1950er
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Der Kalte Krieg war konstitutiv für die Mentalität der frühen Bundesrepublik Deutschland. In den 1950er Jahren war die innere Entwicklung Westdeutschlands - politische Konsolidierung, gesellschaftliche Stabilisierung, ideelle Institutionalisierung etc. — untrennbar verbunden mit den spezifischen Bedingungen und Vorgaben der Systemauseinandersetzung zwischen Ost und West. Dies bezog sich etwa auf das zunächst noch überlebensnotwendige Interesse der USA an dem ehemaligen Feindstaat einschließlich massiver ökonomischer, außenpolitischer und sozialpsychologischer Unterstützung der neuen westdeutschen Eliten, was in einer (relativ) bedingungslosen Westintegration mitsamt einem auf der „Politik der Stärke“ fußenden System der militärisch-strategischen Einbindung umgesetzt wurde. Die Vorstrukturierung der außen- wie innenpolitischen Optionen durch die bipolare Weltordnung schloss daneben Zurückwendungen in die Taktiken der Vorkriegsdiplomatie, aber auch alle politischen Experimente im Sinne eines „Dritten Weges“ aus. Schließlich konnten durch die fundamentale Ablehnung des sowjetisch dominierten Diktatursystems auch erste, wenngleich nur provisorische Grenzen zum NS-System gezogen werden; diese - theoretisch mit Totalitarismuskonzepten unterfütterten - Demarkationen ermöglichten den demokratischen Institutionen zunächst relativ sichere, wenngleich nur bescheidene und eindimensionale Entwicklungsspielräume.
Unter dem Leitthema „Aufwachsen unter der Diktatur - die DDR in den 50er Jahren“ werden aus soziologischer Perspektive einerseits und organisationsgeschichtlicher bzw. kulturwissenschaftlicher Sicht andererseits zwei Projekte bearbeitet.
Das erste von ihnen untersucht die Spezifik von Sozialisation in der stalinistischen Phase der DDR-Entwicklung (1947/48-1956) am Beispiel Ost-Berlins. Auf der Grundlage einer allgemeinen Charakterisierung von Sozialisationsbedingungen in dieser Zeit werden die für die Heranwachsenden besonders bedeutungsvollen Instanzen Familie und Schule in den Mittelpunkt der empirischen Forschung gerückt. Dabei interessieren sowohl die der Familie und Schule seitens des Staates zugedachten Funktionen für die Sicherung und Reproduktion der bestehenden Herrschaftsverhältnisse als auch die Wirkungen bzw. Leistungen dieser Sozialisationsmedien. Gleichzeitig wird der Frage nachgegangen, welche Erfahrungen die Kinder sammelten, die in dieser Diktatur aufwuchsen.
Das zweite Projekt beschäftigt sich mit der Kinderorganisation „Junge Pioniere“ von ihrer Gründung bis Ende der 50er Jahre in ihrer Verknüpfung von politischer und Freizeitorganisation. Untersucht wird, in welcher Weise diese Organisation zur politischen Instrumentalisierung der Heranwachsenden genutzt wurde und welche inneren Strukturen und Funktionsweisen dieser Verband herausbildete. Eine der zentralen Fragestellungen betrifft das Spannnungsfeld zwischen einerseits seiner Attraktion als Freizeitorganisation, zu der es keine Alternative gab, und andererseits der direkten politischen Unterweisung und Mobilisierung. Diese Fragestellung bezieht sowohl die Ebene der Umsetzung von Herrschaftsabsichten als auch die der Wirkung auf die Kinder ein.
Brasiliens Moderne 1940-1964
(2014)
Seit dem 27. September 2013 ist im Berliner Museum für Fotografie die Ausstellung Brasiliens Moderne 1940–1964 mit Arbeiten der Fotografen José Medeiros, Thomaz Farkas, Marcel Gautherot und Hans Gunter Flieg zu sehen. Nun ist, etwas verspätet, auch der von Ludger Derenthal und Samuel Titan Jr. herausgegebene Katalog zur Ausstellung im Bielefelder Kerber-Verlag erschienen. Der Band dokumentiert einen Teil der in der Ausstellung gezeigten Fotografien, ergänzt durch einen einleitenden Beitrag, vier werkbiografische Texte über die vorgestellten Fotografen und einen Katalogteil.
