personal use – in very large quantities. Selling them, however, meant creating a mass market where none existed: conventionally, only trained professionals, and a few devoted enthusiasts, interacted directly with the machines. Designers, marketers, retailers and other promoters therefore sought to build meanings into the design and presentation of computers which would connect them with new audiences. Such meanings reflected – and might themselves modify – the prevalent hopes, fears, desires and expectations of the users’ cultures.
Der »Weltkrieg« oder »Große Krieg« wurde von vielen Zeitgenossen als eines der ruhmreichsten, denkwürdigsten Ereignisse der Weltgeschichte und insbesondere der beteiligten Mächte aufgefasst. So standen auch von Anfang an gestalterische Konzepte zur Ehrung der Gefallenen als »Helden einer großen Zeit« mittels Kriegerdenkmälern, Totenhainen und Ehrenhallen zur Diskussion. Im Gegensatz zu dieser übergreifenden heroisierenden Deutung waren die Erinnerungserzählungen seit 1918 sehr heterogen. Modellhaft für die Bewahrung des Ersten Weltkriegs im »Funktionsgedächtnis« (Aleida Assmann) ist Großbritannien, wo beiden Weltkriegen eine ähnliche Relevanz zuerkannt wird. Der »Armistice Day« am 11. November repräsentiert seit 1920 kontinuierlich die öffentliche Erinnerung an das Ende des »Great War«. Zwei Schweigeminuten »at the 11th hour of the 11th day of the 11th month«, Gedenkveranstaltungen wie jene am »Tomb of the Unknown Warrior« in der Westminster Abbey oder auch historische Fernsehserien, in denen der »Große Krieg« regelmäßig vorkommt, sind Belege für seine Sichtbarkeit und mediale Verbreitung bis heute. Ein Beispiel für das Gegenmodell, in dem der Zweite Weltkrieg den Ersten weitgehend überschrieben hat, ist Österreich, wo nach 1945 dem Ersten Weltkrieg nur geringe Relevanz für aktuelle Identitätskonzepte und Erinnerungserzählungen beigemessen wurde. Zeichensetzungen im öffentlichen Raum beschränken sich (mit regionalen Ausnahmen wie Tirol) weitgehend auf einige Straßennamen und auf Kriegerdenkmäler, die für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs adaptiert wurden. Zwischen diesen Optionen – der Gleichrangigkeit beider Weltkriege oder der Dominanz des Zweiten Weltkriegs – lässt sich die Gedächtnislandschaft in den europäischen Ländern einordnen.
Seit den 1960er-Jahren ist die Kopplung von Stress und Vorsorge unter dem Stichwort der »Risikofaktoren« zunehmend populär geworden. Wahrscheinlichkeitskalküle, die auf die Steuerung und Verbesserung der kollektiven Gesundheit der Bevölkerung zielen, werden als Grundlage herangezogen, um dem Individuum eine Selbstverantwortlichkeit für seine Risikovorsorge zuzuschreiben. Dieser Ansatz ermöglicht die Übersetzung statistischer Wahrscheinlichkeiten in eine Hermeneutik des Selbst. Im Rahmen der Prävention verschiebt sich der Akzent von der Krankheitsdiagnostik auf die Gesundheitsvorsorge. Durch die Propaganda zur Risikoverhütung – dass der Gesunde pathogene Faktoren vermeiden solle – verschwimmt allerdings die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit. Das gilt auch für das Phänomen Stress. Obschon Stress selbst nicht als Krankheit gilt, wird in ihm doch ein potentieller Verursacher vermutet: eben ein »Risikofaktor«. Und auch wenn er damit als mögliche Ursache für viele Krankheiten verhandelbar wird, gibt es bestimmte pathologische Erscheinungen, mit denen er eine besonders innige Beziehung unterhält – dazu zählt der Herzinfarkt. Dieser wird zum Synonym für die Folgen eines von zu viel Stress bestimmten Lebens. Die Relation von Stress und Herzinfarkt lässt sich nicht nur medizinisch begründen; ihre kulturelle Plausibilität verweist auch auf eine symbolische Dimension. Das Herz als symbolischer Träger menschlicher Aktivität und Emotionalität gerät unter dem Eindruck der modernen Hetze außer Takt.
In der Diskussion um den Strukturwandel der 1970er- und 1980er-Jahre haben musikkulturelle Vergemeinschaftungen bisher kaum eine Rolle gespielt. Der Aufsatz analysiert den Wandel von Klassenzuschreibungen an der Schnittstelle von Gesellschafts- und Musikgeschichte über einen regionalen und räumlichen Zugriff. Dazu werden die Working Men’s Clubs im englischen Nordosten mit ihrer Verknüpfung von Arbeiterkultur und jugendkultureller Individualisierung während der »New Wave of British Heavy Metal« (NWOBHM) als Orte eines gesellschaftlichen Aufbruchs interpretiert. Wie gestaltete sich dort der Übergang von strukturellen zu kulturellen Klassenbeziehungen, und welche Folgen hatte dies für die weitere Entwicklung der Heavy-Metal-Kultur? Die Anbindung der NWOBHM an die Arbeiterklasse ermöglichte es einer entstehenden »neuen Mittelschicht«, zu der die Musiker häufig selbst gehörten, an der empfundenen Authentizität der »Working Class« zu partizipieren, während gleichzeitig postindustrielle Elemente mit einem jüngeren, auch weiblichen Publikum Einzug in die Working Men’s Clubs hielten.
