Wirtschaft
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Die Jahrzehnte »nach dem Boom«, also nach der ökonomischen Krise von 1973, erscheinen in historischen Darstellungen häufig wie eine Phase der Stagnation. Für viele Bereiche gilt dies freilich nicht. In der westdeutschen Werbewirtschaft etwa stiegen bereits in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre allein in der Tagespresse die Umsätze um 50 % auf gut fünf Milliarden DM (...)
Bei der derzeitigen Deutung der 1970er-Jahre werden insbesondere die sozioökonomischen und soziokulturellen Veränderungen hervorgehoben, die mit der Ölkrise 1973 einhergingen. Demgegenüber unterstreicht der vorliegende Aufsatz die Umbrüche und Krisenreaktionen Ende der 1970er-Jahre. Insbesondere 1979 verdichteten sich zahlreiche globale Ereignisse, die Paradigmenwechsel bewirkten. Verdeutlicht wird dies für den Bereich der Energie- und Wirtschaftsgeschichte, den Wandel der Politik sowie im Feld der Kultur exemplarisch für die neue öffentliche Bedeutung der Religion und der Geschichte. Die markanten Ereignisse und längerfristigen Trends lassen sich zugleich als Ausdruck und Praxis der Globalisierung fassen: Weit entfernte Ereignisse wie der Atomunfall bei Harrisburg, der Machtwechsel in Nicaragua oder die Revolution im Iran führten auch in der Bundesrepublik zu neuen Wahrnehmungs- und Handlungsmustern. Ein genauerer, transnationaler Blick auf die Jahre um 1979 eröffnet zudem zusätzliche Interpretationshorizonte für Kernfragen der Zeitgeschichte, die sich aus dem Umbruch 1989/90 nur bedingt beantworten lassen.
Seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts verreiste die Mehrheit der Westdeutschen mindestens einmal im Jahr. Die Urlaubsreisen wurden zunehmend als Pauschalreisen ins Ausland unternommen und stellten für die meisten Haushalte auch in Krisenzeiten ein zentrales Konsumgut dar. Um sich dem Reiseverhalten eines Großteils der Bevölkerung anzunähern, werden hier Pauschalurlaube in Spanien untersucht. Dank des wachsenden Flugverkehrs entwickelte sich gerade dieses Land in den 1970er- und 1980er-Jahren zum beliebtesten Auslandsreiseziel der Westdeutschen. Von der zeitgenössischen Konsumkritik wurden Pauschalurlaube in Spanien jedoch häufig negativ bewertet; individuelle Ansprüche spielten bei dieser Urlaubsform angeblich keine Rolle. Anhand der Urlaubspraktiken, wie sie sich indirekt aus den Angeboten der Veranstalter sowie zusätzlich aus Fotoalben und Erinnerungsberichten erschließen lassen, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Massentourismus und die Erfüllung individueller Vorlieben schlossen sich nicht aus; zudem waren Pauschalreisen mitunter der Einstieg in eine selbstständigere Begegnung mit dem Urlaubsland. Der Aufsatz verdeutlicht damit auch das Potential praxeologischer Ansätze zur Erforschung des bundesdeutschen Massenkonsums insgesamt.
In seiner Geschichte der jüngsten Vergangenheit Amerikas, die 2011 unter dem Titel »Age of Fracture« erschien, begreift der Historiker Daniel T. Rodgers die wirtschaftlichen Veränderungen, die sich seit den 1970er-Jahren vollzogen, in ideengeschichtlicher Perspektive als »Wiederentdeckung des Marktes«. Paradoxerweise sei die Idee und Rhetorik des Marktes, als eines abstrakten und dekontextualisierten Prinzips, das auf eine Vielzahl menschlicher Lebensbereiche angewendet werden könne, gerade zu dem Zeitpunkt populär geworden, als allenthalben Marktversagen zu beobachten gewesen sei.[1] Die entscheidende Veränderung der letzten Jahrzehnte, die sich im Bereich der akademischen Wirtschaftswissenschaften vollzogen habe, fasst Rodgers als »an effort to turn away from macroeconomics’ aggregate categories and try to rethink economics altogether from microeconomic principles outward«.[2] Mit der Erklärung makroökonomischer Phänomene auf der Basis mikroökonomischen Verhaltens sei zugleich versucht worden, immer weitere Gesellschaftsbereiche über die Prinzipien individueller Nutzenmaximierung zu erklären.
