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Zu diesem Heft
(2022)
War es in den Jahren 2020/21 vor allem die Corona-Pandemie, die von vielen als gravierende Zäsur wahrgenommen wurde, so ist mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 noch ein ganz anderer Ereigniszusammenhang von existentieller Bedeutung hinzugetreten, dessen mittel- und längerfristige Folgen erst teilweise absehbar sind. Während der Buchtitel »Der 11. September 2001 – (k)eine Zeitenwende?« aus dem Frühjahr 2022 schon klingt wie aus einer längst vergangenen Epoche, wird die Frage »Beginnt jetzt eine neue Zeit?« nun unter veränderten Vorzeichen gestellt oder die »Zeitenwende« und das »Ende der Globalisierung« gleich forsch behauptet. Eine im besten Sinne akademische Tagung über »Epochenwenden und Epochenwandel« erhielt im April 2022 eine so nicht erwartete Aktualität; das Organisationsteam schrieb dazu: »Das Thema hat uns in der Gegenwart eingeholt und vielleicht schon überholt.« Allerdings gehört zur geisteswissenschaftlichen Arbeit immer auch die Skepsis gegenüber eiligen Zeitdiagnosen und Zäsurbehauptungen, wie etwa der aus Indien stammende Politikwissenschaftler Parag Khanna betont hat: »Wir sollten uns vor großspurigen Proklamationen hüten, die unsere Zeiten auf den Punkt bringen wollen. Solche Prägungen erfassen nur den Moment, der gerade vergangen ist, und sind garantiert bald wieder passé.« Nun mag selbst eine derartige »Garantie« des Vorläufigen fragwürdig erscheinen, wenn es doch »überdeutliche Symptome des Umbruchs, der tiefen Zäsur« gibt, wie der Historiker Jörn Leonhard hervorgehoben hat. Mit Rückbezug auf Reinhart Koselleck betont er die grundsätzlich enge Verbindung von »Zäsur und Wiederholung«, von »Einmaligkeit der Geschichte« und ihrer »Rekurrenz«.
Zu diesem Heft
(2023)
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der nun schon seit über einem Jahr andauert, hat vielfältige historische Bezüge und Implikationen – auch solche, an die man vielleicht nicht sofort denkt. Nach Angaben des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge kamen während dieses Krieges bisher menschliche Überreste von über 800 Wehrmachtssoldaten an die Oberfläche, einige davon beim Ausheben neuer Schützengräben. Mitunter werden auch Helme und Stiefel gefunden. Die »Zeitschichten«-Metapher des Historikers Reinhart Koselleck (1923–2006), der als Soldat selbst in der Ukraine gewesen war, gewinnt hier eine veränderte Bedeutung und sehr konkrete Materialität. In ihrer Dankesrede bei der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung sagte die russische, momentan in Berlin lebende Schriftstellerin Maria Stepanova im April 2023: »Sind wir jetzt dazu verdammt, das zwanzigste Jahrhundert immer wieder neu zu erleben, seine Gefängnisse, Konzentrationslager und Propagandamaschinen, seine Grabenkriege und seine Flächenbombardements? Was tun, wenn das Gewebe der Sprache, ihre Textur, plötzlich durchsichtig wird und man all die verborgenen Schichten latenter und offener Gewalt sieht, die in ihr liegen und nach außen drängen?«
In diesem Aufsatz soll es indessen weniger um den relativen, in der Gerontologie ausgehandelten Stellenwert von der Länge des Lebens einerseits und seiner Qualität und Sinnhaftigkeit andererseits gehen. Was uns beschäftigen soll, ist stattdessen die besondere Form der Zukunft oder, wenn man so will, der besondere Zukunftsbegriff, der sich in Baltes' Text sowie in wissenschaftlichen Studien wie der »Berliner Altersstudie« zu Wort meldet. Dem Aufsatz liegt die Vermutung zugrunde, dass »Alter« und »Altersforschung« zu den wichtigsten »gesellschaftliche Zukunftsformen« des 20. Jahrhunderts gehören, deren Generierungs-, Wirkungs- und Entwertungsmechanismen unbedingt identifiziert und analysiert werden müssen.
