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Ohne afroamerikanische Geschichte kann die amerikanische Geschichte und Gegenwart nicht verstanden werden. Ihre Ausrichtung und Forschungsschwerpunkte sind daher stark geprägt von den gesellschaftlichen und politischen Konjunkturen der Zeit. Christine Knauer zeichnet in ihrem Beitrag die Genese der afroamerikanischen Geschichtsschreibung nach und verweist auf die enge Verknüpfung von Geschichtsschreibung, Freiheitskampf und Bürgerrechtsbewegung im 19. und besonders im 20. Jahrhundert. Sie beschreibt die derzeitigen Forschungsansätze und -trends in der afroamerikanischen Historiografie, die auch in der europäischen sowie deutschen Amerikaforschung zunehmend bearbeitet werden.
The word "anti-Semitism" serves on the one hand as a generic term for every type of hostility towards Jews. More specifically on the other hand, as a term formed in the final third of the 19th century, it characterizes a new, pseudo-scientific anti-Jewish prejudice that no longer argued religiously but employed qualities and characteristics associated with "race". A distinction needs to be drawn between the older religiously-motivated anti-Judaism and modern anti-Semitism.
Das Wort „Antisemitismus" dient einerseits als Oberbegriff für jede Art von Judenfeindschaft. Andererseits charakterisiert es im engeren Sinne, als Wortbildung des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts, eine neue, pseudowissenschaftlich und nicht religiös, sondern mit „Rassen"-Eigenschaften und -Merkmalen argumentierende Form des antijüdischen Vorbehalts. Von diesem modernen Antisemitismus ist der religiös motivierte, ältere Antijudaismus zu unterscheiden.
Bürokratie
(2016)
Bürokratie ist heute zu einer Art Unwort geworden. Es wird häufig verwendet, um Organisationen abschätzig zu beschreiben, wenn man ihnen übertriebenen Formalismus, mangelnde Kundenorientierung, das Potenzial der Persönlichkeitsverformung und gestörte System-Umwelt-Beziehungen unterstellt. Dem steht die grundsätzlich positive, wenn auch nicht unkritische Charakterisierung von Bürokratie bei Max Weber als technisch überlegener Organisationsform von Herrschaft gegenüber.
Der Neue Mensch
(2017)
Geschichtswissenschaftliche Studien zum „Neuen Menschen“ beziehen sich auf übergreifende Fragestellungen und breitere Forschungsfelder. Dabei sind die neuen totalitären Ideologien und modernen Diktaturen des 20. Jahrhunderts besonders beachtet worden. Allerdings wurden Utopien eines Neuen Menschen auch in Demokratien entwickelt, die deshalb in diesem Beitrag ebenfalls berücksichtigt werden. Abschließend wird auf Defizite der Geschichtsschreibung hingewiesen.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0) Der Begriff Diktatur stammt aus dem römischen Staatsrecht, wo er die temporäre Herrschaft eines Diktators bezeichnete, der zur Verteidigung der Republik über dem Gesetz stand. Diese klassische Bedeutung wurde im 20. Jahrhundert vielfach überformt; der moderne Diktaturbegriff entstand als Eigen- und Fremdbezeichnung für die kommunistische, faschistische und nationalsozialistische Herrschaft. Der Artikel unseres Autoren Jan C. Behrends rekonstruiert die Geschichte des Begriffs im 20. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt auf den russischen und deutschen Fall und blickt abschließend auf die zeithistorische Forschung der Gegenwart.
Version 2.0: In der römischen Republik bezeichnete die Diktatur (lat. dictatura) eine Institution des Staatsrechts: Der Senat verlieh einem Diktator in Zeiten des Notstands temporär außerordentliche Autorität, um die staatliche Ordnung zu verteidigen und wiederherzustellen. Diese klassische Bedeutung wurde im 20. Jahrhundert vielfach überformt; Diktatur wurde zu einem schillernden Begriff, dessen semantisches Feld sowohl positive Erwartungen als auch moralische Verdammung umfassen konnte.
Environmental history is the history of the changing mutual relationship between humankind and nature. The various, more or less concrete attempts to define this area of historical study can be reduced to this basic common denominator. Though the notion of man and nature's mutual dependence may sound pithy at first, it's a rather fuzzy one upon closer inspection. Melanie Arndt describes this field of research in all its facets – because the valuable contribution of environmental history as a „subdiscipline” deserves much greater recognition from the outside world and from scholars working in other disciplines.