Design aus der DDR ist heute scheinbar nur ein kunsthistorisches Randgebiet. Doch im Kontext der Dauerausstellung zum »Alltag in der DDR«, die die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nun seit November 2013 am früheren Ort der Sammlung Industrielle Gestaltung in der Berliner Kulturbrauerei zeigt, ist es in den letzten Jahren zu einem kontroversen öffentlichen Thema geworden. Der Konflikt bezieht sich unmittelbar auf diese Sammlung, eine der ältesten zum Design in Deutschland – und mit etwa 160.000 Objekten wohl die umfassendste und vielseitigste zur Produktgestaltung in der DDR, jedoch seit 2005 weder öffentlich sichtbar noch beworben. Aufgrund ihrer wechselhaften Geschichte nach der Wiedervereinigung wurden die Bestände bisher nur überblicksweise erschlossen. Obwohl Forscher sie auf Anfrage einsehen können, wäre eine systematische Katalogisierung, inhaltliche Bewertung und damit bessere Zugänglichkeit nötig.
Beyond Nostalgia and the Prison of English. Positioning Japan in a Global History of Emotions
(2021)
This article interrogates the history of emotions at a pivotal moment in its growth as a discipline. It does so by bringing into conversation the ways in which scholars in Japan have approached ›nostalgia‹ (and emotions more broadly) as an object of study with concepts, theories, and methods prioritised by a predominantly Eurocentric field. It argues that Anglocentric notions of nostalgia as conceptual frameworks often neglect the particularisms that underlie the way that the Japanese language communicates and operationalizes cultural norms and codes of feeling. It also examines the aisthetic work of musicologist Tsugami Eisuke to help understand historical and psychological distinctions between ›nostalgia‹ and Japanese ideas of temporal ›longing‹, working towards a global history of emotions that meaningfully embraces multilateral and multi-lingual interaction. This article thus argues for a more nuanced way of discussing nostalgia cross-culturally, transcending dominant approaches in the field which are often grounded in a specifically Euro-Western experience but claim universal reach.
Historische Ausstellungen und Museen haben in der Bundesrepublik seit mehr als drei Jahrzehnten Konjunktur. Seit den 1970er-Jahren häufen sich die Sonderausstellungen zu historischen Themen, und es gibt einen bisher ungebrochenen Museumsboom. Beobachten lässt sich nicht nur eine stetige quantitative Zunahme von und ein wachsendes öffentliches Interesse an historischen Ausstellungen; zugleich bildeten sich auch neue Ausstellungstypen und Präsentationsformen heraus. Schließlich wurden in den 1980er-Jahren die Forderungen nach der Errichtung eines zentralen historischen Museums immer lauter, bis dies zur Gründung von gleich zwei Geschichtsmuseen mit gesamtstaatlichem Anspruch führte (dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und dem Deutschen Historischen Museum in Berlin). Der Trend scheint ungebrochen. Nach der Eröffnung der neuen Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM) im Frühjahr 2006, mit der eine fast 20-jährige Planung zum vorläufigen Abschluss kam und mit der erstmals der Versuch einer historischen Überblicksdarstellung von der Römerzeit am Rhein bis zum wiedervereinigten Deutschland unternommen wurde, steht als ein weiteres historisches Großmuseum der Neu- bzw. Umbau eines Militärhistorischen Museums in Dresden an. Dieses wird nicht nur mit den expressiven Bauformen des amerikanischen Architekten Daniel Libeskind auf sich aufmerksam machen, sondern auch mit einem anspruchsvollen inhaltlichen und gestalterischen Konzept.
Impfungen sind ein Traum der Moderne: Sie versprechen den Schutz ganzer Gesellschaften. In den beiden deutschen Staaten wurde dieser Schutz mit unterschiedlichen Methoden vorangetrieben – das Mobilisieren von Ängsten, Appelle an die Sorge um das Gemeinwohl oder die Durchsetzung von Impfpflichten sollten die Gesundheit des Einzelnen und den „Herdenschutz“ der Gesellschaft sichern. Der Aufsatz erkundet die deutsch-deutsche Geschichte des Impfens von den 1950er-Jahren bis 1989/90. Im Fokus stehen Aushandlungen von Risiko- und Sicherheitsvorstellungen, Versuche eines „Emotion Management“ sowie Debatten über das Verhältnis zwischen staatlicher Interventionsmacht und staatsbürgerlicher „Mündigkeit“. Anhand der Konflikte zwischen der Bundesrepublik und der DDR wird zudem gezeigt, dass der Wettlauf um die bessere Immunisierung ein Kampf um die bessere soziale Ordnung war. Andererseits wird belegt, dass es auf dem Gebiet der Impfpolitik gerade in den 1980er-Jahren eine wachsende Tendenz zur deutsch-deutschen und internationalen Kooperation gab.