Zum 50. Heft
(2021)
Der 17. Jahrgang dieser Zeitschrift markiert auf den ersten Blick keinerlei Jubiläum. Trotzdem ist die vorliegende Ausgabe für Herausgeber und Redaktion eine besondere: Es handelt sich um das 50. Heft insgesamt. (2007 gab es ein Doppelheft, sonst immer drei Hefte pro Jahrgang.) Dies ist der Anlass für einen knappen Rückblick auf die anfänglichen Ziele und die bisherigen Entwicklungen, aber auch für einen (selbst-)kritischen Ausblick. Mit Recht hat die erst in den Anfängen befindliche kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung festgestellt: »Nicht selten geht das Zeitschriftenmachen mit Reflexionen über den Wert, die Bedingungen oder die Versprechen des Zeitschriftenmachens einher.«
Eine systematisch verfasste interdisziplinäre Bildwissenschaft bedarf eines Theorierahmens, der die unterschiedlichen Forschungsperspektiven und -ergebnisse aufeinander zu beziehen erlaubt. Der hierfür diskutierte Vorschlag besteht in der These, dass Bilder wahrnehmungsnahe Medien sind. Diese These betont die kommunikativen Aspekte des Bildphänomens: Mit Bildern gibt jemand jemandem (oder auch wir uns selbst) etwas zu verstehen. Da dies bei Bildern in einer spezifischen Weise erfolgt, die wesentlich mit dem Wahrnehmungsaspekt von Bildern zusammenhängt und in besonderer Weise von der Materialität und Medialität der Bilder abhängt, bedarf die Bildwissenschaft einer wahrnehmungstheoretischen Ausrichtung. Eine systematisch verfasste interdisziplinäre Bildwissenschaft impliziert folglich die theoretische Integration von Zeichen-, Medien- und Wahrnehmungsaspekten.
Viele Aborigines und Torres-Strait-Insulaner*innen vermeiden Darstellungen von kürzlich Verstorbenen in Filmen oder auf Fotos sowie die Nennung ihrer Namen. Dies gilt als schmerzhaft und respektlos den Angehörigen gegenüber und könnte den Übergangsprozess des Toten ins Jenseits stören. Ob und wie lange diese Vermeidungsgebote bis hin zu Darstellungs- und Nennungsverboten angewandt werden, ist abhängig von den unterschiedlichen Communities der First Australians sowie individuellen ethischen Vorstellungen von Angehörigen.
Das australische Nationalarchiv entschied sich bei der digitalen Präsentation seiner Film- und Fotosammlung für den oben erwähnten Warnhinweis – um der Verletzung von Gefühlen vorzubeugen und Respekt gegenüber den kulturellen Werten der Aborigines und Torres-Strait-Insulaner*innen auszudrücken. Die Abbildungen von verstorbenen First Australians würden einige Wissenschaftler*innen als „kulturell sensibel“ bezeichnen.
Wie gehen andere Archive, Museen, Universitäten und weitere Institutionen mit sensiblen Bildern und Objekten in ihren Sammlungen um? Was sind Problemfelder und Lösungsansätze? Transparenz und Partizipation sind zwei zentrale Stichworte hinsichtlich des Umgangs mit sensiblen Objekten in Sammlungen.
Stress ist als Begriff und Problem weit über die Medizin- und Wissenschaftsgeschichte hinaus relevant; Stressdiskurse können als Sonde für breitere gesellschaftsgeschichtliche Konstellationen dienen. Eine geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Stress muss daher zum einen dem medizinisch-biologischen Konzept nachgehen, zum anderen dessen gesellschaftliche Funktionalität erfassen. Die Zeitgeschichte wird den Fokus besonders auf die sozioökonomischen Prozesse und die soziale Sinngebung richten. Gleichwohl gibt es ein nicht zu vernachlässigendes methodisches Grundproblem: Wie lässt sich eine Beziehung herstellen zwischen den biochemischen und psychologischen Dimensionen, die mit dem Stressbegriff verknüpft sind, sowie den komplexen sozialen Konfigurationen, die dieser Begriff rationalisieren soll? Was sind die Konstituenten und Selbstbeschreibungsmodi einer Gesellschaft, die sich durch Flexibilisierung und Regulierung gleichermaßen auszeichnet? In welchem Verhältnis stehen zudem die jüngere Entwicklung seit den 1970er-Jahren, in der Stress eine hohe Deutungsmacht erhalten hat, und die Überforderungsdiskurse seit dem Ende des 19. Jahrhunderts?
