Geschichtsdidaktik
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Geschichtsdidaktik als „Wissenschaft vom historischen Lehren und Lernen“ oder als Wissenschaft, die sich die Erforschung des „Geschichtsbewusstseins in der Gesellschaft“ zum Ziel gesetzt hat: Schon diese beiden Definitionen zeigen, dass die Geschichtsdidaktik zwei zentrale, sich gegenseitig bedingende Gegenstandsfelder besitzt, die für eine Betrachtung des Verhältnisses zur Zeitgeschichte1 von zentraler Bedeutung sind: Klassisches Gebiet einer Fachdidaktik und damit auch der Geschichtsdidaktik sind die schulischen Lehr- und Lernprozesse im jeweiligen Fach, in diesem Fall also im Geschichtsunterricht bzw. in relevanten Nachbarfächern. Daneben hat sich die Geschichtsdidaktik seit den 1970er-Jahren aber noch ein zweites Standbein erarbeitet, nämlich die Erforschung der Erscheinungsformen und Funktionen des Geschichtsbewusstseins, heute meist „Geschichtskultur“ genannt - sowohl im Hinblick auf seine gegenwärtige Praxis als auch in historischer Perspektive.
Die (west)deutsche Geschichtsdidaktik hat in den letzten drei Jahrzehnten eine erstaunliche Entwicklung genommen. Fast 100 Jahre in das Gehäuse einer bloßen Methodenkunde der historischen Wissensvermittlung gesperrt, hat sie die Überwindung der Geschichtskrise der 1970er-Jahre genutzt, um sich nachgerade als eine historische Metawissenschaft neu zu begründen. Karl-Ernst Jeismanns programmatische Erklärung auf dem Historikertag 1976, das Interesse der Geschichtsdidaktik gelte „dem ständigen Um- und Aufbau historischer Vorstellungen, der stets sich erneuernden und wachsenden Rekonstruktion des Wissens von der Vergangenheit“, hat eine Neuorientierung ermöglicht, die von der Pragmatik der historischen Wissensvermittlung zu den Normen der historischen Wissensgeltung im Spannungsfeld von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vorstieß. Der Geschichtsunterricht wurde dabei nur mehr „als ein geschichtsdidaktisches Aufgabenfeld unter vielen [...], damit auch als ein Forschungsfeld unter vielen“ betrachtet. Besonders durch die Systematisierung der „Geschichtskultur“ als weiterer Zentralkategorie, deren Über- oder Unterordnungsverhältnis zum Terminus „Geschichtsbewusstsein“ unter Didaktikern selbst umstritten ist, trat die Geschichtsdidaktik aus dem schulischen Klassenzimmer heraus, um sich den übergreifenden Mechanismen der Vergangenheitsvergegenwärtigung in der Gegenwart zu widmen.
Spannende und spannungsreiche Geschichtserzählungen sind mit der in der populären Geschichtskultur, aber auch in der Geschichtswissenschaft verbreiteten Vorstellung vom »Historiker als Detektiv« eng verknüpft. Diese Metapher
deutet die historiografische Praxis im Rahmen eines »Indizienparadigmas« als akribische »Spurensuche«, die als »Wissenspraxis« und »Orientierungskunst« verstanden werden kann. Damit rücken Geschichtserzählungen in die Nähe populärer detektivischer Narrative, wenn nicht sogar – wie in historischen Kriminalromanen, in historischen Fernsehdokumentationen oder Geschichtsfilmen – die Geschichte selbst »als Krimi« aufgefasst wird.
In einem sehr weiten Sinne lässt sich Erzählen als eine grundlegende Form des Weltzugangs begreifen – und ist daher auch für die Geschichtswissenschaft von eminenter Bedeutung. Der narrative Modus spielt nicht nur bei der Repräsentation, sondern bereits bei der Konstitution von Wissen eine wichtige Rolle. Achim Saupe und Felix Wiedemann führen in ihrem Beitrag in zentrale narratologische Theorien und Grundbegriffe ein und stellen Ansätze sowie Anwendungsfelder in der Geschichtswissenschaft vor.