Vorsorge war immer. Bereits in der Frühgeschichte stoßen wir auf Kulturtechniken, mit denen Menschen Risiken vorbeugen und Gefahren verhüten wollten. Schon das Anlegen von Vorräten, die Präparierung von Landschaften oder die Anrufung von Schutzgöttern waren Konzepte und Praktiken der Vorsorge. In der Moderne jedoch wuchs die Vielfalt an Befürchtungen und Ängsten, die eine nicht minder große Vielfalt an Vorsorgekonzepten und -maßnahmen mit sich brachte. Spürbar wurde dieser Anstieg in einem Boom an Versicherungen, in der Popularisierung medizinischer, sozialreformerischer und pädagogischer Maßnahmen, in der Verbreitung von Diäten, in den Sport- und Turn- oder den Anti-Tabak- und Anti-Alkohol-Bewegungen.
Der Aufsatz untersucht die städtebaulichen Debatten um das leere Zentrum, das die West-Berliner Politik und Stadtöffentlichkeit seit Anfang der 1980er-Jahre neu für sich entdeckten. Als die Internationale Bauausstellung (IBA) an Gestalt gewann, erwies sich die »Stadtwüste« zwischen Reichstag, Mauer, Kulturforum und ehemaligem Prinz-Albrecht-Gelände als besonders sensibel. In verschiedenen Anläufen entwickelten Stadtplaner, Bürgerinitiativen und die Senatsverwaltung Zukunftspläne für das formlose Areal an der Mauer. Je intensiver dieser »Zentrale Bereich« diskutiert, besichtigt und mit Bedeutungen aufgeladen wurde, desto höher wurden aber die Hürden, hier zu bauen. Schon vor 1989 lief die kulturelle Erschließung der Mitte auf die Konstruktion einer bis dahin unbekannten »Geschichtslandschaft« hinaus. »Spuren«, »Orte« und »Räume« fanden ein verstärktes Interesse – sowohl bei den entstehenden Geschichtswerkstätten als auch bei Architekten und Politikern. Zwar führte die West-Berliner Introspektion nicht zu konkreten Bauentscheidungen, doch stellte sie einen breiten, von der eigentümlichen Situation der Inselstadt geprägten Wissensvorrat bereit, der nach 1989 plötzlich höchst relevant und oft handlungsleitend wurde.
Der Begriff »Diversität« hat in den letzten Jahrzehnten eine erstaunliche Verbreitung erfahren. Traditionell bezeichnete das Wort nur einen Zustand der Verschiedenheit; in der Gegenwart erscheint es in vielen Kontexten, um dessen Gegenteil zu erreichen: Das Wort meint Verschiedenheit und zielt auf Gleichheit. Schulen und Universitäten regeln Chancengleichheit im Namen von Diversität, Unternehmen formen eine heterogene Belegschaft mittels eines »Diversitätsmanagements«, und Migrationsbewegungen haben die alte Debatte um den Multikulturalismus wieder belebt. Durch seine vielseitige Anschlussfähigkeit ist Diversität zu einem populären und meist positiv besetzten Begriff geworden, der theoretisch jedoch weithin unterbestimmt blieb. Seine Paradoxie besteht in der Kollektivierung von Individuen zu homogenen Gruppen bei gleichzeitiger Pluralisierung dieser Gruppen zu nebeneinanderstehenden Einheiten – ausdrücklich ohne eine umfassende Universalisierung anzustreben.
Betrachtet man die Moderne als Projekt der Kontingenzbewältigung, so ist „Sicherheit“ eines ihrer wichtigsten Kernelemente, zielte das Projekt der Moderne doch unter anderem darauf, durch soziale Sicherungssysteme Lebensrisiken zu reduzieren. Wissenschaftliche und technische Fortschritte spielten dabei eine wesentliche Rolle, da entsprechende Hoffnungen von einem weit verbreiteten Optimismus getragen wurden. Je stärker sich jedoch die Erfahrung verdichtete, dass dieser Fortschritt vielfältige Gefahren erst schuf, umso mehr erschien die Moderne als eine Epoche, die im Dienst des Fortschritts auch neue Risiken wie Reaktorunfälle, Börsencrashs oder Arbeitslosigkeit generiert.
Jeder weiß, was „die Umweltbewegung“ ist – bis man aufgefordert wird, sie zu definieren. Im Vergleich mit anderen sozialen Bewegungen zeichnen sich Umweltbewegungen seit jeher durch eine besondere Unschärfe aus, die Forscher und Kommentatoren regelmäßig irritiert. Hinter dem Kollektivsingular „Umwelt“ verbirgt sich ein breites Themenspektrum: vom Artenschutz bis zur Pflege des Landschaftsbildes, von der Umweltverschmutzung bis zur Ressourcenschonung. Zudem fehlt ein mächtiges Zentralorgan: Die Organisationen der Umweltszene sind nicht nur in Deutschland ein unübersichtliches Geflecht von regional und thematisch heterogenen Verbänden. Weiter lässt sich eine zentrale Konfliktlinie, anlog etwa zum Gegensatz von Arbeit und Kapital, für ökologische Fragen nur mit Mühe konstruieren. Schließlich greift eine Fixierung auf Verbände offensichtlich zu kurz. Mit Hingabe kultivieren Aktive zum Beispiel den Archetyp des Mahners und Warners, der sich um die Alltagsprobleme zivilgesellschaftlicher Organisation nicht sonderlich kümmert.
