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Auch heute, knapp drei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der DDR und dem Beitritt des kleineren ostdeutschen Staates zur größeren Bundesrepublik hat sich die Zeitgeschichte noch kaum mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich das, was seit 1990 auf dem Boden des nunmehr voll-souveränen Deutschlands entstand, in geschichtswissenschaftlicher Perspektive erfassen, verstehen und einordnen lässt. Für die These, dass es sich bei der nach Osten erweiterten Bundesrepublik nicht bloß um eine Fortsetzung von Altbekanntem, sondern teilweise um etwas Neues handelte, sprachen neben dem radikal gewandelten internationalen Kontext schon aus zeitgenössischer Sicht die besonderen Bedingungen des politischen Umbruchs in der spätsozialistischen DDR.
Verglichen mit den kommunistischen Nachbarstaaten waren die Umwälzungen in Ostdeutschland durch ein besonders hohes Tempo geprägt. Binnen weniger Monate kollabierte ein politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches System, welches sich bis dahin – trotz vielfältiger Anpassungsschwierigkeiten und Krisenerscheinungen – durch einen bemerkenswerten Grad an Stabilität und Selbstbewusstsein ausgezeichnet hatte. Neben dem schlagartigen Zerfall des SED-Staats stellte die schnelle Übertragung des politischen und sozioökonomischen Modells der Bundesrepublik die zweite große Besonderheit dar. In der sozialwissenschaftlichen Literatur wird dieser Vorgang wahlweise als eine „von therapeutischen Maßnahmen bereinigte Schocktherapie“, als „natürliches Experiment“ oder als „electric chair therapy“ bezeichnet: Mit dem erklärten Ziel, innerhalb kürzester Zeit eine vollständige Angleichung an westdeutsche Produktivitäts-, Lohn-, Konsum- und Rechtsstandards zu erreichen, wurden sämtliche institutionellen Arrangements der alten Bundesrepublik in die neuen Bundesländer transplantiert. Die Geschwindigkeit, Totalität und Radikalität, in der sich diese Veränderungsprozesse vollzogen, setzten wiederum verschiedene Dynamiken in Gang, für die Jürgen Kocka seinerzeit den Begriff der „Vereinigungskrise“ geprägt hat.
Zwischen Weihnachten und Neujahr 1982 und 1983 fand im Frankfurter Theater am Turm (TAT) jeweils das Festival Stern.Zeichen statt, das im Untertitel „Homosexualität im Theater“ hieß. Zu den großen Entdeckungen der ersten Ausgabe zählte Georgette Dee, jene androgyne Künstler*in, die seit den frühen 1980er Jahren in ihren Bühnenauftritten unterschiedlichste Facetten von Geschlechtlichkeit aufführt, die sich nicht in einer einzelnen Identitätskategorie auflösen lassen. Für die zweite Ausgabe 1983 wurde Georgette Dee eingeladen, eine Weihnachts-Gala zu moderieren (und zu organisieren). Die Beschreibung des Auftritts lässt erahnen, mit welchem Glitter, Glamour und Camp hier gegen Heteronormativität angespielt und angesungen wurde.
Das Zeigen von Bildern ist innerhalb sozialgesellschaftlicher Kontexte keine unbedeutende Handlung. Bereits die Frage, welche Bilder für eine Betrachtung und Veranschaulichung eines Gegenstands ausgewählt werden und welche nicht, verweist auf ihre diskursive Einbettung und lässt darauf schließen, dass über das Medium Bild Diskurse nicht nur abgebildet, sondern auch mitgeschrieben beziehungsweise ausgeformt werden.
Für was stehen die Jahre 1989/1990? Vermutlich sind es die Erinnerungen an die „Friedliche Revolution“ und an das Einreißen der Mauer von Ost nach West, die viele Menschen in Deutschland mit diesen Daten assoziieren. Jenes Ereignis ist möglicherweise zu einem Teil ihrer kulturellen Identität geworden, sie verbinden damit vielleicht eine persönliche Geschichte. Wie aber ist es den Menschen ergangen, die 1989 erst seit einer Generation oder noch kürzer in Deutschland lebten? Denjenigen, die andere Lebensgeschichten aus anderen Ländern mitbrachten und sich nach dem Mauerfall ebenfalls mit neuen gesellschaftlichen Herausforderungen, eventuell sogar mit einem erneuten Ankommen konfrontiert sahen? Wie erlebten sie den Umbruch? Diesen Fragen versucht die Ausstellung BİZİM BERLİN 89/90 (dt. „Unser Berlin 89/90“) seit April 2018 im Märkischen Museum Berlin nachzugehen. Die Ausstellung – untergebracht im Untergeschoss des Museums – zeigt noch bis 16. September 2018 ausgewählte Fotografien des Künstlers Ergun Çağatay.
Die sowjetischen „Besatzer“. Konstruktionen des Fremden in der lebensgeschichtlichen Erinnerung
(2003)
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Weichen der gesellschaftspolitischen Entwicklung in Ost- und Westdeutschland gestellt. Der Übergang vom nationalsozialistischen zum geteilten Deutschland war für die Bevölkerung stark geprägt durch die bis dahin unbekannte Erfahrung der Fremdherrschaft im eigenen Land. Die Besatzungsmächte steckten in ihrem jeweiligen Gebiet nicht nur den institutionellen Rahmen ab, sondern traten auch personell, als Zivilisten wie als Soldaten, in Erscheinung.