ohne regionalen Schwerpunkt
Refine
Year of publication
Document Type
- Online Publication (293)
- Journal Article (72)
- Part of a Book (7)
- Book (2)
Has Fulltext
- yes (374) (remove)
Keywords
- Forschungsfelder (57)
- Begriffe (38)
- Methoden (18)
- Grundlagen (17)
- Schnittmengen (6)
- Debatten (5)
- Klassiker (5)
- Prozesse (4)
- Periodisierung (3)
- Authentizität (1)
Fotohistorikerinnen und -historiker – deren Perspektive auch diese Rezension folgt – machen seit vielen Jahren darauf aufmerksam, dass die Geschichtsschreibung des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts Bildquellen in die historische Analyse einbeziehen muss. Wie Fotografien politik-, sozial- und kulturgeschichtliche Prozesse in der Vergangenheit mit gestaltet haben, kann man seit den 1980er-Jahren in den Fachzeitschriften „Fotogeschichte“ und dem „Rundbrief Fotografie“, in unzähligen Monografien und Tagungsdokumentationen, seit einigen Jahren auch in geschichtswissenschaftlichen Zeitschriften wie den „Zeithistorischen Forschungen“ und nicht zuletzt an dieser Stelle nachlesen. Nun legt Annette Vowinckel eine fotohistorische Studie vor, die ausdrücklich nicht von den Fotos ausgeht, sondern „von den Handlungen, deren Ziel und Inhalt die Produktion und Zirkulation von Bildern ist“ (S. 15).
Auch der 2014 veröffentlichte Comic „Irmina“, um den es hier gehen soll, entworfen und gezeichnet von der Berliner Comic-Autorin Barbara Yelin, behandelt eine Familiengeschichte im Deutschland der 1930er- und 40er-Jahre. „Irmina“ basiert auf Tagebüchern und Briefen ihrer Großmutter, auf die die Autorin vor einigen Jahren gestoßen ist. Wie nah die Geschichte sich an diesen Aufzeichnungen orientiert, bleibt offen, deutlich wird aber, dass dem Buch ausführliche historische Recherchen zugrunde liegen. Dabei nutzt Yelin, wie ich darlegen möchte, genau jene Potenziale des Comics, die das Medium für die Geschichtsschreibung bereithält.
Alle ausgestellten 100 Werke aus der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem eint, dass sie im Augenblick der Verfolgung entstanden und nicht retrospektiv nach dem Ende des Krieges oder im Abstand von Jahrzehnten auf die Ereignisse blicken. Jedes Bild vereint drei Ebenen in sich, die die Bildtexte zu verbinden suchen: das Dargestellte, den Darstellenden sowie die Überlieferung des Werkes. Der hervorragende Katalog analysiert zudem Text, Kontext und Subtext der Bildinhalte. Zugleich geht die Ausstellung auf einer weiteren Ebene auch der Frage nach, wie unter den Umständen von Lager und Ghetto das Material für das Anfertigen der Kunstwerke beschafft werden konnte. Gemalt wurde auch auf Kartoffelsäcken und auf Watteverpackungen; für Linolschnitte wurden alte Reifen verwandt. Doch die meisten Werke sind auf Papier meist minderer Qualität entstanden und deshalb konservatorisch heikel. Überlebt haben die verbotenen Bilder in Tongefäßen oder anderen Verstecken.
Historians have analyzed films, novels, records, theater plays etc. primarily in reference to their meaning and reception. This article makes a case for moving the focus to the actors, structures and processes that shape symbolic objects before these are consumed. To this end, we present a framework established in US sociology to study the fabrication, distribution and evaluation of symbolic content. We discuss the production of culture perspective as an approach that appears to be particularly useful for historical research and, by reviewing selected works from the sociological literature, demonstrate how this perspective can be applied to phenomena like popular music and literary fiction. We focus on genres as bundles of conventions as one lens through which historians may analyze the creation, reproduction, evaluation and consumption of culture.