Ästhetisierung
(2020)
Ist es ethisch vertretbar, Menschen in Not ästhetisch ansprechend zu zeigen? Birgt dies die Gefahr, eine eigentlich erschreckende soziale Realität zu verklären und die Gemüter zu beruhigen, anstatt aufzurütteln und zum Handeln zu motivieren? Oder steckt in einer solchen Darstellungsweise die Chance, Aufmerksamkeit für ein Thema zu schaffen, da sie Marginalisierten ein Gesicht verleiht, mit dessen visuell vermittelter, unantastbarer Würde sich die Betrachterinnen und Betrachter identifizieren können?
Über die Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg. Tendenzen, ursächliche Hintergründe, Perspektiven
(2003)
Meine unvollständigen und groben Striche zu einem hochkomplexen, strukturgeschichtlichen Vorgang können lediglich andeuten, daß sowohl theoretische Überlegungen als auch empirische Indizien für die These sprechen, daß es sich bei den vielen Kriegen in der Dritten und nun auch vormals Zweiten Welt um einen konfliktiv nachholenden Prozeß kapitalistischer Vergesellschaftung und bürgerlicher Staatskonsolidierung handelt, der eines Tages in eine Zivilisierung wie in den kapitalistischen Metropolen münden müßte. Einen deterministischen Automatismus gibt es dabei allerdings nicht; jeder Schritt in diese Richtung wird aus sozialen Kämpfen hervorgehen müssen. Wohl aber darf man hoffen, daß der Prozeß insgesamt schneller und weniger kriegerisch als in Europa vonstatten gehen wird.
Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) spricht von der größten humanitären Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg (UNHCR 2014) und die Anzahl an Asyl- und Schutzsuchenden in Europa nimmt Ausmaße wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr an. Die Themen Flucht und Flüchtlingsaufnahme werden in Öffentlichkeit und Politik kontrovers diskutiert. Für die Sozialwissenschaften sind die Themen Vertreibung, Zwangsmigration und Flüchtlingsschutz nicht nur hoch aktuell, sondern fundamental mit der Organisation und Gestalt der modernen Staatenwelt verbunden. Aus vielfältigen Gründen sind Menschen gezwungen, auf der Suche nach Unterstützung und politischem Schutz ihre Länder zu verlassen. In der nationalstaatlich organisierten Welt können fundamentale Rechte nur gewährleistet werden, wie Hannah Arendt es bekanntermaßen ausdrückte, sofern man das Recht hat, Rechte zu haben (Arendt 1994: 290-302). Jene, die aus ihren Herkunftsländern fliehen, klagen damit nicht nur gegenüber der restlichen Welt ihre Menschenrechte ein, sie stellen auch grundsätzliche Fragen an die Sozialwissenschaften. Wie gehen in unserer globalen Gesellschaft, aber auch regional, national und lokal, Flucht und Vertreibung einher mit humanitärer Unterstützung, mit dem Anspruch auf Rechte und Schutz für Flüchtlinge? Damit verbunden sind auch Fragen von Sicherheitspolitik, Grenzschutz, Rassismus und ökonomischen Interessen, um nur einige Themen zu benennen. Flüchtlinge existieren tatsächlich und metaphorisch zugleich an der Peripherie und im Zentrum.
Über Ski, Boote und Autos
(2024)
Auf acht Fotos im Album der Familie Lindenberger fahren die Fotografierten Ski, Schlittschuh oder Schlitten. Auf zwei Bildern sitzen sie auf einer Kutsche und dreimal in einem Boot. Einmal zeigen sie sich mit einem Pferd, zweimal mit einem Fahrrad sowie zehnmal mit einem Auto. Auf 26 der insgesamt 95 Abzüge posieren die Fotografierten mit Fortbewegungsmitteln oder bewegen sich selbst mit ihnen fort.