In den ungarischen Wochenschauen der 1950er-Jahre, »diesen kurzen Propagandafilmen«, wie der ungarische Filmemacher Sándor Buglya schreibt, »sind nur die Bilder wahr. Was aber durch die Filme, die vorgetragenen Dialoge und den Kommentar präsentiert wird, ist eine ständige Lüge. Und natürlich tost ununterbrochen der Beifall. Die Kamera verstellt die Wahrheit, sie gaukelt wirklichkeitsferne Illusion vor.« Nun könnte man darüber streiten, was »wahre Bilder« sind. Entscheidend jedoch ist Buglyas Hinweis, dass jegliche Art von Film, sei es ein Dokumentar-, Wochenschau- oder Spielfilm, die vorfilmische Realität verändert. Buglya schildert, wie in ausländischen und Budapester Wochenschauberichten nahezu dasselbe Bildmaterial verwendet, jedoch mit einander entgegengesetztem Kommentar ausgestrahlt wurde: Während erstere (im Blick auf das Jahr 1956) die Ereignisse eines Volksaufstandes dokumentierten, galten für letztere dieselben Bilder als Beleg einer Konterrevolution. Der Dokumentarfilm, so Buglya, sei kein Abbild des Realen, sondern spiegele mehr oder weniger genau das Verhältnis des Regisseurs zur Wirklichkeit.
In den vergangenen Jahren hat eine Entwicklung eingesetzt, in deren Rahmen zahlreiche geisteswissenschaftliche Fächer eine ‚kulturwissenschaftliche Neuausrichtung‘ vorgenommen oder doch zumindest angekündigt haben. Auch an der Geschichtswissenschaft ist diese Entwicklung nicht spurlos vorbeigegangen, wenngleich die Rolle des Vorreiters in dieser Hinsicht eher bei den Literaturwissenschaften liegt, vor allem der Anglistik und Germanistik. Innerhalb der Geschichtswissenschaft gibt es verschiedene Ansätze zur Entwicklung einer ‚neuen Kulturgeschichte‘, die teilweise an ältere Vorbilder anknüpfen, die aber nicht umhinkommen, sich auch mit der aktuellen ‚Verkulturwissenschaftlichung‘ der Geisteswissenschaften auseinanderzusetzen. In diesem Kontext gilt es zu klären, was wir unter Kulturwissenschaft verstehen, was die Kulturwissenschaft als eigenständige akademische Disziplin von den Kulturwissenschaften unterscheidet, die oft als Synonym für die Geisteswissenschaften, d.h. als Sammelbegriff verstanden werden. Zu diskutieren ist in diesem Kontext aber vor allem, in welchem Verhältnis Kultur- und Geschichtswissenschaft, speziell Kulturwissenschaft und Zeitgeschichte, zueinander stehen.
Seit 2002 sammelt das von Justinian Jampol gegründete Wende-Museum in Los Angeles Artefakte und Dokumente aus dem Kalten Krieg. Der Schwerpunkt der nichtkommerziellen Sammlung, die mittlerweile über 100.000 Gegenstände enthält, liegt auf Objekten aus den Staaten des Warschauer Pakts, vor allem aus der DDR und der Sowjetunion, aber auch aus den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik. Zahlreiche Gegenstände geben Aufschluss über verschiedene Zivilschutzmaßnahmen, darunter drei vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) der DDR zusammengestellte Erste-Hilfe-Taschen.
Klaus Nathaus and C. Clayton Childress convincingly argue that cultural and symbolic objects are produced before they are consumed and that therefore cultural historians should take a closer look at the social and economic conditions of cultural production. Instead of taking it for granted that mass reception inversely indicates the existence of a demand already ‘being there’, historians should dig into the production processes influenced (among others) by individual taste, material interest, and arbitrary decisions – or, as Nathaus, Childress and the often cited Richard A. Peterson would call it – contingency. While most of Nathaus and Childress’s examples stem from the field of music, I will in my response apply the cultural production concept to a non-musical field, namely documentary photography in the first half of the twentieth century. Further, I will raise some questions that still seem to be unanswered. Given that the causal relation between production and consumption by and large equals the chicken and egg problem, what sense does it make to shift attention from reception to production – especially when dealing with modifications of objects, commodities, or genres rather than inventions in the sense of ‘there was nothing like this before’? I will suggest to extend the concept beyond the study of ‘classical’ cultural objects – like novels or records – and to include commodities like food, clothes, or cars. Finally, I will raise the question of how to apply the production of culture perspective to socialist economies after 1945, which to my knowledge has not been tried yet.
Eine Verbindung der Themenfelder »Fotografie« und »Diktatur«[1] führt schnell dazu, dass »Bildpropaganda« als gemeinsamer Nenner ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Mit Blick auf die bereits geleistete Forschung gilt dies jedenfalls für die Geschichte des Nationalsozialismus und des Stalinismus, die in dieser Hinsicht besser erforscht sind als verschiedene Diktaturen im Süden oder außerhalb Europas. Wenngleich Fotografie in Diktaturen zweifellos für propagandistische Zwecke eingespannt wurde, so erscheint eine Konzentration auf diese Form der Funktionalisierung des Mediums in vielerlei Hinsicht doch problematisch.
