1990er
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Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie Migration durch Statistik sozial relevant wird. Welche Kategorien kommen dabei zum Einsatz? Zuerst wird die historische und wissenssoziologische Perspektive erläutert. Im zweiten und dritten Teil werden historische Umbrüche in der Kategorisierung von Migration am Beispiel der amtlichen Statistik im Deutschen Kaiserreich und in der Bundesrepublik Deutschland skizziert. Der Fokus verschob sich von Migration als Ein- und Ausreisebewegung zu Migration als Alteritätszuschreibung (gestützt auf die Kategorie »Migrationshintergrund« ab 2005). Vor diesem Hintergrund wird im letzten Teil gezeigt, wie sich vergangene und aktuelle Kategorisierungen von Geflüchteten mit der Migrations- und Integrationssemantik verbanden bzw. verbinden. Über die Rekonstruktion der semantischen Brüche und Kontinuitäten hinaus dient die historische Kontextualisierung dem Ziel, heute gängige Kategorien für Migration und Flucht besser reflektieren zu können, die in der Wissenschaft, Politik und Verwaltung verwendet werden.
Die Folgen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation Ostdeutschlands sind in der jüngsten Zeit wieder verstärkt in den öffentlichen Fokus geraten. Vor dem Hintergrund mehrerer ostdeutscher Landtagswahlen im Jahr 2019 wird medial zunehmend eine Aufarbeitung der als (Um-) Bruchszeit wahrgenommenen Periode der frühen 1990er Jahre gefordert. Als zentraler Akteur dieser Phase bietet eine Erforschung der Geschichte der Treuhandanstalt (THA) Zugänge, die sowohl für gesellschaftliche Debatten als auch für die zeithistorische Forschung neue Impulse geben können. Welche Quellen sind dafür besonders relevant, und inwiefern eignet sich die THA als Forschungsgegenstand?
25. Juni 1999: Der Deutsche Bundestag beschließt mit großer Mehrheit, in Berlin ein "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" zu errichten. Vorangegangen war eine langwierige Kontroverse, die zu den wichtigsten Selbstverständigungsdebatten der entstehenden "Berliner Republik" zu rechnen ist. Auf der Basis der publizistischen Stellungnahmen werden in diesem Buch die wesentlichen Konfliktlinien des Denkmalstreits analysiert. Eine zweite Untersuchungsebene bilden die künstlerischen Entwürfe, die die Schwierigkeiten des Vorhabens plastisch vor Augen führen. Aus kulturtheoretischer, geschichtsdidaktischer und erinnerungsethischer Perspektive geht es zugleich um allgemeinere Fragen: Wie verändert sich das historische Erinnern durch den wachsenden Zeitabstand zum Nationalsozialismus? Was kann Trauer um die Ermordeten der NS-Herrschaft heute noch bedeuten?
„Computerspiele einschließlich anderer interaktiver Unterhaltungsmedien (Video-/Konsolen-, Online- und Handyspiele) haben in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Sie sind in Deutschland wirtschaftlich, technologisch, kulturell und gesellschaftlich zu einem wichtigen Einflussfaktor geworden. [...] Computerspiele transportieren gesellschaftliche Abbilder und thematisieren eigene kulturelle Inhalte. Sie werden damit zu einem bedeutenden Bestandteil des kulturellen Lebens unseres Landes und sind prägend für unsere Gesellschaft.“1 Wie der Beschluss des Deutschen Bundestags zur Einrichtung des Deutschen Computerspielpreises zeigt, der seit 2009 jährlich vergeben wird, werden Computerspiele mittlerweile auch von offizieller Seite als ebenso bedeutsam wahrgenommen wie andere, bereits etablierte Kulturgüter. Diese Entwicklung entspricht in ihrer Grundtendenz derjenigen anderer Medien wie Film oder Comic, deren kulturelle Bedeutung ebenfalls erst einige Zeit nach ihrer Erfindung gesellschaftlich anerkannt und staatlich gefördert wurde.
Andree Kaiser (*1964) was trained as a photographer in Pankow, a district in East Berlin. He served a prison sentence in various detention centers of the State Security Service, commonly known as the Stasi, for his attempt to flee German Democratic Republic (DDR). Kaiser got out in 1986 as part of a prisoner release. He started his photojournalism career at Reuters in 1988 and afterward joined several agencies, which resulted in several assignments with travels to eastern European countries. Between 1991 and 1993 he conducted several reportages in Bosnia, Croatia, and Serbia for Newsday (New York). His photos following the breakout of the war in former Yugoslavia had been featured in international exhibitions: “Faces of Sorrow: Agony in the Former Yugoslavia” at the US Holocaust Memorial Museum, “Crimes of War” at the International Criminal Tribunal (The Hague), “Yougoslavie: Déchirures” at SIPA Press in Paris. Decades after the Bosnian War, the US Holocaust Memorial Museum hosted Andree Kaiser’s pictures coming from Syria. He went to Azaz, Bab al-Hawa, Asseharia to witness with his camera another war tragedy and another spectacle of horror.