The supposedly commercial products of the culture industry are increasingly facing sales difficulties because growing numbers of self-assertive consumers are downloading products at will, thus no longer following the given rules of the market. Not only multinational record companies, but also representatives of ‘high’ culture are adamant in their criticism of the current ‘culture for free’ tendency. The latter can hardly be characterized as profit-oriented – nor would they describe themselves that way – but they contend that bootleg copies are a threat to their livelihood, and that the culture of piracy paves the way for harebrained mass products. The discussion encompasses copyright laws and the ways consumers are appropriating cultural products as well as the question whether or not these tendencies will fundamentally change the production of culture. Such debates are charged with cultural criticism, but in essence of economic nature. In addition, the cultural sector is faced with the accusation of waning societal relevance. In the arts and features sections of newspapers and magazines, journalists and essayists bemoan that pop culture is no longer ‘the voice and mirror of political and social change, like twenty or thirty years ago’. Although popular culture may have evolved from its original return and distribution strategies as well as its constitutive (at least for some) connection to youth and protest movements, a medially conveyed, market-driven culture that is accessible to a wide audience remains a characteristic feature of modern societies and their self-perceptions.
Klaus Nathaus and C. Clayton Childress convincingly argue that cultural and symbolic objects are produced before they are consumed and that therefore cultural historians should take a closer look at the social and economic conditions of cultural production. Instead of taking it for granted that mass reception inversely indicates the existence of a demand already ‘being there’, historians should dig into the production processes influenced (among others) by individual taste, material interest, and arbitrary decisions – or, as Nathaus, Childress and the often cited Richard A. Peterson would call it – contingency. While most of Nathaus and Childress’s examples stem from the field of music, I will in my response apply the cultural production concept to a non-musical field, namely documentary photography in the first half of the twentieth century. Further, I will raise some questions that still seem to be unanswered. Given that the causal relation between production and consumption by and large equals the chicken and egg problem, what sense does it make to shift attention from reception to production – especially when dealing with modifications of objects, commodities, or genres rather than inventions in the sense of ‘there was nothing like this before’? I will suggest to extend the concept beyond the study of ‘classical’ cultural objects – like novels or records – and to include commodities like food, clothes, or cars. Finally, I will raise the question of how to apply the production of culture perspective to socialist economies after 1945, which to my knowledge has not been tried yet.
Ein Zug von Elefanten mit orientalisch bekleideten Reitern und Treibern bewegt sich durch eine – wie die Bildunterschrift verrät – Münchner Straße. Diese Momentaufnahme aus dem Großstadtleben des späten 19. Jahrhunderts verwundert auf den ersten Blick und gehört mit Sicherheit zu einer der ungewöhnlicheren Szenen, die der 2013 erschienene Bildband „München im 19. Jahrhundert. Frühe Photographien 1850-1914“ enthält.
Kairos ist ein Nebendarsteller im olympischen Spektakel griechischer Mythologie. Er ist der „Gott des glücklichen Moments“. Dargestellt mit einer unübersehbaren Stirnlocke, die es zu ergreifen gilt in dem einen, dem richtigen Moment.
Diesem jüngsten Sohn des Zeus begegnete der Immobilienmakler und Hobbyhistoriker John Maloof im Jahr 2007. Und er traf die richtige Entscheidung im unwiederbringlich richtigen Moment. Für den Preis von 380 Dollar ersteigerte er in einem Chicagoer Auktionshaus mehrere Kartons voller Negative. Erhofft hatte er sich Bilder über sein Chicagoer Stadtviertel Portage Park für eine Chronik dieses Teils der Stadt, an der er gerade arbeitete. Gefunden hat er Fotografien aus den Jahren 1950 bis weit in die 1990er-Jahre von einer ihm unbekannten Fotografin: Vivian Maier.
Was der französische Kriegsfotograf Patrick Chauvel hier zum Ausdruck bringt, würden viele seiner Kollegen sicher unterschreiben. Wer einmal angefangen hat, Krieg zu fotografieren, kommt davon oft nicht mehr los – so zumindest berichten es viele der in diesem Band vertretenen Fotografinnen und Fotografen. Der von Michael Kamber zusammengestellte Band enthält 21 Gespräche mit 15 Männern und fünf Frauen, die in Kriegen von Vietnam bis Afghanistan fotografierten (Joao Silva ist mit zwei Gesprächen vertreten).