The introduction to this issue on historical surveillance studies argues for an integrated understanding of surveillance that focuses on the interconnectedness of the state, economy and sciences within the context of different forms of technological revolution. It suggests reading contemporary diagnoses of ‘total surveillance’ from a long-term historical perspective beginning in the seventeenth century. In this light, surveillance is not limited to intelligence history or state control. Rather, it produces patterns of order and data that can be deployed for political processes like urban planning, welfare policy, crime prevention, or the persecution of political opponents. Furthermore, surveillance is also part of the economy, encompassing market and consumption research, advertising, and workplace monitoring. Research into the political and the economic aspects of surveillance should be combined. After defining the term ‘surveillance’ and differentiating between security and surveillance studies, the article provides an overview of different empirical studies in this new historiographical field. It concludes with short summaries of the articles collected in this issue.
By the late 1970s, it was technologically possible to manufacture microcomputers – very small, stand-alone computers for personal use – in very large quantities. Selling them, however, meant creating a mass market where none existed: conventionally, only trained professionals, and a few devoted enthusiasts, interacted directly with the machines. Designers, marketers, retailers and other promoters therefore sought to build meanings into the design and presentation of computers which would connect them with new audiences. Such meanings reflected – and might themselves modify – the prevalent hopes, fears, desires and expectations of the users’ cultures.
Nimmt man Fritz Fischers Buch heute wieder zur Hand, so versteht man kaum die Aufregung, die es bei seinem Erscheinen ausgelöst hat. Minutiös und in gedrängter Form untersuchte der Hamburger Neuzeithistoriker auf fast 900 Seiten ebenso erschöpfend wie ermüdend die Kriegszielprogramme der zivilen und militärischen Reichsleitung sowie einflussreicher gesellschaftlicher Gruppen des deutschen Kaiserreichs während des Ersten Weltkriegs. (...)
Wiederveröffentlichung von: Klaus Große Kracht, „An das gute Gewissen der Deutschen ist eine Mine gelegt“. Fritz Fischer und die Kontinuitäten deutscher Geschichte in: Jürgen Danyel/Jan-Holger Kirsch/Martin Sabrow (Hrsg.), 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 66-70.
Vor etwas mehr als zehn Jahren schlug der Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen vor, eine neue geologische Epoche zu taufen, die mit der Industrialisierung in England und im übrigen Europa begonnen habe: das Anthropozän. Die Bezeichnung unterstreicht, dass menschliche Aktivitäten immer größere Spuren in allen Teilsystemen des Erdsystems hinterlassen, seitdem sie sich mit der Kraft fossiler Brennstoffe entfalten. Der geologische Epochenschnitt koinzidiert mit einer Zäsur in der Gesellschaftsgeschichte, die in der Geschichtswissenschaft seit langem allgemein akzeptiert ist: die industrielle Transformation. Die daraus folgende Parallelisierung von Menschen- und Erdgeschichte kann nicht zufällig sein. Aber bisher ist unklar, in welcher Verbindung ihre Narrative stehen und welche Implikationen das für die Geschichtsschreibung hat. Das folgende Plädoyer für eine Klimageschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zielt auf diesen Nerv.
Auch gut zehn Jahre nach dem militärgeschichtlichen Paradigmenwechsel, den John Keegan 1993 eingeleitet hatte, fällt es schwer, Chancen und Fallstricke des schwerbewaffneten „cultural turn“ gegeneinander abzuwägen. In seinem Werk „A History of Warfare“ - das zwei Jahre später ebenso programmatisch wie problematisch unter dem deutschen Titel „Die Kultur des Krieges“ erschien - hatte Keegan zu einer radikalen Abkehr von den traditionellen Perspektiven der Militärgeschichtsschreibung aufgerufen. In der Nachfolge von Clausewitz habe die Forschung das Phänomen Krieg falsch kontextualisiert und irrtümlich dem Beziehungsgeflecht von Staat und Politik zugeordnet. Anstatt den Krieg als „Fortführung der Politik mit anderen Mitteln“ zu definieren, sei es angebrachter, ihn als „Fortführung der Kultur mit ihren eigenen Mitteln“ zu analysieren.
