1980er
Refine
Year of publication
Document Type
- Journal Article (104)
- Part of a Book (65)
- Online Publication (44)
- Book (13)
Keywords
- Deutschland (Bundesrepublik) (6)
- Deutschland (DDR) (4)
- Computer (2)
- Geschichte 1980-1989 (2)
- Amerikaner (1)
- Auftragsforschung (1)
- Außenpolitik (1)
- Berlin (Ost) (1)
- Berlin (West) (1)
- Berlin-Friedrichshain (1)
- Berlin-Kreuzberg (1)
- Computerunterstütztes Verfahren (1)
- Datenverarbeitung (1)
- Deutschland (1)
- Einzeltäter (1)
- Entwicklungsländer (1)
- Eulenspiegel (Zeitschrift, Berlin, Ost, 1946-) (1)
- Evangelische Friedensbewegung (1)
- Gentrifizierung (1)
- Geschichte (1)
- Geschichte 1945- (1)
- Geschichte 1945-1994 (1)
- Geschichte 1949-1990 (1)
- Geschichte 1949-2014 (1)
- Geschichte 1955-1990 (1)
- Geschichte 1957-1980 (1)
- Geschichte 1957-1993 (1)
- Geschichte 1961-2001 (1)
- Geschichte 1965-1990 (1)
- Hacker (1)
- Informationsgesellschaft (1)
- Informationstechnik (1)
- Innenpolitik (1)
- Internationale Kooperation (1)
- Kabarett (1)
- Konzern (1)
- Kurzfilm (1)
- Militär (1)
- Mittäter (1)
- Nationalsozialismus (1)
- Opposition (1)
- Ost-West-Konflikt (1)
- Periodisierung (1)
- Politische Bewegung (1)
- Politischer Gefangener (1)
- Politisierung (1)
- Privatleben (1)
- Produktionsgruppe Stacheltier (1)
- RTL-Radio (1)
- Rechtsradikalismus (1)
- Rentenversicherung (1)
- Solidarität (1)
- Terrorismus (1)
- Unternehmen (1)
- Vergangenheitsbewältigung (1)
- Verwaltungsautomation (1)
- Volkswagen AG (1)
- Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (1)
- Wohnen (1)
- Zwangsarbeiter (1)
- Öffentlichkeit (1)
Magdeburg, 18. September 1985: Das neue Schuljahr in der DDR ist zwei Wochen alt, als eine junge Lehrerin für die Vertretungsstunde in der 9. Klasse eingeteilt wird. Ihren Englischunterricht kann sie nicht fortsetzen und so gibt sie den Schüler:innen spontan eine andere Aufgabe: „Schreibt doch mal auf, wie ihr euch das Leben im Jahr 2010 vorstellt!“ Im Gegensatz zum regulären Unterricht macht sie den Jugendlichen keinerlei Vorgaben, was der Text beinhalten soll, und wartet gespannt auf die Ergebnisse. Als sie die Aufsätze am Abend liest, überraschen die Zukunftsträume der Jugendlichen sie völlig. Die Schüler:innen träumen von offenen Grenzen, von schnellen Autos und dem Besitz eines Eigenheims. „Wenn das deine Parteisekretärin findet, dann ist deine Karriere ja ganz schnell vorbei!“[1], befürchtet sie und beschließt daher, die 23 Texte für sich zu behalten.
Über 30 Jahre später blicken wir nicht nur auf das Jahr 2010, sondern auch auf die untergegangene DDR zurück.