Eingeteilt sind die Gespräche in die Komplexe „Mission“, „Krieg“ und „Narben“.
Rezension: Fokus Panofsky
(2019)
Der Literatur-, Kunst- und Frühneuzeithistoriker mit einem Schwerpunkt bei der Mittelalter- und Renaissanceforschung Dieter Wuttke (Jg. 1929), zuletzt von 1979 bis 1995 Inhaber des von ihm gegründeten Lehrstuhls für Deutsche Philologie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit an der Universität Bamberg, ist den Lesern von IFB zuletzt mit der Rezension der dritten, ihm zum 80. Geburtstag gewidmeten Festschrift begegnet. Leser von IFB mit einem längeren Gedächtnis wissen freilich auch, dass er sich mit zentralen Figuren des Warburg-Kreises befasst hat, so insbesondere mit dem Gründer des Warburg-Instituts Aby M. Warburg (1866-1929), dessen Personalbibliographie er bearbeitet hat, sowie mit Erwin Panofsky (1892-1968), der nach Warburgs Tod zusammen mit Fritz Saxl eine der zentralen Figuren der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg in Hamburg war.
In den 1970er-Jahren lief im westdeutschen Fernsehen eine Serie der Augsburger Puppenkiste, deren Held und Titelgeber der kleine König Kalle Wirsch war. Kalle Wirsch, König der Erdmännchen, war, wie sein Name sagte: ein freundliches kleines Männchen, alles andere als unwirsch. Der Name aber irritierte – wer benutzt schon das Wort „wirsch“? Das Wort gibt es tatsächlich, es ist aber kein Gegenbegriff zu „unwirsch“, sondern eine Verballhornung von „wirr“. Zu „unwirsch“ gibt es keinen Gegenbegriff. Der kleine König Kalle Wirsch mag einem bei „Gleichheit und Ungleichheit“ in den Sinn kommen. Denn viel wird gesprochen von Ungleichheit, und dies vor allem im Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit. Aber Gleichheit? Nur ganz wenige Autoren haben über deren Geschichte nachgedacht. Einer davon ist der Zürcher Historiker Jörg Fisch. Er fasst, bezogen auf das späte 19. Jahrhundert, Gleichheit vor allem als einen Anspruch, als eine Forderung. Sie ist also etwas, was (noch) nicht ist. „Gleichheit“ blieb als die bürgerliche Forderung nach rechtlicher und politischer Gleichberechtigung stehen und wurde (jedenfalls in Europa) im späten 19. und im 20. Jahrhundert zumindest teilweise eingelöst. Die Forderung nach sozialer Gleichheit jedoch, die aus revolutionären Bewegungen kam, ließ sich nicht einmal als Anspruch durchhalten, wurde als staatsgefährdend identifiziert und erbittert bekämpft. Soziale Gleichheit erhielt das Stigma des Utopismus und behielt lediglich in der Forderung nach Abbau (und nicht Abschaffung) sozialer Ungleichheit eine gewisse Berechtigung.
Es waren nicht zuerst die Zeithistoriker, die das Thema Alter und Altern für die Geschichtswissenschaft erschlossen. Die Pioniere näherten sich dem Gegenstand aus dem 19. Jahrhundert oder griffen noch viel weiter aus. Diese Perspektive der longue durée ist vor allem der Sozialgeschichte eigen: Bezogen auf Alter und Altern flankierte sie die Historische Demographie, um Altersaufbau, Lebenserwartung und Familienstrukturen von Gesellschaften über Jahrhunderte hinweg zu rekonstruieren. Ebenso lässt sich die Entwicklung von Rentensystemen und ihren Vorläufern in der Langzeitperspektive beschreiben. Die Kulturgeschichte folgte diesem Pfad; sie beleuchtete Altersbilder und -diskurse seit der Antike, wobei sie die Ambivalenz positiver und negativer Deutungen als Kontinuität entdeckte. Als dritter Strang der historischen Altersforschung hat sich die Medizingeschichte lange Zeit separat entwickelt.