Wirft man einen Blick in die Aids-Plakatsammlung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden oder in die Bestände zu diesem Thema im Deutschen Plakat Museum im Museum Folkwang in Essen, so findet man etwa dies: Eine Trans-Person mit rotgeschminkten Lippen und farbenprächtig schattierten Augenlidern blickt ernst und fordernd in die Kamera. »DON’T STOP PASSION, STOP AIDS«, steht in Versalien über dem Porträt geschrieben, das eine Plakatkampagne ziert, die vom Ministerium für Gesundheit in Luxemburg 1996 in Auftrag gegeben wurde. »Strength comes from being safe«, ist auf einem anderen Plakat von 1994 aus Neuseeland zu lesen, auf dem sich zwei junge Maori sinnlich in weißen Laken räkeln. Wieder ein anderes Plakat, das 1986 von der Gesundheitsaufklärungsorganisation HERO in Baltimore herausgegeben wurde, zeigt zwei muskulöse Männer in Unterhemden, deren Körperhaltung zwischen Posing und Striptease changiert. »You won’t believe what we like to wear in bed«, ist darauf zu lesen. Die Botschaft dieser drei Plakate ist angesichts der Slogans, des konkreten Imperativs im Plakattext (»Use Condoms«) oder des logoähnlich platzierten Kondoms am unteren rechten Plakatrand unmissverständlich: »Benutzt Kondome, sie schützen vor Aids«. Damit können die Plakate als Beispiele für eine Präventionsstrategie gelesen werden, die in vielen Ländern seit Mitte der 1980er-Jahre dominierte. Das Ziel lautete, über Infektionswege aufzuklären und für ein Verhalten zu werben, das vor Ansteckung schützen sollte. Dieser Konsens, auch »liberale AIDS-Politik« genannt, setzte verstärkt auf Eigenverantwortlichkeit; der Fokus lag vor allem auf Botschaften wie safer sex und safer use.
Das Ende der britischen Kolonialherrschaft in Indien 1947 zerteilte das Land nicht nur, sondern verursachte auch (jahrzehntelange) Migrationsbewegungen. In den Ostteil des neu gegründeten Pakistans migrierten urdusprachige Muslime, die der banglasprachigen Mehrheitsgesellschaft trotz gemeinsamer Religionszugehörigkeit überwiegend fremd gegenüberstanden. Als die Spannungen zwischen den ungleichen pakistanischen Landesteilen im Kampf um die Unabhängigkeit Ostpakistans eskalierten und daraus 1971 der neue Staat Bangladesch entstand, galten die Urdusprachigen als »Volksverräter« und verloren ihre Staatsbürgerschaft. Zum Teil bis heute leben sie mit ihren Nachkommen in mehr als 100 Flüchtlingscamps innerhalb des Landes. Der seit über 40 Jahren andauernde Wartezustand dieser Gruppe führt zu unterschiedlichen Strategien und Konflikten. Geschlecht, Bildung und besonders das Alter entscheiden über das Selbstverständnis der Campbewohner: Während sich die ältere Generation weiterhin für eine Repatriierung nach Pakistan einsetzt, fordern die Jüngeren verstärkt die bangladeschische Staatsbürgerschaft, die 2008 vom Obersten Gerichtshof des Landes formal anerkannt wurde. Dazwischen steht eine große Zahl Unentschlossener, die sich mit den Camps arrangiert hat. Der Aufsatz zeigt, dass weder Staatsangehörigkeit noch Staatenlosigkeit festgefügte Identitäten sind; Flüchtlingscamps sind zugleich Orte des Transits, der Vergemeinschaftung und der Stigmatisierung. Der praxeologische Ansatz des Diasporakonzepts bietet Zugang zu der perpetuierten migrantischen Situation der Urdusprachigen.
Im Bereich der Transformationsforschung wird bisweilen den Geschichtswissenschaften noch keine eigenständige Rolle zugedacht. So werden etwa in der Einleitung eines Handbuchs zur Transformationsforschung zwar „welthistorische“ Beispiele von gesellschaftlichen und politischen Transformationen zur, wie es heißt, „Horizonterweiterung“ dargestellt. Allerdings wird die Historiografie dort nicht zu dem breiten, von Politik- sowie Kultur- über Rechts- bis hin zu Sozial- und Wirtschaftswissenschaften reichenden Feld der mit Transformationsforschung befassten Disziplinen gezählt. Und gerade die quantifizierende Darstellung von gesellschaftlichem Wandel, also dessen eher zahlenmäßige und datenbasierte Beschreibung, wird immer noch vornehmlich als Domäne der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften betrachtet.
In den 1970er-Jahren wurde Resilienz zu einem Begriff für die Fähigkeit eines Systems, flexibel auf Stress zu reagieren. Statt nach einer Störung dem linearen Ideal der Erholung zu folgen, sollte sich das resiliente System neu organisieren. Die Konzepte Stress und Resilienz stammen aus der Materialforschung des 19. Jahrhunderts; im 20. Jahrhundert wanderten sie in die Psychologie und in die Ökologie. Der Beitrag skizziert die Entstehung des Ideals multistabiler Systeme, die auch unberechenbare, diskontinuierliche Veränderungen bewältigen sollten. Entlang der Geschichte der Bruchmechanik des 19. Jahrhunderts, der Traumaforschung der 1950er-Jahre sowie der Stressökologie der 1970er-Jahre wird gezeigt, wie sich Stress und Resilienz zu Systembegriffen ausweiteten, die so unterschiedliche Größen wie die menschliche Persönlichkeit und die irdische Umwelt erfassten. Diskutiert wird insbesondere die Vorstellung des antizipierten Versagens. Ob Mensch, Technik oder Umwelt – das einkalkulierte Systemversagen wurde zur Bedingung für die Selbstoptimierung des Systems, das aus Krisen und Katastrophen gestärkt hervorgehen sollte. Der Kollaps wurde nicht mehr als ein das moderne Selbstverständnis unterlaufendes Problem gedeutet, sondern als der Motor der Evolution.