Masculinity has been and continues to be of fundamental importance to Islamist movements, including the relatively distinct Turkish variety. The article offers a broad analysis of various aspects of Islamist masculinity in Turkey. It begins by examining how, from the 1950s onwards, Islamic intellectuals there conceived of a new political subjectivity based on an ideal masculinity. After a discussion of Islamist masculinity drawing on novels, manuals and other sources, the article demonstrates how everyday social practices (such as clothing and beards, or an interest in poetry) established further facets of Islamist masculinity. Turkish Islamism organised itself in the Milli Görüş movement beginning in the 1970s and rose to become a mass movement in the 1980s. Against this background, a new masculinity could be construed as a way out of the self-perceived inferiority to the West. In social practice, this masculinity was transformed by increasingly rigid rules of behaviour and the establishment of a distinct habitus of pathos and discipline, which is then analysed in conclusion.
Männlichkeit war und ist von grundlegender Bedeutung für islamistische Bewegungen, so auch für die relativ eigenständige türkische Variante. Der Aufsatz bietet eine breite Analyse verschiedener Aspekte islamistischer Männlichkeit in der Türkei. Zunächst wird untersucht, wie islamische Intellektuelle dort ab den 1950er-Jahren basierend auf einer idealen Männlichkeit eine neue politische Subjektivität konzipierten. Nach einer Auseinandersetzung mit islamistischer Männlichkeit im Diskurs anhand von Quellen wie Romanen und Ratgebern wird dargelegt, wie alltägliche gesellschaftliche Praktiken (etwa Kleidung oder Bärte, aber auch das Interesse an Poesie) weitere Facetten islamistischer Männlichkeit etablierten. Der türkische Islamismus organisierte sich seit den 1970er-Jahren in der Bewegung Milli Görüş und stieg in den 1980er-Jahren zur Massenbewegung auf. Vor diesem Hintergrund konnte eine neue Männlichkeit als Ausweg aus der selbstdiagnostizierten Unterlegenheit zum Westen konstruiert werden. In der sozialen Praxis wandelte sich diese Männlichkeit durch immer rigidere Verhaltensregeln und die Etablierung eines eigenständigen Habitus aus Pathos und Disziplin, der abschließend analysiert wird.
Fritz Bauer und das Radio
(2019)
»Bauer ging nicht gerne in die Öffentlichkeit«, meinte Detlev Claussen rückblickend. Claussen, in den späten 1960er-Jahren Student in Frankfurt am Main, fügte seiner Charakterisierung des hessischen Generalstaatsanwalts jedoch sofort hinzu: »[…] aber die Verfolgung seiner Pflichten nötigte ihn dazu, öffentlich über die von ihm angeregten spektakulären Prozesse zu sprechen und in Hörfunk und Fernsehen, mit Aufsätzen und Vorträgen für eine Reformierung des Strafrechts zu kämpfen.« Der Soziologe Claussen ging noch weiter und urteilte: »Fritz Bauer musste contre coeur aus dem schützenden Schatten der Privatheit eines entre nous heraustreten, um seinen Auftrag zu erfüllen, nämlich Licht auf das Fortleben der Mörder unter uns zu werfen.« Die biographische Forschung unterstreicht das öffentliche Wirken des Juristen mittlerweile durch vielfältige Publikationen. Zu den Editionen von Vorträgen und kleineren Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften gesellen sich seit 2014 die Ausgaben der »Gespräche, Interviews und Reden« aus den Fernseharchiven und seit 2017 ein Hörbuch mit Tondokumenten unter dem Titel »Fritz Bauer. Sein Leben. Sein Denken. Sein Wirken«.
Das Fremde denken
(2008)
Das Fremde ist einerseits etwas Uraltes, andererseits etwas höchst Aktuelles. Was das Uralte angeht, so genügt es, auf zwei Quellen der westlichen Kultur hinzuweisen. In Mose 2,22 heißt es: „Die Fremdlinge sollst du nicht schinden und drücken; denn ihr seid auch Fremdlinge in Ägypten gewesen.“ Es ist ein Gebot, das auf eine vorherige Erfahrung hinweist, nämlich auf das Exil, von dem das Jüdische bis in die Gegenwart gezeichnet ist. Bei den Griechen trägt Zeus den Beinamen xenios - der Gott, der das Gastrecht schützt. Wie eng Fremdheit, Gastfreundschaft und Feindschaft beieinander wohnen, zeigt sich in der schillernden Bedeutung der lateinischen Wörter hostis und hospes. Hat die Aktualität der Fremdheitsproblematik überhaupt etwas mit diesen alten Traditionen zu tun? Vielleicht könnte das Denken des Fremden - speziell aus Sicht der Philosophie - darauf eine Antwort geben, gerade weil sich dieses Denken weder auf sicher vorhandene Traditionen stützt noch in Tagesfragen aufgeht.