Wie viele andere, inzwischen zumeist und zu Unrecht als randständig behandelte Ideenlieferanten in der Bundesrepublik Deutschland der 1970er- oder 1980er-Jahre ist auch die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Marilyn Ferguson bislang noch kaum in den Genuss historiographischer Weihen gekommen. Im Gegensatz zu den Meisterdenkern der Frankfurter Schule oder liberalen und konservativen Cheftheoretikern sind Ferguson und andere Bezugsgrößen der „Gegenkultur“ und „alternativer“ Lebensweisen nach „1968“ selten zum Gegen-stand der Zeitgeschichtsschreibung geworden – zumal sich diese erst seit wenigen Jahren verstärkt Fragen der Religion zuwendet. Obwohl „Die sanfte Verschwörung“ in deutscher Übersetzung bis 1989 acht Auflagen erreichte und vom „Spiegel“ sehr treffend als „New-Age-Bibel“ bezeichnet wurde, findet sich in keiner der großen Überblicksdarstellungen zur Geschichte der Bundesrepublik auch nur ein kurzer Verweis auf dieses Vademekum esoterischer Praktiken und Diskurse.
Angesichts heutiger Debatten über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sowie über die Frage, wer in der Öffentlichkeit sicht- und hörbar werden sollte, ist »Epistemology of the Closet« brandaktuell. Immer öfter beschweren sich alte, heterosexuelle und weiße Cis-Männer darüber, dass sie angeblich nichts mehr sagen dürften. Im Zeichen einer neuen Identitätspolitik, so die Sorge, beschäftige sich eine Vielzahl kleiner Gruppen mit ihren je eigenen Anliegen, aber niemand habe mehr das große Ganze, den gesellschaftlichen Zusammenhang im Blick. Dabei geht es doch eher darum, dass die Beschwerdeführer nicht mehr so selbstherrlich wie noch vor 30 Jahren für die Allgemeinheit sprechen und die Diskurshoheit für sich beanspruchen können. Das Buch »Epistemology of the Closet« steht am Anfang dieser Entwicklung. Es handelt von der Sichtbarmachung des lange verheimlichten gleichgeschlechtlichen Begehrens und nimmt der heterosexuellen Dominanz ihre Unschuld, markiert sie als eine Struktur der Unterdrückung. Gleichzeitig enthält das Buch aber auch Zweifel an allzu festgefahrenen Vorstellungen von individueller und kollektiver Identität. Es begründet also das, was man heutzutage als Identitätspolitik bezeichnet, und unterläuft es zugleich.
Der ostdeutsche Fotograf Christian Borchert (1942–2000) verstand sich als „Chronist seiner Zeit“. Seine Serie „Familienporträts“ wurde schon vor 1989 in der DDR und in der Bundesrepublik im Kontext bildender Kunst gezeigt – trotz oder sogar wegen der sachlichen, dokumentarischen Perspektive auf die DDR-Gesellschaft. Mittlerweile ist Borchert unverrückbar in den kunsthistorischen Kanon eingegangen, und seine Bilder fehlen auf kaum einer Ausstellung zur Fotokunst in der DDR. Besonders 2009 fand anlässlich der 20-jährigen Jubiläen des Mauerfalls und der „friedlichen Revolution“ eine Fülle von Ausstellungseröffnungen zur DDR-Fotografie statt. Sozialdokumentarische Bilder konnten – als vermeintlich ideologiefreie „Wirklichkeitsbilder“ rezipiert – problemlos im Kunstkontext untergebracht und zugleich als aussagekräftige Quellen der Vergangenheit präsentiert werden. Der Interessenschwerpunkt lag dabei auf der „inoffiziellen“ Fotografie aus der DDR. Diese Tendenz hält bis heute an, und so ließ auch die 2012 eröffnete Ausstellung „Geschlossene Gesellschaft“ in der Berlinischen Galerie, wo einige der „Familienporträts“ vertreten waren, die „offiziellen Bildwelten“, den Bereich der angewandten Fotografie und der Amateurfotografie außen vor. Zwar bildete die sozialdokumentarische, erzählerische Fotografie, die sich ab den 1970er-Jahren als Autorenfotografie emanzipiert hatte, in der DDR tatsächlich den Kern der künstlerischen Fotografie, doch haben sich deren Spezifika grundlegend aus der sozialistischen Fotografieästhetik entwickelt. Dass zwischen „non-konform“ und „offiziell“ nicht klar zu trennen ist, lässt sich mit Christian Borcherts Familienbildern sehr gut belegen.
