Staatssozialismus
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Anhand von Kemritualen der DDR, erweitert und ergänzt um Beispiele aus der Sowjetunion, den Volksrepubliken Polen und Ungarn, aus der Tschechoslowakei und aus Albanien sollen hier strukturelle Elemente einer politischen , Rhetorik des Performativen‘ im Sozialismus der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre bilanzierend herausgearbeitet werden. Sodann wird eine methodologische Faustskizze die kommunikationstheoretischen und kulturgeschichtlichen Implikationen einer Ritualforschung zwischen ,Botschaft' und ,Bedeutung' umreißen, um schließlich eine erste Annäherung an die Aneignungsgeschichte sozialistischer Rituale zu wagen - nicht zuletzt auch unter generationengeschichtlicher Perspektive.
The first thesis the paper argues is that a certain collective identity emerged at the shop floor („we“, the workers as opposed to „them“, party leaders, intelligentsia, peasants, the self-employed) that was built - and declared - increasingly in opposition to the official ideology and the communist party.5 Important factors in this process were the growing economic difficulties, the party’s apparent inability to solve them and the increasing materialism people experienced in the everyday life - including party member- and leadership. From the mid-70s onwards, the workers could perceive the worsening economic situation of the country by the decrease of the real wages and the need to do overwork or take extra jobs (first in the agriculture and then in the so-called vgmk-s) to keep the former standards of living. The continuously increasing prices made the impact of the „global market“ real regardless of the stance of the Central Committee. The sharpening criticism of the system is formulated, however, not from the viewpoint of the individual but that of the worker, which suggests the existence of a collective identity. One may call it a paradox of the Communist ideology that the system, after all, was successful to develop working-class collective identities but these were built in opposition to the Communist regime and not for it. The paper will attempt to show how these „oppositionist“ identities were formulated and in what ways they are indicative of the alienation of the workers from the workers’ state.
Die Arbeiter im Staatssozialismus als Gegenstand der zeithistorischen Forschung sind in Bulgarien nach 1989 noch nicht entdeckt worden. Aus zwei Perspektiven tasten sich bulgarische Wissenschaftler jedoch langsam an das Thema heran - somit lassen sich aus deren Publikationen in den letzten Jahren schon einige interessante Fragen und Hypothesen ableiten. In politologischen Untersuchungen zur bulgarischen Transformation nach 1989 erscheinen die Arbeiter als eine eher konforme Bevölkerungsschicht, die definitiv nicht zu den Akteuren der Wende gehörte. Unter den vielen Ursachen und Voraussetzungen für den Systemwechsel vor 15 Jahren spielte die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft eine sehr geringe Rolle. Offene Proteste der Arbeitnehmer oder gar Arbeitsniederlegungen blieben bis in die späten achtziger Jahre eine Ausnahme.
Längst hat eine die Kultur, Alltags- und Lebenswelt einbeziehende Öffnung der Sozialgeschichte im allgemeinen, der Sozialgeschichte der Arbeiterschaft im besonderen, der der Arbeiterschaft im Staatssozialismus im speziellen stattgefunden. Trotzdem tut man nach wie vor gut daran, soziale Mikrokosmen und Milieus, Identitäten und Mentalitäten in der politischen Ökonomie zu erden. Sind deren „große“ Institutionen auch keine ehernen Gehäuse, so erweisen sie sich doch als träge, oft nur in der longue durée und mit großem Aufwand verschiebbare Koordinaten des Handelns. Sie sind von beträchtlicher, Menschen und Lebenswelten prägender Wirkmacht: reale, im doppelten Sinn harte Fakten.
Als der Generalsekretär L. I. Breshnew 1977 das sechzigjährige Jubiläum der Revolution feierte, hielt er mit dem Schlagwort vom „entwickelten Sozialismus“ einen Zustand fest, der das Vermächtnis der Revolution als einen Besitzstand beschwor. Dieses Schlagwort war 1971 auf dem XXIV. Parteitag der KPdSU in Umlauf gesetzt worden und sollte ein gleichgewichtiges Wachstum mit einer stärkeren Berücksichtigung der Konsumwünsche der Bevölkerung signalisieren. Die alternde Sowjetführung verstand „entwickelten Sozialismus“ als das realisierte, aber zunehmend pragmatisch umgesetzte Erbe Lenins (und Stalins). Der Name des letzteren wurde seit 1967 nur noch im Zusammenhang mit dem Triumph im Großen Vaterländischen Krieg genannt, obwohl die Nachkriegsstruktur der Sowjetunion auf den Fundamenten ruhte, die Stalins Regime gelegt hatte. Was Breshnew unter seiner Definition von Sozialismus subsumierte, gab sich als das Resultat einer Spirale von Kämpfen und Siegen aus. Nun konnte sich im entwickelten Sozialismus eine „sozialistische Lebensweise“ entfalten. Diese wurde auf dem XXV. Parteitag (1976) als eine „Atmosphäre genuinen Kollektivismus und Kameradschaft“ beschrieben, „als Solidarität und Freundschaft aller Nationen und Völker des Landes“, und schließlich als „moralische Gesundheit, die uns stark und standhaft macht“. In diesem Sozialkitsch manifestierte sich die Selbstzufriedenheit eines juste milieu, der Breshnew-Generation, die unter Stalins Terror sozialisiert, einen beispiellosen Aufstieg aus subalternen Schichten erlebt hatte und den eigenen Erfolg - zu Recht oder zu Unrecht - mit den Siegen im Großen Vaterländischen Krieg und dem Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht verknüpfte.
