1980er
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Sie sind knapp fünfzig Jahre alt: Dietmar Riemanns Fotografien aus der DDR, die das Berliner Willy-Brandt-Haus gerade ausstellt. Und sie sind relevant. Dietmar Riemann hat sozialdokumentarische Aufnahmen angefertigt. Wir sehen auf den Bildern zum Beispiel, welche unterschiedlichen Milieus die Ost-Berliner Trabrennbahn in den 1970er Jahren anzog. Riemanns Fotografien dokumentieren aber auch andere Orte. Seine Aufnahmen von leeren, wüsten Ost-Berliner Hinterhöfen zeugen von Verfall, Einsamkeit und Beengung. Sie suggerieren Vernachlässigung, von Gebäuden wie von Menschen. Die Fotos lehren uns zudem, wie Anspruch und Wirklichkeit im DDR-Alltag auseinanderklafften.
Der Rechtsterrorismus in der Bonner Republik wird erstmals eingehend in seiner ganzen Bandbreite untersucht.
Der Rechtsterrorismus wurde in Deutschland jahrzehntelang als Problem für die innere Sicherheit unterschätzt. Das Bild vom verwirrten Einzeltäter prägte den Diskurs. Erst die Aufdeckung der Morde des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) machte Politik und Gesellschaft die unmittelbare Gefahr bewusst. Auch die bundesdeutsche Zeitgeschichte befasste sich lange kaum mit dem Rechtsterrorismus, obwohl dessen Geschichte bis in die frühen 1960er Jahre zurück reicht.
Darius Muschiol untersucht anhand vielfältiger Akten und Dokumente den Entstehungs- und Entwicklungsprozess des bundesdeutschen Rechtsterrorismus bis 1990. Er blickt auf die Radikalisierungsprozesse der Rechtsterroristen, deren Vernetzungen, ihr Agieren und die Bewertung dieser Gewalt durch Politik, Justiz und Öffentlichkeit. Zudem stehen die jeweiligen Feindbilder, die gesellschaftliche Einbettung des Terrorismus und dessen Kommunikationsstrategien im Vordergrund. Im Blick stehen dabei auch bekannte Gruppierungen und Ereignisse wie die »Wehrsportgruppe Hoffmann« oder das Oktoberfestattentat 1980, vor allem aber zahlreiche bislang kaum oder unbekannte Akteure. Ebenso zeigt der Autor die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Reaktionen. Dabei arbeitet er insbesondere heraus, dass es sich eben nicht um Einzeltäter handelte, sondern dass gerade diese Sicht die Gewalt verharmloste. Darius Muschiol ergänzt damit den Blick auf die Demokratiegeschichte der Bundesrepublik wesentlich.
Heavy Metal ist Extase, ist Rausch, ist performative Härte. Mit Politik haben die meisten Heavy-Metal-Fans und -Bands zumindest als Teil ihrer subkulturellen Identität nichts am Hut. Eine frappante Ausnahme stellt der National Socialist Black Metal (NSBM) dar, ein nicht klar abgrenzbarer, international agierender und offen rechtsextremer Teil der Szene. Hier ist die Szenezugehörigkeit inhärent mit Politik und explizit geschichtsphilosophischen Diskussionen verwoben. In einer Vielzahl an Fanzine-Texten schreiben die Anhänger (größtenteils sind es Männer) nicht nur über Musik, sondern tragen über die Reproduktion rechter Narrative zur Ideologisierung und Stabilisierung der NSBM-Szene bei. Der Untersuchungsgegenstand NSBM ermöglicht einen Blick darauf, wie rechte Geschichtspolitiken in popkulturellen Kontexten Eingang finden, dort tradiert und verbreitet werden. Denn aus dem NSBM bestehen zahlreiche Verbindungen in rechtsterroristische Milieus und die Szene kann auch sonst als Teil der „Neuen Rechten“ verstanden werden.
Heavy Braut, Asphalt Lady, Teufelsbraut und Lady Rock – so lauten Titel einiger Heavy Metal Bands der DDR. Von jungen Frauen, die durch einen Konzertbesuch aus dem starren Arbeits- und Familienalltag ausbrechen, über besessene Motorradfahrerinnen bis hin zu durchtriebenen femme fatales thematisierten Musikgruppen wie Plattform, Hardholz, Feuerstein und Cobra ab Mitte der 1980er-Jahre das weibliche Geschlecht. Lassen die in diesen Songs dargestellten Formen von Weiblichkeit auf die Emanzipation von Frauen in der sozialistischen Gesellschaft schließen? Und bot die von der Einheitspartei propagierte Gleichberechtigung Frauen in der DDR begünstigte Teilhabemöglichkeiten an einer Musikszene, die im „Westen“ traditionell männlich dominiert wurde?