Erinnerung und Gedächtnis
(2010)
Gedächtnis und Erinnerung gehören heute zu den Schlüsselkategorien der Geistes- und Sozialwissenschaften.Gedächtnis und Erinnerung sind geläufige Begriffe, die in der Regel nur dahingehend differenziert werden, als dass das Gedächtnis die Erinnerung erst ermöglicht. Das Gedächtnis beinhaltet in diesem Sinne eine virtuelle und manifeste Infrastruktur. Menschen brauchen dabei nicht nur ein Gehirn als organische Basis, sondern sie sind in hohem Masse auf externe Erinnerungsspeicher unterschiedlichster Art angewiesen, um jene fragilen Bewusstseinsakte zu erzeugen, die gemeinhin Erinnerung genannt werden.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0) Obwohl der Begriff „Erinnerungskultur" erst seit den 1990er-Jahren Einzug in die Wissenschaftssprache gefunden hat, ist er inzwischen ein Leitbegriff der modernen Kulturgeschichtsforschung.[1] Während er in einem engen Begriffsverständnis als lockerer Sammelbegriff „für die Gesamtheit des nicht spezifisch wissenschaftlichen Gebrauchs der Geschichte in der Öffentlichkeit – mit den verschiedensten Mitteln und für die verschiedensten Zwecke" definiert wird,[2] erscheint es aufgrund der Forschungsentwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte insgesamt sinnvoller, „Erinnerungskultur" als einen formalen Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse zu verstehen, seien sie ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur. Der Begriff umschließt mithin neben Formen des ahistorischen oder sogar antihistorischen kollektiven Gedächtnisses alle anderen Repräsentationsmodi von Geschichte, darunter den geschichtswissenschaftlichen Diskurs sowie die nur „privaten" Erinnerungen, jedenfalls soweit sie in der Öffentlichkeit Spuren hinterlassen haben. Als Träger dieser Kultur treten Individuen, soziale Gruppen oder sogar Nationen in Erscheinung, teilweise in Übereinstimmung miteinander, teilweise aber auch in einem konfliktreichen Gegeneinander.
Obwohl der Begriff „Erinnerungskultur” erst seit den 1990er-Jahren Einzug in die Wissenschaftssprache gefunden hat, ist er inzwischen ein Leitbegriff der modernen Kulturgeschichtsforschung. Während er in einem engen Begriffsverständnis als lockerer Sammelbegriff „für die Gesamtheit des nicht spezifisch wissenschaftlichen Gebrauchs der Geschichte in der Öffentlichkeit – mit den verschiedensten Mitteln und für die verschiedensten Zwecke” definiert wird, erscheint es aufgrund der Forschungsentwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte insgesamt sinnvoller, „Erinnerungskultur” als einen formalen Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse zu verstehen, seien sie ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur.
Fordismus
(2011)
Der „Fordismus” prägte das 20. Jahrhundert maßgeblich und nachhaltig. Doch blieben die Konturen des Begriffs und die hinter ihm stehenden Konnotationen zumeist unscharf. Rüdiger Hachtmann beschreibt die Konzepte und ideologischen Grundhaltungen des Namensgebers Henry Ford sowie die Rezeption des Begriffs und arbeitet dessen wichtigste Bedeutungsebenen heraus. Der besondere sozial- und mentalitätsgeschichtliche Stellenwert des Fordismus und seine Formwandlungen erlauben es, langfristige wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Trends und Dynamiken präziser in den Blick zu nehmen – in einem Jahrhundert, das nach Hachtmann als „fordistisch“ bezeichnet werden kann.
Der Beliebtheit generationeller Vergemeinschaftungen stehen forschungspraktische Unebenheiten gegenüber, wenn „Generation” nicht mehr nur als Selbstthematisierungsformel, sondern auch als analytische Kategorie dient. Gerade die begriffliche Unschärfe verweist darauf, wie wichtig es ist, danach zu fragen, was die Rede von den „Generationen” in den Blick bekommt, was sie vernachlässigt oder sogar überdeckt. In einer aktuell überarbeiteten und ergänzten Version 2.0 zeigt Ulrike Jureit, welche theoretischen Unwägbarkeiten damit verbunden sind, wenn der kollektive Selbstentwurf nicht allein als Ausdruck eines gesellschaftlichen Erfahrungswandels gedeutet wird, sondern gruppenspezifische Selbstinszenierungen zum zentralen Erklärungsfaktor für bestimmte politische, soziale oder ökonomische Umbrüche werden.