Das Verhältnis von Arbeitern und Staat beschäftigte die Protagonisten der in unterschiedlichen historischen Kontexten entstandenen Arbeiterbewegungen von deren Anfängen an. Der Plural des Begriffs, wie ihn Klaus Tenfelde in seinem Einführungsvortrag „Arbeiter, Arbeiterbewegungen und Staat im Europa des ,kurzen' 20. Jahrhunderts“ verwendet, signalisiert nicht allein Unterschiede der Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen, sondern auch Differenz im Politischen, in der Programmatik ebenso wie in der täglichen Praxis. In besonderem Maße spiegelten sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Arbeiterbewegungen, wie überhaupt der Arbeiterschaft in der Perzeption des Staates. Doch auch „der Staat“ präsentierte sich Arbeitern gegenüber in sehr verschiedener Weise. Insofern ließ sich die Beziehung zwischen beiden nie über einen Kamm scheren. Gleichwohl weist sie im internatio-nalen Vergleich ebenso wie im Hinblick auf die Arbeiterbewegungen strukturelle Übereinstimmungen auf.
Unter dem Leitthema „Aufwachsen unter der Diktatur - die DDR in den 50er Jahren“ werden aus soziologischer Perspektive einerseits und organisationsgeschichtlicher bzw. kulturwissenschaftlicher Sicht andererseits zwei Projekte bearbeitet.
Das erste von ihnen untersucht die Spezifik von Sozialisation in der stalinistischen Phase der DDR-Entwicklung (1947/48-1956) am Beispiel Ost-Berlins. Auf der Grundlage einer allgemeinen Charakterisierung von Sozialisationsbedingungen in dieser Zeit werden die für die Heranwachsenden besonders bedeutungsvollen Instanzen Familie und Schule in den Mittelpunkt der empirischen Forschung gerückt. Dabei interessieren sowohl die der Familie und Schule seitens des Staates zugedachten Funktionen für die Sicherung und Reproduktion der bestehenden Herrschaftsverhältnisse als auch die Wirkungen bzw. Leistungen dieser Sozialisationsmedien. Gleichzeitig wird der Frage nachgegangen, welche Erfahrungen die Kinder sammelten, die in dieser Diktatur aufwuchsen.
Das zweite Projekt beschäftigt sich mit der Kinderorganisation „Junge Pioniere“ von ihrer Gründung bis Ende der 50er Jahre in ihrer Verknüpfung von politischer und Freizeitorganisation. Untersucht wird, in welcher Weise diese Organisation zur politischen Instrumentalisierung der Heranwachsenden genutzt wurde und welche inneren Strukturen und Funktionsweisen dieser Verband herausbildete. Eine der zentralen Fragestellungen betrifft das Spannnungsfeld zwischen einerseits seiner Attraktion als Freizeitorganisation, zu der es keine Alternative gab, und andererseits der direkten politischen Unterweisung und Mobilisierung. Diese Fragestellung bezieht sowohl die Ebene der Umsetzung von Herrschaftsabsichten als auch die der Wirkung auf die Kinder ein.
Die DDR ist vierzig Jahre am Leben geblieben, bevor sie - unwahrscheinlich schnell - unterging. Jetzt, wo der Westen der „Sieger der Geschichte“ zu sein scheint, sagen viele, daß die DDR im Grunde nur auf Terror und Repression aufgebaut war. Der alte Begriff vom „Unrechtsstaat“, wie auch das Konzept des „Totalitarismus“, die in den fünfziger Jahren so beliebt waren, finden wieder Gefallen. Manche sagen auch, daß „die Deutschen“ seit eh und je besonders gehorsam gewesen sind.
Das politische und soziale Verhalten der Industriearbeiterschaft, einer für die DDR-Gesellschaft wesentlichen Bevölkerungsgruppe, stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Gefragt wird nach den Interessenlagen, die das Politik- und Sozialverhalten unter den Bedingungen einer sich herausbildenden und konsolidierenden "Diktatur des Proletariats" bestimmen. Dabei geht es besonders um die Konstituierung, Artikulation und um die Durchsetzungsversuche sozialer Interessen. In diesem Kontext werden Modalitäten und Verläufe von Interessenarrangements und Konflikten analysiert.
Gegenstand dieses Buches ist die SED-Politik gegenüber den Juden bis zum israelisch-arabischen krieg vom Juni 1967. Im Verständnis der SED-Führung galten vorrangig die aktiven Mitglieder der Jüdischen Gemeinde als Juden. Doch läßt sich eine spezifische Politik gegenüber Menschen jüdischer Herkunft (auch Parteimitgliedern) wie gegenüber dem Staat Israel beobachten, die eine eigenständige Untersuchung rechtfertigt. Diese Politik bewegte sich zwischen zeitweiliger repression (1952/53) und schließlicher Toleranz, wobei letztere Komponente der Politik das ursprüngliche sozialistisch-kommunistische Assimilationskonzept aber nicht in Frage stellte: Juden sollten sich in die "sozialistische" Gesellschaft integrieren, jüdische Identität sollte gegenüber dieser Integration zurücktreten. Sie wurde toleriert, aber nicht unbedingt gefördert, wobei die SED-Führung das Maß an Toleranz bestimmte.