Seit den 1960er-Jahren ist die Kopplung von Stress und Vorsorge unter dem Stichwort der »Risikofaktoren« zunehmend populär geworden. Wahrscheinlichkeitskalküle, die auf die Steuerung und Verbesserung der kollektiven Gesundheit der Bevölkerung zielen, werden als Grundlage herangezogen, um dem Individuum eine Selbstverantwortlichkeit für seine Risikovorsorge zuzuschreiben. Dieser Ansatz ermöglicht die Übersetzung statistischer Wahrscheinlichkeiten in eine Hermeneutik des Selbst. Im Rahmen der Prävention verschiebt sich der Akzent von der Krankheitsdiagnostik auf die Gesundheitsvorsorge. Durch die Propaganda zur Risikoverhütung – dass der Gesunde pathogene Faktoren vermeiden solle – verschwimmt allerdings die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit. Das gilt auch für das Phänomen Stress. Obschon Stress selbst nicht als Krankheit gilt, wird in ihm doch ein potentieller Verursacher vermutet: eben ein »Risikofaktor«. Und auch wenn er damit als mögliche Ursache für viele Krankheiten verhandelbar wird, gibt es bestimmte pathologische Erscheinungen, mit denen er eine besonders innige Beziehung unterhält – dazu zählt der Herzinfarkt. Dieser wird zum Synonym für die Folgen eines von zu viel Stress bestimmten Lebens. Die Relation von Stress und Herzinfarkt lässt sich nicht nur medizinisch begründen; ihre kulturelle Plausibilität verweist auch auf eine symbolische Dimension. Das Herz als symbolischer Träger menschlicher Aktivität und Emotionalität gerät unter dem Eindruck der modernen Hetze außer Takt.
Diesen Spielfilm umgab nicht nur hierzulande lange ein hartnäckiges Missverständnis. Er feiere, so hieß es, eine glitzernde Scheinwelt, in der narzisstische Mitmacher konsumierten statt kritisierten. Er repräsentiere den neukonservativen Wertehimme der „Lord-Extra-Generation angepaßter Jungen und Mädchen“.1 Andere sahen eher Resignation und Flucht vor bedrückenden Gegenwartsproblemen. 1978, auf dem Höhepunkt der so genannten Disco-Welle, waren sich westdeutsche Beobachter aber darin einig, das massenhafte Tanzen zu elektronisch reproduzierter Musik als Anpassung und Entpolitisierung der jungen Generation deuten zu dürfen. Auch nachdem die Welle und die mit ihr verbundene Kulturkritik abgeflaut waren, blieb „Saturday Night Fever“ als belangloses „Sozialaufsteigerfilmchen“ gespeichert. Poststrukturalistisch gewendet lässt sich der Streifen als Auftakt zu einer Reihe international erfolgreicher Tanzfilme wie „Fame“ (1980), „Flashdance“ (1983) oder „Footlose“ (1984) verstehen, die in den neoliberalen 1980er-Jahren dem Publikum ein unternehmerisches Verhältnis zum eigenen Körper nahebrachten.
Nehmen wir das Ansinnen ernst, eine zeitgeschichtliche Forschung zum bundesdeutschen Rechtsextremismus zu entwickeln, dann sollte diese ihren Gegenstand in seinem Facettenreichtum würdigen. Dies bedeutet unter anderem, dass eine zeitgeschichtliche Forschung zum Thema einen Bereich benötigt der rechtsextreme Kulturarbeit und -erscheinungen untersucht. Denn Rechtsextremismus ist nicht allein ein politisches Phänomen und darum nicht vollständig über die Untersuchung von Organisationen, Ideologien, Strategien, Gewalttaten oder über Wahlergebnisse erfassbar. Vielmehr ist Rechtsextremismus in seiner Entwicklung in Deutschland seit 1945 auch als sozialer und eben kultureller Zusammenhang in den Blick zu nehmen. Die rechtsextreme Kulturarbeit dürfte bedeutende Beiträge zur Reproduktionsfähigkeit, für die Vernetzung, für die Sinnvermittlung und Traditionsvermittlung und für die Herstellung von Identität geleistet haben und stellt so einen Austragungsort für strategische, ästhetische und in zweiter Linie auch inhaltliche Debatten in ihrem Lager bereit.