Geschichte der Gefühle
(2010)
Menschen lieben und hassen einander, sie sind wütend, traurig oder fröhlich, sie neiden ihrem Nachbarn das Auto, streben aus Ehrgeiz nach beruflichen Erfolgen oder ermorden einen Nebenbuhler aus Eifersucht. Kurzum: Sie fühlen. Trotz dieser Allgegenwart von Gefühlen in sozialen Praktiken wurde der Mensch als fühlendes Wesen – als „homo emoticus” – von den Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften des 20. Jahrhunderts lange ausgeblendet. Seit einiger Zeit ist dieses Desinteresse allerdings in sein Gegenteil umgeschlagen, und das Versäumte wird mit großer Verve nachgeholt.
Geschlechtergeschichte
(2012)
Geschlecht, so die These des Beitrags von Kirsten Heinsohn und Claudia Kemper im Anschluss an die Forschung, ist keine geschlossene oder gar ausdiskutierte Kategorie. Vielmehr ist das, was unter Geschlecht verstanden wird, ein fortlaufender Aushandlungsprozess, der insbesondere im Hinblick auf seine strukturgebenden und situativen Bedeutungen zu historisieren ist. Die Autorinnen skizzieren das Forschungsfeld „Geschlechtergeschichte“, stellen zentrale theoretische Überlegungen vor und entwickeln schließlich Perspektiven für eine geschlechterhistorisch erweiterte Zeitgeschichte.
Heimat
(2017)
Das Konzept „Heimat“ lässt sich als scheinbar genauere Bestimmung vor viele Phänomene setzen. In der Unbestimmtheit des Begriffs zeigt sich seine prominente emotionale Seite, die ihn für Marketingzwecke jeder Art – und damit sind auch politische Absichten eingeschlossen – attraktiv macht. Heimat markiert eine lokale Identifizierung, die andere Identifikationen nicht ausschließt, ob es sich nun um regionale, nationale oder transnationale Institutionen, Ideologien oder Glaubensgemeinschaften handelt. Der Artikel behandelt den Begriff „Heimat“ sowie das grundsätzliche Verhältnis zwischen Individuen zu sozialen und geografischen Räumen.
Human-Animal Studies
(2012)
Mieke Roscher widmet sich in ihrem Artikel dem noch recht jungen, interdisziplinären Forschungsfeld der Human-Animal Studies. Gegenüber älteren Beschäftigungen mit Mensch-Tier-Verhältnissen nehmen die Human-Animal Studies einen Perspektivwechsel vor, indem sie auf die Anerkennung tierischer „Wirkmächtigkeit” und ihrer „Agency“ abheben und in kritischer Perspektive gesellschaftliche Konzepte des „Animalischen” dekonstruieren. Vor allem historisieren die Human-Animal Studies jedoch das changierende Verhältnis von Mensch und Tier. Der Artikel betrachtet die institutionelle Entwicklung der Disziplin, bietet einen Überblick über insbesondere zeithistorische Forschungsthemen und stellt schließlich die theoretisch-methodischen Ansätze der Tiergeschichtsschreibung vor.
There is no single answer to the question: What is intellectual history? Commenting in the mid-1980s on two recent volumes dedicated to the sub-discipline's methods and perspectives, John Pocock wryly remarked: "I recommend reading them, but after doing so myself, I am persuaded that whatever 'intellectual history' is, and whatever 'the history of ideas' may be, I am not engaged in doing either of them." In the United States, in many respects the heartland of intellectual history, the scholarly community has grappled with the ambiguous relationship of "intellectual history" to "the history of ideas" for almost a century.
Wer oder was ein Intellektueller sei und worin seine politische und gesellschaftliche Aufgabe bestehe, war während des 20. Jahrhunderts stets ein umkämpfter Gegenstand intellektueller Debatten. Daniel Morat plädiert in der Auseinandersetzung mit der bisherigen Intellektuellengeschichtsschreibung für eine formale und wertneutrale Definition des Intellektuellenbegriffs, die auch unabhängig von den Selbstbeschreibungen als wissenschaftliche Analysekategorie tragfähig ist. Daran anschließend widmet er sich der Entstehung des Intellektuellen als moderner Sozialfigur im internationalen Kontext und stellt wichtige Forschungstendenzen und Themenfelder vor. Die Frage nach dem Tod des Intellektuellen in der Postmoderne verneint er klar, denn schon die anhaltende Debatte darüber sei ein Zeichen für sein Weiterleben – unabhängig davon, ob das Medium der Intellektuellen nun der klassische Leitartikel, die Fernsehshow oder aber heute der Internet-Blog ist.