Der Text markiert eine Zeitenwende. Mit ihm wurde der gängigen Rede von der „Vergangenheitsbewältigung“, die den politischen und moralischen Diskurs der Nachkriegsrepublik als Cantus firmus begleitete, ein kritisches Konzept entgegengesetzt. Adornos Leistung war es, mit diesem Aufsatz die Unangemessenheit des „Bewältigungs-Diskurses“ aufzuzeigen und ein alternatives Programm der Aufklärung über die NS-Zeit zu etablieren. In seiner Urform war „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“ ein im Herbst 1959 vor dem Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gehaltener, im November des Jahres publizierter Vortrag. Seine subkutane Wirkung war immens, nicht zuletzt aufgrund einer historischen Koinzidenz: Kurz nach der Veröffentlichung schändeten Rechtsradikale die gerade neu eingeweihte Kölner Synagoge – ein Akt, der die von Adorno analysierte Persistenz des nazistischen Syndroms in das Bewusstsein der Öffentlichkeit hob. Dass es sich bei der Gewalttat aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Aktion der Stasi handelte, gibt uns heute Anlass – ähnlich wie im Fall Kurras –, neu über das manchmal verwirrende Zusammenspiel ostdeutscher Delegitimierungsstrategien der Bundesrepublik mit den Aktivitäten der westdeutschen intellektuellen Opposition gegen den Adenauerstaat nachzudenken.
Am 10. Mai 1940 überfällt die deutsche Wehrmacht Frankreich, innerhalb weniger Tage sind die französischen Truppen besiegt und das Land besetzt. Was auf den sogenannten ‚Blitzkrieg‘ folgt, sind einschneidende Jahre in der Geschichte der Grande Nation: Zunächst die Teilung des Landes in zwei Zonen mit dem Norden und der Westküste unter deutscher Besatzung und der Herrschaft des Vichy-Regimes im Süden des Landes, die wirtschaftliche und politische collaboration zahlreicher französischer Firmen und Institutionen mit den Deutschen, aber auch die Entstehung verschiedenster Arten von Widerstand in der Résistance. Die Befreiung Frankreichs von der deutschen Besatzung beginnt 1944 mit der Offensive der Alliierten am ‚D-Day‘. Im Dezember desselben Jahres sind die deutschen Truppen schließlich aus ganz Frankreich zurückgedrängt.
Nicht ohne Grund werden die Jahre 1940 bis 1944 in Frankreich auch als années noires („schwarze Jahre“) bezeichnet: Der Rückblick auf dieses ‚dunkle Kapitel‘ der Geschichte ist bis heute von Emotionalität geprägt. Der Grund hierfür ist nicht zuletzt in der Vielschichtigkeit der französischen Reaktionen auf die deutsche Besatzung zu suchen. Wie lässt sich beispielweise erklären, dass Franzosen und Französinnen die Mehrheit ihrer jüdischen Mitbürger*innen während der Jahre 1940-44 versteckten und somit vor der Deportation bewahrten, während ein großer Teil der Bevölkerung zugleich die repressive Révolution nationale des Maréchal Pétain unterstützte? Besonders seit den 1970er Jahren wurden diese und weitere kontroverse Themen rund um die années noires in zahlreichen französischen Film- und Fernsehproduktionen verarbeitet. Zu nennen sind insbesondere die Dokumentation „Le chagrin et la pitié“ von Marcel Ophüls und der Spielfilm „Lacombe, Lucien“ (Drehbuch: Patrick Modiano). Auch Fernsehserien widmeten sich in den 1970er Jahren der Besatzungszeit, unter ihnen beispielsweise „Le 16 à Kerbriant“ oder „La ligne de démarcation“. Während jedoch die genannten Kinofilme nicht vor der Darstellung der ‚Graustufen‘ im Verhalten der Bevölkerung von Widerstand bis Kollaboration zurückschreckten, beschränkten sich die genannten Fernsehserien – wie auch zahlreiche Kinofilme – thematisch auf die Erzählung der Geschichte der Résistance. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung französischer Erinnerungskultur ist dies wenig verwunderlich: Wie in Deutschland prägte Verdrängung und nicht Aufarbeitung der ‚unbequemen‘ Kapitel der Geschichte die ersten Jahrzehnte nach dem Krieg. Filme wie „Lacombe, Lucien“ oder „Le chagrin et la pitié“, in denen die Kollaboration einiger Franzosen und Französinnen mit den deutschen Besatzern als ein selbstverständliches Momentum der französischen Geschichte der Jahre 1940–44 dargestellt wurde, stießen weitreichende Debatten an und prägten die Erinnerungskultur nachhaltig.