Im Jahr 2014 beschloss die zwölf Jahre nach ihrem Tod von Freund*innen der Fotografin gegründete Abisag Tüllmann Stiftung die Übergabe des fotografischen Werks an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Letztere sollte den Nachlass Abisag Tüllmanns sichern, erschließen und zugänglich machen. Der damalige Leiter der bpk-Bildagentur Hanns-Peter Frentz und Heidi List als Vertreterin der Abisag Tüllmann Stiftung verfolgten mit ihrer Arbeit das Ziel, einen Großteil des Nachlasses nicht nur für die wissenschaftliche, sondern auch für die allgemeine Öffentlichkeit zu bewahren und online zugänglich zu machen.
Zugegeben handelt es sich bei dieser digitalen Fotoausstellung um ein nostalgisches Projekt. Kolleginnen und Kollegen, die sich mit der Geschichte des Russischen Reichs, der Sowjetunion und ihrer Nachfolgestaaten beschäftigen, haben auf unsere Bitte hin nach ihren persönlichen Fotografien aus der Zeit der Perestroika gesucht, uns eine Auswahl geschickt und zu einem Bild einen kleinen Text geschrieben. Wir freuen uns, dass mit Unterstützung von Christine Bartlitz (ZZF) die Schau ihren Platz auf der Plattform Visual History gefunden hat.
Destination Vergangenheit. David Lowenthals Panorama geschichtskultureller Aneignungen (1985/2015)
(2021)
»The Past is a Foreign Country« ist ein Zentralmassiv der Heritage Studies, der Cultural and Historical Geography und der Public History. Das 1985 erschienene Buch nimmt populäre Zugänge und Formen der Bewahrung und Repräsentation der Vergangenheit in den Blick; dabei spannt es den Bogen von der Gegenwart bis zurück in die Renaissance. Lowenthal zitiert mit seinem Titel den britischen Schriftsteller Leslie Poles (L.P.) Hartley (1895–1972), der seinen Roman »The Go-Between« (1953) mit den Worten begann: »The past is a foreign country; they do things differently there.« Schon die Umschlagbilder legen eine Reise in ferne Vergangenheiten nahe und wecken zugleich den mit dem (Geschichts-)Tourismus verbundenen Exotismus, der aus dem Fremden ebenso wie aus dem Vergangenen das unberührt-unverfälscht Natürliche und Authentische macht. Die Destinationen, die Lowenthal bei seiner Reise in vergangene Geschichtskulturen aufsuchte, lagen vor allem im Vereinigten Königreich, in Nordamerika und im westlichen Europa. Das Buch durchzieht die These, dass alle populären Versuche, die Vergangenheit möglichst authentisch zu bewahren, zu rekonstruieren, darzustellen oder wahrzunehmen, auf die eine oder andere Weise zum Scheitern verurteilt sind, dass sich aber gerade aus der Formbarkeit der Vergangenheit ihre identitätsbildende Kraft erschließt.
Auf dem Höhepunkt der internationalen Auseinandersetzung um postkoloniale Restitutionsfragen tagte im Mai 1980 erstmals ein neuer UNESCO-Ausschuss mit der kuriosen Bezeichnung Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to Its Countries of Origin or Its Restitution in Case of Illicit Appropriation. Das kurz ICPRCP genannte Komitee sollte als vermittelnde Instanz zwischen Kulturgüter besitzenden und zurückfordernden Staaten tätig werden. Doch seine Gründung wurde, davon zeugt dieser Name, von heftig geführten Deutungskämpfen über die zentralen Begriffe „restitution“ und „return“ begleitet.
Restitution, Rückgabe, oder auch Transfer gehören heute zum Standardvokabular von postkolonialer Museumspraxis und auswärtiger Kulturpolitik, in der medialen Berichterstattung werden sie oft synonym verwendet. Dabei waren diese Termini ursprünglich eng mit divergierenden Interpretationen der kolonialen Vergangenheit, institutionellen Selbstverständnissen und entwicklungspolitischen Interessen verbunden.