Soziales
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„Gott ist tot – macht nichts“, titelte kürzlich die „ZEIT“ und präsentierte ihren Lesern unter dieser Überschrift „Hausbesuche bei vier Atheisten“. Vergegenwärtigt man sich die Aufmerksamkeitsregeln von Printmedien, die ja vor allem auf das Außergewöhnliche als das Berichtenswerte setzen, dann sind auch diese Skizzen ein Beleg für die neue Konjunktur, die die Religion in all ihren Facetten findet. Hat die bewusste Abwendung von einem transzendental begründeten Glauben, gar an eine personal gedachte Gottheit (schon wieder) Neuigkeitswert? Dass Glauben nicht Wissen sei, sich die Entstehung der Welt auch ohne göttliche Fügung erklären lasse, moralisches Verhalten sich nicht ausschließlich aus religiösen Überzeugungen ableite – taufrisch sind die in den Gesprächen thematisierten Überlegungen nicht.
Sozialhistoriker haben sich traditionell schwer damit getan, die spezifische Form und Relevanz der Religion in der modernen Gesellschaft zu verstehen. Das lag nicht nur, wie oft unterstellt wird, an der unhinterfragten Gültigkeit eines weit verstandenen Säkularisierungskonzepts, das Religion als etwas Vormodernes per se aus der historischen Analyse der Zeit nach 1800 ausschloss. Es lag auch und zumal an der komplizierten disziplinären Lage der Religionsgeschichte, die lange zwischen einer konfessionell gebundenen und methodisch konventionellen Kirchengeschichte, einigen mit weitem Blick historisch arbeitenden Theologen sowie den Vertretern der ›säkularen‹ Sozialgeschichte eingezwängt war.
Fordismus
(2011)
Der „Fordismus” prägte das 20. Jahrhundert maßgeblich und nachhaltig. Doch blieben die Konturen des Begriffs und die hinter ihm stehenden Konnotationen zumeist unscharf. Rüdiger Hachtmann beschreibt die Konzepte und ideologischen Grundhaltungen des Namensgebers Henry Ford sowie die Rezeption des Begriffs und arbeitet dessen wichtigste Bedeutungsebenen heraus. Der besondere sozial- und mentalitätsgeschichtliche Stellenwert des Fordismus und seine Formwandlungen erlauben es, langfristige wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Trends und Dynamiken präziser in den Blick zu nehmen – in einem Jahrhundert, das nach Hachtmann als „fordistisch“ bezeichnet werden kann.
In der zeithistorischen Wissenschaft wird schon seit geraumer Zeit darüber diskutiert, welche Bedeutung und Eigenart den 1970er-Jahren im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zuzuschreiben seien. Frühe Überlegungen über den Charakter der Zeit als »rotes Jahrzehnt«, als »sozialdemokratisches Jahrzehnt« oder vielleicht doch schon als Inkubationsphase des erneuerten konservativen Trends nach1980 bewegten sich auf dem vertrauten Pfad der Zeitgeschichte seit 1945, die Jahrzehnt um Jahrzehnt seit den 1950er-Jahren durchmusterte und darauf konzentriert war, die Entwicklung der Nachkriegszeit als Fortschritts- und Wohlstandsgeschichte mitzuvollziehen.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Die Konsumgeschichte ist ein relativ junges, seit den 1990er-Jahren stark expandierendes Forschungsfeld innerhalb der Zeitgeschichte. Wie Manuel Schramm in seinem Überblick deutlich macht, handelt es sich dabei um einen Paradigmenwechsel innerhalb der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, der in der Abwendung von einem produktionszentrierten Paradigma der älteren Sozial- und Gesellschaftsgeschichte zu sehen ist. Vielmehr geraten mit der Konsumgeschichte Prozesse der Kommerzialisierung, die Bedeutung von Märkten und auch individuelle Konsumbedürfnisse stärker in den Blick der zeithistorischen Forschung. Vor diesem Hintergrund plädiert der Autor dafür, dass mit der Konsumgeschichte auch wesentliche Kategorien der Gesellschaftsgeschichte wie soziale Ungleichheit und wirtschaftliches Wachstum neu überdacht werden müssen.