Die volle Entwicklung der (west)europäischen Gesellschaften zu Massenkonsumgesellschaften gehört zu den bedeutendsten sozioökonomischen und soziokulturellen Wandlungsprozessen zwischen dem Beginn der Wiederaufbauära nach 1945 und der europäischen Epochenwende von 1989/90. Während die Entwicklung des Konsums materieller Güter bereits die Aufmerksamkeit zahlreicher Historiker/-innen gefunden hat, findet der Konsum immaterieller Dienstleistungsgüter eher eine stiefmütterliche Betrachtung.
*Der Beitrag ist in gekürzter Form auch im Begleitkatalog zu der Sonderausstellung "1870/71. Reichsgründung in Versailles" der Otto-von-Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh erschienen (Die DDR und die Reichsgründung, in: Ulrich Lappenküper/Maik Ohnezeit (Hrsg.), 1870/71. Reichsgründung in Versailles, Friedrichsruh 2021, S. 200-205).
Die Meinungen über das zweibändige, unabgeschlossene Werk des protestantischen Tübinger Kirchenhistorikers gehen auseinander: Für manche ist es eine Meistererzählung, die aufgrund ihrer Brillanz zum Standardwerk avancierte, trotz ihrer mehr als 1.200 Seiten umgehend in englischer Übersetzung erschien und monumentalen Geschichten der NS-Zeit wie jenen von Richard Evans und Hans-Ulrich Wehler zugrundeliegt. Andere sehen darin eine Fülle zugespitzter Thesen, voreiliger Urteile und falscher Zusammenhänge, die sich als nicht stichhaltig erwiesen hätten. Bis heute scheiden sich immer noch die Geister an Klaus Scholders großen Bänden über die Kirchen und das „Dritte Reich“.
Eine »Völkerwanderung«? Die Flucht aus Rumänien und die Flüchtlingspolitik in Österreich um 1990
(2023)
Als sich 1989 der »Eiserne Vorhang« in Europa öffnete, waren im »Westen« die Ängste vor einem ungeregelten Zuzug aus dem sich auflösenden »Ostblock« groß. Dass die Einreise von rumänischen Staatsbürger:innen Anfang der 1990er-Jahre tatsächlich zunahm, wurde als Beleg für die Befürchtungen gesehen. Die Frage nach dem Umgang mit Flüchtlingen aus Rumänien prägte die Auseinandersetzung über Flucht und Migration in Europa jedoch bereits seit Mitte der 1980er-Jahre – auch innerhalb des sozialistischen »Blocks«. Wegen der prekären Wirtschaftslage und der repressiven Politik des Ceaușescu-Regimes versuchten immer mehr Menschen Rumänien zu verlassen. Ihre erste Station war meist Ungarn, das als Reaktion auf die Fluchtbewegung 1989 der Genfer Flüchtlingskonvention beitrat und die Arbeit des UNHCR im eigenen Land zuließ, wovon im Sommer 1989 auch Bürger:innen aus der DDR profitierten, die über Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik gelangen wollten. Die internationale Hilfe knüpfte an die Erwartung an, dass durch eine bessere Versorgung in Ungarn der Migrationsdruck auf den »Westen« reduziert werden könne. Diese Hoffnung teilte auch Österreich, wo fremdenfeindliche Stimmungen gegenüber Rumän:innen die Asyl- und Flüchtlingspolitik für die kommenden Jahrzehnte prägten.