Fordismus
(2011)
Der „Fordismus” prägte das 20. Jahrhundert maßgeblich und nachhaltig. Doch blieben die Konturen des Begriffs und die hinter ihm stehenden Konnotationen zumeist unscharf. Rüdiger Hachtmann beschreibt die Konzepte und ideologischen Grundhaltungen des Namensgebers Henry Ford sowie die Rezeption des Begriffs und arbeitet dessen wichtigste Bedeutungsebenen heraus. Der besondere sozial- und mentalitätsgeschichtliche Stellenwert des Fordismus und seine Formwandlungen erlauben es, langfristige wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Trends und Dynamiken präziser in den Blick zu nehmen – in einem Jahrhundert, das nach Hachtmann als „fordistisch“ bezeichnet werden kann.
Der Aufsatz leistet anhand des deutschen Beispiels einen Beitrag zur historischen Analyse von Ordnungsmodellen des 20. Jahrhunderts. Dem Schlagwort „Fordismus“ sollen mit Blick auf den Produktionsbereich schärfere Konturen gegeben werden. Zugleich wird der Akzent jedoch darauf gelegt, den Fordismus als Herrschaftstechnik in einem breiteren Sinne zu verstehen. Zunächst geht es um die Anfänge von Taylorismus und Fordismus sowie die Auswirkungen auf die Zusammensetzung der betroffenen Belegschaften, sodann um die Verbindungen des Fordismus mit unterschiedlichen politischen Systemen. Fordistische Elemente finden sich sowohl in demokratischen als auch in diktatorischen Kontexten. Diskutiert wird deshalb, wie fordistische, auf Rationalisierung und Effizienzsteigerung ausgerichtete Arbeitszusammenhänge die Macht- und Herrschaftsverhältnisse beeinflussten und welche Widerstandsformen sich entwickelten. Ein Ausblick richtet sich auf den so genannten Postfordismus, die „neuen Produktionskonzepte“ und die Frage nach der Zukunft des Fordismus.
Die Geschichte setzt ihre Symbole: „IKW 69“ heißt eines davon und bezeichnet die wohl jüngste Investitionsruine im Lausitzer Braunkohlenrevier, ein Industriekraftwerk in Lauchhammer, das acht der umliegenden Brikettfabriken mit Dampf versorgen sollte. Mitte 1991 wurde der nach drei Jahren fast fertige Bau eingestellt, denn dieser Dampf fand keine Abnehmer mehr: Nach rund einem Jahrhundert endete hier die Brikettproduktion, nicht zuletzt, weil einer ihrer Großkunden, die Kokerei Lauchhammer, die Tore geschlossen hat. Auf andere Art symbolhaft erscheint auch der Wandel der regionaltypischen Textilindustrie, wo sich hinter den bröckelnden Fassaden alter Fabrikarchitektur seit 1990 zunehmend Stille ausbreitete.
Die geschichts- und politikwissenschaftliche wie auch die soziologische Diskussion zur typologischen Bestimmung des SED-Regimes hat dessen diktatorischen Charakter deutlicher und zugleich differenzierter hervortreten lassen. Eher am Rande wurde dabei nach technokratischen Komponenten im sozialistischen Herrschaftssystem gefragt, wenngleich die einschlägige Literatur eine ganze Reihe von Hinweisen auf ein Technokratieproblem in der DDR enthält. Im allgemeinen scheint Technokratie aber als ein peripheres Phänomen wahrgenommen worden zu sein. Indes spricht manches für die Relevanz technokratischer Einflüsse in der Geschichte der DDR. Im Aufstieg und Niedergang der Macht- und Funktionseliten sind technokratische Szenarien zu erkennen, deren zentraler Bezugspunkt in der Zentralverwaltungswirtschaft lag. Doch strahlten die Wirkungen technokratischen Handelns offenbar weit in andere Bereiche des täglichen Lebens aus. Um zu erfahren, auf welche Weise und warum sich technokratische Potentiale anreicherten und wie sie wirkten, ist es nötig, die historischen Bedingungen für Technokratie in der DDR zu bestimmen. Das setzt voraus, die technokratischen Spielräume der SED-Diktatur auszuleuchten, den Umgang der Macht- und Funktionseliten mit technokratischen Konzepten und Praktiken aus den Quellen zu rekonstruieren und den spezifischen Phänotyp des Technokraten in der Gesellschaft der DDR zu lokalisieren.