Das Bild des Siegers im Land der Besiegten: Der sowjetische Kriegsfilm in SBZ und DDR, 1945 - 1965
(2006)
Die vorliegende Abhandlung behandelt "die Frage, wie ausgewählte Spielfilmproduktionen aus der Sowjetunion in der DDR auf offizieller Ebene rezipiert und dem ostdeutschen Publikum im Rahmen offizieller Filmagitation und -propaganda zugänglich gemacht wurden. Zur Dokumentation offizieller Rezeptionsstrategien werden neben den betreffenden Zulassungsunterlagen der Hauptverwaltung (HV) Film im Ministerium für Kultur insbesondere publizierte Quellen wie Zeitungs- und Zeitschriftenliteratur herangezogen: Wie sollten der Bevölkerung der DDR sowjetische Kriegsfilme näher gebracht werden? Nach welchen Kriterien wurden Filme als „bedeutend“, „sensationell“ etc. bewertet? Wie wurden Filme in den zeitgenössischen politischen Kontext eingeordnet? Wie wurde vor dem Hintergrund der Filme das jeweils aktuelle Verhältnis zu den „sozialistischen Bruderländern“ (insbesondere der Sowjetunion) bzw. zu den „verfeindeten“ NATO-Staaten (insbesondere der Bundesrepublik Deutschland) interpretiert? Wie wurde im Umfeld der offiziellen Filmrezeption in der DDR der Zweite Weltkrieg und seine Geschehnisse aufgearbeitet bzw. nicht aufgearbeitet?"
„Es darf kein Gebiet der Landwirtschaft geben, das die Volkspolizei nicht kennt.“ Mit dieser Forderung begann ein Mitarbeiter der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei im September 1952 einen Artikel in der Zeitschrift Die Volkspolizei. Ähnliche Forderungen finden sich in zahlreichen anderen Artikeln der polizeilichen Fachpresse der fünfziger Jahre. Als ein Sicherheitsorgan der „Arbeiter-und-Bauem-Macht“ hatte auch die Deutsche Volkspolizei (DVP) ihren Beitrag zur „sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft“ zu leisten. Für dessen Untersuchung ist zunächst von folgenden Voraussetzungen auszugehen.
Warum widmete Walter Ulbricht zehn Jahre lang seine knapp bemessene Freizeit parteigeschichtlichen Fragen? Hatte das Politbüro nichts Besseres zu tun, als über die Redaktion der Briefe Thälmanns zu beraten? Was stand dahinter, wenn Otto Grotewohls fünfbändige Geburtstagsausgabe an einer einzigen Fußnote scheiterte, und weshalb schmolz die Pieck-Ausgabe von fünfzehn Bänden auf sechs zusammen? Welche Geheimnisse verbargen sich hinter dem Streit um den richtigen "Charakter der Novemberrevolution", was durfte man wann über Stalins "Personenkult" schreiben, und warum lautete die einzig richtige Reihenfolge "Karl und Rosa"? Im ideologischen Kernbereich der SED konnte jedes falsche Komma ein politischer Fehler sein und ein gestrichener Name einen Kurswechsel andeuten. "Der rote Faden" führt den Leser in ein untergegangenes Diskurs-Labyrinth, in dem parteigeschichtliche Texte sehr, sehr ernst genommen wurden. Im Mittelpunkt steht dabei die achtbändige "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" von 1966, eine mit einzigartigem Aufwand fabrizierte und verbreitete "Heilige Schrift" der SED. (Verlagstext, siehe: http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-04603-3.html)
Der Aufsatz beschreibt anhand von Fallbeispielen die Einführung von Rechnern/Computern in Industrie und Verwaltung sowie die damit einhergehenden Fortschrittsversprechen und Utopien. Der Nutzen der neuen Technologie war für die Akteure zunächst schwer einzuschätzen; daher gab es ein breites Spektrum von Erwartungen, Euphorien und Ängsten. Den „Elektronengehirnen“ der 1950er-Jahre wie auch den späteren Computern wurde im gesamten Untersuchungszeitraum ein Potenzial zugewiesen, das über die damaligen technischen Möglichkeiten weit hinausging. Ein Schwerpunkt der Diskurse war die Frage nach der Zukunft der Arbeit. Als Computer in Unternehmen und Verwaltungen stärker vordrangen, entstanden zahlreiche soziologische Studien, die aus heutiger Sicht aufschlussreiche zeithistorische Quellen sind. Sie dokumentieren strukturelle Veränderungen der Industriegesellschaft, Erfahrungen von Arbeitnehmer/innen im Umgang mit der neuen Technik und zugleich die wissenschaftlichen Versuche, das Phänomen der Computerisierung zu erfassen.