Moskau, Anfang Februar 1974. Der Moskau-Gor’kij-Nachtzug, der die sowjetische Hauptstadt mit der 450 Kilometer weiter nordöstlich gelegenen Industriestadt verband, hatte an diesem Abend eine Schar illustrer Fahrgäste – darunter die bekannte Jazzband »Melodija« unter Georgij Garanjan, ein ganzes Symphonieorchester, bekannte Musikkritiker und zahlreiche Musikenthusiasten. Sie alle folgten dem Dirigenten Gennadij Roždestvenskij, der bereits einen Tag zuvor angereist war, um in Gor’kij (heute Nižnij Novgorod) die letzten Vorbereitungen für die Uraufführung einer Symphonie zu treffen. Ein vielversprechender Komponist mit dem Namen Alfred Schnittke (russ. Al’fred Garrievič Šnitke, 1934–1998) hatte sein erstes symphonisches Werk vorgelegt. Schon sein Abschlusswerk am Moskauer Konservatorium, das Oratorium »Nagasaki« (1958), hatte für Aufsehen und heftige Diskussionen gesorgt. Eine Vielzahl kammermusikalischer und konzertanter Werke war seitdem zur Aufführung gekommen. Die erste Symphonie eines solchen Komponisten versprach aufregende Klänge und neue Perspektiven für die künftige Musikentwicklung. Gespannt warteten die Zuhörer nach ihrer Ankunft im Konzertsaal des Kremls von Gor’kij, welche musikalischen Eindrücke sie erleben würden. Sie wurden nicht enttäuscht.
Die Frage, wie es vom „Einholen wollen“ der Ära Ulbricht zum - letztlich gescheiterten - „Aufholen müssen“ unter Honecker/Mittag kam, ist die Frage nach der Fähigkeit der DDR-Planwirtschaft, mit technischen Neuerungen umzugehen, Industrieinnovationen zu ermöglichen. Die offensichtlich unzureichende Innovationsfähigkeit der DDR-Planwirtschaft ist zweifellos eine der zentralen Ursachen dafür, daß die DDR im Wettbewerb mit der Bundesrepublik Deutschland unterlag. Der folgende Aufsatz, Zwischenergebnis eines größeren Projektes am FSP Zeithistorische Studien, versucht, sich dem komplexen Problem der Ursachen für die Innovationsschwäche der DDR am Beispiel der seit den 1960er Jahren in allen entwickelten Industrieländern auf der Tagesordnung stehenden Modernisierung des Werkzeugmaschinenbaus durch Innovationen auf dem Gebiet numerischer Steuerungen zu nähern. Dabei wird - mit Spur - davon ausgegangen, daß die damit ermöglichte flexible Automatisierung eines der zentralen Probleme der Bewältigung der wissenschaftlich-technischen Revolution in den 1960er bis 1980er Jahren war und die Ausstattung der Werkzeugmaschinen mit mikroelektronischen Steuerungen ein mehr als eine Branche betreffender innovativer Vorgang darstellte.
Der Entwicklung der Einkommen in den Ostblockländem lag ein Widerspruch zwischen den ideologischen und legitimatorischen Grundlagen des ihnen eigenen staatssozialistischen Systems auf der einen und den wirtschaftlichen Erfordernissen auf der anderen Seite zugrunde. Die in diesen Staaten herrschenden kommunistischen Parteien vertraten den Anspruch, die sozialistische Utopie von materieller Gleichheit und Gerechtigkeit verwirklichen zu können. Jedoch wurde diese Idee von den Führungen jener Parteien auch instrumentalisiert, um ihre Macht zu legitimieren. Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit faszinierte an dieser Vision besonders die Annahme, auf der Basis gesellschaftlichen Eigentums und gesamtwirtschaftlicher Planung Vollbeschäftigung garantieren zu können. Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit wurde für den Staatssozialismus zu einem wesentlichen Wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziel und damit zu einer weiteren legitimatorischen Grundlage. Auf dem sozialisierten Eigentum an den Produktionsmitteln beruhte auch die Vorstellung, daß die Arbeitskraft - im Unterschied zum Kapitalismus, für den das Marx herausgearbeitet hatte - ihren Warencharakter verlieren werde. Da alle Gesellschaftsmitglieder Eigentümer der Produktionsmittel seien, müßten sie ihre Arbeitskraft nicht mehr an die Besitzer der Produktionsmittel verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der damit letztlich zu verwirklichende Gleichheitsanspruch war jedoch nicht absolut, sondern stand latent im Widerspruch zu dem Erfordernis, auch in diesem als Alternative zur liberalen Wettbewerbswirtschaft gedachten System Wirtschaftswachstum inklusive Produktivitätssteigerung zu gewährleisten.