Medienikonen der Fotografie bzw. des Films – denken wir etwa an den „Falling Soldier“ von 1936 in der Fotografie von Robert Capa, an den Jungen aus dem Warschauer Getto im sogenannten Stroop-Bericht, an das „Napalm-Mädchen“ aus dem Vietnamkrieg in der Fotografie von Nick Út, an den „Kapuzenmann“ in der digitalen Aufnahme eines amerikanischen Soldaten aus dem Foltergefängnis von Abu Ghraib oder an die Filmschleife vom Anflug auf die Twin Towers auf NBC – besitzen aufgrund ihrer spezifischen ikonischen Kraft einen hohen Aufmerksamkeitswert, der sie als visuelle Ankerpunkte aus der alltäglichen Bilderflut herausragen lässt. Über das abgebildete Ereignis hinaus verfügen diese Ikonen über einen symbolischen Mehrwert, der sie zu Stellvertretern historischer Ereignisse macht. Über diese erinnern wir bzw. formen wir kollektiv wie individuell unsere Vorstellung von Geschichte, unser Geschichtsbild. Zum Teil überlagern diese Bilder die eigenen Erinnerungen oder setzen sich gar an ihre Stelle. Bereits die bloße Nennung einer auf dem Bild dargestellten Person (z.B. Kim Phúc) oder eines Ereignisses (z.B. der Kniefall) vermag die visuelle Erinnerung zu aktivieren. Nicht zuletzt können diese Ikonen eigene Realitäten generieren und auf diese Weise selbst Geschichte machen, die dann eigene Geschichten erzählen und kaum mehr korrigierbar sind.
Die Röntgentechnik ist in der heutigen Wahrnehmung so eng mit der Medizin verknüpft, dass man sie sich kaum außerhalb des medizinischen Kontextes vorstellen kann. Tatsächlich waren Röntgenbilder in den Anfangsjahren aber noch auf kein spezielles Untersuchungsgebiet oder einen besonderen Anwendungsbereich festgelegt. Röntgen selbst richtete die von ihm identifizierten Strahlen im Winter 1895 auf alle möglichen Gegenstände – so zum Beispiel auf ein „eingebundenes Buch von ca. 1000 Seiten“, ein „doppeltes Whistspiel“ oder „zwei bis drei cm dicke Bretter aus Tannenholz“ – und verglich die bei der Durchstrahlung erzeugten Lichtreaktionen. Weiterhin experimentierte er mit Platten aus Aluminium, Hartgummi und verschieden zusammengesetzten Glasarten, bevor er den wohl bekanntesten Effekt der Röntgenstrahlen beschrieb: „Hält man die Hand zwischen den Entladungsapparat und den Schirm, so sieht man die dunkleren Schatten der Handknochen in dem nur wenig dunklen Schattenbild der Hand.“
Nach einem kurzen einführenden Überblick zur Geschichte der Unterrichtsvideografie in Deutschland wird in diesem Beitrag anhand ausgewählter Beispiele ein methodischer Zugang aus der Perspektive einer historischen Bildungs- und Unterrichtsforschung entwickelt, der insbesondere auf den visuellen Gehalt dieser noch relativ neuen Quellengattung fokussiert und diesen im Zuge des Kontextes der Unterrichtsaufzeichnungen zu reflektieren sucht.
In Frankfurt am Main ist noch bis zum 24. Oktober 2021 eine ganz besonders lohnenswerte Ausstellung zur Fotografie der deutschen Zwischenkriegszeit zu sehen. Sie macht durch Ausstellungsgestaltung und fundiert aufbereitete Hintergrundinformationen große Lust, die fotografischen Schmuckstücke „neu zu sehen“ und den Sammlungsbestand (unter Ergänzung einzelner Leihgaben) näher in den Blick zu nehmen. Der Kuratorin Kristina Lemke ist mit dieser Ausstellung etwas Wunderbares gelungen. Ein Besuch lohnt sich sehr – mit Zeit zum genauen Hinsehen erschließt diese Ausstellung neues Terrain, denn selten wird dem fotografischen Abzug an sich so viel Aufmerksamkeit und Hinwendung zuteil. Es handelt sich um ein kleines Ausstellungsjuwel; insbesondere in der Zusammenschau mit dem im Kerber Verlag erschienenen Katalog offenbart sich die fundierte Recherche.