Von einer „Gesellschaft“ der DDR zu reden, ist auch zehn Jahre nach ihrem Ende noch immer alles andere als selbstverständlich. Als „Staat“ war und ist sie allemal leichter auszumachen: ein Ensemble von Institutionen, Ordnungen und Verfahren in Deutschland, dessen äußerer Bestand von einer Weltmacht garantiert wurde und das sich nicht zuletzt durch seine Entgegensetzung zur Bundesrepublik zu legitimieren suchte. Von einem totalitären Gestaltungswillen durchdrungen, der sich auf alle sozialen Beziehungen und Lebensbereiche auf seinem Territorium erstreckte, repräsentierte der „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ im Selbstbild wie in der Fremdwahmehmung die historische Alternative zum bürgerlich-liberalen Rechtsstaat in Westdeutschland. Diese Eindeutigkeit seiner Konturen begleitete ihn bis in den Untergang, der vertraglich definiert und exekutiert werden konnte. Infolge der Privatisierung staatlichen Vermögens kann, wer will, auch den „Marktwert“ dieses Staates im nachhinein bestimmen.
Wirtschaftskammem sind öffentlich-rechtlich verfasste Einrichtungen zur wirtschaftlichen Selbstverwaltung und gelten als typisch für korporative Marktwirtschaften, wie sie das Deutsche Kaiserreich und die Weimarer Republik kannte und auch die Bundesrepublik noch immer kennt. In einer korporativen Marktwirtschaft dienen Wirtschaftskammem - hierin den freien Berufs-, Fach- und Unternehmerverbänden recht ähnlich - in erster Linie der Selbstverwaltung, Interessenvertretung und Repräsentanz des gewerblichen Mittelstandes, nehmen darüber hinaus aber auch gewisse staatliche Aufsichts- und Kontrollaufgaben gegenüber ihren Mitgliedern wahr. Vor diesem Hintergrund ist es auf den ersten Blick etwas erstaunlich festzustellen, dass Wirtschaftskammem auch in der Planwirtschaft der DDR existierten. Stehen zentraladministrative Planwirtschaft und wirtschaftliche Selbstverwal-tung nicht in einem grundsätzlichen Widerspruch zueinander? Was war die raison d’etre der Wirtschaftskammem in der DDR? Stellten sie lediglich Übergangserscheinungen dar, die nur deshalb toleriert wurden, weil sie sich bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme der unmittelbaren Nachkriegszeit als nützlich erwiesen und die öffentliche Verwaltung ohne ihre Unterstützung hoffnungslos überfordert gewesen wäre? Verloren sie angesichts der immer stärkeren Verdrängung der Privatwirtschaft im Zuge des „Aufbaus des Sozialis-mus“ ihre Existenzberechtigung? Oder bewirkte die sich verschärfende Systemkonkurrenz des Kalten Krieges einen spezifischen Wandel ihrer Funktionen, so dass sie - vielleicht gerade weil sie eigentlich „systemfremde“ Institutionen waren, die zur politischen Kommunikation mit dem konkurrierenden westlichen System gebraucht wurden - dauerhaft bestehen konnten?
Die Gründung der DDR im Jahre 1949 und die Konsolidierung der von der SED im Einklang mit der sowjetischen Besatzungsmacht etablierten gesellschaftspolitischen Ordnung markieren einen folgenreichen Transformationsprozeß hinsichtlich des Umgangs mit der Widerstandstradition und der Erfahrung nationalsozialistischer Verfolgung. Mit der Herausbildung des „Antifaschismus“ als für die DDR identitätsbestimmendem und staatstragendem ideologischen Konstrukt kulminiert die bereits in den Vorjahren in der SBZ einsetzende Vereinnahmung einer ursprünglich breitgefächerten und weitestgehend spontanen Erinnerungskultur verschiedener Opfer- und Verfolgtengruppen durch die parteipolitischen Sonderinteressen der KPD/SED. Die nach 1945 in den verschiedensten politischen Lagern favorisierten Vision eines antifaschistischen-demokratischen Neubeginns wurde zu einer bloßen Formel für eine Neuordnung nach sowjetischem Muster ausgedünnt, mit der die noch vorhandenen Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft abgebaut und die Chance einer plural verfaßten Ordnung aufgekündigt wurde. Für das sehr differenzierte und hinsichtlich seiner Neuordnungsvorstellungen oft diffuse nichtkommunistische Spektrum der Verfolgten des NS-Regimes lief dies auf die Alternative hinaus, sich entweder unter die kommunistische Hegemonie unterzuordnen oder den Ausstieg aus dem politischen Projekt DDR zu vollziehen. Dabei ist allerdings die Zäsur des Jahres 1949 nicht absolut, vielmehr handelt es sich bei den genannten Entwicklungen um einen längerfristigen Übergang mit deutlichen Phasenverschiebungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Waren die machtpolitischen Prämissen bereits 1947/48 in der SBZ weitgehend geklärt, hielt in anderen Bereichen wie etwa der Kultur, Kunst und Wissenschaft oder auf dem Feld der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus der Eindruck von offenen und wandelbaren Strukturen länger an - wie anders ließe sich die Attraktivität der frühen DDR für ein breites Spektrum emigrierter Intellektueller erklären.