Es ist erst einige Jahre her, da erinnerte ein überdimensionales, begehbares Prostatamodell Männer an die Wichtigkeit der Krebsvorsorge. Eine „Urolisken“- Skulptur, die in verschiedenen deutschen Städten aufgestellt wurde, hatte dasselbe Ziel. Beide Aktionen zeigen: Alternde Männer werden derzeit in ihrer Körperlichkeit verstärkt sichtbar. Für alternde Frauen könnte man Ähnliches feststellen.1 Dies war längst nicht immer so. Wer die Situation alter Männer mit Prostatakarzinom als Familienväter und -versorger im frühen 20. Jahrhundert nachzuzeichnen versucht, stößt schnell an Grenzen, was mit der schwierigen Quellenlage zu tun hat. Mediziner hatten für diese Patienten wenig Handlungsspielraum, Behandlungsmethoden reduzierten sich oftmals auf Palliation, und für die Öffentlichkeit blieben die Krankheitsverläufe dieser Männer ohnehin meist unsichtbar. Im Gegensatz dazu gibt es im späten 20. und beginnenden 21. Jahrhundert eine öffentliche Zurschaustellung.
In den 1970er-Jahren wurde Resilienz zu einem Begriff für die Fähigkeit eines Systems, flexibel auf Stress zu reagieren. Statt nach einer Störung dem linearen Ideal der Erholung zu folgen, sollte sich das resiliente System neu organisieren. Die Konzepte Stress und Resilienz stammen aus der Materialforschung des 19. Jahrhunderts; im 20. Jahrhundert wanderten sie in die Psychologie und in die Ökologie. Der Beitrag skizziert die Entstehung des Ideals multistabiler Systeme, die auch unberechenbare, diskontinuierliche Veränderungen bewältigen sollten. Entlang der Geschichte der Bruchmechanik des 19. Jahrhunderts, der Traumaforschung der 1950er-Jahre sowie der Stressökologie der 1970er-Jahre wird gezeigt, wie sich Stress und Resilienz zu Systembegriffen ausweiteten, die so unterschiedliche Größen wie die menschliche Persönlichkeit und die irdische Umwelt erfassten. Diskutiert wird insbesondere die Vorstellung des antizipierten Versagens. Ob Mensch, Technik oder Umwelt – das einkalkulierte Systemversagen wurde zur Bedingung für die Selbstoptimierung des Systems, das aus Krisen und Katastrophen gestärkt hervorgehen sollte. Der Kollaps wurde nicht mehr als ein das moderne Selbstverständnis unterlaufendes Problem gedeutet, sondern als der Motor der Evolution.
Stress ist als Begriff und Problem weit über die Medizin- und Wissenschaftsgeschichte hinaus relevant; Stressdiskurse können als Sonde für breitere gesellschaftsgeschichtliche Konstellationen dienen. Eine geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Stress muss daher zum einen dem medizinisch-biologischen Konzept nachgehen, zum anderen dessen gesellschaftliche Funktionalität erfassen. Die Zeitgeschichte wird den Fokus besonders auf die sozioökonomischen Prozesse und die soziale Sinngebung richten. Gleichwohl gibt es ein nicht zu vernachlässigendes methodisches Grundproblem: Wie lässt sich eine Beziehung herstellen zwischen den biochemischen und psychologischen Dimensionen, die mit dem Stressbegriff verknüpft sind, sowie den komplexen sozialen Konfigurationen, die dieser Begriff rationalisieren soll? Was sind die Konstituenten und Selbstbeschreibungsmodi einer Gesellschaft, die sich durch Flexibilisierung und Regulierung gleichermaßen auszeichnet? In welchem Verhältnis stehen zudem die jüngere Entwicklung seit den 1970er-Jahren, in der Stress eine hohe Deutungsmacht erhalten hat, und die Überforderungsdiskurse seit dem Ende des 19. Jahrhunderts?