Virtual Reality. Sowjetische Bild- und Zensurpolitik als Erinnerungskontrolle in den 1930er-Jahren
(2010)
Am Beispiel eines zur Bild-Ikone geratenen Lenin-Fotos aus dem Jahr 1920 untersucht der Beitrag die Praxis manipulativer Eingriffe in das visuelle Gedächtnis der UdSSR vom Stalinismus bis zur Perestrojka. Die Aufnahme, die im Original Lenin und Trotzki vor sowjetischen Truppen in Moskau zeigte, wurde massiven Geschichtsfälschungen unter-zogen, an denen sich prototypisch die Intentionen, Mechanismen und politischen Strukturen der sowjetischen Bild- und Medienzensur seit den 1930er-Jahren rekonstruieren lassen. Die UdSSR gab sich ein neues ideologisches wie visuelles Design, das den Staat im In- und Ausland als Erfolgsmodell darstellen sollte. Dieses Design erforderte nicht nur eine nachträgliche „Optimierung“ der Vergangenheit; in ihm manifestierten sich zugleich stalinistische Visualisierungsstrategien, mit denen Staat und Partei politische Sichtbarkeiten zu kontrollieren versuchten. Trotz des enormen Aufwands war dieser Versuch indes nur teilweise erfolgreich: Es erwies sich letztlich als unmöglich, die Unperson Trotzki flächendeckend aus dem kulturellen Gedächtnis zu eliminieren.
In the 1980s, when computers became affordable for private households, a hacker or cracking scene, which was the term used by members of this subculture, developed in several western and northwestern European countries. These (almost exclusively male) groups of adolescents ‘cracked’, copied and exchanged computer games. On the basis of magazines and published interviews with former members of this scene, this article shows how cracking became an important current in the broad spectrum of teenage subculture – with specific ethical codes and rituals of masculinity. Its members were by no means lone specialists who eschewed contact with the outside world, but rather developed their own forms of community and communication. This scene did not construe itself as a political counter-culture; it was rather part of the diversifying popular and consumer culture of the 1980s. In the early 1990s, when law enforcing agencies began to prosecute software piracy more resolutely, this computer subculture began to fade. However, it lived on in the field of computer graphics, in electronic music and in the growing IT sector.
Zum internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2011 ging das Fotoarchiv der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem ins Netz. Insgesamt wurden bisher etwa 150.000 Fotos digitalisiert und auf der Website zugänglich gemacht. Das Projekt basiert auf einer Kooperation mit Google. Die enorme Materialfülle eröffnet den Besuchern die Möglichkeit, neben „Ikonen der Vernichtung“ selbst neue „Bilderwelten“ aufzutun – zugleich ist das Projekt nicht frei von Startschwierigkeiten.
Seit einiger Zeit kursiert das Schlagwort „Ostalgie“. Fernsehshows mit ehemaligen Medaillengewinnern, halb vergessenen Prominenten und ergrauten Medienstars boomen. Thema: die DDR im wehmütigen Rückblick. Man gewinnt den Eindruck, dass sich der Deutsche-Ost seine Vergangenheit angesichts der unsicheren Gegenwart gern verklären lässt. Motto: So schlimm war es ja nicht. Der Deutsche-West steht etwas hilflos vor diesem Kessel Buntem, von dem er kaum etwas gesehen oder miterlebt hat.
Zu den in der Geschichtswissenschaft geläufigen Aussagen gehört, dass Hitler ein charismatischer Politiker gewesen sei - allerdings verbirgt sich dahinter, trotz des stets selbstverständlichen Bezugs auf Max Weber, häufig nicht mehr als eine Umschreibung des dämonischen Verführers, dem die Massen willenlos, als bloße Opfer, erlegen seien. Hans-Ulrich Wehler hingegen nimmt Webers Forderung ernst, Charisma nicht als göttliche Gnadengabe, sondern als soziale Beziehung zu untersuchen. Damit rücken weniger die Propaganda und Inszenierung des Charismatikers als vielmehr die Erwartungen und Hoffnungen derjenigen, die an Hitler geglaubt und das NS-Regime unterstützt haben, in den Mittelpunkt - anders als Wehlers Kritiker Ludolf Herbst annimmt, der Charisma unverdrossen für eine Propagandatechnik hält. Was bislang eher Ausgangsüberlegung denn durchgehaltene Reflexionsebene blieb, wird nun bei Wehler zum roten Faden der Darstellung.
Saul Friedländer, der im Oktober 2007 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wurde, hat für sein jüngstes Buch „Die Jahre der Vernichtung“ einhelliges Lob erhalten. Dabei wurde vor allem hervorgehoben, dass Friedländer die Stimmen der jüdischen Opfer zu Wort kommen lasse. Doch verdeckt dieses Lob, so gut es gemeint ist, eine wichtige Differenz. Friedländer, der 1932 in Prag geboren wurde, 1939 mit seinen Eltern nach Frankreich flüchtete, dort als Junge in einem katholischen Internat die deutsche Besetzung und Judenjagd überlebte, während seine Eltern auf der Flucht verhaftet und in Auschwitz ermordet wurden, Friedländer hat diese Stimmen der Verfolgten und Ermordeten noch gehört - wir Jüngeren nicht. Der offenkundige Wunsch zahlreicher Rezensenten, sich in Hörweite der Opfer zu versetzen, muss scheitern. Die Stimmen bleiben stumm. Und auch wenn Friedländers historiographische Kunst darin besteht, uns lesen und ahnen zu lassen, wovon die Stimmen sprechen, so ist diese Fremdheit doch unübersteigbar.