Für alle modernen Gesellschaften stellt die aus transnationaler Migration resultierende interkulturelle Begegnung eine fundamentale Herausforderung dar. Obwohl die DDR eindeutig als Ausreise- und nicht als Einwanderungsgesellschaft charakterisiert werden kann, galt dies auch für den SED-Staat. In der historischen DDR-Forschung ist jedoch dem Umgang mit Fremden und den Bedingungen des Fremd-Seins in der staatssozialistischen Diktatur bislang eher geringe Aufmerksamkeit gewidmet worden. Der vorliegende Band setzt - wie das ihm zugrunde liegende Forschungsprojekt „Fremde und Fremd-Sein in der DDR“ - an diesem Desiderat an.
Nach 1989 dauerte es einige Jahre, bis diese beiden in Geschichte- wie in den benachbarten Gesellschaftswissenschaften angesiedelten Paradigmen zu einem konstruktiven Verhältnis wechselseitiger Ergänzung fanden. Davon profitieren nun auch die neuen Ansätze zur Erforschung der Geschichte des Kalten Krieges. Die hier vorgelegte Sammlung von Aufsätzen ist im Umfeld eines Forschungsprojektes entstanden, das Teil dieser Konjunktur ist und am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam seit 2001 das Verhältnis von Massenmedien und Kaltem Krieg bearbeitet. Es handelt sich um Zwischenergebnisse aus individuellen Einzelforschungen. Arbeiten zu weiteren Untersuchungsgegenständen, deren Ergebnisse in einem weiteren, umfangreicheren Band zur Kulturgeschichte des Kalten Krieges in Europa zusammengefasst werden, dauern noch an. Die folgenden Thesen zur gesellschafts- wie mediengeschichtlichen Interpretation des Kalten Krieges halten gleichwohl in aller Vorläufigkeit und Kürze einige Grundannahmen wie auch erste allgemeine Befunde der gemeinsamen Projektarbeit fest.
Der vorliegende Band vereint methodisch-theoretische Überlegungen zur sozialhistorischen Netzwerkanalyse und empirische Einzelstudien zum Phänomen der Netzwerke im Realsozialismus. Er lädt dazu ein, die Substrukturen der realsozialistischen Gesellschaften zu analysieren. Netzwerke sind definitorisch nur schwer zu erfassen und lassen sich nicht immer scharf gegenüber Begriffen wie Patronage, Seilschaft, Arrangement etc. abgrenzen. Die Autoren der Beiträge experimentieren quasi mit dem Netzwerkbegriff auf der Grundlage ihrer jeweiligen empirischen Ergebnisse. Dabei kommt es zu Überschneidungen mit den Netzwerkbegriffen der Wirtschaftsgeschichte, der Organisationssoziologie und der Politikwissenschaften. Auf den ersten Blick scheinen sich einige der vorliegenden Untersuchungen wenig auf den Netzwerkbegriff zu beziehen. Auf den zweiten Blick jedoch, und das macht die Spezifik des Bandes aus, untersuchen sie Sonderformen von Netzwerken. Die Netzwerke in staatssozialistischen Systemen wurden, anders als etwa in westlichen Unternehmen, nicht aufgrund kalkulierter Effizienzkriterien installiert und aktiv betrieben, sondern dienten in der Regel dazu, eine Vielzahl von Defiziten zu kompensieren.