Kommerzielle Bildanbieter entledigen sich zunehmend ihrer analogen Fotoarchive. Dabei geht es nicht selten um Millionen von Fotografien. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, wie es bei solchen Anbietern um die Wertschätzung ihres analogen Fotoerbes steht. Die Antwort scheint entsprechend einfach zu sein: Solche Bestände werden gering geschätzt. Die Fotoarchive werden abgegeben oder gar vernichtet, weil sie für ihre Besitzer mehr Verlust als Profit einbringen. In manchen Fällen übernehmen öffentliche Gedächtnisinstitutionen wie Archive, Museen und Bibliotheken die Bestände und widmen sie von Gebrauchs- zu historischen Fotoarchiven um. Dies hat im Zusammenspiel mit der allgemeinen Digitalisierung der Fotografie das Bewusstsein für die Historizität alter Pressefotografien und damit für ihren kulturellen sowie wissenschaftlichen Wert geschärft. Die einst massenhaft für den Verkauf hergestellten Gebrauchsbilder gelten heute als zeithistorische Dokumente. In der medialen Öffentlichkeit wird vollmundig vom »visuellen« oder vom »fotografischen« Gedächtnis eines ganzen Landes geschrieben.
Es gibt keinen Krieg ohne Heldengeschichten. Gegenwärtige Forschungen zum NS-Heldenkult knüpfen an diesen Gedanken unmittelbar an, vertreten jedoch zwei sehr unterschiedliche Ansichten, ohne dass dies eine Forschungsdebatte ausgelöst hätte: Auf der einen Seite steht die Vermutung, erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und somit nachdem der soldatische Heldenkult mit den Verbrechen der Nazis in Verbindung gebracht werden konnte, sei Abstand genommen worden von heroisierenden Kriegserzählungen. Auf der anderen Seite steht der Befund, schon während des Zweiten Weltkriegs und vor allem mit der Niederlage der 6. Armee in Stalingrad 1943 sei die Heroisierung der Wehrmacht unglaubhaft geworden. Mein Dissertationsprojekt überprüft diese These in Bezug auf die Wehrmachtssoldaten durch die Analyse der in illustrierten Zeitschriften veröffentlichten Bilder, die von Fotografen der NS-Propagandakompanien aufgenommen wurden und damit der Zensur des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und des Oberkommandos der Wehrmacht unterstanden.
Die Kollaboration mit dem NS-Regime fand in allen besetzten, verbündeten und neutralen Ländern statt. Sie war ein transnationales Phänomen, das zur Ermordung der europäischen Juden maßgeblich beitrug bzw. sie überhaupt in diesem Ausmaß ermöglichte. Die Erforschung der Kollaboration stellt daher eine zentrale Aufgabe der Geschichtswissenschaft dar, die bis heute nur ansatzweise realisiert wurde. In diesem Beitrag werden Methoden und Fragestellungen der Kollaborationsforschung präsentiert, die keine Unterdisziplin oder ein Sonderforschungsbereich der Besatzungsgeschichte ist, sondern ein eigenständiges Forschungsfeld. Die Kollaborationsforschung legt die agency der nichtdeutschen Akteure offen und zeigt, wie sie die Geschichte der Besatzung, des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs aktiv mitgestalteten.
Was vor einigen Jahren ein Schreckensszenario war, ist längst eingetreten. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs gilt schon heute: »Quod non est in google, non est in mundo.« Freilich, eine verkürzte Sicht. Der Aufbau elektronischer Findmittel zur Durchforstung von Archiv-, Bibliotheks- und Museumsbeständen hat in den vergangenen Jahren ein starkes wissenschaftliches Interesse gefunden. Die Gesellschaft vernetzte sich, es entstanden viele nützliche Service-Angebote, neue Begehrlichkeiten wurden geweckt. Heute geht es nicht mehr darum, Inhalte nur zu erschließen, sondern darum, sie online zu vermitteln. In sozialen Medien werden diese Inhalte »getaggt«, »geliked«, empfohlen oder gar kommentiert. Die sammelnden Institutionen stehen damit vor einer gewaltigen Herausforderung – technisch, finanziell und vor allem konzeptionell. Mit dem Aufkommen von Bits und Bytes befindet sich die Kulturtechnik des Sammelns und Präsentierens in einem tiefgreifenden Umbruch. Der digitale Wandel impliziert die Frage, ob Gedächtnisinstitutionen künftig noch derselbe Stellenwert zukommen wird, zukommen muss wie heute: Schaffen entmaterialisierte Kulturgüter eine neue Kulturgesellschaft?