Dieser Film ist eine Historikerfalle. Denn er lädt mit geradezu offenen Armen dazu ein, seine Historizität zu untersuchen, und hat doch mit Geschichte so viel oder so wenig zu tun wie ein Film über die Meuterei auf der Bounty - allerdings mit der entscheidenden Differenz, dass uns Nazideutschland weit näher liegt als der Alltag britischer Seeleute im 18. Jahrhundert. In dieser Ambivalenz zwischen Geschichte als Erzählung und tatsächlichem Geschehen der Vergangenheit, dem sich Historiker mit unterschiedlichsten Fragen und wissenschaftlichen Methoden widmen, bewegen sich „Der Untergang“ und seine Rezeption. Bei einer Preview auf dem Historikertag in Kiel waren die Meinungen geteilt. Einer der großen alten NS-Forscher, Hermann Graml vom Institut für Zeitgeschichte in München, beurteilte den Film als „ganz hervorragend“; nie habe ein Spielfilm mehr „Einsicht in das Wesen dieses Regimes“ vermittelt. Der Kölner Zeithistoriker Jost Dülffer empfand den „Untergang“ dagegen als „Tabubruch“, der die letzten Tage in Hitlers Bunker als „eine Art Opfergang“ inszeniere. Hans Mommsen, der Doyen der NS-Historiker, merkte an, dass mit dem Bemühen, Hitler so lebensgetreu wie möglich darzustellen, noch keine sinnvolle historische Aussage gemacht sei. Einhellig wurde jedoch die Detailgenauigkeit des Films hervorgehoben.
Anhand von über 100 tschechischen und slowakischen Elternratgebern fragt der Aufsatz nach der Einbindung von Erziehungsnormen in Prozesse der Werte- und Gemeinschaftskonstruktion sowie nach der gesellschaftspolitischen Rolle von ExpertInnen. Die Analyse macht deutlich, dass Inhalte und Formen der Ratgeber nicht immer spezifisch sozialistisch waren. Vielmehr können die vermittelten Normen, die geschilderten Probleme und die vorgeschlagenen Lösungen auch in einen gesamteuropäischen oder globalen Zusammenhang moderner Industriegesellschaften eingeordnet werden. Für die 1950er-Jahre ist dabei eine Mischung aus sozialistischer Aufbaurhetorik und bürgerlich anmutenden Familienidealen markant. Der revolutionäre Ehrgeiz der tschechoslowakischen Politik nach 1948 ist in Elternratgebern nur sehr bedingt wiederzufinden. Für die 1960er-Jahre ist eine Psychologisierung der Kindheit zu beobachten, welche Erziehungsfragen in kritische gesellschaftspolitische Perspektiven einordnete (Mangel an Zeit und Zuwendung für Kinder, einseitig technokratische Medizin etc.). Diese Betrachtungsweise wurde in der »Normalisierungszeit« nach 1968 weitergeführt. Zugleich stiegen die Ansprüche an Elternschaft und Erziehung. Damit wurden Elternratgeber zu Instrumenten der Normen- und Konsensbildung, Disziplinierung und Subjektformung im späten Sozialismus.
In den 1920er- und 1930er-Jahren gab es, ähnlich wie heutzutage, auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt Modemagazine unterschiedlicher Preisklassen, die sich unter anderem durch die in ihnen präsentierte Mode und Modefotografie voneinander unterschieden. Höherpreisige Magazine wie beispielsweise »die neue linie« (1929–1943, Otto Beyer, Leipzig), »Die Dame« (1911–1943, Ullstein, ab 1937 Deutscher Verlag, Berlin) und »Die Mode« (1941–1943, Otto Beyer, Leipzig) richteten sich an gehobenere Schichten und präsentierten ihrer Leserschaft statt konkreter Bekleidungsvorschläge eher einen »Lebens- und Kleidungsstil«. Die abgedruckten Modefotografien orientierten sich an internationalen Fotostandards und sollten Ausdruck einer »deutschen Hochmode« sein.
How have Jewish intellectuals reflected on the German language both in relation to and in the aftermath of the ›catastrophe‹? This essay explores one perspective, that of H.G. Adler (Prague, 1910 – London, 1988), a scholar, author, and survivor of the Shoah. Adler’s relationship to and reflections on the German language offer insights into the experience of persecution and survival as well as into the memory and representation of the Holocaust. His vast body of work testifies to both the possibility and the necessity of writing ›after Auschwitz‹, and indeed to the necessity of writing in German after the Holocaust. A survivor of Theresienstadt, Auschwitz, and two satellite camps of Buchenwald (Niederorschel and Langenstein-Zwieberge), Adler went on to write in various forms, from the analytic to the poetic, about National Socialism, antisemitism, and life and death in the concentration and extermination camp system. His scholarly work made an important contribution to establishing the international and interdisciplinary field of Holocaust Studies, and his poetry and novels bear witness to his own personal experiences in the camps, albeit not in a directly autobiographical form.