Am Beispiel des Elsass verfolgt der Aufsatz das Spannungsverhältnis von Europa-Konzepten und regionaler Selbstverortung im 20. Jahrhundert. Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf den 1920er- und 1930er-Jahren als der entscheidenden strukturbildenden Periode regionaler Europa-Konzepte. Die damaligen Frontstellungen und Wahlverwandtschaften der Bezüge auf „Europa“, „Volkstum“ und die „deutsch-französische Verständigung“ blieben bis in die 1970er-Jahre prägend. Für die Zwischenkriegszeit ist die Unterscheidung zwischen „liberalen“ und „antiliberalen“ Konzepten zu problematisieren, da die regionalen Europa-Konzepte in den Zusammenhängen von Minderheitendiskussion und elsässischer Autonomiebewegung grundsätzlich ambivalent waren. Erst nach den Locarno-Verträgen (1925/26) zeichneten sich die antiliberalen Orientierungen eines „integralföderalistischen“ Europa-Konzepts deutlich ab. Der Aufsatz betont die Notwendigkeit, liberale und antiliberale Europa-Semantiken in gemeinsamen, längerfristigen Entwicklungsgeschichten zu untersuchen, um so auch die NS-Zeit stärker zu kontextualisieren.
Der polnische Antiliberalismus der 1920er- und 1930er-Jahre versteckte sich in den Formen des polnischen „Patriotismus“, des klassischen „Unabhängigkeitskämpfers“, in dem Wunsch, staatliche Souveränität durch Teilföderationen mit den Nachbarländern abzusichern. Politische Eliten im Polen der Zwischenkriegszeit haben keine Alternative dazu gesehen, mit Europa anders zu sprechen als aus der Position eines „starken“ Partners. Und diese Position glaubten sie nicht durch demokratische Reformen erreichen zu können, nicht durch einen liberalen Umgang mit den Minderheiten, nicht durch bilaterale oder transnationale Zusammenarbeit, sondern durch die Wiederbelebung der Idee der multinationalen Jagiellonischen Union. Sie war ihnen als „Vorstufe“ einer europäischen Integration genug. Näher erläutert werden zwei konkurrierende Varianten der antiliberalen Grundtendenz: Roman Dmowskis nationalistischer, pro-westlicher Entwurf einer mitteleuropäischen Föderation sowie Jozef Piłsudskis autoritärer Entwurf eines slawischen Großraums zwischen Deutschland und Russland.
Der Aufsatz beschreibt anhand von Fallbeispielen die Einführung von Rechnern/Computern in Industrie und Verwaltung sowie die damit einhergehenden Fortschrittsversprechen und Utopien. Der Nutzen der neuen Technologie war für die Akteure zunächst schwer einzuschätzen; daher gab es ein breites Spektrum von Erwartungen, Euphorien und Ängsten. Den „Elektronengehirnen“ der 1950er-Jahre wie auch den späteren Computern wurde im gesamten Untersuchungszeitraum ein Potenzial zugewiesen, das über die damaligen technischen Möglichkeiten weit hinausging. Ein Schwerpunkt der Diskurse war die Frage nach der Zukunft der Arbeit. Als Computer in Unternehmen und Verwaltungen stärker vordrangen, entstanden zahlreiche soziologische Studien, die aus heutiger Sicht aufschlussreiche zeithistorische Quellen sind. Sie dokumentieren strukturelle Veränderungen der Industriegesellschaft, Erfahrungen von Arbeitnehmer/innen im Umgang mit der neuen Technik und zugleich die wissenschaftlichen Versuche, das Phänomen der Computerisierung zu erfassen.
Die Konsumgeschichte ist ein relativ junges, seit den 1990er-Jahren stark expandierendes Forschungsfeld innerhalb der Zeitgeschichte. Wie Manuel Schramm in seinem Überblick deutlich macht, handelt es sich dabei um einen Paradigmenwechsel innerhalb der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, der in der Abwendung von einem produktionszentrierten Paradigma der älteren Sozial- und Gesellschaftsgeschichte zu sehen ist. Vielmehr geraten mit der Konsumgeschichte Prozesse der Kommerzialisierung, die Bedeutung von Märkten und auch individuelle Konsumbedürfnisse stärker in den Blick der zeithistorischen Forschung. Vor diesem Hintergrund plädiert der Autor dafür, dass mit der Konsumgeschichte auch wesentliche Kategorien der Gesellschaftsgeschichte wie soziale Ungleichheit und wirtschaftliches Wachstum neu überdacht werden müssen.
Wo liegen heute die Perspektiven einer Geschichte der Industriearbeit? Über einige Jahre hinweg ging von diesem Themengebiet wenig Reiz aus: Gewiss gab es einige wichtige Detailstudien, aber große methodische Neuerungen blieben weitgehend aus. Letztlich kann dieser Befund nicht verblüffen, da gerade die 1970er und 1980er Jahre ein – damals in diesen Ausmaßen neues – Interesse an der Arbeiter- und Industriegeschichte hervorgebracht hatten, das gleichzeitig von methodischer Innovation mit Strahlkraft auf die gesamte Geschichtswissenschaft geprägt gewesen ist. In Deutschland konnte sich überhaupt erst im Zuge dieser Entwicklung die Sozialgeschichte etablieren.