Existierten in der Gesellschaft der DDR überhaupt Eliten? Die Antwort auf diese Frage ist umstritten. Wenn es Eliten gab, was machte sie dazu, wie agierten sie, wer gehörte zu ihnen? Andererseits, wenn sie fehlten, wer oder was befand sich an ihrer Stelle und warum? Oder gab es in der sozialen Struktur der sozialistischen Gesellschaft gar keine adäquaten Funktionen und Positionen, die sich einer Elite zuschreiben ließen? Solche Fragen verweisen auf ein kontrovers diskutiertes Thema, dem sich im Laufe der neunziger Jahre auch die zeithistorische DDR-Forschung verstärkt zuwandte. Die in diesem Sammelband vereinten Beiträge sind aus dieser Diskussion hervorgegangen.
Der Rechtsterrorismus in der Bonner Republik wird erstmals eingehend in seiner ganzen Bandbreite untersucht.
Der Rechtsterrorismus wurde in Deutschland jahrzehntelang als Problem für die innere Sicherheit unterschätzt. Das Bild vom verwirrten Einzeltäter prägte den Diskurs. Erst die Aufdeckung der Morde des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) machte Politik und Gesellschaft die unmittelbare Gefahr bewusst. Auch die bundesdeutsche Zeitgeschichte befasste sich lange kaum mit dem Rechtsterrorismus, obwohl dessen Geschichte bis in die frühen 1960er Jahre zurück reicht.
Darius Muschiol untersucht anhand vielfältiger Akten und Dokumente den Entstehungs- und Entwicklungsprozess des bundesdeutschen Rechtsterrorismus bis 1990. Er blickt auf die Radikalisierungsprozesse der Rechtsterroristen, deren Vernetzungen, ihr Agieren und die Bewertung dieser Gewalt durch Politik, Justiz und Öffentlichkeit. Zudem stehen die jeweiligen Feindbilder, die gesellschaftliche Einbettung des Terrorismus und dessen Kommunikationsstrategien im Vordergrund. Im Blick stehen dabei auch bekannte Gruppierungen und Ereignisse wie die »Wehrsportgruppe Hoffmann« oder das Oktoberfestattentat 1980, vor allem aber zahlreiche bislang kaum oder unbekannte Akteure. Ebenso zeigt der Autor die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Reaktionen. Dabei arbeitet er insbesondere heraus, dass es sich eben nicht um Einzeltäter handelte, sondern dass gerade diese Sicht die Gewalt verharmloste. Darius Muschiol ergänzt damit den Blick auf die Demokratiegeschichte der Bundesrepublik wesentlich.
Der vorliegende Aufsatz analysiert, wie die aus damaliger und heutiger Sicht unerwartet große Flüchtlingshilfe gegenüber den vietnamesischen »Boat People« aufkam und ihre starke Dynamik gewann. Untersucht wird, welche Rolle zivilgesellschaftliche Gruppen, die staatliche Bürokratie, politische Parteien sowie Medien dabei spielten und wie diese bei der konkreten Aufnahme von Flüchtlingen interagierten. Dabei wird erstens gezeigt, dass anfangs vor allem öffentlicher Druck die sozialliberale Regierung zu einer Aufnahme der Indochina-Flüchtlinge bewegte, sich dann aber zivilgesellschaftliches und staatliches Handeln wechselseitig ergänzten. Das zweite Argument lautet, dass der öffentliche Druck insbesondere durch mediale Kampagnen und durch christdemokratische Initiativen aufkam, die entschieden für die Aufnahme der Flüchtlinge eintraten. Eine wichtige Rolle spielte dabei, so die dritte These, dass die »Boat People« diskursiv mit der deutschen Nachkriegsgeschichte verbunden wurden – speziell mit der Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Viertens zeigt der Aufsatz, wie Techniken der Flüchtlingsaufnahme und neue Formen humanitärer Hilfe entstanden, die sich als zivilgesellschaftlicher und bürokratischer Wandel interpretieren lassen.