Ein Museum lässt Migranten sprechen. Die Wege jüdischer Zuwanderer in die Bundesrepublik Deutschland
(2011)
Die Ausstellung „Ausgerechnet Deutschland!“ dokumentierte die Geschichte von 20 Jahren jüdischer Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Gleichzeitig ging sie über ein rein historisches Projekt hinaus: Das Jüdische Museum Frankfurt hat gezeigt, dass eine museale Darstellung nicht nur dokumentieren, sondern auch lebendige Gegenwartskulturen zum Sprechen bringen kann.
„Geschichte ist oft bilderlos.“ – Damit stellt sich die Frage, wie man in der Präsentation und Vermittlung von Geschichte mit bildlichen Überlieferungslücken umgeht? Es stellt sich aber auch die Frage nach dem Umgang mit überlieferten Bildern, die aus rassistischen, diskriminierenden oder ethischen Gründen nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezeigt werden sollten. Wie visualisiert man also Ereignisse, die nicht oder nur bedingt bildlich darstellbar sind? Diesen und weiteren Fragen ging ein dezidiert interdisziplinär ausgerichteter Workshop am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung unter dem Titel „Was man nicht sieht! Perspektivwechsel durch Comics“, geleitet von Christine Bartlitz (Potsdam) und Irmgard Zündorf (Potsdam) nach.
„Unschuldige Menschen sollten nicht wegen der Nazi-Verbrecher ihr Leben geben müssen.“ Mit diesen knappen Worten begründet die Köchin Martha Wiroth aus der hessischen Wetterau ihre Hilfe für jüdische Nachbarn, denen sie Lebensmittel zusteckte oder sogar Zuflucht gewährte. Sie erzählte dies dem Politologen Manfred Wolfson, der in den 1960er-Jahren als Erster systematisch die Beweggründe von Deutschen untersuchte, die in der Zeit des Nationalsozialismus den Mut hatten, verfolgten Jüdinnen und Juden zu helfen. Wolfson, selbst Jude, war 1939 gemeinsam mit seinem Bruder dank der Hilfe einer jüdischen Hilfsorganisation aus Deutschland entkommen und in die USA geflohen. Nach dem Krieg führte er als „Chief Research Analyst“ unter anderem während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse Recherchen über das Herrschaftssystem der Nationalsozialisten durch. Später richtete sich sein wissenschaftliches Interesse nicht nur auf Täter und Mitläufer, sondern auch auf jene, die jüdischen Nachbarn halfen und sie vor dem Zugriff der Nazis schützten, um so die drohende Deportation in die Vernichtungslager zu verhindern. Im Rahmen eines Forschungsprojektes führte Wolfson, der sich in engem Austausch mit Max Horkheimer und Theodor W. Adorno vom Frankfurter Institut für Sozialforschung befand, zwischen 1965 und 1967 Gespräche mit 70 Retterinnen und Rettern. Aufgrund unzureichender Forschungsbedingungen war es Wolfson leider nicht möglich, diese Studie und einen zusätzlich geplanten pädagogischen Teil zu vollenden.