In den über 60 Jahren, die seit den Ereignissen bei Stalingrad von 1942/43 vergangen sind, ist das Geschehen in den Erinnerungskulturen zahlreicher Länder immer wieder neu entworfen, umgewandelt und mit unterschiedlichen Deutungsebenen verknüpft worden. Die Muster der Erinnerung waren und sind eng verbunden mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und Bedürfnissen zum Zeitpunkt ihrer Verbreitung, und sie standen bzw. stehen noch immer in einem gespannten Verhältnis zu wissenschaftlichen Erkenntnissen über „Stalingrad“: So ging der Krieg für die Deutschen bereits im Winter 1941 verloren, und es folgten für Deutschland verlustreichere Kriegsphasen. Dass „Stalingrad“ in der deutschen und sowjetischen Erinnerungskultur bis heute eine herausragende Bedeutung einnimmt, steht dazu in offensichtlichem Widerspruch und kann nur gedächtnisgeschichtlich erklärt werden.
Für den vierten Band der „Gesellschaftsgeschichte“ von Hans-Ulrich Wehler möchte ich drei Lesarten vorschlagen. Die erste sieht den Band einfach als eine Gesamtdarstellung der deutschen Geschichte unter vielen. Bei dieser Lesart stechen die Vorzüge des gesellschaftsgeschichtlichen Ansatzes hervor. Wehler belässt es nicht bei kursorischen Bemerkungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, sondern er behandelt die konjunkturelle Dynamik der Wirtschaft und das soziale Profil der verschiedenen Erwerbs- und Besitzklassen in eigenem Recht und mit großer Präzision. Andererseits zeigt gerade der Abschnitt zum Kaiserreich im Ersten Weltkrieg, dass der Erfolg des Paradigmas der Gesellschaftsgeschichte den Autor Hans-Ulrich Wehler eingeholt hat. Denn eine vergleichbar gegliederte Darstellung der sozialhistorischen Ursachen für die zur Revolution von 1918 führende Legitimationskrise des wilhelminischen Systems hat unlängst Roger Chickering vorgelegt.
Im Jahr 1963 veröffentlichte der Religionssoziologe Thomas Luckmann ein nur 83 Druckseiten langes Buch mit dem eher unscheinbaren Titel „Das Problem der Religion in der modernen Gesellschaft“. Das schmale Bändchen war zunächst einmal ein Eingriff in eine aktuelle und kontrovers beurteilte Praxis: die Nutzung religions- und kirchensoziologischer Erhebungen und Daten als „Hilfswissenschaft“, deren „Probleme“, so Luckmann, „von den institutionellen Interessen religiöser Organisationen bestimmt“ würden. Damit spielte Luckmann, der selbst empirische Erhebungen zur religiösen Praxis in protestantischen Gemeinden durchgeführt hatte, auf den engen „positivistischen“ methodischen Rahmen vieler pastoralsoziologischer Untersuchungen an, die von katholischen wie protestantischen Bistümern seit Anfang der 1950er-Jahre durchgeführt worden waren. Solche Studien erhoben zum Beispiel Sozialdaten von Kirchenbesuchern oder Imagewerte verschiedener pastoraler Dienstleistungen, um den Bistumsleitungen Anhaltspunkte für die Neuordnung seelsorglicher Angebote zu liefern. Doch für Luckmann verfielen diese empirischen Erhebungen nicht nur wegen der kurzschlüssigen kirchlichen Verwertungsinteressen und ihrer Fokussierung auf klar operationalisierbare, durch Teilnahme am Ritual definierte Formen des Religiösen der Kritik. Problematisch erschien ihm mehr noch die damit verbundene Einschreibung in ein Säkularisierungsparadigma, das ganz eindimensional an der „zurückgehenden Reichweite der Kirchen“ orientiert war.
Zeitgeschichte selbst kann man genauso wenig „ausstellen“ wie Geschichte an sich; Museen und Ausstellungen können nur bestimmte historische Artefakte präsentieren und tragen dadurch zur (Re-)Konstruktion von „Geschichte“ bei. Eine Debatte über die Kriterien der Sammlung und Präsentation, wie sie hier angeregt wird, ist dabei zugleich eine über das heutige Museum bzw. die moderne kulturhistorische Ausstellung. Das Museum ist nicht mehr allein die alte „Wunderkammer“, baut aber in seinen Sammlungen historisch und systematisch immer noch auf diesem Prinzip auf. Hinzugetreten ist seit dem 19. Jahrhundert ein zunehmend historisch und an nationalen Konstruktionen orientiertes Präsentations- und Deutungsmuster der Ausstellungen, das eng verknüpft ist mit der Professionalisierung der Ausstellungsmacher. Darüber hinaus sind Museen neuerdings „Informations- und Dienstleistungszentren“ geworden, die die Rekonstruktion von Geschichtsfragmenten mittels Objektarrangements und Textinformationen inszenieren.